LDN 360: Finanzpolitik: Sind Schulden ein Problem?

Mir scheint es, dass du auf Inflation/Hyperinflation durch das Schöpfen von neuem Geld anspielst und mögliche Probleme durch die Inflation.
Dabei bleibt für mich unklar, wo die Inflation genau herkommt. Alleine dadurch, dass Geld gedruckt wird oder der Staat sein Kontostand erhöht, steigen die Preise noch nicht an.

Hier kommt das Haushalten der Regierung ins Spiel. Hier gibt es verschiedene Szenarien.
Szenario 1: Ausgaben für Projekte ohne Wohlstandsgewinn
Stellt euch vor es gibt Krieg und die Regierung gibt neues Geld für Waffen, Munition und Soldaten aus. Jetzt wird ein großer Teil der Wirtschaftsleistung und der Ressourcen für Rüstungsgüter aufgewendet. Dafür weicht ein Teil, der vorher unseren Wohlstand produziert hat verwendet. Folglich gibt es weniger Angebot an vielen Produkten und werden dadurch teuerer. Es gibt Inflation.

Szenario 2: Ausgaben für Projekte mit Wohlstandsgewinn
Die Regierung investiert in erneuerbare Energien und Forschung. Es werden viele Windräder, Solaranlagen und Energiespeicher gebaut. Dadurch gibt es günstigen Strom (erneuerbare Energien sind die günstigsten Stromerzeuger). Was dann alle Produkte oder Prozesse die Strom brauchen günstiger macht. Die Preise werden tatsächlich günstiger.

In Szenario 1 stehen wir durch Geldschöpfung/Kreditaufnahme am Ende schlechter da, als vorher (weniger Wohlstand und teuere Preise).
In Szenario 2 stehen wir besser da als vorher (mehr Wohlstand, da Produkte günstiger). Und wir können die Kredite zurückzahlen bzw. wurden durch das geschöpfte Geld tatsächliche Werte geschaffen.

Das können wir gerne als Haushalten wie ein Unternehmen bezeichnen oder als progressive Finanzpolitik.

Der Staat kann seine Einnahmen, direkt beeinflussen. Eine Gesetzesänderung und schon sind die Steuereinnahmen im nächsten Haushaltsjahr höher. Das BIP kann der Staat aber nur indirekt beeinflussen.

Diese werden aber mit Zentralbankgeld bezahlt. Was die Banken dann mit den Staatsanleihen machen, kann dem Staat doch egal sein. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages schreibt dazu in einem Gutachten:

Die oben dargestellten Transaktionen wurden ausschließlich in Zentralbankgeld abgewickelt: Bundeswertpapiere wurden gegen Zentralbankgeld (Guthaben bei der Bundesbank) an die Mitglieder der „Bietergruppe Bundesemissionen“ verkauft und dem Bund steht nach Abschluss des Verkaufs ein höherer Kontostand bei der Zentralbank zur Verfügung. Bis zu diesem Zeitpunkt fand keine Geldschöpfung statt.

In dem Moment allerdings, in dem der Bund das Guthaben auf seinem Zentralbankkonto zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet, zum Beispiel Straßenbau, Sozialleistungen etc., fließen diese Mittel auf Geschäftsbankkonten. Durch diese Transaktionen entsteht neues Buch- bzw. Giralgeld, wodurch sich die Geldmenge erhöht.

Das zweistufige Geldsystem (Zentralbankgeld, Giralgeld) wäre auf jeden Fall auch ein gutes Thema für die Lage.

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Ist tatsächlich an mir vorbei gegangen. Der letzte Bundesschatzbrief wurde 2019 aufgelegt.
Insofern versuche ich es mal nachvollziehen:
Die EZB schafft eine Bundeanleihe für die BRD.
Die BRD bekommt Guthaben und Schulden. Die Schulden werden durch den Verkauf an die Privatbanken ausgeglichen.
Es wurde also zwar Geld aus dem Markt entzogen, indem Banken die Anleihen gekauft haben. Gleichzeitig hat die EZB neues Geld geschöpft und neu dem Markt zugeführt.
Auf den ersten Blick ein Nullsummenspiel.
Auf den zweiten Blick wird „totes Geld“ dem Markt entzogen, das im Finanzmarkt zirkulierte und dem Staat zugeführt, der es konsumiert.
Da erhöht die Nachfrage.
Danke für die Aufklärung.

Das ist so, ja. Die Banken nutzen aber dieses Geld als Sicherheiten für ihre Giralgeld-Aktionen, sprich Finanzprodukte.

Genau, und das erklärt auch, warum die Schulden des Staates 1:1 dem Geld des privaten Sektors entsprechen.

Und gleichzeitig gaukelt uns der Bund der Steuerzahler mit der „Staatsschuldenuhr“ und dem „Steuerzahler­gedenktag“ vor, die Summe der Staatsschulden würde uns Bürger:innen fehlen.

Meiner Meinung nach sollte diesem Lobbyverein sofort die Gemeinnützigkeit aberkannt werden.

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Kleine Anmerkung zur sprachlichen Korrektheit: Staatsschulden entsprechen nur dem Nettogeldvermögen des privaten Sektors, nicht dem Bruttogeldvermögen. Der private Sektor kann natürlich bei Banken Kredite aufnehmen, damit Brutto die Geldmenge in seinem Besitz erhöhen. Das erzeugt für den Privatsektor gleichzeitig logischerweise Schulden in entsprechender Höhe, deshalb wird das Nettogeldvermögen davon nicht berührt und folglich entspricht dieses auch den Staatsschulden. Wenn man nur von ‚Geld‘/‚Geldvermögen‘ spricht, ist unklar ob Netto-/Bruttogeldvermögen gemeint ist - kann für Verwirrung sorgen.

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Haben andere Länder denn auch unsere Haushaltsgrundsätze? Es muss jedes Jahr ein neues Haushaltsgesetz verabschiedet werden und wenn da die Zinsen und Tilgungen einen immer größeren Batzen ausmachen, schränkt das den Spielraum zukünftiger Regierungen ein. Dass sich Deutschland rein volkswirtschaftlich betrachtet eine höhere Schuldenquote leisten könnte ist ja schön und gut, aber hat jetzt keine Auswirkungen auf die Praxis, außer wenn man die Schuldenbremse wieder aus dem Grundgesetz streichen würde, wofür aber die politischen Mehrheiten fehlen.

Naja, wir wollen ja generell erörtern, ob Schulden ein Problem sind, dafür ist der aktuelle rechtliche Status Quo gezielt außen vor zu lassen. Es geht ja gerade um die Frage, ob man diesen Status Quo, also die Schuldenbremse, ändern sollte. Das Bestehen der Schuldenbremse kann kein Grund für den Erhalt der Schuldenbremse sein. Es sollen ja gerade Argumente gefunden werden, die politischen Mehrheiten zu verändern (wobei das wohl nicht gelingen wird, weil die Union und die FDP hier viel zu ideologisch agieren…)

Sicherlich bestreitet niemand, dass eine höhere Zinslast (relativ zum Gesamthaushalt!) bedeutet, dass weniger Geld zur Verfügung steht. Niemand fordert denke ich, sich Hals über Kopf zu verschulden. Es geht eher um die Frage, wie viel Schulden sinnvoll sind, in welchen Fällen die positiven Auswirkungen von Investitionen (die sich langfristig auch monetär niederschlagen!) die negativen Auswirkungen in Form der Zinslast abfedern oder gar aufheben können.

Deshalb sollten wir bei dem Thema immer auf die Zinslast relativ zum Gesamthaushalt schauen, denn eine Steigerung der Zinslast von z.B. 40 auf 60 Mrd Euro ist im Hinblick auf Faktoren wie eine hohe Inflation oder eine Steigerung der Wirtschaftskraft (die u.U. gerade durch höhere Verschuldung erreicht werden kann!), welche den Gesamthaushalt um z.B. 1% erhöhen könnten, dann u.U. auch einfach mal irrelevant. Denn 1% Erhöhung des Gesamthaushaltes wären zusätzliche Einnahmen in Höhe von über 40 Mrd, wenn 20 davon für Schulden gezahlt werden müssen, wäre das immer noch ein dickes Plus.

Diese Sichtweise hingegen wird zu selten angewandt. Stattdessen schauen die Menschen nur auf die absolute Schuldenlast und tun so, als sei das ein Problem…

Das bedeutet wiederum, dass die Zinslast besonders dann zu einem Problem wird, wenn der Staat eben nicht investiert, sondern an allen Enden spart, wie es gerade passiert.

Zudem hängt die Zinslast mE vom Leitzins der EZB ab und wäre damit auch politisch beeinflussbar und ist keine ökonomische Gesetzmäßigkeit.

Wird diese Quote (Zinslast/Gesamthaushalt) irgendwo festgehalten? Hat sie einen Namen wie etwa die Staatsschuldenquote? Oder muss sie jeder selbst ausrechnen?

Hallo Hoeze,
ich finde trotzdem, dass die Diskussion gerade über Renten unehrlich geführt wird, denn sie werden immer als Beispiel für konsumptive Ausgaben herangezogen, mit denen man zukünftige Generationen nicht belasten dürfte. Gleichzeitig wurden in den Vergangenheit fröhlich alle möglichen Rentenerhöhungen beschlossen (Mütterrente, Rente mit 63), ohne dass eine Gegenfinanzierung gesichert gewesen wäre. Wie schon oben richtig angemerkt, würde unser Rentensystem ohne massive Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zusammenbrechen. Und hier kommt meines Erachtens die Unehrlichkeit ins Spiel, denn gerade die Renten minimieren den Spielraum des Bundes, aber die ganzen schönen Gesetze fallen gerade nicht unter die Schuldenbremse, denn für die Renten ist ja erst einmal nicht der Bund direkt, sondern die DRV zuständig. Natürlich könnte man die Zuschüsse kürzen, aber dann müssten alle jetzigen Arbeitnehmer gigantische Aufschläge auf ihre RV-Beiträge leisten (und weil SV-Beiträge immer in voller Höhe anfallen, würden Geringeverdiener nochmal härter getroffen) und das Argument mit zukünftigen Generationen wäre sowas von tot.
Wie siehst Du das?
Mich treibt dieser Gedanke, den ich mir bei Lenz Jacobsen aus dem servus.grüezi.hallo-Podcast geborgt habe, immer mehr in den Wahnsinn, je mehr ich darüber nachdenke und er kaum thematisiert wird. Ich würde es gerne sehen, dass unsere Hosts diesen Gedanken den ganzen Schuldenbremsenvertretern mal entgegenhalten.
tl,dr: Renten als Argument zählen nicht, da sie gerade nicht unter die Schuldenbremse fallen.

Die Zuschüsse sind dazu da, diese Beträge, denen keine Einzahlungen gegenüberstehen, auszugleichen. Noch mehr als die Mütterrente würde das Rentensystem der Mauerfall belasten, aber den kann man natürlich nicht den Beitragszahlern aufbürden.

Zu dem Thema gibt es hier einen interessanten Thread. Die Zinsen werden im Haushalt angegeben und unter den Posten fallen auch die Auf- und Abschläge auf die Bundesanleihen. Es gibt da aber eine inkonsistent in der Buchführung.

Während Zinsen auf die Laufzeit der Anleihe aufgeteilt werden, werden die Auf- und Abschläge in dem Jahr verbucht in dem sie anfallen.

Nein, der Zins ist ein Indikator für das Verhältnis von Menschen die Geld sparen möchten und Menschen die eine Investition finanzieren möchten.

Die EZB legt zwar den Leitzins fest, aber sie kann das Marktgeschehen nicht völlig ignorieren.
Wenn die EZB den Leitzins 2022 nicht erhöht hätte, dann wäre die Inflation weiter gegangen.

Im übrigen bestimmt der Bund sowieso selbst wieviele Zinsen er auf seine Anleihen bezahlen möchte. Bietet er zu wenig, dann kauft die halt niemand.

5 Beiträge wurden in ein neues Thema verschoben: Leitzinserhöhung 22/23: der richtige Schritt oder fatal?

Wir sind in einer Währungsunion. Wenn die EZB z.B. den Euro auf oder abwerten will sind die Folgen nicht für alle Mitgliedsländer gleich. Somit ja, wir sind in einer Art Fremdwährung verschuldet.

Mich lassen in letzter Zeit zwei Gedanken nicht los.

  1. Es wird immer wieder von „unseren Steuergeldern“ gesprochen und dass am Ende „es auf Kosten der Steuerzahler“ geht.
  2. Steuern dürfen nicht zweckgebunden sein (Link)

Nun gibt es zwei Ansichten:
a) zunächst muss der Staat Geld einnehmen, bevor er es ausgeben kann. Schulden können zur Not gemacht werden, sind aber grundsätzlich zu vermeiden.
b) Der Staat kann einfach Geld ins System bringen und reduziert über die Steuern die Geldmenge. Angenommen, der Staat würde alle Steuereinnahmen nutzen, um Schulden zu reduzieren und nimmt wiederum genau so viele Schulden auf, wie zuvor durch Steuern eingenommen. Dann wäre das identisch mit Ansicht a)
Der Vorteil bei dieser Sichtweise ist nur, dass die Ausgaben vor den Einnahmen kommen. Deutet Punkt 2 nicht darauf hin, dass es so ursprünglich beabsichtigt war?
Festigen Aussagen aus Punkt 1) nicht die Mär, der Staat könne nur das ausgeben, was zuvor eingenommen wird und sollte immer dort hinterfragt werden, wo solche Aussagen fallen?

Diese „Fremdwährung“ kann die BRD allerdings schöpfen. Ich verstehe den Punkt der Aussage gerade nicht.

Ganz einfach. Der Euro kann nicht für ein Land alleine abgewertet oder aufgewertet werden. Eine Geldmenge die in Deutschland erhöht würde wäre in Italien ebenso wirksam

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Hey Pigeon73,

auf die Aussagen von Frau Esken kann ich mir keinen Reim machen. Wer weiß, ob sie das selber kann…

In dem podcast von Maurice Höfgen wird, so weit ich das verstehe, nichts Falsches vorgetragen.

Tatsächlich würde mich die weitere Vertiefung seiner Aussage, jeder Euro lasse sich zur EZB zurückverfolgen, beglücken.
Das klingt für mich sehr danach, dass die Zentralbank als ‚lender of last resort‘ am Ende des Tages den Wert des Geldes garantiert. (Die EZB den Euro und die Fed den Wert des Dollars und die Bank of England den Wert des Pfundes etc…).

Um mal im Lage-Stil die losen Enden zusammen zu raffen:
Geld wird durch Kreditvergabe geschöpft.
Schuldentilgung ist im selben Moment Geldvernichtung.
Zinsen werden aus weiteren Kreditaufnahmen gezahlt.
So steigt die Geldmenge stetig, solange die Erwartung besteht, daß es noch eine Runde weiter geht: wir nennen es Wirtschaftswachstum.
Bei genauer Betrachtung: ein gigantisches Schneeballsystem.
Das sollte zunächst mal verstanden werden.
Solange das funktioniert, ist im Prinzip nichts dagegen zu sagen.
ABER:
Aktuell wird die Geldmenge durch private Akteure gesteuert: Banken vergeben Kredite an Staaten Unternehmen und Private (erst DANACH kauft die EZB den Banken Staatsanleihen und neuerdings auch Unternehmensanleihen ab). Und diese privaten Akteure fordern, dabei von gesellschaftlichen Interessen unbehelligt zu bleiben und nur dem privaten Profitstreben fröhnen zu dürfen, quasi das Pilotenspiel ungehemmt betreiben zu dürfen.
Und im Havariefall wird laut geheult und Mutti Zentralbank muss mit Pflastern oder auch mal Gips aushelfen.
Der Profit bleibt privat, die Schulden trägt der Staat.

Kann man so machen - ist aber nicht wirklich fein, solange die Verteilung des Profites nicht fair erfolgt.
Der Staat hat durch seine Rolle als ‚lender of last resort‘ alles Recht, durch z.B. Steuerpolitik die Verteilung des Profites zu steuern.

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