Das ist Verklärung der Tatsachen, die von Unternehmen sehr gerne als Argument gegen Regulierung und für Staatshilfen verwendet wird. Für die massive De-Industrialisierung in Deutschland sind aber andere Gründe ausschlaggebend gewesen (Quelle: bpb):
Niedrigere Löhne
Räumliche Nähe zu Absatzmärkten (speziell wohl Automobil-Industrie)
andere Produktionskosten (wohl auch Strom)
[…]
Erst an siebter Stelle stehen Regularien der jeweiligen Länder. Das sieht aber z.B. auch die Unternehmensberatung pwc so:
Und was die Problematik der hohen Energiekosten angeht, wer könnte dafür wohl verantwortlich sein?
Erst einmal Danke für Ihre Kommentare. Wie ich ganz oben angemerkt habe: ich stelle weder den negativen Einfluss des Menschen auf das Klima noch die Klimakrise selbst in Frage. Und ein gesteuertes, abgestimmtes Handeln ist wichtig - radikale Maßnahmen hingegen sind nicht zielführend. Ich war in Europa und den USA tätig, in der chemischen Industrie - immer im Wettbewerb zu asiatischer und zunehmend indischer Konkurrenz. Auch wenn es (fast) überall Bestrebungen gibt, Energie einzusparen, auf modernere Produktionsverfahren zu setzen und Treibhausgase zu vermeiden, so entscheidet dort sehr oft die Wirtschaftlichkeit einzelner Prozesse, ob klimaschonende Maßnahmen umgesetzt werden, oder nicht. Daher setze ich mich hier und in anderen Foreneinträgen sehr dafür ein, dass Deutschland bei allem Engagement die Wirtschaftlichkeit und letztlich das Überleben der energieintensiven und im internationalen Wettbewerb stehenden Industrien (vor allem die chemische Industrie) nicht aufs Spiel setzt. Wir haben in den letzten Jahren viele Schlüsseltechnologien und auch Basistechnologien wie Chlorierungen und Nitrierungen für Commodities verloren. Das führt Schritt für Schritt dazu, dass wir unsere Industrie schwächen und Kapazitäten verlieren. Das ist auch keine Zukunft, in der ich leben will.
Ich war hier noch eine Antwort schuldig. Die fehlende Sicherheit der Industrie in Deutschland zeigt sich in der energieintensiven Chemieindustrie jeden Tag aufs neue. Konsequenzen: Anlagenstilllegungen und Verlagerung von Produktionen ins Ausland - derzeit v.a. nach Indien. Bedenkliches Beispiel ist die BASF, die u.a. mit Verweis auf die hohe Bürokratie angekündigt hat, u.a. ihre NH3 und ihre TDI-Produktion in Deutschland einzustellen. PROCESS vom 24.02.2023. Dier heisst es " «Die Wettbewerbsfähigkeit der Region Europa leidet zunehmend unter Überregulierung», sagte Unternehmenschef Martin Brudermüller laut Mitteilung. Sie leide auch immer mehr unter langsamen und bürokratischen Genehmigungsverfahren und vor allem unter hohen Kosten für die meisten Produktionsfaktoren. All dies habe bereits über viele Jahre das Marktwachstum in Europa im Vergleich zu anderen Regionen gebremst. Zusätzlich belasteten jetzt die hohen Energiepreise die Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit in Europa." - eine Entwicklung die wir in weniger prominentem Umfang aktuell an vielen Chemiestandorten beobachten. Wenn das das Handeln ist, das ihr Euch wünscht, um den Klimanotstand zu bekämpfen, wird mir Angst und Bange.
Ich kenne mich mit den Anforderungen an Unternehmen zugegebenermaßen nicht aus, aber ich gebe zu bedenken, dass Unternehmen, insbesondere Aktiengesellschaften, gewinnorientiert sind. Und zwar ausschließlich. Ist es nicht erschreckend, dass in Berlin so viele Lobbyisten ihre Büros haben, um den Politikern im eigenen Interesse behauptete Notwendigkeiten ins Ohr zu flüstern. Das kann einfach nicht richtig sein.
Mittlerweile weiß man, dass Exxon seit Jahrzehnten die Folgen der Nutzung von fossilen Energien kannte und trotzdem die Menschen hat ins Unheil rennen lassen - aus Profitgier.
Ebenso wissen wir, welch hohen Gewinne fossile Konzerne in diesem Jahr gemacht haben.
Soweit ich weiß, bekleckert sich auch BASF aktuell nicht mit Ruhm (z.B. Russlandgeschäfte).
Automobilkonzerne bauen unnötigerweise immer größere Autos und bieten sie nun sogar als Elektrofahrzeuge an - der helle Wahnsinn.
Gewinn, Gewinn, Gewinn…
Wenn es zu viel verlangt ist, dass die Regierung in dieser Hinsicht Grenzen setzt, dann müsste sie das Gewinnstreben wenigstens in eine Richtung lenken, die Klimaschutz verspricht, d.h. klimaschützendes Unternehmenshandeln fördern, fossile Energien etc. mit Steuern belegen.
Also z.B. klimaschädliche Subventionen streichen @ChristianB75 Mir persönlich wird angst und bange, wenn ich sehe, welche Katastrophen die Klimaerhitzung jetzt schon hervorruft. Ich befürchte, dass uns viel schlimmere Zeiten bevorstehen. Da ist eine Abwanderung von BASF mein geringstes Problem.
Außerdem: Die Fördermaßnahmen in den USA z.B. sind doch durchaus sinnvoll. Die EU muss diesem Beispiel folgen. Förderungen muss nicht nur in Subventionen bestehen. Auch Entbürokratisierung kann Europa für Unternehmen als Standort interessant machen.
Ich kann deine Unzufriedenheit mit solchen Unternehmen verstehen. Auch ich kann kaum verstehen was Herrn Brudermüller dazu bringt jetzt noch weiter in China zu investieren und ich feiere Frau Dubourg, die ihren Vorstandsposten aus Protest dagegen verlässt.
Aber, auf der anderen Seite besorgt mich diese Entscheidung auch deutlich. Denn TDI und dessen Nachfolgeprodukte, die nun in Ludwigshafen nicht mehr hergestellt werden, werden auch für die Energiewende benötigt (TDI ist ein Grundstoff für etliche Kunststoffprodukte).
Hier müssen wir uns schon fragen, warum diese Auslagerung nicht verhindert werden konnte. Wir können sicher sein, dass die BASF dieses Szenario mehrfach in der Politik beschrieben haben wird, offensichtlich ohne Erfolg. So sind wir nun noch ein wenig abhängiger geworden.
Stimmt, Chinageschäfte. Danke für die freundliche Korrektur.
Ich kann die Sorge um die Wirtschaft auch verstehen. Allerdings führt diese nur dann auf den richtigen Weg, wenn sie uns in eine mutige, fortschrittliche, klimafreundliche Richtung bringt. Ist BASF auf einem solchen Weg? Kann man den Erhalt der Standorte durch Bürokratieabbau und Förderungen nicht an solche Bedingungen knüpfen? Das scheint mir auch das Wesen des Programms in den USA zu sein. Der Staat muss in irgendeiner Weise lenkend eingreifen.
Veränderungen oder Verzicht müssen auch nicht immer negativ sein. Es können sich völlig neue positive Lebenserfahrungen und eine ganz andere Art von Lebensqualität ergeben. Grüne Innenstädte mit Fußgängern, Radfahrern, Kindern, in denen man es auch bei quälender Hitze aushält. Niemand wird die Autos vermissen, wenn es ausreichend guten ÖPNV gibt. Und natürlich nach wie vor einige Parkplätze oder On-Demand-Systeme für Menschen mit Handicap. Seht euch die Bilder der Städte an, die die große Transformation bereits begonnen haben. Nur so als Beispiel.
Gestern hörte ich zwei Interviews mit dem Philosophen Thomas Metzinger gehört, der sogar überzeugt ist, man müsse sich bereits jetzt mit dem Erlernen von Meditation mental auf den mit Sicherheit bevorstehenden Klimakollaps vorbereiten. Ich selbst bin noch nicht bereit, die Hoffnung auf rechtzeitige Veränderung aufzugeben.
Möglicherweise hast du das unglücklich formuliert. Sicherheit gibt es nämlich fast nur in DE, auch oder gerade für die Energieintensiven. Beispiele gefällig?
Indien, da musst du froh sein überhaupt Strom zu bekommen. Fabriken müssen dort teilweise den Sonntag mit einem Wochentag tauschen um Strom zu bekommen. Das Gerücht mit dem Zoll an jeder Brücke gilt nach wie vor, bzw. Ist eben keins. Jede Region wird willkürlich von Fürsten regiert. In Gujarat darfst du z.B. nur 1 MWp PV bauen, egal wieviel Strom fehlt. Du darfst auch nur 1 MW Windstrom einkaufen.
China, in Peking gibt es seit 10 Jahre CO2-Steuer. Wenn du nicht ausreichend reduzierst, dann wird dein Betrieb dicht gemacht. Was sowieso gilt, wenn Xi gerade mal wieder in der Nähe in der Sonne spazieren gehen möchte.
USA, es gibt vermutlich nur in Afrika Stromnetze die unsicherer sind. Billig ist es auch nur dann, wenn Überfluss herrscht. Kälte-Einbruch und Waldbrände in Kalifornien noch in Erinnerung?
Da sind etliche Haushalte überschuldet worden weil der Strom astronomisch teuer geworden ist, da ist das lachhaft, was bei uns passiert ist.
In diesem Punkt kann ich mir vorstellen, dass du recht hast. Habe selber schon ein paar Jahre kein BImSchG Verfahren mehr durchgeführt. Aber was ich von den Kollegen so höre lässt einen schaudern.
Nein, das wünscht sich niemand. Aber was die Chemie (ist ja viel komplexer) macht (oder eben BASF) ist für mich schon fraglich. Hier mal die offizielle VCI Statistik:
Da kann man sehen, dass der Anteil der Energie an der Bruttowertschöpfung
nur bei der Grundchemie so hoch ist (um die geht es dir glaub ich)
bei anderen Chemie-zweigen ist die schon deutlich niedriger.
Die Chemie ist aber die Industrie, die da besonders jammert. Klar verändern sich auch Zement, Eisen und Stahl. Aber bei allen sind vermutlich die Personalkosten deutlich höher, und/oder die Materialkosten. Das rumgenöle auf den Energiekosten (die Industrie-gemacht sind) ist da glaub ich nicht angebracht. Verbands-Vertreter müssen das halt, genauso wie Vorstandsvorsitzende. Ist halt deren Job.
Zum Glück gibt es aber auch in der Chemie Unternehmen die gehört habe es es beim Klimaschutz schlägt. BASF scheint keines davon zu sein.
Aber Danke für die Antwort!
Wenn man eine stromintensive Produktion betreibt, hat man einen großen Diesel als Ersatzstrom.
Oder auch gleich zwei. Haben wir z.B. in Mumbai gehabt und jetzt in Hyderabad.
Also ich bleibe ständig bei diesem Satz hängen, weil ich den Vorschlag für so komplett absurd halte. Vergleichbar mit früher, wo der Pfarrer dann empfohlen hat, zu beten und die Hoffnung nicht aufzugeben, dass der liebe Gott helfen wird.
Deine Überschrift heißt aber: Handeln jetzt! Also setz dich z.B. dafür ein, dass PV auf deine Schule oder die deiner Kinder kommt! Oder am Arbeitsplatz, ode,r ode,r oder.
Ich vertrete diese Meinung nicht, aber es ist eine weitere Perspektive. Es geht auch mehr um Resilienz als um Esoterik. Wie gesagt: Nicht meine Meinung, ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Allerdings halte ich die Situation ebenfalls für sehr akut. Das wird in der Politik und in den Medien aus meiner Sicht nicht ausreichend thematisiert. Die Klimaerhitzung wird bagatellisiert. Die Öffentlichkeit hat noch nicht begriffen, wie schlimm es schon jetzt ist.
Das €9-Ticket (oder €49), ist schonmal ein guter Anreiz.
Jetzt heißt es Ausbauen, Ausbauen, Ausbauen, das gilt auch für Ladeinfrastruktur.
Fatal wäre es, wenn die Bahn jetzt sagt, sie würden zu wenig Geld verdienen wegen dem Ticket, können darum nicht ausbauen. Würde ich denen zutrauen.
Dann gehört die Bahn wieder verstaatlicht.
Ja, genau. Besser wären 29 Euro gewesen oder sogar weniger, weil 49 Euro für ärmere Menschen zu viel sind. Mindestens hätte man ein Sozialticket dazuerfinden müssen.
Ja, die Bahn muss weiter ausgebaut werden, gerne auch mit Schulden. Ich verweise hier mal auf einen neuen Themenvorschlag:https://talk.lagedernation.org/t/progressiveres-framing-zu-staatsfinanzen-schulden-und-geld-modern-monetary-theory/18809?u=margarete_amelung
Darin geht es darum, dass die sogenannte Schuldenbremse für Investitionen in die Infrastruktur einschließlich Schulen, Gesundheitsversorgung etc. überhaupt keinen Sinn ergibt. Der Staat kann Geld investieren und durch den Gegenwert der Infrastruktur wäre dieses Geld noch nicht einmal verloren.
Schulden schaden zukünftigen Generationen weniger als eine durch den großen Abstand zwischen „Reichen“ und „Armen“ ungerechte Gesellschaft oder eine durch die Klimakatastrophe zerstörte Welt.
Ja, speziell in Deutschland, aber auch in der EU neigen wir dazu, Dinge zu kompliziert zu machen, möglichst keine Fehler zuzulassen.
Das ist einerseits oft unnötig und verlangsamt vieles.
Es gibt leider auch Unternehmen, die schon Arbeitnehmerrechte oder das Strafgesetzbuch als Überregulierung empfinden, weil es das Gewinnstreben hemmt. Nicht alle, aber viele.
Das Grundproblem eines Sinneswandels bezüglich des Klimas ist wohl, das wir dafür unser Verständnis von Wohlstand, Gewinnstreben und stetigem Wachstum hinterfragen müssten.
Auch hier liegt ein Ansatz durchaus im Kleinen. Wenn jeder sich im wesentlichen auf das beschränkt, was er wirklich braucht, bringt das schon viel.
Wenn sich die Masse der Autofahrer beispielsweise mit Autos begnügen würden, die ihren Anforderungen entsprechen, und nicht ihrem Ego, würden eine Menge große teure PS starke SUV wohl auf der Halde stehen. Und dann zum Umdenken der Konzerne rein im Sinne des Umsatzes führen können, gemäß Angebot und Nachfrage.
Allerdings würde ich soviel Vernunft nicht flächendeckend voraussetzen….
Ähm, nein. Aber das habe ich eben schon versucht zu schreiben und das willst du wohl nicht einsehen. Ein Limit von 450 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ist nichts anderes als ein de-facto Verbot von Kohle ab 2025. Einfach weil die Anpassungen der Kraftwerke im Vergleich zu anderen Optionen nicht mehr wirtschaftlich sind. Kann man in etwa mit einer Vorgabe von 65% Erneuerbare für neue Heizsysteme vergleichen.
Aber eben keine rein marktwirtschaftliche Lösung. Und das gibt es in Deutschland übrigens in ähnlicher Form auch. Nenn sich § 13g EnWG zur Stilllegung und einer Sicherheitsbereitschaft von Braunkohlekraftwerken. Ja es sind nicht die Kraftwerksblöcke, die nach dem Kohleausstiegsgesetz wegfallen, aber es ist eine ähnliche Lösung für Kraftwerke, die nicht mehr am Markt sich auch in Deutschland existent.
Sehe ich anders und deine Rechnung würde mich interessieren. Aktuell kann man es sich eventuell noch etwas schön rechnen, weil die Strompreise (allein für den Fall, dass du das AKW mit Kosten für EE vergleichen willst) hoch genug sind. Aber auch hier gilt, dass EE kostengünstiger sind (eine neue AKW oder EE Debatte brauchen wir hier aber sicherlich nicht). Abgesehen davon, ist das eben kein reines Setzen auf den Markt, was du aber als Lösung für England angegeben hast. Der Markt alleine wird es nicht mehr lösen können.
Nicht falsch verstehen, ich finde an vielen Stellen eine Lösung über den Markt super, nur leider ist die Zeit etwas knapp und wenn wir uns auf etwas einigen können, dann eventuell, dass die Regierung in GB eher in der Lage war vermeintlich unpopuläre (mindestens aus unserer Sicht) Entscheidungen zu treffen. Ich weiß gerade nicht genau, wie groß die Kohlelobby in UK im Vergleich z.B. zu Deutschland aufgetreten ist, aber die Argumente, dass man billige Kohle für eine günstige Energieversorgung und Wettbewerbsfähigkeit benötigt gab es auch dort. Auch will ich gar nicht bestreiten, dass UK wesentlich marktliberaler ist. Aber eben nicht allein und kann dafür nicht als Beispiel genommen werden, dass es die anderen Komponenten nicht braucht.