Modern Monetary Theory

Hallo liebes Team der Lage!

Ich habe schon Lange eine Frage/Bitte, die mir unter den Nägeln brennt :slight_smile:

Ich höre - neben der Lage :wink: - auch sehr gerne den Podcast von David McWilliams, der wirklich fantastische makro-ökonomische Analysen liefert. Unter anderem wird dort in letzter Zeit häufig über die Modern Monetary Theory (MMT) gesprochen. Es gab zum Beispiel ein Interview mit Stephanie Kelten, der Autorin von „The deficit myth“. Sie ist eine der führenden Vertreterinnen von MMT.

Leider wird das Thema in den deutschen Medien meiner Meinung nach viel zu wenig thematisiert. Zwar können wir die Erkenntnisse nicht eins-zu-eins umsetzen, da wir dafür von der EZB abhängig sind. Nichtsdestrotrotz verändert MMT meiner Meinung nach den Diskurs über öffentliche Ausgaben.

Insbesondere bei einer der letzten Lagen, wo es um den vermeintlichen Widerspruch zwischen öffentlichen Ausgaben und gleichbleibenden Steuern in einem der ersten Papiere zur Koalitionsbildung ging, habe ich mal wieder daran gedacht.

Vielleicht könntet ihr euch mit MMT beschäftigen und es in euren Diskurs zu wirtschaftlichen Themen aufnehmen?

Ich empfehle zum Einstieg die Folgen 119 und 130 von David McWilliams, sowie den Ted Daily Podcast mit Stephanie Kelton.

Such mal hier im Forum. Da wurde schon einige male darauf hingewiesen und diskutiert. Dabei muss man wissen, dass die MMT alles andere als unumstritten ist.

Danke für die Postcast Tipps. „Ted Daily Postcast mit Stephanie Kelton“: Meinst du das hier?

Danke! Ja, genau, den Talk meine ich - den gibt es auch „nur“ zum hören, ist aber der gleiche Text :slight_smile:

Ich muss gestehen, der TED Daily hat mich jetzt nicht so überzeugt. Es bleibt mir ein Rätsel, warum der Staat sich ohne negative Konsequenzen beliebig verschulden kann, so lange ausreichend Ressourcen vorhanden sind, für die die Verschuldung eingesetzt werden soll. Irgendwann ist das Verhältnis von Einnahmen zu Tilgung so groß, dass dem Staat weitere Darlehen verweigert wird. Dann bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen.

Aber: Ich bin gelernter Volkswirt. Mir fällt es schwer, wirklich viel Aufwand zu investieren, um dem auf den Grund zu gehen. Nicht nur wegen meiner „Vorbildung“ sondern auch wegen meines meist gut funktionierenden „too good to be true“-Warners.

Es gibt darauf eine kurze Antwort: weil der Staat der Herr des Geldes (hier: der nationalen Währung) ist und mittels der von ihm unterhaltenen Institutionen (Notenbank, Finanzaufsicht, etc.) jederzeit zahlungsfähig ist. Sowenig wie Facebook die „Likes“ ausgehen können, sowenig können den USA die US Dollars ausgehen.

Diese Globalantwort ist natürlich unbefriedigend, denn natürlich kann ein Staat nicht alles tun, was im Rahmen der Fähigkeiten und Kompetenzen seiner Organe liegt, ohne nicht auch in manchen Situationen schwerwiegende Schäden anzurichten. Und natürlich offeriert auch eine „moderne“ Sicht auf die Finanzpolitik keine Carte Blanche für beliebige schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme. Die tatsächlich begrenzenden Faktoren sind jedoch ganz andere als vom Konsens der vergangenen Jahrzehnte angenommen.

Der Fehler fast aller Volkswirte ist das beharren auf den Schulden–Begriff in staatlichem Bezug. Nur mal eine Anmerkung dazu. Der Euroraum hat sich darauf festgelegt das ca. 60% Verschuldungsquote verglichen zur Wirtschaftsleistung ok sind. Für Deutschland heißt das, dass wir aktuell um die 2 Billionen Euro Verschuldung haben dürfen. Was auch so ist. Die Länderverschuldung und weiter bis in die Kommunen ist hier nicht inbegriffen. Mal ernsthaft. Wer genau glaubt wirklich das ein Staat 60% seiner Wirtschaftsleistung, nicht seiner Einnahmen welche bei ca 300 Mrd liegen zurückzahlen kann!? Das ist unrealistisch. Bei den Zinsen sieht es anders aus. Das spielt aber aktuell keine Rolle. Staatsschulden sind wichtige, sichere Anlagemöglichkeiten und das wird einfach übersehen.

Das Blöde ist: Es finde keine vernünftige (= seriös, kompetent, objektiv, ergebnisoffen) Quelle, über die ich mich mal überblicksmäßig über MMT informieren kann, ohne gleich in Originalliteratur einsteigen zu müssen. Die Quellen, die ich finde, sind die „üblichen Verdächtigen“ entweder auf der einen oder auf der anderen Seite.

Offenbar ist das Buch „The Deficit Myth: Modern Monetary Theory and the Birth of the People’s Economy“ von Stephanie Kelton so etwas wie ein Standardwerk dazu. Bis heute ohne deutsche Übersetzung (es gibt dagegen ein Hörbuch von ihr selbst eingesprochen).

Für das einführende Kapital hat mal jemand DeepL bemüht:

Da bekommt man eine Ahnung.

Die beiden oben erwähnten Podcasts helfen auch ein wenig, zu verstehen, warum es geht.

Was ich aber noch nicht gefunden habe, ist, wie das Ganze weitergedacht funktionieren kann: Wir leben, dankenswerter Weise, in einer Demokratie. Die Volksvertreter wollen wiedergewählt werden. Wenn nun das Parlament die Verantwortung für Inflation, Wirtschaftswachstum und Zinsen mit übernimmt (was faktisch der Fall ist, wenn die Ideen von MMT umgesetzt werden) und es dabei keinerlei Budgetrestriktionen mehr gibt, wer hält die Volksvertreter davon ab, unbegrenzt Geld zu schöpfen und Wohltaten zu verteilen?

Und die These, es gäbe kein Crowding Out (Staatliches Nachfrage verdrängt private Nachfrage), ist offensichtlich falsch: Die Grenze ist die Verfügbarkeit von Ressourcen. Wenn die staatliche Nachfrage so weit zunimmt, dass staatliche und private Nachfrage die verfügbaren Ressourcen übersteigen, dann steigen die Preise (Inflation), mit der folge, dass die private Nachfrage (die ja preiselastisch ist) zurückgeht, die nicht-preiselastische staatliche Nachfrage also die Privatnachfrage zurückdrängt.

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Was ich mich immer frage: An wen soll der Staat das Geld zurückzahlen, sprich von wem leiht der Staat sich das Geld (Staatsanleihen im klassischen Sinn gibt es heute eher selten und sind auch nicht rentabel, was vermutlich zusammen hängt)? Will der Schuldner überhaupt dass es zurück gezahlt wird, oder hätte er lieber gerne nur die Zinsen?

Hey, du hast doch die wesentlichen Schlussfolgerungen schon verstanden. Was willst du denn da noch genauer nachlesen, ohne in die wissenschaftliche Literatur einzusteigen?

Für die Begrenzung des Budgets käme z. B. ein Gremium entsprechend der Mindestlohnkommission in Frage. Die müssten dann schauen, wie die Auslastung der Produktionskapazität in den verschiedenen Sektoren der Wirtschaft aussieht und daraus ableiten, wie in welchem Umfang die öffentliche Hand auf diese zugreifen kann. Der Einbruch in der Bauindustrie nach dem Wiedervereinigungsboom wäre z. B. die Gelegenheit gewesen, die gesamt öffentliche Infrastruktur zu sanieren, ohne nennenswerten Inflationsdruck zu erzeugen. Boomt dagegen der private Bau, sollten sich die öffentlichen Auftraggeber zurückhalten - es sei denn, man wollte eine signifikante Kapazitätsausweitung der Bauwirtschaft anstoßen. Etc. pp.

Die Empfehlungen so einer Kommission wären dann ein erster Aufschlag, der natürlich durch das Parlament nochmal modifiziert wird.

Der Gläubiger (nicht „Schuldner“) will in aller Regel sein Geld parken. Staatsanleihen sind dafür das ideale Instrument.

Ups, ja da habe ich wohl was verwechselt.

Aber Staatsanleihen sind ja gerade nicht das erste Mittel der Wahl um an neues Geld zu kommen, oder sehe ich das falsch?

Was meinst du mit „neues Geld“? Für eine Staatsanleihen findet sich jederzeit ein Käufer und der Wert der Anleihe ist, von Ausnahmesituation abgesehen, einigermaßen stabil und kurzfristig vorhersehbar. Ist also ähnlich wie eine Sichteinlage bei der Bank.

Genau da liegt auch eines meiner Rätsel: Wie wird Geld geschaffen?

  • Da gibt es die Notenpresse und Münzanstalt. Aber das Bargeld ist der allerkleinste Anteil der Geldmenge.
  • Dann gibt es die Banken. Die Schaffen durch Kreditvergabe Geld. Die Zentralbank kann die Menge dieses Bank-Giral-Geldes steuern durch Mindestreserve (auf der Angebotsseite) und Zins (auf der Nachfrageseite)
  • Und dann gibt es noch den Staat, d.h. die Notenbanken. Die könnte Geld schaffen, in dem Sie es einfach den Guthabenkonten der Exekutive (Regierung, Verwaltung, Behörden) gutschreibt. Meines Wissens ist dies - nach dem Vorbild der Bundesbank - der europäischen Zentralbank EZB nicht erlaubt (aus der Überzeugung heraus, dass wenn der Staat Geld schaffen kann, dies zu massiver Inflation führt). Als dann in der Finanzkrise die Banken kein Geld mehr geschaffen haben, die Zinsen nicht mehr gesenkt werden konnten und der Wirtschaft drohte, das Geld auszugehen, hat die EZB die „Bazooka erklärt“: „Whatever it takes“, die EZB wird ohne jede Begrenzung von den Banken Staatsanleihen aufkaufen.

Was ich nicht verstanden habe: Warum haben die Banken der EZB die Staatsanleihen verkauft? Die wollten doch gar keine Kredite mehr vergeben (= Banken-Giralgeld schaffen), weil sie so mächtig Angst vor einem Crash hatten.

Warum verkaufen die Banken der EZB heute Staatsanleihen? Die brauchen doch kein Geld um Kredite zu vergeben. Die können doch ganz einfach selbst Geld schaffen (s.o.)

Weil die Banken mit dem Durchreichen von Staatsanleihen zur EZB Geld verdienen. Es gibt ein kleines Delta zwischen Emissionspreis und Verkaufspreis an die EZB. Denn die EZB kauft ja eine intern festgesetzte Menge an Anleihen, unabhängig vom Preis. Sprich: sie zahlt für die Anleihen soviel, dass es sich für die bisherigen Eigentümer der Staatsanleihen lohnt, diese an die EZB zu verkaufen.

Wenn man sich den Bund ansieht, gibt es Anleihen heraus die jedermann erwerben kann. Je nach Ranking des Staates und der aktuellen Zinslage kann er diese Anleihen zu mehr oder weniger Zins emittieren. Das heißt Menschen, Firmen oder andere Staaten leihen Ihr Geld und bekommen dafür eine garantierte Rendite. Aktuell mit 0 und - Zins natürlich etwas schwieriger aber dafür eine Sichere Anlage.
Da Diese Anleihen unterschiedliche Laufzeiten haben, geht das Geld nach Ablauf zurück an den Käufer und er werden neue Anleihen zu neuen Zinsen ausgegeben und so weiter und so fort. Das die Zentralbanken nun diese Anleihen auf dem Markt erwirbt und damit die Anleihen mit Zentralbankgeld sichert ist eine andere Sache.

Als Bücher können hier „Modernes Geld verstehen“ von l.Randall Wray, Dirk Ehnts und „Mythos Geldknappheit“ von Maurice Höfgen empfohlen werden. Von den letzten beiden finden sich auch einige Artikel, Interviews etc. zum Thema.
Ich hatte es ja an anderer Stelle schon mal erwähnt man muss die MMT nicht 1:1 wörtlich nehmen. Ich finde den Grundgedanken gut aber auch viele Teile wie die dazugehörige Job Garantie etc unsinnig. Das was von der MMT als Kurzfassung immer übrig bleibt ist der Gelddruck der Zentralbanken.
Wer sich mit dem aktuellen Geldsystem beschäftigt wird schnell herausfinden das wir unkontrollierten Gelddruck bereits haben. Allerdings nicht von den Zentralbanken, sondern im Privatbereich bei den Geschäftsbanken. Kredite können quasi unlimitiert und nach eigenem ermessen der Banken generiert werden, da braucht es die Zentralbanken nur nicht wirklich.
Das wird nicht reklamiert, aber wenn die Zentralbank Geld generiert das nur Banken und Staaten überhaupt verwerten können dann wird losgelegt.

Zurück zum freien Gelddruck. Ja eine Art Schuldenbremse oder goldene Regel müßte her. Nicht im Grundgesetz aber per Gesetz um es schneller anpassen zu können. Aber es würde sich zum Teil selbst regulieren da die Wirtschaft ja nicht sofort alles Bereitstellen könnte was für Geld zu erwerben ist. Wir sind an anderen stellen so limitiert das dass Geld alleine keinen Überfluss ergeben würde.
Wo man aufpassen muss ist natürlich Ausgaben für deutlich zu Hohe Preise und Subventionen an irgendwen. Sofern das nicht zur Inflation beiträgt müßte es dafür Kontrollen geben. Zudem muss neu über die Stabilisierung von Preis und Währung nachgedacht werden da nun der Hebel dafür ein anderer wäre.
Aber wie gesagt solang mit keine glaubhaft erklärt auf welchen weg jemals Staatsschulden zurückgezahlt werden sollen, laufen wir so oder so auf ein derartiges System zu.

Das hat ja schon mal super funktioniert, mit dem raushalten aus dem politischen Kleinklein und dem Vermeiden von Lohnerhöhungen im Wahlkampftakt. :wink:

Da sind wir wieder bei einem der offensichtlichsten Probleme der staatlichen Kojunktursteuerung: Bis die entsprechenden Analysen gelaufen sind, die Entscheidungen getroffen wo das Geld hinsoll und dann die tatsächliche Verausgabung statt findet sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.

Hervorragendes Beispiel. Für genau das Gegenteil.

Durch Steuervergünstigungen und staatliche Zuschüsse ist der Bauberiech künstlich aufgebläht worden um leerstehende Gerwerbegebiete und Bauruinen in ostdeutschen Innenstädten zu errichten. Nach dem Staatsdoping viel die Baubranche auf ein normales Maß zurück. Der Anteil der Baubranche an der Bruttowertschöpfung lag laut der Inlandsproduktberechnung (Tabelle 2.1) in den 80ern in der alten BRD relativ stabil knapp unter 5,5%. Im vereinigten Deutschland lag dieser Anteil '91 bei 6% und stieg dann bis 1994 auf 7,1%. Dannach fiel der Anteil kontinuierlich auf etwa 4% um 2006 und stieg bis 2020 wieder auf 5,8%. Das künstliche aufblähen des Baubereichs ist also nicht nachhaltig und es wird genau das notwendig, was Du andeutest, nämlich das immer und immer wieder Staatskente reinfließen muss unabhängig davon, ob wirklich Baubdedarf besteht (derzeit, ja, damals nicht in dem Ausmaß wie der Leerstände zeigten). Zudem entziehen die künstlich aufgeblasenen Sektoren (man kann ja die Staatsknete auch in andere Bereiche Pumpen), den anderen ökonomischen Aktivitäten Ressourcen, damit wird dort das Entstehen tragfähiger Strukuen behindert.

Nicht falsch verstehen, es gibt sinnvolle Staatsausgaben (sogar für Bautätigkeiten :wink:). Aber eben nicht als Konjunktursteuerung.

Wer soll denn bitte die Vorraussicht haben, um das sinnvoll zu planen?

Genau, damit dann die ökonomischen Kriterien durch Lobbyarbeit und Regionalproporz bzw. CSU-Bonus abgelöst werden und der Prozess noch länger dauert.

Allgemein:
Das ökonomische Grundproblem ist Knappheit der Ressourcen und die Frage wie man diese Ressourcen effizient einsetzt um die Bedürfnisse der Menschen am besten zu befriedigen.

Egal wie viel Fiat-Geld geschöpft wird, es gibt nicht mehr Ressourcen. Es gibt keinen Chip, keinen Pfleger, kein Erz, kein Reis mehr, weil der Staat Fiat-Geld ausgibt. Vielmehr tritt er in Konkurrenz zu den bestehenden Prozessen zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und verdrängt sie. Nicht mehr die Bürger entscheiden welche ihrer Bedürfnisse, wie befriedigt werden sollen, sondern staatliche Akteure.

Eine Unterstellung von „Unterauslastungen“, die ja immer als Rechtfertigung genommen wird, ist sehr vorraussetzungsreich da sich die Bedürfnisse der Menschen ändern, neue Güter alte verdrängen, neue Prozesse alte ersetzen. Manche Bereiche wachsen, andere schrumpfen und das ist gut so. Das was als Unterauslastung wahr genommen wird, sind i.d.R. Reallokationsprozesse zur besseren Bedürfnisbefriedigung der Menschen. Wer will sagen wann man wo gegensteuern sollte und wann nicht? Weil alles im Wandel ist glaube ich nicht das es allgemeine Unterauslastungen gibt und dass sie zu dem nicht messbar wären (die Diskussion hatten wir ja schon). Damit kann aber Fiat-Geld nicht sinnvoll eingesetzt werden (siehe nicht nachhaltigen Bauboom).

Was passiert, wenn man Staatsfinanzierung nach MMT-Art betreibt? Der Staat hat mehr Geld zur Verfügung und zwar absolut als auch relativ zu seinen Bürgern. Das heißt die staatliche Akteure entscheiden über die Verwendung eines größeren Teils der Ressourcen bzw. des Sozialprodukts. Damit bestimmt diese im stärkerem Ausmaß welche Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden und welche nicht. Es werden individuelle Entscheidungsspielräume genommen. Letztlich nicht anders als wenn man die Steuern erhöht oder Kredite aufnimmt. Nur über Fiat-Geld ist das viel einfacher, keine Wähler die sich über Steuerhöhungen ärgern, keine nervigen Finanzmärkte die auf Haushaltsdisziplin achten. Ich denke, das erklärt einen großen Teil der augenblickchen Popularität der Idee im politökonomischen Bereich. Letztlich steckt da die direktere Bindung der zwei anderen Finanzierungsmethoden an die reale Wirtschaft dahinter. Will der Staat auf mehr reale Ressourcen zugreifen, dann muss er sie den anderen Akteuren weg nehmen. Das findet bei der Steuer einen sehr direkten Ausdruck, beim Kredit, je nach den geltenden Regeln, schon indirekter und MMT ist der Versuch diese Tatsache zu verschleiern.

Die Verwendung des Fiat-Geldes bei knappen Ressourcen kann zu Inflation führen, was das Geld der Bürger entwertet und damit ihren Ressourcenzugriff reduziert. Oder Fiat-Geld das z.B. als Sozialleistung oder Steuergeschenk ausgeschüttet wird stimuliert einen Konsumboom. Die neu möglich gewordenen Konsumausgaben stoßen aber zumindest in einigen Bereichen auf ein unzureichendes Angebot (Knappheit), steigende Preise signalisieren, dass neue Fabriken her müssen, die können aber erstmal nicht gebaut werden, weil Materialien und vielleicht Arbeits/Fachkräfte fehlen (Knappheiten), nachdem diese dann vielleicht auf Grund von steigen Preisen, doch da sind, fehlt es nachher am Material und Fachkräften für die Produktion der Güter (immer noch Knappheit). Auf Grund der verschiedenen Knappheiten und/oder der steigenden Preise rechnen sich viele der neuen Investitionsprojekte aber auch welche die schon vor dem Geldregen geplant waren nicht mehr und sie werden abgebrochen. Und schon haben wir eine ordentliche Krise, zahlreiche Investitionsruinen, steigende Preise und ein Jammertal muss durchschritten werden um die staatliche induzierte Fehlallokation zu beheben.

Geld ist letztlich ja nichts weiter als ein Weg reale ökonomische Prozesse und Knappheiten auszudrücken. Aber genauso wenig, wie die Erhöhung der Zahl Worte beim beschreiben der Realität, diese Realität an sich verändert, verändert auch die Vermehrung des Fiat-Geldes nicht die realen wirtschaftlichen Grundlagen.

MMT scheint mir nur das Ergebnis des üblichen Makro-Voodoos, in dem man Y auf irgend einen fiktiven Pfad bringen will von dem irgendwer glaubt es wäre der richtige und dabei unterstellt C sei irgendwie zu niedrig. In dem MMT Fall soll es halt geschehen indem man G erhöht ohne T zu steigern (weil unpopulär) und ohne Schulden (weil Finanzmärkte doof sind). Da füllt halt Fiat-Money die Lücke, wie Manna. Ist aber halt ohne Bezug zur realen Welt und löst damit kein reales Problem.

Wohl gemerkt ich finde Staatsausgaben und staatliche Investitionen nicht generell schlecht. Nur sollten die Ausgaben für sich Sinn machen und sich auf die Bereiche konzentrieren in denen sie ohne Staat unterbleiben würden. Mit der Aufgabe der Wirtschaftsteuerung, egal ob Konjunktur oder Allokation und egal wie finanziert, überfordert man die staatlichen Institutionen.

Also, ich denke, man muss in der Diskussion über MMT sehr konsequent differenzieren:

  • Empirische Validität der MMT aus volkswirtschaftlicher Sicht. Hier bin ich noch nicht so weit, aber tatsächlich ist es so, dass ich als „gelernter Volkswirt Kieler Schule“ schon sehr ins grübeln komme über das, was wir gelernt haben, was heute noch gelehrt wird und was heute noch praktische Politik ist, u.a. das Primat der Geldpolitik und Zentralbank.
  • Praktische politische Umsetzung, falls sich die Aussagen von MMT tatsächlich bewahrheiten. Hier teile ich einige Bedenken von @lolilu. Insbesondere habe ich Zweifel an der Fähigkeit von Politik und Ministerialbürokratie, „vernünftig“ zu handeln. Trotzdem: Falls die Kernaussagen von MMT (u.a. Staatsdefizit ist lediglich die Kehrseite von mehr Geld bei Bürgern und Wirtschaft. Der Staat kann sich schadlos verschulden, solange die Ressourcen nicht ausgelastet sind) sich als richtig erweisen, sollte man schon mal darüber nachdenken, wie man die staatlichen und politischen Strukturen so anpassen kann, dass Politik und Ministerialbürokratie quasi gezwungen ist, „vernünftig“ zu handeln. Das hat man ja bei der Geldpolitik auch hinbekommen: Die Verantwortung über die Geldmenge wurde an eine strickt unabhängige Institution ausgelagert.
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Ich habe die auch. Allerdings schaue ich wohl auf andere Indikatoren: https://pbs.twimg.com/media/EWHSCAFWsAAgAcd?format=jpg&name=large

War es „vernünftig“ ein paar Prozent des Arbeitskräftepotentials der Eurozone für ein Jahrzehnt brach liegen zu lassen. Was hätten diese Menschen alles sinnvolles tun können? Und welche Tragödien wären ihnen und ihrem Umfeld erspart geblieben, hätte man dafür gesorgt, dass sie in Lohn und Brot sind? Wieviel Vertrauen in die Handlungsfähig des Staates und der politischen Klasse wäre dann erhalten geblieben? Wie viele Kinder wurden in diesem Jahrzehnt nicht geboren, da es den potentiellen Eltern an wirtschaftlicher Sicherheit mangelte?

Aber, hey, die Inflationsrate lag stabil unter 2% und wir haben heute ein paar Prozent weniger Staatsverschuldung, da wir uns Konjunkturprogramme auf europäischer Ebene gespart haben. Tooootal vernünftig. Keine Frage.

Man verzeihe mir meinen Sarkasmus …

Das liest sich ja ganz toll. Aber die Welt funktioniert so nicht. Wenn du ins Restaurant gehst, musst du dort nicht erst einen anderen Gast im Duell töten oder im Bieterwettstreit ausbooten, um an ein Schnitzel mit Pommes zu kommen (es sei denn, du willst am 23. 12. noch eine Weihnachtsfeier buchen). Wir Leben zum Glück nicht in einem MadMax-Film, sondern in einer Situation des allgemeinen Überflusses, so dass zusätzlich nachgefragte Güter und Dienstleistungen in der Regel zu geringen Grenzkosten bereitgestellt werden können. Natürlich gibt es lokale und temporäre Ausnahmesituationen, wie z. B. die überlastete Bauwirtschaft rund um das Ahrtal oder der aktuelle Chipmangel in manchen Industrien, aber der Normalfall ist das in unseren Gefilden seit dem Abflauen des Wiederaufbaubooms (also während der letzten 50 Jahre) nicht.

Die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft, zumindest soweit sie Newcomer betrifft, ist doch gerade davon abhängig, dass man zu relativ geringen Kosten Neues ausprobieren kann. Wir hätten kaum überwindbare Markteintrittsbarrieren, wenn man für jede Tonne Stahl, jeden Quadratmeter Verkaufsfläche, jeden Werbeflyer, etc., die in ein neues Geschäftsmodell investiert werden sollen, erst einen anderen Nachfrager mit etabliertem Geschäftsmodell überbieten müsste.

Auch die MMT kennt Steuern. Sie konstatiert lediglich, dass diese nicht notwendigerweise benötigt werden, um Staatsausgaben zu finanzieren, sondern ein eigenes Instrument sind, um den bzw. bestimmten privaten Akteuren Kaufkraft zu entziehen, wenn dies politisch opportun/notwendig erscheint. In einer Phase stark expandierender privatwirtschaftlicher Aktivität wäre es auch der MMT folgend angeraten, zusätzliche Staatsausgaben durch zusätzliche Steuereinnahmen zu matchen, um einen Bieterwettkampf zwischen staatlicher und privater Nachfrage zu vermeiden. Es gibt also Situationen, in denen eine aufgeklärte Sicht auf die Geldpolitik zu keinen anderen Empfehlungen führt, als der Aberglaube, der bis vor kurzem den Common Sense beherrscht hat.

Aber wie man am Beispiel Japans gut zeigen kann, fehlt für die privatwirtschaftliche Expansion schlicht die Profiterwartung, sobald die Bevölkerung altert und absehbar schrumpft (und zusätzlich noch Volkseinkommen von Konsumenten zu Sparern umverteilt wird). Und der größte Teil der entwickelten Welt folgt in der Tendenz der demographischen Trajektorie Japans. Die Lage stellt sich dann ganz anders da: staatliche Nachfrage muss die wegbrechende private Nachfrage kompensieren, sonst droht chronische Unterauslastung und Kapazitätsabbau.

Geld ist auf systemischer Ebene in erster Linie die Karotte, die vor den Akteuren der Privatwirtschaft hängen muss, damit diese ihren Funktion erfüllen. Für die meisten Menschen ist Geld einfach ein Mittel, um Bedürfnisse zu befriedigen, zuallererst die eigene materielle Existenz zu sichern. Aber das Unternehmen BMW ist nicht wirtschaftlich tätig, um auch morgen noch genug Stahl, Chips und Plastik „essen“ zu können, sondern um seinen Eigentümern einen in Geld ausgedrückten Gewinn zu erwirtschaften. Und diese Eigentümer gehen mit diesem Geld nicht bei Aldi einkaufen, sondern behalten es einfach. Oder kaufen damit anderen ähnlich begüterten Akteuren ein paar Assets ab. Kurz: das Geld sammelt sich da in einem relativ geschlossenen System von Personen und Institutionen, deren Geldvermögen die „escape velocity“ überschritten hat. Damit das immer so weiter gehen kann, muss die stete Vermehrung der Geldmenge sichergestellt werden. Sie ist nicht bedeutungslos, sondern im Gegenteil die conditio sine qua non für das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems.

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