Leitzinserhöhung 22/23: der richtige Schritt oder fatal?

Reine Spekulation, es gibt genügend hochrangige VWLer, die dem widersprochen haben. Es gibt keinen Konsenz, dass man eine Inflation ausgelöst durch einen Preisschock (massiv erhöhte Gaspreise ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine) durch eine erhöhung des Leitzinses in den Griff bekommt.

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Können Sie ein paar Quellen teilen? Ich habe auf die Schnelle nicht eine ergooglen können in der der Zusammenhang von Leitzins und Geldmenge infrage gestellt wurde.

Wir erleben es ja gerade selber wie die Inflation abkühlte, aber natürlich ist eine Korrelation keine Kausalität.

Ich meine dass sich auch Marcel Fratzscher ähnlich geäußert hatte, finde es aber auf die Schnelle nicht.

Die Artikel sind vom 5. und 20. Juli '22 und wurden beide geschrieben, als die EZB die Leitzinserhöhung nur plante und noch nicht umgesetzt hat. Zumindest laut Statista, denn in dem zweiten Artikeln heißt es, dass es eine Erhöhung um 0.25% gegeben hätte. Vermutlich fehlt in dem Diagramm ein Datenpunkt.

Jedoch können wir jetzt im Nachhinein sagen, dass die EZB wohl richtig gehandelt hat, denn es gibt zumindest eine negative Korrelation zwischen Leitzins und Inflation seit 2022.

Ich finde gerade der zweite Artikel ist auch eher „untergangsprophetisch“ geschrieben, denn der Autor behauptet die ganze Theorie des Leitzinses sei falsch.

Die Theorie dahinter ist ja eigentlich recht simpel. Ein Teil des BIP wird über Kredite finanziert. Wenn nun Kredite teurer werden, dann sinkt das Volumen der kreditfinanzierten Wirtschaft und in Folge dessen auch die Nachfrage. Da ist es egal ob eine Preiserhöhung für zum Beispiel Öl „exogen“ erfolgte,. Wenn die Nachfrage sinkt, dann sinkt oder stagniert auch der Preis.

Die Erhöhung des Leitzinses dient der Reduzierung der Geldmenge bei einer Lohn-Preis-Spirale. Diese lag aber nicht vor. Es war ein extremer Preisschock. Wie sollte die Erhöhung dagegen wirken? Die Energie wurde dadurch ja nicht billiger.
Die Inflation ist nicht durch die Zinserhöhung gesunken, sondern durch die Energiepreise. Als sie sanken, sank die Inflation.

Die Zinserhöhung hatte dagegen extrem negative Effekte: Die Kreditzinsen sind enorm gestiegen. Einer der Gründe, warum die Baubranche gerade leidet. Ich denke, die Zinserhöhung hat auch zum Schrumpfen der deutschen Wirtschaft beigetragen, vor allem weil es eine rasante Erhöhung war. Man hätte das Nachlassen des Energiepreises abwarten sollen oder nur wenig erhöhen. Dann sähe die Lage jetzt besser aus.

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Der Wirkmechanismus ist die Nachfragereduzierung. Wenn es teurer ist Geld zu leihen wird, wird weniger investiert und daher weniger nachgefragt. Das reduzierte Angebot (durch Krieg, Covid, Lieferketten) steht dann einer geringeren Nachfrage gegenüber.

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Die Nachfrage wurde ja bereits durch die steigenden Preise der Grundbedürfnisse Nahrung und Energie gebremst

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Hallo @Margarete, ich glaube du siehst das etwas zu eng und fokussierst zu stark auf das schwächere Drittel/Hälfte(?) der Gesellschaft, die tatsächlich durch Preise auf Grundbedürfnisse schwer getroffen waren. Es gibt aber noch eine Menge andere Menschen, die zwar faktisch auch Verluste verkraften mussten, deren Haushaltsbilanz das aber locker aushalten dürfte.

Ich kenne beruflich einige davon, die irgendwo zwischen 80.000 € bis 140.000 € Familieneinkommen haben. Die haben auch trotz steigender Preise weiter den Bau eines Einfamilienhauses geplant. Erst als die Leitzinsen immer kräftiger stiegen und so die Gesamtkosten explodierten, ließen sie vorerst davon ab. Dabei sparte 2022 jeder aufgeschobene Hausbau unheimlich viel Energie ein, da die entsprechenden Baustoffe nicht hergestellt werden mussten.

Außerdem haben auch wir auf Arbeit diverse große Investitionsprojekte in dieser Phase gestoppt, da die gestiegenen Zinsen die Kosten in die Höhe schießen ließen. Und ich weiß, dass wir da keine Seltenheit waren.

Durch die Leitzinserhöhung hat die EZB einen gewissen Anteil daran gehabt, dass uns im Winter 2022 nicht die Lichter ausgingen. Für manch einen mag die Leitzinserhöhung doof gewesen sein. Und sie hat sicher auch Deutschlands Spielraum für Konsumausgaben reduziert, aber sie war in der akuten Lage notwendig und hätte eigentlich viel zügiger kommen sollen. Hätte die EZB hier beherzter gehandelt hätte man die Inflation und manch einen Gierflationsexzess sicher abmildern können und wäre heute möglicherweise schon wieder im Bereich von 2%-3%, was die Kreditfinanzierung für Investitionsausgaben wesentlich erleichtern würde.

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Fast alle Artikel, die hier zitiert werden, sind von Höfgen. Der ist Alles andere als rennomiert…

Na eben nicht. Die steigenden Preise sollen nicht über Kredit finanziert werden, weil das gerade die Spirale anheizt. Die Theorie ist, dass billiges Geld das Preissignal verfälscht, da nicht mehr klar ist, ob ein Preis gezahlt wird, da er gerechtfertigt ist, oder eben schlicht über Kredit abgerufen wurde. Bei steigender Inflation würde sich der Kredit lohnen, denn die Rückzahlung wird ja „billiger“. Inflation nutzt also letztlich dann denjenigen, die sich Verschulden können. Das sind immer nur Gutverdienerinnen und Unternehmen. ArbeitnehmerInnern können ihr Einkommen nicht laufend anpassen, sondern schließen langfristige Verträge ab. Sie schauen bei der Inflation in die Röhre. Deswegen muss verhindert werden, dass über Kreditbildung die Inflation angeheizt wird.

Quellen?

So, und jetzt bitte wieder sachlich und freundlich inhaltlich mit Argumenten auseinandersetzen und selbst Argumente bringen. Danke

Aber ist eine höhere Nachfrage gut für eine stockende Wirtschaft? Steigen die Zinsen, dann investiere ich nicht (außer ich bekomme durch den Invest mehr als die Zinsen) und die Wirtschaft bricht noch mehr ein.

Aufgabe der EZB ist aber nicht die Wirtschaft zu fördern.

Dennoch gab es ja auch Stimmen, die sagten man könne die Inflation mittelfristig besser eindämmen indem die Zinsen niedrig bleiben und damit Investitionen die die Inflationstreibenden Produkte ersetzten/umgehen sollen (vorwiegend Gas) leicht finanziert werden können.

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Genau das sagte ich doch im ersten Satz.

Die Frage die ja oft gestellt wurde war aber, ob es nicht auch kurzfristig die Inflation eher eingedämmt hätte, wenn kurzfristig wirkende Investitionen leichter zu stemmen wären.

Denn auch für den Verbraucher ist es ja so, dass je teurer die Investition wird, desto unwahrscheinlicher wird sie getätigt und desto wahrscheinlicher einfach weiter Gas verbraucht, egal was es kostet.

Somit könnte der Leitzins die Inflation zwar kurzfristig durch drosseln der Nachfrage eindämmen, mittelfristig aber zementiert man damit ja auch den Grundverbrauch. Nimmt man also an, dass Gasknappheit uns langfristig betrifft, dann könnte die Entscheidung mittelfristig eher kontraproduktiv für das Preisniveau sein.

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Das verstehe ich ja. Mir ging es gar nicht um eine Förderung von Erneuerbaren. Die Maßnahmen die kurzfristig wirken waren ja extrem breit gefächert und es wäre kaum möglich gewesen die alle im Rahmen von spezifischen Förderprogrammen kurzfristig abzudecken.

Letztlich ist ja die Frage inwiefern die höheren Zinsen überhaupt dort angegriffen haben wo die Inflation ihre Ursache hat.

Natürlich ist es so, dass die EZB eigentlich relativ stark nach Schema F vorgeht. Inwieweit hier überhaupt drauf eingegangen wird, dass die Inflation durch den Krieg in der Ukraine ganz anders geartet war als andere Inflationen, z.B. weil der Gaspreis auch maßgeblich durch das Ziel die Speicher schnellstmöglich zu füllen getrieben wurde ist die Frage die sich mir stellt.

Wenn die Nachfrage in den Grenzen des Ressourcen Angebots gemeint ist, ist vielleicht Auslastung der treffendere Begriff.

Das verstehe ich. Die Frage die aber ja auch einige Experten in der Zeit der Erhöhung gestellt haben ist, ob dieser Mechanismus immer nötig ist, auch wenn wir über eine sehr spezifische Situation reden.

Auch wenn der Mechanismus Zinsen erhöhen gegen Inflation als solcher anerkannt ist, heißt es ja noch nicht im Umkehrschluss, dass er in jeder Situation sinnvoll ist oder zumindest in jeder Situation so ausgeprägt genutzt werden muss.

Und da gab es ja auch kritische Meinungen von Leuten die nicht grundlegend andere Mechanismen in der VWL propagieren, sondern an sich durchaus die EZB auch verteidigt haben.

Zinserhöhung hilft bei einer „klassischen“ Inflation und soll dämpfend auf die wirtschaftsentwicklung wirken.

Inwieweit bei einer Verteuerung einer Energieressourcen (in Teilen auch durch Spekulation) die zinserhöhung helfen kann, konnte mir bisher nicht schlüssig erläutert werden.

Natürlich könnte die Zinserhöhung den Zweck gehabt haben, die Nachfrage nach der Energieressource zu reduzieren. Dass dies allerdings nur durch einen massiven wirtschaftlichen Einbruch möglich wäre, wurde dann billigend den Kauf genommen.

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Das Missverständnis liegt wahrscheinlich darin, dass du zwischen „klassischer“ Inflation und anderer Verteuerung unterscheiden willst. Diesen Unterschied gibt es, aber er führt nicht unbedingt zu verschiedenen Konsequenzen.

Denke Inflation schlicht als plötzliche Veränderung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage. Egal ob A steigt oder N. Man kann also bei einer Verknappung genauso gut sagen, dass die Nachfrage nicht mehr zum Angebot passt (anstatt das Angebot passt nicht zur Nachfrage). Das lässt normative Aspekte natürlich außer Acht.

Daher kann man auch auf Verknappung mit Senkung der Nachfrage reagieren.

Beispiel Gaspreise. Diese sind zwischenzeitlich wieder auf dem Niveau von 2021. 28€/Mwh, obwohl wir noch immer kein Gas von Russland beziehen. Lag der Anstieg auf fast 350€/Mwh zwischenzeitlich also nur an der Verknappung/Veränderung der Lieferverhältnisse? Schwer zu sagen sagen. Die Ansagen westlicher Staaten, Gas zu jedem Preis zu kaufen, wurde vom Markt wohl stattdessen als Anlass zu krassen Preiserhöhungen ausgenutzt.
Das ist für den Verbraucher schlecht. Der Staat kann sich zwar Verschulden und seine Gasspeicher schnell Vollstopfen, die Marktpreise muss aber dennoch der Verbraucher zahlen, der nicht einfach mal so bei der Bank ein paar T€ Dispo kriegt.
Hier wäre es also besser gewesen, nicht mit einer maximalen Nachfrage auf eine (nur angedeutete) Verknappung zu reagieren.
Die Rolle der EZB ist also darin zu sehen, die Wirksamkeit von Preissignalen funktionstüchtig zu halten.

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