Da ist jetzt eben wieder die Frage, ob man auf „absolute“ oder „relative“ Zahlen schaut.
In absoluten Zahlen wuchs die muslimische Bevölkerung um 279.000, relativ sind das „nur“ 213%, während die jüdische Bevölkerung um 87.000 gewachsen ist, relativ sind das 1342%.
Ob das durch Zuwanderung oder höhere Geburtenraten zu Stande gekommen ist wäre nun eine Frage. Also ja, der jüdische Einfluss ist sicherlich schon vor dem ersten Weltkrieg gestiegen. Das ändert aber nichts an der Frage nach der „Gerechtigkeit“ einer Staatsgründung.
Mein Punkt ist: Die Staatsgründung Israels war berechtigt, weil die Geschichte leider gezeigt hat, dass die Juden einen sicheren Staat brauchen, weil Antisemitismus - insofern stimme ich @Flixbus zu - ein so großes, vielschichtiges Problem ist, dass es ohne einen eigenen Staat nicht geht. Nach der Schoah war es den Juden schlicht nicht zuzumuten, auf den Schutz eines anderen Staates vertrauen zu müssen.
Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass ein Staat nötig ist, müssen wir diesen Staat irgendwo gründen. Und für die nicht-jüdischen Menschen, die dort lebten, wo dieser Staat gegründet wird, ist das natürlich inhärent ungerecht. Das ändert nichts an der Berechtigung der Staatsgründung Israels, aber das bedeutet eben nach meinem Gerechtigkeitsempfinden, dass Israel deshalb, weil man seine Staatsgründung zu Lasten der arabischen Bevölkerung akzeptiert hat (weil es eben „wichtiger“ war als die Gerechtigkeit für die arabische Bevölkerung) eine besondere Verpflichtung gegenüber der arabischen Bevölkerung trägt.
Die direkten Kriegserklärungen der Nachbarstaaten haben es Israel leider sehr leicht gemacht, jede moralische Verpflichtung abzulehnen: „Die haben uns schließlich den Krieg erklärt - wir schulden denen gar nichts!“, aber so leicht ist die Sache nicht. Die Nakba und die Weigerung Israels, die Menschen zurückkehren zu lassen oder zumindest angemessen zu entschädigen (ich bin mir sicher, wenn Israel hier Europa und die USA um Unterstützung bitten würde, würden sich die Staaten an einer Entschädigung beteiligen!) sind dauerhafte, tiefe Wunden im Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern. Die Kriegserklärungen und die Nicht-Anerkennung Israels durch die arabischen Nachbarn ebenso. Die israelische Siedlungspolitik verschärft das Ganze. So lange diese Konflikte bestehen ist meine Überzeugung, dass es zu keinem lang anhaltenden Frieden kommen kann, maximal zu Waffenstillständen.
Die Anerkennung Israels durch einige arabische Staaten ist ein guter Schritt in Richtung Frieden - aber es muss auch die Gerechtigkeit für die arabischen Palästinenser wiederhergestellt werden. Der Wiederaufbau des Gaza-Streifens nach dem Krieg wäre eine gute Gelegenheit für Israel und den Westen, das Verhältnis zu den Palästinensern deutlich zu verbessern. Wenn man sich hier mit den arabischen Staaten auf eine Art Marschall-Plan einigen kann und Israel dies auch in Anerkennung der Nakba tut, wäre das ein wichtiger Schritt zum dauerhaften Frieden.