Ich finde inhaltlich war das Interview von Seiten Herrn Hirths (LdN306) okay, wobei ich mir bei der Funktion der Strommärkte mehr Details gewünscht hätte, z.B. die Frage:
„Wieviel Prozent unseres Stromes werden über welchen Markt gehandelt“.
Denn in einer Stellungnahme gegenüber dem deutschen Bundestages von 2008 (Quelle: Wiss. Dienst des Bundestages) räumt die EEX (Leipziger Strombörse) selbst ein:
[…] Obwohl nur ein kleiner Teil der gesamten Strommenge tatsächlich an der EEX gekauft bzw. verkauft wird, sichert das Auktionsverfahren einen transparenten Preis für alle Marktteilnehmer.
Hier hätte ich mir daher eine Erklärung gewünscht, woher der große Einfluss eines eher kleinen Marktsegmentes kommt. Denn dass diese große Einfluss in Krisenzeiten schädlich ist und man dem entgegenwirken sollte, dass sehen wir ja alle gerade.
Der Energieversorger e.on schreibt außerdem (Quelle):
Der mit etwa 75 Prozent größte Teil des Stromhandels findet immer noch außerhalb der Strombörse statt, und zwar als Handel „Over-the-Counter“ („über die Ladentheke“), abgekürzt OTC.
Dieser gar nicht mal kleine Teil des Strommarktes ist von Herrn Hirth überhaupt nicht erwähnt worden und ich frage mich: Warum? Selbst wenn dieser Teil in der aktuellen Situation eine untergeordnete Rolle spielen sollte, finde ich gehört er bei einer kompletten Übersicht durch einen Fachmann dazu.
Was mit an dem Interview aber gut gefallen hat waren die Zwischenfragen. Direkt am Anfang kam ja von Herrn Hirth die Aussage, man könne Strom nicht speichern und angenehmer weise wurde das von Phillip sofort hinterfragt und Herr Hirth änderte seine Aussage dazu ja dann auch
Auch das Nachhaken zur üblichen These von Herr Hirth:
„Der Markt regelt das schon…“ fand ich sehr gut, schade das Ulf beim Krankenhausbeispiel nicht nochmal gebohrt hat, aber das offensichtliche Ausweichen von Herr Hirth war da schon sehr vielsagend.
Ich find’s ziemlich bezeichnend, wenn aus einem Lob für eine sachlich und inhaltlich korrekte Darstellung eines komplexen Sachverhalts in einem langen Interview unbedingt wieder eine ideologische Fragestellung samt ideologischen Kampfbegriffen konstruiert werden muss.
Aber sei’s drum. Fakten sind nicht jedermanns Ding.
Das ist glaube ich ein Missverständnis. Es gibt „kein Design“ im Sinne von, dass halt niemand hingegangen ist und etwas „designed“ hat, das etwas völlig anderes erzwingen würde als das Verhalten, das die Marktteilnehmer von sich aus und getrieben durch ihre individuellen ökonomischen Interessen an den Tag legen würden. Es gibt aber schon ein „Design“ insofern, als dass man bewusst die Entscheidung getroffen hat, dieses sich organisch ergebende Verhalten zu akzeptieren und infolgedessen die kleine Optimierung vorzunehmen, dass man die Garantie des einheitlichen Preises ausspricht, um spieltheoretisch zu erwartende Überbietungs-Effekte wie ich sie hier in einem älteren Beitrag beschrieben habe von vorneherein auszuschließen, die weder ökonomisch noch ökologisch wünschenswert gewesen wären.
Das hat mich auch ein wenig aufhorchen lassen. Was ihr hier beschreibt, sind zwei Auswirkungen dieses Verteilungsmechanismus, mit dem Marktliberale ungern konfrontiert werden.
Die Angebots-Nachfrage-Theorie besagt, dass der steigende Preis die Nachfrage senkt, bis die verbleibende Nachfrage bedient werden kann. Was keiner gerne sagt, ist, was „sinkende Nachfrage“ in manchen Sektoren heißt:
Es bedeutet Obdachlosigkeit (Immobilien-Markt), Hunger (Nahrungsmittel), Frost (Gas).
Deshalb greift der Staat natürich auch gerne ein, um diesen Angebots-Nachfrage-Markt eben nicht sich selbst zu überlassen. Das hat aber einen zweiten Effekt:
Anstatt knappe Güter, wie aktuell Gas, regulatorisch zu verteilen, ziehen wir den Preis als Verteilungsmechanismus heran. So steigt der Preis in diesem Kampf ums knappe Gut, und am Ende müssen die Gewinner hohe Preis zahlen.
Jede Form der staatlichen Beihilfen zur Gasrechnung verstärkt diesen Effekt, weil sie den Marktteilnehmern ermöglicht, noch höhere Preise zu zahlen.
Das Resultat ist, dass wir Russland über den Sommer absurd viel Geld in den Rachen geworfen haben, nicht um irgendwelche Förderkosten zu zahlen, sondern um unsere Verteilungsproblematik zu lösen. (Und ja, natürlich haben wir Russland so vielleicht auch motiviert, weiterhin Gas zu liefern.)
Wie Herr Hirth ausgeführt hat: Die aktuellen hohen Preis sind kein Ausdruck der höheren Förder-/Lieferkosten von Ersatzlieferanten für LNG, sondern ausschließlich des begrenzen Angebots geschuldet.
Das ist in der Tat ein großes Problem und ich würde mir hier einfach einen Prioritätenwechsel wünschen.
Generell verteidige ich den deutschen Hang zur Bürokratie relativ oft - Bürokratie ist nun einmal der einzige Weg, Korruption halbwegs sicher zu bekämpfen. Wenn es klare Richtlinien für alles gibt, ist es schwerer, jemanden zu bestechen, als wenn alles Ermessensentscheidungen sind.
Aber man muss eben realisieren, dass wir uns aktuell in einem Krieg befinden. Es mag nur ein Wirtschaftskrieg sein, aber es ist dennoch ein Krieg. Und der erfordert vor allem Flexibilität und damit verbunden Reaktionsschnelligkeit.
Wenn die Russen uns das Gas abdrehen, wie geschehen, dürfen wir uns eben nicht in Bürokratie verlieren, sondern in dem Moment hätte der Bundestag sofort zusammentreten müssen und als Sofortmaßnahme ein massives Erleichterungsgesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien verabschieden müssen, auch wenn dadurch die rechtstaatlichen Interventionsmöglichkeiten für mache Anwohner und Naturschützer geopfert werden müssen. Eben weil es für die Prioritätensetzung nötig ist.
In Friedenszeiten darf die Politik langsam und bedächtig handeln und jedem muss im Rahmen des Rechtstaates ein Mitspracherecht eingeräumt werden. In akuten Krisen hingegen muss aber eben auch mal akzeptiert werden, wenn diese Rechte zeitlich befristet eingeschränkt werden müssen.
Wenn der Feuerwehrmann dir beim Hausbrand sagt: „Verlassen Sie das Gebäude über diesen Weg!“ fängst du schließlich auch nicht an, darüber zu diskutieren. Nicht mal ich, der gerne und ständig über alles diskutiert
Hier fände ich immer auch Beispiele schön, damit die Leute es etwas besser verstehen.
Wenn du ein Windkraftanlagenbetreiber bist und deinen Strom für 10 Cent produzierst, während der Gasanlagenbetreiber seinen Strom für 60 Cent produziert und der Gasanlagenbetreiber wegen des hohen Bedarfs seinen Strom für 60 Cent verkauft bekommt: Warum zur Hölle solltest du deinen Windkraftstrom für weniger als 60 Cent verkaufen?!? Das wäre halt einfach unwirtschaftlich. Kein Stromproduzent, der wirtschaftlich denkt, würde in dieser Situation seinen Strom für weniger als 60 Cent verkaufen. Und der Gasanlagenbetreiber kann seinen Strom nicht für weniger als 60 Cent verkaufen, ohne ein Verlustgeschäft zu machen - aber wir wollen seinen Strom haben, weil wir ihn brauchen.
Daher: Es ist keine staatliche Steuerung, sondern schlicht ein sich selbst aus der Systematik des Marktes ergebener Sachverhalt.
Eine staatliche Intervention wäre es nun, wenn der Staat z.B. über einen Strompreisdeckel den Strom auf 30 Cent begrenzen würde. Dann würden alle Marktteilnehmer den Strom für 30 Cent verkaufen und der Staat müsste den Gasanlagenbetreiber finanziell unterstützen, damit der nicht pleite geht. Eine andere staatliche Intervention wäre eben eine Übergewinnsteuer, über die die massiven Übergewinne, die die günstigen Produzenten aktuell machen können, abgeschöpft werden, daher: Der Solarstromproduzent kann seinen Strom zwar für 60 Cent verkaufen, darf von den 50 Cent Gewinn aber z.B. nur 20 behalten, während sich für den Gasanlagenbetreiber nichts ändert…
„Zeit der Kannibalen“:Kammerspiel der Kapitalisten
Drei Unternehmensberater im Hotel Hölle. Johannes Nabers Film „Zeit der Kannibalen“ seziert bitterböse die Neurosen der Optimierungsgesellschaft.
Aber im Sinne der Debattenkultur hier nenne ich den Markt-Apologeten in Marktwirtschaftsverteidiger und den anderen in Kapitalismus-Befürworter um. Um um auch beide Bezeichnungen zu rechtfertigen:
Herr Hirth hat in seinem Interview nichts auf den Markt kommen lassen, ich denke das wird niemand bestreiten, hat den Markt also massiv verteidigt.
@BamChiller hat in einem anderen Thread die quasi anstrenungslosen Übergewinne von Firmen erstrebenswert genannt, obwohl wir gerade alle spüren, was wo diese Gewinne herkommen, nämlich aus pleitegehenden KMUs und privaten Haushalten. Hier halte ich dann Kapitalismus Befürwortung einen sinnvollen Begriff den nichts anderes ist die Gewinnmaximierung um jeden Preis.
Du kannst dir im Gegenzug ja mal überlegen, ob Ideologie- und Glaubensvorwürfe nicht auch Kampfbegriffe sind
Ich kann auch nicht wirklich nachvollziehen, wie man auf die aktuellen Mechanismen des Strommarktes schauen kann und der Meinung sein kann, dass wäre die best mögliche Ausgestaltung des sicherlich komplexen Problemes: „Wie bekommt man versorgungssicher günstigen Strom bereitgestellt.“
Zu 1., weil der Markt grundsätzlich ja auch funktioniert und es kein Problem des Strommarktes ist. Er hat auch immer wieder gesagt, dass es in der reinen Lehre super wäre, weil der funktionierende Markt die Anreize setzt, die wir brauchen, um a) einen Wandel herbeizuführen und in EE zu investieren und b) Energie zu sparen.
Das bringt mich direkt zu 2., weil das irgendwie immer nicht mit genannt wird, aber elementar wichtig bei der Bewertung ist. Es gilt genau denen zu helfen, die davon betroffen sind und sich die hohen Kosten aktuell nicht leisten können (habe auch ich hier im Forum oft genug dazu gesagt, weil du mich hier so direkt ansprichst). Nur im Gegensatz zu dir sage ich, dass es nicht damit getan werden sollte den funktionierenden Markt anzugehen sondern andere Mechanismen genutzt werden sollten. Ein Beispiel ist die eben entkoppelte Zahlung von Hilfen und Energiepreis, um zum einen zu helfen und zum anderen aber die notwendigen Sparanreize nicht zu konterkarieren. Insofern bin ich kein Befürworter des reinen Kapitalismus sondern eher einer wieder wirklich sozialen Marktwirtschaft.
Diesen idellen Markt gibt es aber doch überhaupt nicht. In der Realität arbeiten alle Unternehmen in ihren jeweiligen Märkten doch sogar gegen dieses Ideal und versuchen z.B. Monopole zwecks Gewinnmaximierung zu bilden.
Und das es sich nicht um einen ideallen Markt handelt, führt im aktuellen Strommarkt-System zu 2 offensichtlichen Nachteilen:
Schon vor der Krise konnten AKW-Betreiber und auch EE-Lieferanten vergleichsweiße hohe Erlöse erwirtschaften, weil ihr Strom zum hohen Gaspreis wegging. Das führt dann dazu, dass wir quasi seit der Liberalisierung des Strommarktes zu viel für unseren Strom bezahlt haben, da die großen Betreiber natürlich dafür gesorgt haben, dass die teueren Gaskraftwerke möglichst immer gebraucht werden.
In der aktuellen Krisensituation ist diese Wirkung besonders verheerend, den die Überteuerung des Stromes bzw. die Übergewinne der Produzenten, die ohnehin im Strommakrt systembedingt angelegt sind, werden massiv verstärkt, wie man z.B. hier sieht: RWE profitiert von steigenden Energiepreisen
Natürlich sind die Mechanismen des Strommarktes nicht an der Krise schuld, aber sie verstärken sie noch und das eben zugunsten der Stromkonzerne. Und angesichts der Klimakatastrophe werden wir auch in Zukunft solche Krisen haben.
Das ist ja auch völlig in Ordnung und nebenbei natürlich auch Kernaufgabe des Staates. Aber damit geht man doch nur die aktuellen Symptome an und beschäftigt sich nicht mit den Ursachen der Strompreis-Krise und die sind eben
der Krieg in der Ukraine, können wir nur bedingt beeinflussen
die Mechanismen des Strommarktes und die können wir als Gesellschaft beeinflussen
Natürlich ist es nicht trivial eine Alternative zum aktuellen System zu finden, die am besten auf Dauer ohne staatliche Eingriffe und Gesetze auskommt.
Aber vielleicht geht das dann auch nicht und der Strommarkt muss eben durch gewisse Gesetze geregelt werden. Ist ja beim Atienmarkt genauso, da gibt es ja z.B. das Börsengesetz.
Hat auch niemand gesagt, dass es ihn geben würde. Du siehst nur immer die Aussage und nicht die Zusätze, weil eben auch erwähnt wird, was getan werden sollte, um die negativen Effekte anzugehen. Die Lösungen scheinen dir aber einfach nicht zu gefallen. Und in einem funktionierenden Markt können Unternehmen nicht einfach ein Monopol bilden. Ihren Gewinn versuchen trotzdem alle zu maximieren. Da eine ist aber etwas ganz anderes in seinen Auswirkungen als das andere.
Das solltest du doch bitte belegen. Bislang hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass es keine Marktmacht gibt. Erst neuerdings haben wir eine Situation, dass RWE eine entsprechende Stellung haben könnte (es aber noch nicht klar belegt ist: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Berichte/Marktmachtbericht_2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3). Zu den angeblich überhöhten Preisen sage ich mal nur, dass es davor Monopole gab (was die machen hast du ja selber schon erkannt).
Wo du Recht hast ist, dass etablierte Unternehmen nicht unbedingt Interesse haben ihre Geschäftsmodelle zu ändern. Da hat z.B. die Kohlelobby in der Vergangenheit in Deutschland eine sehr erfolgreiche Arbeit geleistet. Aber nicht im Sinne, dass das Strommarktdesign für sie spricht, sondern indem sie den Wandel hin zu erneuerbaren Energien mit freundlicher Hilfe der Politik blockiert haben und immer noch tun, wo sie nur können.
Ich glaube soweit könnten wir uns auch einigen. Nur, dass es eben aktuell notwendig ist die Symptome anzugehen, weil es zwar eine Energieträgerkrise aber keine Strommarktkrise ist. Wenn wir die Ursache angehen wollen, dann müssen wir an den Ausbau der erneuerbaren Energien ran und uns unabhängig von fossilen Importen machen (wo genau so etwas wir jetzt auch in Zukunft passieren wird). Sprich nicht das Marktdesign umwerfen, sondern ggf. weiter verbessern und anderen, nicht im Strommarkt liegende Hürden beseitigen. Nur mehr erneuerbare Energien garantieren, dass fossile Geschäftsmodelle immer weniger benötigt werden und die darauf bauenden Unternehmen ihre Position verlieren.
Ich kann mich spontan nur an einen Lösungsvorschlag aus dem Interview erinnern, nämlich dem massiven Zubau von EE. Und da genau liegt ja die Krux, denn selbst wenn wir in ein paar Jahren den Zustand hätten, dass der gesamte Verbrauch aus EE gedeckt werden könnte, also nur mal als Annahme: Wer zwingt denn die Betreiber auch wirklich all ihren EE-Strom am Markt anzubieten?
Stattdessen könnten die Anbieter einfach künstlich eine ganz kleine Lück lassen und diese mit teuerem Gas-Strom „füllen“. Und schon bekommen sie für all ihren sonstigen EE-Strom den teuren Gasstrompreis.
Der massive EE-Ausbeu wird das Systemproblem des Strommarktes also nicht lösen.
Oder welchen Lösungsansatz von Herrn Hirth hattest du im Kopf?
Von Monopolen usw. habe ich im Bezug auf den Strompreis ja auch gar nicht gesprochen. Das war nur als generelles Beispiel gedacht, wie sich Marktteilnehmer verhalten, nämlich so, dass sie an dem eigentlichen Marktintentionen vorbei das meiste für sich herausschlagen.
Und das ist ja auch das Schlimme an der Sache:
Man braucht zum Ausnutzen des Merit-Order-Systemes mit Einheitspreis nicht mal eine marktbeherschende Stellung oder Absprachen. Jede noch so kleine EE-Bude, die ihren günstigen Strom über den Spotmarkt in Leipzig verkauft, so wie auch jedes AKW, profitiert davon, da deren Gestehungskosten eben viel niedriger sind, als die von Gas-Kraftwerken.
Dann bräuchten wir aber z.B. so etwas wie einen gesetzlichen Zwang, allen produzierten Strom auch tatsächlich anzubieten, damit eben keine künstliche Verknappung dazu führt, dass die Gaskraftwerke trotz EE-Ausbau weiter den Preis bestimmen.
Und auch andere Schlupflöcher, auf die ich als Laie jetzt spontan natürlich nicht komme, müssten dann eben verhindert werden.
Den braucht man nicht weil das schon passiert. Es wird kein erneuerbarer Strom künstlich zurückgehalten. Das zu tun wäre einfach nur dumm.
Wie du schon sagst, als Laie erschließt sich dir das nicht alles. Aber dann stelle dich bitte hier nicht dauerhaft so hin und ignoriere alle anderen, die versuchen es dir zu erklären, dass es eben nicht an dem System mit der Einheitspreisauktion liegt sondern daran, wie sich der Marktpreis auf Märkten einstellt. Gab jetzt in diversen Diskussionen hier Erklärungsversuche, noch ein super Interview dazu, aber du glaubst weiterhin, dass es nur an diesem einen Punk liegt.
Ein kurzer und von meiner Seite letzter Versuch noch dich zum Überdenken zu bringen: Es gibt genug Stunden, in denen keine fossilen Kraftwerke notwendig sind. Da ist der Strompreis gering. Wenn also genug erneuerbare Energien vorhanden sind, dann werden die fossilen automatisch aus dem Markt gedrängt. Es gibt also kein, von dir irgendwie herbeigedachtest Ausnutzen, dass irgendwer in der Lage ist seine EE zurückzuhalten und dafür zu sorgen, dass der Preis künstlich hoch ist. Solange es keine Marktmacht gibt ist niemand in der Lage dafür zu sorgen. Die von dir vermuteten Schlupflöcher gibt es in dieser Form nicht.
Wenn ich es richtig verstehe, ist das Merit-Order-System eine Versteigerungsform, die dazu gedacht ist, eine faire Behandlung für alle zu haben, ohne wilde Einzelpreise, wie beim Börsenhandel von Aktien zu bekommen. Alle Stromversorger der Endabnehmer zahlen den gleichen Preis und alle Stromerzeuger bekommen den gleichen Preis. Man stelle sich mal vor, das hinge noch viel stärker vom Spekulationsglück oder -geschick der Akteure ab. Dann könnten die Erzeuger zumindest kurzfristig die Preise weiter hochtreiben, indem sie einfach nicht alles anbieten, was die Käufer so brauchen.
Und jede Einflussnahme staatlicherseits, die diskutiert wird, um den Strompreis niedriger zu halten, funktioniert nur, wenn wir einen abgeschotteten Strommarkt hätten. Wenn z. B. der Gaspreis für die Gasverstromer staatlich gedeckelt würde, dann könnte im jetzigen System ein Nachbarstaat den Strom zum gedeckelten gasproduzierten Strompreis einkaufen, anstatt die eigenen Gaskraftwerke zum teuren Gaspreis hochzufahren. Vielleicht gibt es für alle solche Probleme Lösungen, aber nur mit viel Bürokratie - und vielleicht sogar wieder Schlupflöchern mit deshalb ungewissem Ausgang.
Darum stimme ich dem zu, dass der beste Weg ein direkter Energiezuschuss für private Haushalte und driingend notwendige Verbraucher (z.B. Krankenhaus) ist, der zweitbeste eine Enkundenpreisdeckelung für einen niedrigen Grundverbrauch.
Abb. 3 gibt ein Beispiel für den preistreibenden Effekt der Kapazitäts-
zurückhaltung. Bei einem Preis von 20 kann der grüne Anbieter mit
dem Kraftwerk, das mit einem schwarzen Kreuz gekennzeichnet ist,
profitabel Strom produzieren, da die Grenzkosten kleiner als 20 sind.
Hält er jedoch die Stromproduktion aus dem Kraftwerk zurück, dann
verschiebt sich die aggregierte Angebotskurve rechts von dem Kraft-
werk nach links [9]. Weil der grüne Anbieter das gekennzeichnete
Kraftwerk aus dem Markt nimmt, realisiert er zunächst einen Ver-
lust. Zugleich erhöht sich jedoch der Preis für die inframarginalen
Kraftwerke, also die Kraftwerke, die noch im Markt verbleiben und
Strom produzieren. Da der grüne Anbieter eine ganze Reihe weiterer
Kraftwerke im Markt hat, ist die Zurückhaltung in dem Beispiel pro-
fitabel – die zusätzlichen Gewinne übersteigen den Verlust durch
Zurückhaltung. Im Ergebnis zahlen die Nachfrager Preise, die über den minimalen Grenzkosten der Produktion liegen.
DIe Grafik dazu und alles weitere gibt es hier:
Diese Quelle wird übrigens auch von der Monopolkomission genannt (Seite 100)
Dort wird auch beschrieben, dass solche künstlichen Verknappungen durch Umleitung der Energie in den Regelmarkt oder durch gezielte Revision von Kraftwerken erreicht werden können und damit kaum bis gar nicht als Ausnutzung von Marktmacht nachweisbar sind.
Im Übrigen ist wegen der desaströsen Umweltpolitik der CDU immer noch reichlich Bedarf an Gasverstromung und das hier skizzierte Szenario ist eher ein Problem der Zukunft, das wir aber heute schon abwenden können.
Wenn die Lücke doch so ganz winzig klein ist, dann genügt doch ein einziger Erzeuger, der bei deinem herbeifantasierten Kartell nicht mitmacht, um die winzige Lücke zu schließen und den teilnehmenden Erzeugern enorme Verluste zu bescheren, da die dann allesamt Strom, den sie eigentlich hätten verkaufen können, nicht verkauft haben, und ihre Preisexplosion mit der sie das ausgleichen wollten auch nicht realisieren konnten.
Bei vielen hundert bis tausend Erzeugern, die alle ausnahmslos das abgekartete Spiel mitspielen müssen, und Marktüberwachungsinstitutionen die ebenfalls irgendwie mit im Boot sein müssen sind wir, sofern du es wirklich für eine wahrscheinliche Sache hältst, dass das bei uns ständig passiert, hier ganz tief im Bereich objektiv unrealistischer Verschwörungstheorien. Da es unsinnig ist, gegen derartige „Argumentationsmuster“ anzuargumentieren, werde ich es jetzt mit @BamChiller halten und schlicht aufgeben, dich mit rationalen Argumenten überzeugen zu wollen.
Aja. „Das hier skizzierte Szenario“ ist also auch laut dir selbst überhaupt kein Problem, und da wir hier und heute diverse reale Probleme mit dem Strommarkt haben (Stichworte für dich zum googeln sind z.B. „Redispatch aufgrund zu geringer Leitungskapazitäten“, „einheitliche Preiszone über ganz Deutschland statt mehrerer Preiszonen“) die uns hier und jetzt ganz real in der Energiewende behindern, aber nichts mit Merit Order zu tun haben, schlage ich vor, Phantomprobleme als solche zu behandeln, abzuwarten ob sie irgendwann überhaupt mal zu realen Problemen werden und Energie ins Lösen der echten Probleme zu stecken.
Ein Kartell ist auch nicht notwendig, ein einzelner marktstarker Teilnehmer genügt, siehe Beispiel von Ockenfels oben.
Wenn die anderen Teilnehmer ordentlich ihren gesamten Strom am Markt anmelden, woher soll der zusätzliche Strom kommen, um die Lücke zu schließen?
Aber am wichtigsten:
Warum sollten die anderen Marktteilnehmer irgendwas gegen die Marktmanipulation unternehmen? Sie profitieren doch auch davon, dass der Einheitspreis steigt.
Müssen sie nicht zwingend.
Schau dir nur mal das Theater um die Benzinpreise und die Hilflosigkeit des Kartellamtes demgegenüber an.
Ich gebe dir und auch allen anderen Recht, dass es jetzt vorrangig darum gehen sollte, die unmittelbaren Folgen der hohen Preise abzufedern.
Und auch die anderen Probleme, die du ansprichst sehe ich ähnlich.
Aber das ändert mMn nichts an den systemischen Schwächen des aktuellen Strommarktes, insbesondere die Möglichkeit überhöhte Preise in Krisenzeiten zu befördern.
Aber ich denke auch das wir uns bei diesem Punkt nicht gegenseitig werden überzeugen können. Aber das muss ja auch nicht immer sein.
In diesem Fall hat der Markt nicht nur indirekt damit zu tun. Der Staat hat, um den Kohleausstieg in seinen Augen früher durchzubekommen, den EE-Ausbau über begrenzte Ausschreibungen derart beschnitten, um die Kohle durch Preisdruck nicht noch früher aus dem Markt zu verdrängen.
Parallel hat man sich für Deutschland und eigentlich EUweit auf Gas als Brückentechnologie festgelegt, um die EE-Schwankungen und Lücken auszugleichen. Es war also eine politisch gezielte Aktion, Gas zu fördern und EE zu bremsen. Die nötige Geschwindigkeit wurde völlig falsch eingeschätzt, um die Arbeitsplatzverluste in der Kohle so milde wie möglich zu gestalten.