Progressiveres Framing zu Staatsfinanzen-, Schulden und Geld - Modern Monetary Theory

Liebes Lage der Nation Team,

ich beschäftigte mich schon länger mit der (heterodoxen) ökonomischen Denkschule der Modern Monetary Theory und würde mir für euren Podcast eine progressive Beleuchtung auf Staatsschulden und Geld, wie sie mit dem Verständnis der ökonomischen Denkschule der Modern Monetary Theory (MMT) einhergeht, wünschen.

Soweit ich das bisher richtig mitbekommen habe, seht ihr die Schuldenbremse eher kritisch, habt aber bisher nicht in ihren Grundsätzen die neoliberalen Mythen, die wohl äußerst weit verbreitet sind, thematisiert, auf denen die Schuldenbremse fußt.
Diese sind in etwa, dass Staatsschulden für zukünftige Generationen eine Belastung wären und zurückgezahlt werden müssten, dass „Geld drucken“ automatisch zu Inflation führen würde oder dass der Staat pleite gehen könnte und Geld für ihn knapp sei, er Geld erst einnehmen müsste bevor er es ausgeben könnte.
Die MMT lässt neoliberale Framings wie diese in einem völlig neuem Licht erscheinen, nach dieser Theorie ist nicht mehr mangelndes Geld das Problem, vielmehr ist es die Begrenztheit realer Ressourcen. Diese lassen sich durch expansive Fiskalpolitik effektiv auslasten um den allgemeinen Wohlstand zu verbessern und gesellschaftliche Ziele wie die Transformation hin zu einer grünen und gerechten Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. Im öffentlichen Diskurs gelten staatliche Mehrausgaben(Schulden) aber immer noch meistens als schlecht, sie wären eine Belastung für zukünftige Generationen, selbst im progressiven Lager gibt es nicht zu selten die neoliberale Erzählung vom „Geld der Steuerzahler“. Maximal gibt es von dort die These der „guten“(Investitionsausgaben) und „schlechten“(Konsumausgaben) Schulden. Auch das basiert leider auf einem falschem Verständnis moderner Geldsysteme, auf einer grundlegenden Unterschätzung der fiskalischen Leistungsfähigkeit monetär souveräner Staaten.

Insofern würde ich es sehr begrüßen, dass ihr mal die Modern Monetary Theory(MMT) zum Thema eures Podcasts macht(beziehungsweise dass ihr zumindest ihre Argumente und Schlussfolgerungen auch mit einbringt, wenn ihr Themen behandelt, die den Komplex der MMT, also Staatsfinanzen, berühren).
Das würde beispielsweise bedeuten, nicht Verschwendung von „Steuergeld“ anzuprangern, da Geld keine knappe Ressource ist. Wenn dann hielte ich es für sinnvoller, bei voller Auslastung aller Ressourcen, zu kritisieren, dass durch Haushaltszuwendungen für Zwecke, die nicht dem öffentlichen Interesse dienen, Ressourcen genutzt werden, die anderweitig gemeinwohlorientierter verwendet werden könnten.
Im Sinne der Demokratie ist es wichtig, der Öffentlichkeit keine Handlungsmöglichkeiten des Staates vorzuenthalten, sie nicht kleiner zu reden als sie sind(mit Behauptungen wie etwa, dass der Staat auf das Geld seiner Steuerzahler angewiesen sei oder er wie ein privater Haushalt funktioniere und nicht mehr ausgeben dürfe als er einnimt), damit das Wahlvolk eine gut informierte Entscheidung treffen kann und nicht denkt, dass der Staat finanziell begrenzt sei, also nicht zu viel leisten könne.

Für alle, dessen Interesse ich wecken konnte, aber sich bisher nicht allzu intensiv mit der MMT befasst haben, empfehle ich die Literatur von Maurice Höfgen oder auch Dirk Ehnts, insbesondere M. Höfgens erstes Werk zur MMT. Die beiden Autoren sind die wohl wichtigsten deutschen Vertreter der MMT.

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Das diese völlig offensichtliche Erkenntnis der Kern einer neuen und offenbar hoch umstrittenen Theorie ist, lässt die Ökonomie leider als Wissenschaft noch schlechter dastehen, als sowieso schon.

Das ist ein guter Ansatz. Leider haben wir mit der FDP eine Partei in der Regierung, die scheinbar sämtliche ordnungspolitischen Lösungen ablehnt und alles über Geld regeln möchte.

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Richtig!
Ich kenne Maurice aus „Jung & Naiv“ und kann dieser Position viel abgewinnen.
Wenn wir Geld sparen, um des Sparens willen, und damit Schulen und Verkehrsinfrastruktur verkommen lassen, die Potentiale benachteiligter Kinder (übrigens auch für den Arbeitsmarkt) nicht nutzen und die Energiewende nicht vorantreiben, dann stellt das einen viel, viel größeren Schaden für die nächste Generation dar als eine Null mehr auf dem Schuldenkonto.
Gleichzeitig sollte man aber schon Fehlausgaben (z.B. klimaschädigende Subventionen) vermeiden und nicht auf mögliche Einnahmen (z.B. höhere Erbschaftssteuer, hohe CO2-Abgaben, die als Klimageld wieder ausgeschüttet werden könnten) verzichten.

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Ich würde noch weiter gehen und sagen, ob das Schuldenkonto im Minus ist(rein bilanziell betrachtet) richtet nicht nur einen kleineren Schaden an, als wenn jetzt nicht investiert und ausgegeben wird, sondern gar keinen. Im Gegenteil. Die Schulden des Staates entsprechen schließlich 1:1 mehr Geld für den privaten Sektor. Die Staatsschulden sind folglich auch das Erbe für die zukünftigen Generationen, machen diese also reicher. Auch muss der Staat die Schulden(Staatsanleihen) ja nicht zurückzahlen, sondern kann sie überwälzen, deshalb ist es auch kein Problem und kein Wunder, dass der Schuldenstand historisch gesehen fast jeden Landes fast immer steigt. Aber für dich ist das vermutlich nichts neues :wink:.
Grundsätzlich stimme ich dir natürlich voll und ganz zu, das kleine Detail bietet nur noch einen kleines Argument und einen Vorteil im Diskurs.

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Da stimme ich dir zu, der Zustand der mehrheitlichen ökonomischen Wissenschaft ist, gelinde gesagt, nicht gut. Die fehlende Pluralität und das Festhalten an ideologischen Positionen, die oft empirisch nicht haltbar sind, schadet der Wissenschaft und ihrem Ruf. Exemplarisch dafür ist der Umgang mit der MMT, dass man kaum dazu bereit ist, eigene Positionen zu hinterfragen, auf (empirische/buchhalterische) Argumente von MMTlern einzugehen, ja häufig gar keinen Diskurs darüber zulässt(bspw. an Universitäten).

Mit Geld regeln? Bisher war die FDP doch nicht gerade durch Ausgabefreudigkeit aufgefallen, Lindner verordnet der Ampel schließlich gerade einen harten Sparkurs. Ich würde eher sagen, Ordnungspolitik und mehr Geld für sinnvolle Projekte ist beides mit der FDP nicht drin.

Ich kenne mich mit der MMT gar nicht aus. Daher könntet ihr bitte vielleicht erklären wo Länder wie Argentinien dann falsch abgebogen sind? Trotz riesiger Schulden geht es dem Land eben nicht gut, sondern die Menschen leiden unter der Schuldenlast des Landes.

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Das hatte ich anders gemeint, war vlt etwas unpräzise geschrieben. Ich meinte, dass die FDP solche Sachen den Markt regeln lassen will, und auf dem geht es ja nun mal ums Geld.

Um nicht nur auf den Ökonomen rumzuhacken, auch in anderen Wissenschaften gibt es insbesondere bei älteren Vertretern immer wieder eine gewisse Weigerung neue Erkenntnisse anzuerkennen, wenn sie erst weit hinter der eigenen Schaffensphase gemacht wurden.
Eines der berühmtesten Beispiele ist da wohl Einstein:

Das Hauptproblem mit der Ökonomie aber, dass ich zumindest habe, ist das Ökonomen einfach kaum hinreichend genauen Erklärungen für die wirtschaftlichen Abläufe haben, weil diese einfach zu komplex sind und teilweise ja sogar aktiv gegen gewisse Steuerungsmechanismen z.B. der Notenbanken gearbeitet wird.

Oft kann man nur in die Vergangenheit schauen und hoffen, dass die Dinge, die damals funktioniert haben, auch bei aktuellen Krisen helfen. Das man mit der MMT da viel ändern wird, glaube ich allerdings nicht, auch wenn der Kerngedanke sicher richtig ist.

Aus Sicht der MMT ist es von höchster Wichtigkeit zwischen Schulden in eigener Währung und in Fremdwährung zu unterscheiden. Dafür muss das Land aber überhaupt eine eigene Währung besitzen - unter anderem daran bemisst sich der Grad monetärer Souveränität.

Verschuldung in eigener Währung ist unproblematisch, während Fremdwährungsverschuldung zu (potenziell schweren) Problemen führen kann. Das liegt daran, dass bei Schulden in eigener Währung die nationale Zentralbank die Solvenz der Regierung garantiert - sie kann nicht pleite gehen. Eine Zentralbank unterliegt prinzipiell keiner technischen Beschränkung bei dem Schöpfen von Geld. Sie ist die einzige Schöpferin der nationalen Währung und damit gibt es kein Zahlungsausfallrisiko für den Staat.

Bei Schulden in Fremdwährung sieht die Sache schon ganz anders aus. Diese begeht die argentinische Regierung um Importgüter zu kaufen - vor allem in US-Dollar. Diese sind beispielsweise für das Land wichtige Energie wie Öl oder Gas. Solche Güter kann der argentinische Staat nicht mit eigener Währung im Inland kaufen, deshalb benötigt er US-Dollar um diese zu kaufen. Da Argentinien(soweit ich weiß) nicht im großen Stil in die USA exportiert, besitzt es auch praktisch kaum US-Dollar-Devisen. Somit muss es sich für Importe verschulden. Das Problem: die argentinische Zentralbank kann keine US-Dollar erzeugen, dies kann nur die amerikanische FED. Es gibt also ein Zahlungsausfallrisiko für den argentinischen Staat. Wenn Argentinien seine Schulden nicht begleichen kann, rutscht es nur noch mehr in die „Schuldenfalle“. Schädliche, neoliberale Programme des Internationalen Währungsfonds verschlimmern die Lage der Länder oft dramatisch. Sie zwingen den in ausländischer Währung verschuldeten Ländern Sparprogramme auf. Diese richten die heimische Wirtschaft zugrunde und somit jegliche Chance auf Wohlstand. Auch gibt es so erst recht keine Hoffnung auf stärkere Exporte in die USA um an mehr US-Dollar-Devisen zu gelangen.

Allerdings hat Argentinien auch gezeigt, wie einfach es sein kann, das Problem der Fremdwährungsverschuldung zu „lösen“. 2001 hat Argentinien erklärt, es begleiche ab sofort den Großteil der Schulden in Fremdwährung nicht mehr. Die Folge: zuerst ein medialer Aufschrei, angeführt von Ökonom*innen des Mainstreams. Es schwirrten Befürchtungen umher, ab sofort gebe es keine Kapitalflüsse nach Argentinien mehr, weil das Vertrauen der Investoren verspielt sei. Direkte Konsequenzen gab es nicht, welche internationale Institution hätte diese auch durchsetzen sollen?
Was ist in der Realität in Argentinien passiert? Die argentinische Regierung konnte durch die wiedergewonnene monetäre Souveränität mit der eigenen Währung die finanziellen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Der argentinische Staat kurbelte die Wirtschaft mit aktiver Fiskalpolitik(=mehr Ausgaben
= Verschuldung) und einem staatlichen Beschäftigungsprogramm kräftig an. Was machte „das Kapital“? Aufgrund der gut laufenden Wirtschaft gab es viele Profitmöglichkeiten, somit war Argentinien für Investoren, trotz des gefürchteten Vertrauensverlustes attraktiv. Das lässt sich damit begründen, dass Investoren nicht unbedingt aufgrund einer Weltanschauung, aufgrund einer „Ideologie“ entscheiden, sondern pragmatisch überlegen, wo Profitmöglichkeiten entstehen.

Da liegt also der fundamentale Unterschied, der niemals ignoriert werden darf: Schulden in eigener Währung sind für den Staat kein Problem(die Eurozone ist aufgrund von Konstruktionsfehlern ein Sonderfall), lediglich in Fremdwährung gilt es Schulden zu vermeiden.
Hoffe das hat deine Frage beantwortet?

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Ich finde das nicht so hilfreich, an so ungefähr jeder Stelle von „neoliberalem Framing“ zu reden. Auf die Staatsschulden bezogen, dass Schulden von Nachteil sind, ist kein (rein) neoliberales Framing, sondern eher ein Überbleibsel historischer Erfahrungen.

Zu Zeiten als „der Staat“ noch nahezu identisch mit dem Herrscher war, war es durchaus problematisch, wenn dieser massiv überschuldet war. Ludwig XVI hat das zum Beispiel den Kopf gekostet (verkürzt gesprochen).

Das liegt natürlich daran, dass Ludwig XVI nicht die fiskalische Souveränität hatte, die Du auch ansprichst, aber derartige historische Ereignisse wirken sicher nach, zumal dieses „man kann nur ausgeben, was man auch eingenommen hat“ über Jahrtausende das bestimmende Paradigma staatlicher Haushaltspolitik war.

Insofern, ich finde das wichtig, auf die Problematik des Wirtschaftsverständnisses von FDP usw. hinzuweisen, aber indem Du eine Wirtschaftstheorie als Framing bezeichnest, verknüpfst Du Deine Darstellung eines anderen (besseren?) Wirtschaftsverständnis mit einem politischen Angriff und letzterer ist das, was bei den Leuten, die nicht eh schon Deiner Meinung sind, hängen bleiben wird.

Die Verschwendung von Steuergeld sollte immer angeprangert werden, aber nicht weil Geld knapp ist, sondern weil Verschwendung ineffizienten Ressourceneinsatz impliziert und damit letztlich Wohlstandsverlust, Umweltschäden usw.

Das hier ist einfach verdreht, oder?

Wenn die Begrenztheit der Ressourcen das Problem wäre, dann kann nicht gleichzeitig problematisch sein, dass sie nicht ausgelastet sind. Das mit der Transformation ist auch wieder ein ganz anderer Punkt. Transformation kann man durch die Garantie einer Nachfrage beschleunigen, das hat aber nichts mit der Auslastung bestehender Ressourcen zu tun.

Eigentlich ist --soweit ich das verstehe-- der Punkt, dass wenn Ressourcen zeitweise nicht ausgelastet werden, der Staat auf diese zugreifen kann und ggf sogar sollte. Bildlich, wenn ein Bauunternehmen gerade keinen Auftrag hat und die Arbeiter dadurch nur rumsitzen (ok, nicht sehr realitätsnah) dann muss es volkswirtschaftlich gesehen besser sein, wenn der Staat dieser Firma einen Auftrag erteilt und die Produktivkraft genutzt wird anstatt zu verfallen und keinerlei Wert zu schaffen.

An der Stelle schließt sich aber auch direkt ein Problem an. Vielleicht wird die Leistung nicht nachgefragt, weil sie gesellschaftlich nicht mehr benötigt wird, dann verzögert die künstliche Nachfrage des Staats Transformationsprozesse.

Das soll jetzt kein fundamentales Gegenargument sein --es kann umgekehrt sehr wertvoll sein, auf diese Weise als kritisch erachtete Kapazitäten zu erhalten-- aber man sollte mit diesem Werkzeug zumindest vorsichtig umgehen.

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Schön. Die MMT ist also, falls sie tatsächlich überzeugen könnte, für ziemlich genau einen Staat anwendbar, die USA. Alle anderen Staaten brauchen Dollar oder haben Gemeinschaftswährung. China ist ein Sonderfall.

MMT klingt aber weiterhin grundsätzlich nach Hokuspokus und sollte sicher nicht von einem Podcast noch befeuert werden, der sich in Ökonomie nie hinreichend qualifiziert hat. Es reicht, dass „Wohlstand für Alle“ (einen Podcast den ich absolut feiere) sich der Theorie verschrieben hat. Die Mängel scheinen mir so manigfaltig, dass man die Diskussion der MMT besser auf den akademischen Kontext begrenzt und das sage ich als Laie der Ökonomie. Überzeugend ist allein die Idee doppelter Buchführung bei echten, also wirtschaftlich sinnvollen Investitionen mit hoher Sicherheit, wo also tatsächlich wirtschaftliche Gegenwerte geschaffen werden. Staatsschulden, die konsumistisch getätigt werden oder aber nicht zu wirtschaftlichem Gegenwert führen, da schlicht mit den Preisen spekuliert wird, bleiben auch nach der MMT inflationär (?).
Jüngstes Beispiel sind die Gaspreise, die in Höhe schossen noch bevor das Gas überhaupt knapp wurde, da die Staaten mit Schulden einfach jeden Preis zahlen wollten. Echte Preisfindung war unmöglich. Toll für reiche Staaten, schlecht für Verbraucher, die die Preise am Ende bezahlen und leider kein endloses Portemonnaie haben. Diese durften sich dann anhören, dass 20 Schiffe mit Gas ihr Zeug nicht loswerden, während die Nebenkostenabrechnung sie zur Verzweiflung bringt. Von ärmeren Staaten ganz zu schweigen…

Viele Aspekte der MMT werden jetzt schon so oft missverstanden, dass man das Gespenst besser im Schrank lässt, bevor es mehr Schaden anrichtet. Es ist vielleicht richtig, dass empirisch nicht belegt ist, dass hohe Inflation mit hoher Staatsverschuldung einhergeht. Ursache und Wirkung sind aber zu umstritten, als dass man hier politisch irgendwie aktiv werden sollte.

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Klasse @Finn, das hilft sehr im Verständnis.

Nehmen wir zum Beispiel Investitionen in Schulen. Die sind erstmal grundsätzlich danach gut. Aber sorgt eine Ausrüstung der Schule mit Whiteboards oder eine Sanierung nicht auch auf die Verschuldung in Fremdwährung? Es müssen schließlich Materialien und Rohstoffe aus dem Ausland gekauft werden.

Kannst du mir auch sagen was die MMT dann zur sozialen Wirkung von expansiver Geldpolitik, wie zum Beispiel die Entwertung von Sparkonten durch die Inflation, sagt? Mit einer großen Sparrate wäre man doch da der Verlierer oder?

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MMT wurde hier schon vielfach diskutiert, z.B. hier:

Ich meine, ein politischer Postcast, der die Ereignisse der Woche aufkehrt, soweit sie die Postcaster interessiert und relevant sind, kann nicht eine komplex und höchstumstrittene Theorie darstellen und einordnen, nur weil deren Kernaussagen das politische Schlaraffenland ermöglichen würden.

Hauptproblem in der EU: Die MMT setzt voraus, dass der fiskalisch aktive Staat eine Souveränität über das Geld hat. Das ist bei allen Mitgliedsstaaten des Euros nicht der. Fall!

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Das sehe ich auch so.
Ich möchte an dieser Stelle einen Podcast rund ums Geld einwerfen. Dort werden unterschiedlichste Geldmodelle präsentiert und ausführlichst beschrieben und diskutiert:
Podcast – Magic Future Money

Dass Schulden für einen Staat kein Problem sind, ist im Prinzip der Fall, ab dem der Staat eine eigene Währung ausgibt, eine Fiatwährung(keine technische/natürliche Begrenztheit). Die erste Fiatwährung, die mit modernem heutigem Geld vergleichbar ist, gab es bereits 1000 n. Chr. in China. Und auch in Europa sind Fiatwährungen nichts komplett neues. Ich glaube kaum, dass die „historischen Erfahrungen“, die vor vielen Hundert Jahren mal der Fall waren, jetzt noch einen relevanten Einfluss haben. Vielmehr bestimmen die Wirtschaftswissenschaften aktuell und aus den letzten Jahrzehnten, was wir meistens in den Medien von Experten hören und daher rührt sicherlich auch die weit verbreitete Ablehnung von staatlichen Schulden. Die im Neoliberalismus propagierte Verkleinerung des Staates wurde nicht zuletzt auch von Margaret Thatcher angeführt, die den Satz prägte(zu Deutsch): „Es gibt kein öffentliches Geld, es gibt nur das Geld der Steuerzahler“. Unter anderem dieses Verständnis von Geld führt zu so weitreichenden Fehleinschätzungen. Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, die Problematik dahinter klar zu benennen.

Vom knappen „Geld der Steuerzahler“ zu reden ist Framing. Es ist ja keine korrekte, neutrale Tatsachenbeschreibung, ein solches Geld gibt es schlicht nicht. Und als neoliberal kann man dieses Framing sehr wohl bezeichnen. Nicht zuletzt dient es der Ideologie, welche insbesondere im neoliberalen Zeitalter aufblühen konnte, dass der Staat möglichst wenig Schulden haben und möglichst klein sein sollte. Aber klar nur diese 2 Wörter überzeugen niemand, das tun Argumente, die ich auch versuche darzulegen. Und das Wort neoliberal sehen sicher nicht alle als „politischen Angriff“, siehe zuletzt ein Interview in der Zeit mit Christian Lindner, wo er auf die Frage, ob er neoliberal sei nicht klar verneinte, sondern die Unterstützung für eine dem Neoliberalismus nahe stehende Denkschule bekannte. Es gibt wohl noch weitere Menschen die mit derartigen Gedanken keine großen Probleme haben.

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Natürlich kann es das. Vielleicht ist nicht ganz klar geworden was ich meine. Um das einmal klarzustellen: als Ressourcen bezeichne ich beispielsweise Arbeitskraft, Land, Rohstoffe, Technologie, Energie, natürliche Ressourcen, etc.
Das was ich nun meine: wenn ein Staat etwas umsetzen will, muss er sich nicht um Geld Gedanken machen. Geld ist unbegrenzt da. Um was sich der Staat Gedanken machen muss für die Umsetzung seiner Projekte, sind reale Dinge. Beispielsweise existieren gerade gibt es gerade signifikant viele Arbeitskräfte, die zur Verfügung stehen, weil sie gerade arbeitslos sind. In Deutschland sind das den offiziellen Statistiken zufolge 5,7 Prozent, in der Realität sind das nochmals mehr, da einige Gruppen dort herausfallen. Du behauptest, die Ressourcen seien ausgelastet. Offensichtlich ist dies nicht der Fall, dann würde ja Vollbeschäftigung herrschen. Diese große Menge an Arbeitslosen ist ein gewaltiges Verschenken von Ressourcen, von Potenzial. Die offenen Stellen sind im Übrigen auch weitaus geringer(1,8 Millionen) als die Arbeitslosenzahl. Also die Nachfrage nach Arbeitskräften ist deutlich geringer als das Angebot, als die verfügbaren Ressourcen. Der Staat kann nun expansive fiskalische Impulse setzen um die nötige Nachfrage nach Arbeitskräften zu schaffen, beispielsweise über einen Green New Deal, angelehnt an Roosevelts New Deal. Nicht zu verwechseln mit dem geplanten Green Deal der EU. Damit würde ein ökologischer Umbau der Wirtschaft eingeleitet und gleichzeitig über die zusätzlich generierte Nachfrage die Wirtschaft stärker ausgelastet, Unternehmen stellen Menschen ein, weil sie mehr Aufträge bekommen, auch der Staat würde mehr Menschen zu Erfüllung seiner Aufgaben benötigen. Ein solches Programm würde zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führen. Deutschlands und Europas Wirtschaft, die seit Jahrzehnten unter Unterauslastung leiden, könnten endlich Vollbeschäftigung und den maximal mit unseren Ressourcen möglichen Wohlstand erreichen.
Um mit der geschaffenen Nachfrage genügend Jobs für alle zu schaffen, müssen die Arbeitslose selbstredend gar nicht beim Staat selbst angestellt sein. Wie auch sonst bei einem wirtschaftliche Aufschwung entsteht mehr Nachfrage und somit stellen Unternehmen mehr Personen ein um der gestiegenen Nachfrage nachzukommen. Allerdings wird es wohl immer langfristig, auch mit aktiver Verschuldungspolitik um die Konjunktur anzukurbeln, Konjunkturschwankungen geben, damit auch eine prozyklische Arbeitslosenrate. Um diese auszugleichen und den letzten Rest Arbeitslosigkeit zu vermeiden, wäre die Einführung einer staatlichen Jobgarantie sinnvoll, damit ist immer genügend Nachfrage nach Arbeitskraft da. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit wäre somit abgeschafft.
Für die Erreichung der Ziele des Staates (bspw im grünen Sektor) gibt es viele spezifische Maßnahmen, die dabei hilfreich sind, etwa um die Arbeitskräfte in die richtigen Stellen zu bekommen.
Um mal eine zu nennen: Personen werden bspw. im Handwerk gebraucht, da könnte der Staat Ausbildungsprogramme für Neulinge oder Weiterbildungsprogramme(für Wärmepumpen, effiziente Dämmung, etc…) für die Menschen, die schon im Handwerk arbeiten, anbieten.

Du behauptest hier, die gegenwärtige Marktsituation würde für das Allgemeinwohl zufriedenstellende Ergebnisse produzieren. Das würde ich nicht teilen, schließlich stehen wir vor großen Herausforderungen und ich sehe nicht genügend Bewegungen, dass der Markt sich von allein in die richtige Richtung bewegen würde.
Bei der Haushaltsplanung gilt es natürlich gut zu überlegen, was für die Gesellschaft sinnvoll ist und wofür Geld ausgegeben werden sollte.

Danke für Deine Mühe mit diesen ausführlichen Antworten, aber bitte interpretier nicht irgendetwas in meine Aussagen hinein.

Nein, ich habe lediglich auf den Widerspruch in der folgenden Aussage hingewiesen

Du schreibst hier, die Begrenztheit der Ressourcen sei ein Problem. Das impliziert (für mich), dass sie ausgelastet sind und darüber hinaus gehende Nachfrage nach ihnen existiert. Im nächsten Satz schreibst Du, die Ressourcen ließen sich durch expansive Fiskalpolitik auslasten. Entweder besteht zwischen diesen Sätzen kein Sinnzusammenhang oder der zweite kann logisch nicht die Lösung des im ersten skizzierten Problems darstellen.

Naja, und das hier hab ich weder behauptet noch sehe ich, wo man das in meinen Kommentar hineininterpretieren könnte noch bin ich der Meinung, dass dem so wäre.

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Zuerst würde ich der Prämisse widersprechen, dass die MMT „anwendbar“ sei. Anwendbar sind politische Programme, die Forderungen enthalten. Das ist die MMT aber nicht. Sie ist rein deskriptiv, also beschreibt das gegenwärtige Wesen moderner Geldsysteme und zieht daraus Schlussfolgerungen. Sie sagt aber nicht, was für eine Politik eine Regierung verfolgen soll. Die Regierung kann nur das verbesserte Verständnis der MMT nutzen, um ihre Politik effektiver durchzusetzen.
Also hilft sie für jeden Staat, die Handlungsspielräume und das politisch Sinnvolle besser nachzuvollziehen.

Jetzt zu deiner These, die MMT gelte nur für die USA.
Ich stimme dir zu, dass einige Länder geringeren Handlungsspielraum als andere aufweisen, da sie eine Gemeinschaftswährung nutzen, Fremdwährungsschulden besitzen, einen festen Wechselkurs verfolgen oder keine eigenen Steuern durchsetzen können(Steuern schaffen erst Nachfrage nach der Währung).
Die Eingrenzungen des Handlungsspielraums in einer Währungsunion(beispielsweise) sind allerdings selbstgemacht. Die EU und die EZB haben in der Corona-Pandemie gezeigt, wie sich diese korrigieren lassen. Mit dem Aussetzen des Stabilitäts- und Wachstumspakt gab es keine strengen Schuldenregeln auf EU-Ebene mehr und die EZB hat mit ihrem großem Anleihekaufprogramm PEPP für die Zahlungsfähigkeit der Mitgliedsländer garantiert. Dies dauerhaft Einzuführen, dafür gilt es in der EU politische Mehrheiten zu finden, damit die Mitgliedstaaten endlich auf Dauer aus ihren politisch-fiskalischen Fesseln befreit werden können.
Dass alle anderen Staaten außer China Dollar bräuchten ist so nicht richtig, um ein paar Beispiele zu nennen wo das nicht der Fall ist: Großbritannien(Pfund), Schweiz(Franken), Japan(Yen), usw.
Für Entwicklungsländer ist die Situation komplizierter, diese wurden in Abhängigkeiten gedrängt. Hier muss grundsätzlich ein Kurswechsel in der Politik der westlichen Länder her. Das Problem liegt allerdings nicht darin, dass die MMT hier nicht „gelte“. Auch diese Länder können eine eigene Währung einführen(oder falls sie diese bereits besitzen, diese einfach nutzen) und mit Vollbeschäftigungspolitik zu einer stärker florierenden Wirtschaft gelangen. Wenn man auch internationale Abhängigkeiten bedenken muss. Da muss jede Regierung pragmatische Lösungen finden.

Würde ich aus demokratietheoretischer Sicht für eine ganz schlechte Idee halten, der Bevölkerung staatliche Handlungsmöglichkeiten vorzuenthalten. Eine Diskussion muss in einer Demokratie immer möglich sein.

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Dass der Staat als Spekulant auftreten soll, möchte glaube ich kaum jemand, auch nicht Anhänger der MMT. Oder meintest du etwas anderes?
Prinzipiell kann jede Ausgabe wirtschaftlicher Subjekte in einer Volkswirtschaft inflationär wirken, ganz egal ob von Unternehmen, Haushalten oder Staat.
Dabei gibt es keine Trennung zwischen Schulden und „normalen“ Ausgaben. Jede Ausgabe des Staates erhöht die Nettogeldmenge in der Privatwirtschaft, also schöpft neues Geld. Jede Steuerzahlung verringert die Nettogeldmenge in der Privatwirtschaft.
Ob eine Staatsausgabe inflationär wirkt, oder ob nicht, lässt sich nicht allgemein sagen, dafür muss sich bei der Haushaltsplanung immer ganz konkret jeder einzelne Sektor angeschaut werden und geprüft werden, inwiefern dort Kapazitäten frei sind. Falls nicht würde es zu einem Wettbieten zwischen Staat und privatem Sektor kommen, wobei der Staat, wenn er will, natürlich immer gewinnt. Das wäre aber mit Preisanstiegen verbunden, deshalb ist es immer sinnvoller in solchen Situationen, über verschiedenste Maßnahmen die nötigen Ressourcen freizusetzen.
Bei der Prüfung, ob eine Ausgabe inflationär wirkt oder nicht, ist völlig egal ob es sich um eine Investitions- oder Konsumausgabe handelt, in der Realität ist eine solche Trennung sowieso nicht selten nur schwer möglich. Beides sind Geldinjektionen, die die Nachfrage erhöhen (können).

Beispiel 1: Es herrscht Vollbeschäftigung und der Staat möchte mehr Menschen anstellen. Er erlässt keine Maßnahmen um die Ressourcen freizusetzen sondern stellt die Arbeitskräfte einfach an, indem er einen höheren Lohn zahlt als andere Unternehmen. Die Folge ist ein Wettbieten zwischen privatem Sektor und Staat - sehr wahrscheinlich, dass inflationär.

Beispiel 2: Es herrscht Arbeitslosigkeit. Der Staat stellt die Menschen an, es entsteht kein Wettbieten, da noch genügend Arbeitskräfte vorhanden sind.

Es ist deutlich geworden was ich meine? Beide Male hat der Staat mehr Geld für „Konsumausgaben“ aufgewendet, das eine Mal wirkte dies inflationär, das andere Mal nicht.

Entschuldige bitte, falls ich deine Aussagen missverstanden habe.

Mit „das Problem“ meine ich, dass reale Ressourcen der entscheidende Faktor sind. Anders als im Moment, wo bei jedem Projekt erstmal kritisiert wird, dass es nicht finanzierbar sei, dabei ist das nicht die Frage. Die Frage ist, ob es ressourcentechnisch umsetzbar ist, das meinte ich mit „Problem“. Dass die realen Ressourcen begrenzt sind ist das Problem, nicht dass das Geld knapp sei.

Wenn du sagst, die Leistung wird nicht mehr nachgefragt, weil sie gesellschaftlich nicht mehr benötigt wird, dann impliziert das ja, Leistungen die nicht nachgefragt werden sind gesellschaftlich nicht benötigt. Und da diese Prozesse auf einem Markt stattfinden, habe ich das auch so bezeichnet. Aber gut wenn du das anders meintest, sind wir uns ja einig, in dem Punkt.

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Nein, da es auch möglich ist, die Euros an den Devisenmärkten in Dollar umzutauschen und so die Güter einzukaufen. Allerdings fällt dann der Wechselkurs, wenn ein Land mehr Währung umtauscht, also importiert, für das importierende Land. Dann wird die ausländische Währung immer teurer. Das Umtauschen erzeugt aber keine Schulden in der Bilanz der Regierung.
Vorhin, bei Argentinien, war der Unterschied, dass die argentinische Regierung direkt US-Dollar Schulden aufgenommen hat. Sie hat Anleihen ausgegeben, die in US-Dollar lauteten. Der den Anleihen entsprechende Wert wurde der argentinischen Regierung vom „Kapitalmarkt“ geliehen. Da der argentinische Peso im Vergleich zum US-Dollar fast nichts Wert ist, kann er auch sehr schlecht an den Devisenmärkten umgetauscht werden.

Meinst du hier mit expansiver Geldpolitik, dass die Zinsen niedrig, beziehungsweise bei Null sind?
Dir ist bewusst, wo der Unterschied zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik liegt? Falls nein, erläutere ich das kurz.
Geldpolitik ist die Politik, die die Zentralbank betrifft also Leitzinsen, Anleihekaufprogramme etc.
Fiskalpolitik hingegen ist die Politik, die die Einnahmen und Ausgaben des Staates betrifft, also Steuerpolitik und Haushalt.
Insofern wäre eine expansive Fiskalpolitik eine Politik, mit der die Regierung mehr ausgibt als sie einnimmt. Die Menschen haben als Folge mehr Geld in der Tasche.
Expansive Geldpolitik wäre eine Politik, mit der die Zentralbank versucht, die Zentralbankguthabenmenge(wichtig: Zentralbankguthaben können nicht in die Realwirtschaft fließen, können deshalb keine Preise verändern und damit keine Inflation auslösen) auszuweiten, also die Menge an Guthaben zu erhöhen, die die Geschäftsbanken bei der EZB halten. Dies würde sie unter anderem versuchen, indem sie die Zinsen senkt, damit versucht sie auch die Kreditvergabe zu erhöhen. In der Empirie zeigt sich jedoch, dass das kaum funktioniert, aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls, wenn die Zinsen bei Null sind, aber die Zielinflationsrate von 2% erreicht wird, gibt es bei Sparkonten einen Reallohnverlust. Aus sozialen Gesichtspunkten ist dies allerdings kein Problem, da grob die Hälfte der Bevölkerung sowieso keine oder nur wenige Ersparnisse hat, es sind also nur die reichsten 50% betroffen. Generell haben Zinsen eine schlechte Verteilungswirkung, weil die, die viel haben noch mehr bekommen und die, die nichts haben nichts bekommen.

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