LdN322 Geflüchtete / Migranten

Danke für die Erklärungen, weshalb es schlicht unmöglich ist, die Zahl von Abschiebungen signifikant zu erhöhen. Das wird leider viel zu selten ausgeführt.

Schade ist, dass auch hier nicht stringent zwischen Migration und Flucht unterschieden wird. Geflüchtete erhalten einen Aufenthaltstitel und sind nicht von Abschiebung bedroht.

Bei den Begründungen könnte man noch etwas genauer auf die Interessenlage der Herkunftstländer eingehen: mehr Herkunftsländer als man denkt sind Demokratien, die ihre Wiederwahl gefährden würden, wenn sie Migranten zurücknähmen. Für viele Migranten ist die Auswanderung nach Europa ein sehr teures Projekt, das durch viele Personen aus dem erweiterten Familien- und Bekanntenkreis finanziert wird. Ich bin in meiner Zeit in Afrika vielen Leuten begegnet, die irreguläre Migration ablehnen, weil zu viel Leid und Gefahren damit verbunden ist. Ich habe aber noch nie jemanden getroffen, der auch nur die geringste Sympathie für Abschiebungen aufbringen kann, weil sie wissen, welcher Druck auf den Leuten lastet, die es nach Europa geschafft haben.

Noch ein Punkt zum Fachkräftemangel: Natürlich sind die Leute, die irregulär nach Europa kommen zum allergrößten Teil alles Andere als genau die Leute, die wir hier „brauchen“: sie sind jung, das ist gut. Aber fast alle sind männlich und der größte Teil ohne jegliche Qualifikation, viele Analphabeten. Auch hier muss man sich ehrlich machen.

Genau deshalb wäre es notwendig, sich zu trauen, neue Wege in der Migrationspolitik zu gehen. Weil das Fachkräfteeinwanderungsgesetz so formuliert ist, dass abseits der absoluten Elite vieler Herkunftsländer überhaupt niemand auch nur die geringste Chance auf legale Einwanderung hat, bleibt verzweifelten Menschen nur die irreguläre Migration. Will man mehr Kontrolle über die Einwanderung nach Europa erlangen, muss man auch für Unqualifizierte realistische Chancen in signifikanter Größenordnung schaffen. Dadurch wird es möglich, gezielter diejenigen anzuwerben, die motiviert sind, sich entsprechend weiterzubilden, um sich Chancen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt verschaffen.

Damit sollte man eigentlich auch Konservative ködern können: wollt ihr ungebildete, männliche Geduldete, die zwar für immer bleiben, aber (auch wegen der unsicheren Rechtslage) niemals in Deutschland Fuß fassen werden ( die Clans in Berlin sind ein schönes historisches Beispiel)? Oder wollt ihr, auf Basis einer realistischen Einschätzung der Realität, ein Stück Kontrolle darüber zurück gewinnen, wer eigentlich nach Deutschland einwandert?

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Etwas irritiert hat auch mich der schnelle Schluss: Wir brauchen Zuwanderer. Flüchtlinge sind hier. Also können wir die Flüchtlinge gebrauchen. Das Gros der Flüchtlinge verfügt wahrscheinlich nicht über die nötige Qualifikation, um Bedarfe des deutschen Arbeitsmarkts zu decken und dürfte auch Schwierigkeiten haben, diese zu erwerben.

Der Punkt, dass Abschiebungen bzw. Rückführungen im großen Stil - wenigstens gegen den Willen der Betroffenen - praktisch nicht durchführbar sind, wurde erfrischend klar herausgearbeitet. Allzu oft hört man von Politikern, dass Flüchtlinge wieder gehen müssten, wenn der Fluchtgrund entfällt und Journalisten fragen bohrend, warum das nicht endlich passiere.
Die Tatsache, dass es seit Jahrzehnten Politikern keiner Regierungspartei gelungen ist, legt nahe, dass es mehr an der praktischen Durchführbarkeit als am politischen Willen scheitert.

Eine offene Frage ist, wie man mit diesem Befund umgeht. Es führt den Sinn des Asylrechts ad absurdum, wenn das Asylverfahren kaum praktische Folgen hat, weil es nicht mehr darüber entscheidet, ob jemand hier bleiben kann oder nicht, sondern lediglich darüber, in welchem Rechtsstand das passiert. Es wäre eine Verschwendung staatlicher Mittel und eine sinnlose Belastung für diejenigen, die es durchlaufen müssen.
Sollte man auf das Verfahren dann nicht lieber ganz verzichten?
Die Konsequenz wäre entweder, dass quasi jeder einreisen dürfte, so lange er sich dabei auf das Asylrecht beruft, also offene Grenzen. Oder man müsste die Grenzen so schließen, dass niemand mehr hereinkommt, dessen Antrag auf Asyl nicht bereits bewilligt wurde. Der Anspruch auf Asyl müsste so de facto über Auslandsvertretungen abgewickelt werden. Letzteres wäre praktisch schwer umzusetzen, könnte aber langfristig zu einem gerechteren Zugang zum Asylrecht führen, weil der nicht mehr davon abhinge, dass Menschen unter großen Kosten und Gefahr für das eigene Leben erst die Reise hierher bestreiten müssen.

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Ich fand den Schluss, ach wir haben Flüchtlinge, lasst sie doch Arbeiten, zu sehr vereinfacht. Zumal auch in der Lage immer mal wieder anklingt, wie kompliziert die Verfahren der Ausbildungsanerkennung auch für Hochqualifizierte aus Drittstaaten ist. Und die nach Deutschland kommenden Menschen die für sich den Flüchtlingsstatus beanspruchen sind häufig gerade nicht gut ausgebildet. Sonst würden sich auch andere Wege der gesteuerten Migration eröffnen.

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Ich hab den Abschnitt noch nicht gehört, aber hier kann ich dir schon sagen: der Schluss ist so einfach.

Das ist der Punkt an den man ran muss. Einfachere Verfahren bei der Anerkennung von irgendwas aus anderen Staaten.

Meine Freundin hat hier in einem Verwaltungsakt ihren Nachnamen ändern lassen.
Um diesen Verwaltungsakt jetzt auch in Deutschland durchzuführen benötigt sie erstens eine amtliche und notariell beglaubigte Übersetzung einer Urkunde und muss dann auch noch persönlich auf dem zuständigen Standesamt in Deutschland erscheinen.
Zum einen ist es schon eine Frechheit dass man als im Ausland lebender persönlich auf dem zuständigen kommunalen Amt erscheinen muss und das nicht über Konsulat oder Botschaft abgewickelt werden kann.
Zum anderen ist es defacto unmöglich die Unterlagen einzureichen, da das schwedische Verwaltungswesen keine solche Urkunde „produziert“ und es in Schweden auch keine Notare gibt.

Und ich bin überzeugt, dass das bei Anerkennung ausländischer Ausbildung ähnlich aussieht.

Das lässt sich aber ändern.
Während der Krise sind hier in Schweden Arbeitgeber(-vermittler) mit Übersetzern durch die Unterkünfte gezogen mit dem Ziel willige Azubis zu finden.
Die haben dann Unterkunft, Sprachausbildung und Berufsausbildung bekommen mit anschließendem Arbeitsplatz.

Funktioniert nicht für alles und überall, aber ein paar sind halt auf diesem Weg schneller integriert worden und konnten sich hier eine eigene Existenz aufbauen.

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Ich bin dankbar für deinen Beitrag und denke auch, dass das „radikale“ Umdenken in Sachen Bildung hier der entscheidende Hinweis ist.

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Ihr argumentiert, dass die Anzahl der Geflüchteten immer noch relativ gering ist, und für die EU als ganzes eigentlich kein Problem darstellen sollte.

Das stimmt, aber die Argumentation vergisst, dass die Zahl deshalb relativ gering ist, weil wir eine brutale, inhumane und EU-rechtswidrige Politik fahren um die EU Außengrenzen zu schützen, siehe:

Aus meiner Sicht ist eine humane Migrationspolitik nur möglich, wenn wir mit den Herkunftsländern und unseren Nachbarn kooperieren. Die einzige Alternative sind offene EU Außengrenzen, welche politisch aber unrealistisch sind.

Ich bin auch der Meinung, dass man der Sache keinen Gefallen tut wenn man Asylsuchende, Wirtschaftsflüchtlinge und Arbeitsmigranten in einen Topf wirft und nicht differenziert diskutiert.

Um den Fachkräftemangel anzugehen braucht es eine gezielte Zuwanderungspolitik bei der wir klar definieren wen wir brauchen und diesen Menschen die Zuwanderung viel attraktiver machen. Der Weg über abgelehnte Asylsuchende klingt wenig einleuchtend.

Ich bin auch der Meinung, dass Menschen deren Asylgesuch statt gegeben wird eine langfristige Perspektive brauchen. Dazu gehört eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt.

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Es wurde in den Raum gestellt man könne die Menschen in der EU verteilen.

Das ist aber unrealistisch. Nicht nur wegen der Aufnahmebereitschaft. Nein überwiegend auch wegen der Träume, die nicht Bulgarien, Polen oder Portugal sondern zentraleuropäische Ballungsräume zum Gegenstand haben. Die Menschen wollen häufig in Regionen in denen sich Anschluss finden lässt. Sie möchten auch in Deutschland nicht in die demographisch problematischen Regionen wie den Hunsrück, Ostwestfalen oder das Sauerland. Zum Teil sind die Träume so stark, das nach einer Mittelmeerquerung auch noch der Ärmelkanal vom sicheren Frankreich aus im Schlauchboot überquert wird.

Wer meint, diese Wanderungsströme ließen sich lenken, irrt offensichtlich.

Auch das Argument des zuwanderungsbedürftigen Arbeitsmarktes geht an der Realität dieser Menschen häufig vorbei. Viele wollen schnell Geld verdienen und es wird von Ihnen auch erwartet Geld in die Herkunftsländer zu schicken. Mehrere Jahre mit Integrationskurs und Ausbildungsvergütung sind da oft indiskutabel. Einfache ungelernte Jobs, die keine flüssigen Sprachkenntnisse voraussetzen, nehmen aber eher ab. Insbesondere Pflege ist kein einfacher ungelernter Job, der mit geringem Sprach- und Bildungsniveau möglich ist.

Folglich bleiben viele im Niedriglohnsektor und können kaum zu den hohen Sozialkosten der Babyboomer beitragen. Als Rentner werden sie entweder zurückkehren (machen viele z.B Vietnamesen) oder auf Transferleistungen angewiesen sein.

(…)

Natürlich könnte man eine ehrliche Diskussion darüber führen die Einwanderung grundsätzlich anders zu gestalten. Die Menschen als Ressourcen sehen zu fordern, fördern und richtig Geld zu investieren.

Keine Arbeitserlaubnis ohne Ausbildung. Subventionierte Ausbildunsgehälter, so das Geld nach Hause geschickt werden könnte. Verpflichtende Sprachkurse. verpflichtende Vorschule bei Sprachdefiziten. Residenzpflicht für die ersten 10 Jahre nach Erteilung des Bleiberechts. Gestaffelte Sozial- und Sachleistungen nach Ausbildungsbereitschaft. Wir müssen endlich anfangen über die richtigen Maßnahmen zu reden.

Wenn wir nichts tun werden die Probleme so groß, dass irgendwann nur noch Restriktion als Lösung diskutiert werden wird.

Und zu der Unmöglichkeit von Rückführung. Man hat den Eindruck, wir priorisieren unsere Wirtschaftsinteressen über das Interesse an Rückführung, denn natürlich ließen sich Handels-, Visa und weitere Rechte daran knüpfen hier kooperativ zu sein. Die Elite vieler Herkunftsländer will nach Europa reisen, mit Europa Handel treiben.

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Inhaltlich fand ich die Dikussion in LdN 322 interessant. Unglücklich schien mir manchmal die Wortwahl. Entgegen Eurer Haltung spielt das Framing, das sich aus Sätzen wie „nun sind die schon mal da und wir kriegen die auch nicht wieder weg“ ergibt, rechten Narrativen in die Hände. Im Sinne der vorgeschlagenen progressiven und konstruktiven Perspektive auf Migration sollte m.E. auch das Framing eines der Wertschätzung sein.

Ich übertreibe jetzt mal in meiner Antwort, aber grundsätzlich meine ich es schon so, wie beschrieben …

  1. Leider funktionieren unsere Gesetze / das was offensichtlich eine Mehrheit möchte nicht - durchsetzen ist irgendwie Kacke, also lassen wir es doch sein … (…)
  2. Da wir die Flüchtlinge - obwohl keine Asyl etc. - eh’ nicht los werden, sollen sie doch hier bleiben
  3. Unterscheidung Migration / Flüchtlinge machen wir mal nicht … alles viel zu kompliziert
    … wenn Ihr Euch fragt, warum Parteien wie die AfD Zulauf haben oder Teile der Bevölkerung frustriert sind und auch nicht mehr zu Wahlen gehen … Ihr müsste Euch nur mal zuhören
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Wir können in der Realität ja auch nichts ändern, wir können nur beschreiben, wie es ist.

Die AfD lügt den Leuten etwas in die Tasche, wenn sie behauptet, dass man Menschen in nennenswerter Zahl abschieben könne. Und weil es leider in unserem Land einige Prozent Rassist:innen gibt, fällt dieses Gerede der AfD (und teilweise leider auch von Union und FDP) auf fruchtbaren Boden. Das ändert aber nichts daran, dass das die Hoffnung auf nennenswert mehr Abschiebungen schlicht unrealistisch ist.

Für die Frustration der Menschen wäre es wahrscheinlich hilfreich, wenn sich die Politik ehrlich machen und sagen würde: wer einmal hier ist, der wird zu 95 % auch hierbleiben. Könnt ihr doof finden, müsst ihr aber mit leben. Und je länger die Menschen damit leben, dass es eben zugewanderte Menschen gibt, desto eher werden sie sich damit anfreunden. Es ist ja kein Zufall, dass der Rassismus in der biodeutschen Bevölkerung umso größer (!) ist, je weniger Menschen mit Migrationshintergrund in einer Region leben. Berlin hat beispielsweise ein viel geringeres Rassismusproblem als Sachsen, weil in Berlin so viele Menschen mit Migrationshintergrund leben: Man gewöhnt sich einfach daran - wenn man nicht ohnehin offen dafür ist.

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Das EU-Ziel sind 70% Abschiebequote von Ausreisepflichtigen.
Wie in der Lage dargestellt sind nur wenige Abschiebungen möglich, die tatsächliche Quote ist in den letzten Jahren von 26% auf 22% gefallen.
Diese Diskrepanz führt zu Politikverdrossenheit. Entweder sagt man „Wir brauchen die Flüchtlinge“ - dann sollte man aber auch ehrlicherweise die Zielquote massiv ändern. Dann wissen die Bewohner woran sie sind. Oder man ändert die Asylpolitik, so dass man die Quote erfüllt. Aber diese unehrliche Kommunikation der Politik muss aufhören.

@vieuxrenard Eine Frage habe ich noch: Woher stammt die Annahme, dass die EU nur „zwei, drei, vier“ Millionen Flüchtlinge aufnehmen und verteilen wird müssen?
Allein die Ukraine hat(te) knapp 44 Millionen EinwohnerInnen. Ist nicht ein denkbares Szenario, dass hiervon ein beträchtlicher Teil in den nächsten Monaten nach Europa- und ehrlicherweise am ehesten nach Polen und Deutschland auswandern?

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… ja genau … wer einmal hier ist, den werden wir eh’ nicht mehr los und es muss jeder erst mal rein (Stichwort: Einzelfallprüfung) … und an all dem kann man nichts ändern. So funktioniert es nicht bzw. dies führt zu Frustration und dann in den Extremismus. Ich denke, dass ich ziemlich „Mainstream“ bin, tendenziell wahrscheinlich sogar eher etwas links der Mitte, aber selbst mir geht es langsam zu weit. So wird dies nicht funktionieren und wer so tut als könne man daran nichts ändern, tut sich und uns allen keinen Gefallen … dies ist nur Wasser auf Mühlen der BLÖD oder Bernd Höcke oder Julian Reichelt oder Orban oder, oder, oder … ich möchte mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn nach den nächsten Wahlen in Thüringen nichts mehr gegen Bernd geht oder in Frankreich nichts mehr gegen Marine Le Pen geht. Und wir sind mit einem „unsere Gesetze sind wirkungslos, können wir eh nix machen“ auf dem besten Wege dorthin.

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Würde sie das tun, besteht die Gefahr eines massiven Pull-Effekts mit entsprechenden Effekten an den Schengen-Außengrenzen. Das würde Deutschland in der EU sofort isolieren, denn die Mehrzahl der EU-Staaten ist eindeutig für eine Verschärfung der Asylpolitik.

So sind die Ergebnisse des letzten EU-Gipfels auch zu verstehen.

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Ja, sehe ich auch so.

Die AFD macht es sich natürlich einfach: Ausreisepflichtige nach Herkunftsland identifizieren und dann ab ins Flugzeug oder aufs Schiff ins Herkunftsland, dort rauswerfen und zurückfliegen/fahren.

Zack, fertig.

Die AFD braucht keinen Plan, ihre Wähler wollen einfache Lösungen.

Grundsätzlich bin ich aber mit dem überwiegenden Tenor bisher einer Meinung.
Die Ausreisepflichtigen, die wir im Land haben, sind überwiegend nicht für unseren Arbeitsmarkt geeignet und werden erst recht nicht unseren Fachkräftemangel mindern.

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Wir haben es in Deutschland natürlich einfach, da wir keine richtigen EU-Außengrenzen haben.
Wenn also alle ihre Gesetze verschärfen, kommen auch weniger Asylanten.

Den Pull-Effekt sehe ich auch, man sieht es ja auch daran, dass die Flüchtlinge geschult werden, ihr Herkunftsland nicht preiszugeben.
Und wenn man Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, ist es bis zum Bau eines Grenzzaunes mit Selbstschussanlage auch nicht mer weit.

Das Argument liegt allerdings aus zwei Gründen neben der Sache:

Erstens wäre es völlig egal, wie gut die Leute zu unserem Arbeitsmarkt passen. Wie wir ausführlich erläutert haben, sind die Menschen nun mal hier und werden auch fast alle hier bleiben, egal was wir tun. Daher ist es einfach rational, davon auszugehen, dass sie hier bleiben, und unsere Rechtsordnung daran auszurichten, dass wir eben fast alle integrieren müssen. Das ist nicht links oder grün, sondern Fakt.

Ich wundere mich schon ein wenig über das Ausmaß an Realitätsverweigerung, dass ich sogar hier im Forum lese. Einerseits finden eigentlich alle unsere Analyse schlüssig, andererseits wehren sich doch einige mit Händen und Füßen dagegen. Leute, das ist einfach irrational.

Zweitens haben wir einen enormen Fachkräftemangel, auch in Bereichen, für die keine akademische Bildung erforderlich ist. So gibt es reihenweise Beispiele von Menschen in Migrationshintergrund, die als Krankenpfleger arbeiten. Ich will nicht in Abrede stellen, dass man auch dafür eine Ausbildung braucht, aber ganz offensichtlich schaffen das auch Menschen, die kein Abitur haben.

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Es gibt keinen Pull-Effekt.

Der würde nämlich voraussetzen, dass Menschen in Afrika die rationale Entscheidung treffen: aha, in Europa ändern sie jetzt ihre Spielregeln, da macht es ja noch mehr Sinn, dorthin zu fliehen.

Genau diese rationale Abwägung findet aber nicht statt. Europa ist aus Sicht eines großen Teils der Welt immer attraktiv, ganz egal, welche Spielregeln gelten. Derzeit müssen die Menschen bei der Fahrt über das Mittelmeer ihr Leben riskieren. Schlimmer geht es gar nicht. Die Details unseres Migrationsrechts sind im Vergleich zu der konkreten Lebensgefahr auf dem Meer schlicht irrelevant.

Abgesehen davon: Auch heute schon finden ja kaum Abschiebungen statt. Wenn es also diesen Effekt gäbe, dann träte er heute längst ein.

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Lieber Bembel,
Der Beitrag in der letzten Lage war ein Versuch, zu erklären, weshalb es tatsächlich keinen realistischen Weg gibt, abgelehnte Asylbewerber zurück nach Hause zu schicken. Alle, die von Abschiebeoffensiven und ähnlichem reden, sind diejenigen, die Augenwischerei betreiben. Dass die EU Abschiebequoten von 70+ Prozent festlegt, wie jemand oben beschrieben hat, ist eigentlich ein Skandal weil alle, die sich eingegender mit dem Thema beschäftigen, wissen, dass das unmöglich ist, wenn man die EU eine Gemeinschaft von Rechtsstaaten bleiben will und zugleich seine Einwanderungspolitik nicht grundlegend ändern möchte.

Der Punkt ist, dass man Menschen nicht einfach über die Grenze schubsen kann. Man braucht die Zustimmung des Staates auf der anderen Seite der Grenze. Und die wollen in der Regel nicht. Migranten in Europa bringen Devisen, stützen die Wirtschaft. Bei Rückführungen mitzuhelfen, bringt nur eine Menge innenpolitischen Ärger.

Aus denselben Gründen ist auch weiterhin nicht absehbar, dass ein Land außerhalb der EU zustimmen könnte, dort Asylprüfungszentren einzurichten.

Jeder, der in die EU einreist, wirft vorsorglich vorher seinen Pass weg. Deutschland kann Niemandem einen anderen als einen deutschen Pass ausstellen, das könnrn nur die Herkunftsländer. Für diese gibt es Tausend und eine Möglichkeiten, bei der Feststellung der Nationalität auf dem Papier mit der EU zusammenzuarbeiten, ohne dass diese jemals festgestellt wird.

Mehr Geld für Entiwcklungshilfe u.ä. sind keine echten Anreize für die Herkunftsländer. Der innenpolitische Sprengstoff von Flugzeugen voller Abgeschobener ist viel größer als der Nutzen von EZ-Geld. Außerdem gibt es Länder wie China und Saudi Arabien, die gerne mit Geld aushelfen, wenn die EU wegfällt. Mir persönlich wäre es lieber, wenn die EU ihren politischen Einfluss in Ländern in der europäischen Nachbarschaft in Osteuropa, Afrika, West- und Zentrasien nicht zugunsten der oben genannten Länder für eine noch härtere Migrationspolitik opfert.

Visa zu verweigern hilft auch nicht so richtig, da Menschen aus den Herkunftstländern ohnehin kaum Visa bekommen, außer das Reiseland in der EU hat ein besonderes Interesse an der Person. Man würde also vor allem erreichen, dass EU- Bürger selbst nicht mehr in diese Länder reisen dürfte.

Soweit ich das sehe, gäbe es zwei Dinge, mit denem man ernsthafte Anreize schaffen könnte:

  1. signifikante Investitionen europäischer unternehmen, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen. Geben Sie Bescheid, wenn Sie wissen, wie man unsere Unternehmen davon überzeugt, ihre nächste Fabrik in Nigeria statt in China zu eröffnen.

  2. Möglichkeiten zur legalen Einreise in die EU in einer Größenordnung, dass die innenpolitischen Schwierigkeiten durch die Rücknahme von Abgeschobenen mindestens ausgeglichen werden.

Will man ohne Zusammenarbeit der Herkunftsländer etwas tun, bleibt eigentlich nur noch, irreguläre Migration zu einer schweren Straftat zu erklären und alle dauerhaft wegzusperren. Das kann kaum der richtige Umfang mit Menschen sein, die im Prinzip einfach nur verzweifelt sind. Will man mit den Herkunftsländern zusammenarbeiten, muss man ihnen auch etwas bieten, dass auch deren Interessen nützt. Ich bin gespannt, ob jemandem hierzu etwas bislang Unentdecktes einfällt.

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Vorab: ich arbeite seit der ersten „Flüchtlingskrise“ 2015 beim auch im Beitrag genannten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, habe aber auch gute Kontakte z einigen Ausländerbehörden (einige meiner Kollegen sind auch ehemalige Mitarbeitende der umliegenden ABH).

Und ich stimme dem Befund zu, dass durch Abschiebungen keine spürbaren Erleichterungen, weder bei der Unterbringung von Flüchtlingen noch in den Sozialsystemen stattfinden werden, weil die überwiegende Zahl der geflüchteten Menschen aus Ländern kommt, in die nicht abgeschoben werden kann und sich das auch kurzfristig nicht ändern wird. Das heißt trotzdem nicht, dass auf einigen Staaten nicht größerer Druck aufgebaut werden sollte, ihre Staatsbürger zurückzunehmen. Ich denke da insbesondere an den Maghreb oder andere westafrikanische Länder, deren Schutzquoten sehr gering sind.

Aber auch Rückführungen von Menschen, die bereits in einem anderen europäischen Staat einen Asylantrag gestellt haben oder sogar dort als Flüchtlinge anerkannt wurden, wird es nicht geben, solange insbesondere in Osteuropa viele Länder weder ökonomisch in der Lage noch politisch willens sind, für geflüchtete Menschen ein menschenwürdiges Leben zu schaffen.
Das im negativen Sinne beste Beispiel ist Griechenland mit Flüchtlingslagern wie Moria und der Streichung von jeglicher Sozialleistung, sobald ein Flüchtlingsstatus ausgesprochen wurde. Allein aus Griechenland sind in den letzten Jahren zehntausende Menschen nach Deutschland weitergezogen, die auch nicht mehr zurück geschickt werden können (obwohl das BMI, was auch die Mutterbehörde des BAMF ist, lange auf diesem Standpunkt beharrt hat).

Zuletzt noch eine kleine Bemerkung zum Thema Videoanhörung: das wird beim BAMF schon seit Jahren gemacht, wobei dort nur die sprachmittelnde Person per Videosystem zugeschaltet wurde. Neu ist die Möglichkeit, dass sich nun auch Asylsuchende und anhörende Person nicht mehr im selben Raum befinden müssen. Richtig ist in jedem Fall, dass diese Art der Anhörung aufgrund der erschwerten Kommunikation eher unbeliebt ist.

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