Vision für eine humane europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik

Das kurze Buch „Wir und die Flüchtlinge“ von Gerald Knaus (2022) beschreibt auf erschreckende Weise, wie sich Europa seit 2019 immer mehr davon verabschiedet auch nur den Schein zu erwecken, an den Außengrenzen die Menschenrechte zu beachten.

Eine Unmenge bestens dokumentierter Vorfälle reiht sich aneinander: Griechanland, Kroatien, Ungarn und Belarus. Diese „Brennpunkte“ flackern regelmäßig in den Nachrichten auf, aber es war trotzdem für mich entblößend sie als Gesamtbild präsentiert zu bekommen.

Die Bilanz ist: Die europäischen Regierungen akzeptieren stillschweigend, dass eine brutale, menschenrechtswidrige Politik an den Außengrenzen durchgesetzt wird. Kroatien wird 2019 zugestanden, dass alle „für die Anwendung des Schengen-Besitzstands im Bereich des Schutzes der Außengrenzen erforderlichen Voraussetzungen […] vollständig erfüllt“ waren. Trotz eines verheerenden Berichts [1] des „Kommitee’s zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder eniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT), wurde von Seiten der Kommission im Jahr 2021 nochmal bestätigt, dass alle Voraussetzungen erfüllt seien. Als im Jahr 2021 in Lettland, Litauen und Polen Veordnungen in Kraft treten, die de Facto Pushbacks (welche mit der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vereinbar sind) an der Grenze erlauben, protestiert keine europäische Regierung.

Und es gibt immer noch keine Vision, keinen Plan, dazu, wie wir zu einer humanen und menschenrechts-konformen Migrationspolitik der EU kommen können, bzw., wie sie aussehen könnte. Das ist aus meiner Sicht ausschlaggebend dafür, dass der beschämende Status-Quo von den europäischen Regierungen mitgetragen wird, und dafür, dass sich keine dauerhafte Stimmung im medialen/politischen Diskurs dagegen aufbringt.

In seinem Buch schlägt Gerald Knaus vor, auf umfassende Abkommen mit Ländern zu setzen, aus denen die Menschen zu uns kommen. Diese Abkommen sollten, laut Knaus, in erster Linie reguläre Migration ermöglichen, um irreguläre Migration zu unterbinden. Er war auch schon mal bei Philip im Interview [2].

Als Menschen, die an Europa glauben, können wir uns mit diesem Zustand einfach nicht abfinden, und müssen an einer Alternative arbeiten. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Ihr Euch dem Thema wieder annehmen würdet. Und zwar weniger mit Fokus auf einzelnen schrecklichen Ereignissen, sondern mit Fokus auf einer möglichen Vision, wie es anders laufen könnte.

Außerdem fände ich spannend, Eure Einschätzung zur bisherigen Arbeit der Ampel-Regierung zu hören. Also: Was wurde im Koalitionsvertrag vereinbart? Was ist davon schon angestoßen worden? Wie verhällt sich die Ampel auf EU-Ebene zu diesem Themebereich.

Danke Euch für die tolle Arbeit,
Simon

Link zu dem Buch von Gerald Knaus: Wir und die Flüchtlinge – Brandstätter Verlag

[1] Croatia: Damning new report slams systematic police abuses at country’s borders - Amnesty International
[2] MR085 Wie die EU Geflüchtete aufnehmen und ihre Grenzen schützen kann (Gerald Knaus, Erfinder des EU-Türkei-Deals) | Das Interview. Mit Philip Banse

PS. Hier sind noch andere Forum-Einträge zu dem Thema:

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Gerald Knaus stellt seine Thesen auch im aktuellen Podcast der Wiener Wochenzeitung Falter vor: