Vor- und Nachteile des aktuellen Strommarktes

Siehe auch „Die Anstalt“ gestern Abend im ZDF

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Stimmt, da gibt es inhaltlich quasi die Gegenrede zu den Aussagen von Herrn Hirth.

Gut fand ich auch den Punkt, dass man Strom aus unterschiedlichen Quellen gar nicht gleich behandeln sollte, also Strom als Commodity (gleichwartige Ware) auflösen und nach Quellen unterscheiden.

Ist sicher richtig, ist nur die Frage wie viel davon durch Lobby-Druck usw. entstanden ist.

Das ist ja eine tolle Idee! Kleben wir dann also kleine Etiketten auf die Elektronen damit wir Windstrom von Kohlestrom unterscheiden können? Oder bauen wir lieber fünf getrennte Stromnetze auf, damit Windstrom und Kohlestrom und Atomstrom und Gasstrom und Solarstrom jeweils unter sich bleiben können?

Aber klar, Satire darf alles. Auch Physik ignorieren.

Gut fand ich den Punkt, an dem die Satiriker „den Markt“ haben zugeben lassen, dass für die Motivation zum Ausbau der jetzigen 50% Ökostrom vor allem das EEG-Gesetz ursächlich ist. Das stimmt zwar, aber die unglaubliche Ironie, die darin liegt, dass es sich ja auch gar nicht anders entwickeln kann, wenn man „dem Markt“ in dem Moment, in dem er selbst diesen Job tun könnte indem er Ökostromerzeugern satte Gewinnspannen liefert, direkt erst mal reflexartig in die Eier treten möchte - die blieb leider ungenutzt.

Satire darf offenbar Physik ignorieren, darf aber bitte nicht zu sehr in die ideologisch falsche Richtung schießen.

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Den Punkt mit der Physik verstehe ich nicht. Auch heute schon wird ja mit Zertifikaten ein Unterschied gemacht zwischen erneuerbar produziertem Strom und den z.B. Kohlestrom. Warum soll man beide Zertifikate nicht auf getrennten Märkten mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen handeln können?

Die Lösung der Anstalt, so mein Verständnis, ist sowieso den Strom-Markt, der diesen Namen offensichtlich nicht verdient, als ganzes abzuschaffen. Da braucht es gar keine Physik zu.

Und warum den Markt regulieren, in dem Moment in dem er Ökostrom-Erzeugern satte Gewinne liefert? Eben deshalb. Gewinn ist soweit ich weiß Einnahmen minus laufende Kosten minus Investitionen. Bei sattem Gewinn wird also wohl eher wenig in Erneuerbare reinvestiert. So auch dargestellt in Die Anstalt: 12 von 1200 Anbietern reinvestieren, der Rest gehört den großen Energie-Unternehmen, die mit Kohle und Gas ihr Geld verdienen und Greenwashing mit ausländischen Ökostromzertofikaten betreiben.

Das ist nicht meine Meinung, sondern die von Die Anstalt dargestellte Realität. Sollte ich das falsch wiedergegeben haben, bitte verbessert mich.

Der Markt regelt im Moment also mal wieder, mit Verlaub, einen Scheißdreck.

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Kann man doch. Zertifikate für erneuerbaren Strom kann man getrennt auf einem ganz anderen Markt handeln - vom Strom getrennt! Weil es eben physikalisch nicht möglich ist, den Strom zu unterscheiden, außer man transportiert ihn in vollkommen separaten Netzen, und deswegen ist es sobald der Strom ein Kraftwerk mal verlassen hat unmöglich, ihn getrennt von irgendwelchem anderen Strom zu behandeln oder auch nur herauszufinden, wo irgendwelcher „Strom“ genau herkommt. Das Aufbauen mehrerer getrennter Stromnetze wiederum ist hochgradig aufwendiger Unfug. Die Erkenntnis hat es sogar bis in die Anstalt geschafft.

Aha, für den Handel mit Strom braucht es also keine Physik? Ja klar, wenn man das alles nur als Gedankenspiel aus Spaß an der Freud macht und keine realen Folgen in der realen physikalischen Welt beabsichtigt, kann man wohl auf Physik verzichten. Dann spielen wir aber Funkenschlag. Im Dunkeln.

Lustig, dass die Anstalt hier ihrer eigenen Satire auf den Leim geht: 10 Minuten vor der „12 aus 1200“ Aussage mokierte sie sich noch darüber, dass von den zig hundert Anbietern die allermeisten gar nicht eigenständig, sondern nur „Labels“ unter dem Dach eines größeren Erzeugers sind - aber wenn’s drum geht, die „12“ tatsächlichen Anbieter möglichst klein wirken zu lassen, sind die ganzen Labels natürlich der Vergleichsmaßstab, klar.

Aber ganz davon ab: diejenigen, die mit „Kohle und Gas“ Strom erzeugen und Ökostromzertifikate kaufen, um den als Ökostrom vermarkten zu dürfen, haben doch genau das nicht, was sie bräuchten, um in die Kategorie derer zu fallen, die gerade aufgrund der Preislage so richtig Reibach machen können: keine Brennstoffkosten! Die Ökostromzertifikate machen den Strom zwar vermarktungstechnisch zu Ökostrom, aber durch Ökostromzertifikate wird das Gas nicht billiger.

Bitteschön.

Die Anstalt stellt übrigens den Sachstand insgesamt gar nicht falsch dar, ich habe keine groben Schnitzer darin gefunden. Die Darstellung ist aber mittels der üblichen Mittel - z.B. Auslassen relevanter Aspekte, verzerrte Vergleiche von Äpfeln mit Birnen - relativ tendenziös gestaltet und bedient gezielt einige in den letzten Wochen gut eingeübte Empörungs-Knöpfchen bei ihrer Zuschauerschaft. Und die „Schlussfolgerungen“, so denn überhaupt welche präsentiert werden, greifen sehr kurz bzw. sind eher naiv und widersprüchlich.

Das ist doch völlig irrelevant. Ich versuchs mal mit einem Gleichnis: Es ist durch die Zertifikate bekannt wer wie viel wovon in den Topf gießt. Also können die, die Exkremente in den Topf gießen anders bezahlt werden, als die, die Wein in den Topf gießen. Ja, am Ende trinken alle die Mischung die unten raus kommt und man weiß nicht mehr wo es herkam. Das ist aber egal und einen zweiten Topf, ein zweites Stromnetz braucht es dafür nicht.

Das ist das beste Argument, warum Strom nicht für den freien Markt geeignet ist.

Da hast du jetzt nicht weit genug gedacht. Es braucht für den Handel mit Strom keine Physik. Weil. Es. Keinen. Handel. Mit. Strom. Braucht.

Auch Kohlestrom ist in der Produktion deutlich günstiger als der den Preis vorgebende Gas-Strom, auch die machen also richtig Reibach, ja. Es wird wohl auch viel so sein, dass bspw. EnBW durchaus Erneuerbare Energien im Portfolio hat, dadurch aber eben auch Rekordgewinne statt Rekord-Investitionen macht.

Du hast mich nicht verbessert, was den Inhalt der Anstalt angeht. Der Kommentar ist einfsch frech und trägt nicht zur Diskussionskultur hier im Forum bei.

Herr Hirth sagt in dem Interview, dass Strom immer knapp bleiben wird weil es keinen massiven Ausbau über den Bedarf hinaus geben wird, da sich das wirtschaftlich nicht lohnen würde.

Mich würde interessieren wie vor diesem Hintergrund die Meinung von Tony Seba einzuordnen ist, der genau das vorschlägt: Massiver Ausbau inklusive Batteriespeichern, so dass zu jedem Zeitpunkt genug Strom da ist, um immer vier Tage Stromvorrat für eine potentielle Dunkelflaute vorzuhalten:

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Herzlichen Glückwunsch, du hast soeben den Zertifikatshandel neu erfunden. Genau so funktioniert der seit zig Jahren. Das gibt es alles! Und weil es das gibt, können Ökostromproduzenten tatsächlich mehr Geld mit ihrem Strom verdienen wie Kohlestromproduzenten. Denn mit jeder kWh Ökostrom produzieren sie zusätzlich ein Zertifikat, das bares Geld wert ist und das sie auf dem Zertifikatsmarkt verkaufen können, eben weil Leute bereit sind, für das gute Gewissen, Ökostrom zu verbrauchen, einen Aufpreis zu zahlen. In Summe mit dem Strom, der genau so viel wert ist wie der Kohlestrom, verdienen sie also mehr.

Der Zertifikatshandel löst aber nicht das Problem, das der Day-Ahead-Strommarkt löst, nämlich sehr kurzfristig Kapazitäten erwerben zu können, damit nicht morgen irgendwo die Lichter ausgehen. Um das zu verhindern, ist Windstrom genauso gut wie Kohlestrom oder Gasstrom, und deswegen kriegen auch alle Anbieter für den nackten Strom exakt dasselbe Geld. Der Windanbieter kriegt on top noch die Erlöse für die Zertifikate, da freut der sich drüber, aber wenn du ihn an der Börse für den Strom mit signifikant weniger abspeisen wollen würdest, wird er dir nen Vogel zeigen und den Strom direkt an jemanden verkaufen, der ihm einen Preis sehr nah am Marktpreis dafür zahlt, denn nochmal: der Strom ist genau derselbe, der hat nun mal diesen Wert, es ist pure Leistung für die jemand Summe X bereit ist zu zahlen, und weil er den hat, findet sich ein williger Käufer dafür, der diese Summe X zahlt. Entweder jemand der den Strom braucht, oder im Zweifel halt ein Zwischenhändler, der den Strom gar nicht verbraucht, sondern sich umdreht und ihn einfach für mehr Geld weiter an jemand direkt oder anonym an der Börse verkauft. Da auf den Elektronen keine Etiketten mit Herkunftsnachweisen kleben, ist das hinterher nicht nachvollziehbar, wo der Endkunde den Strom tatsächlich herbekommt.

Du hast da überhaupt nix neues vorgeschlagen, sondern etwas, was es längst gibt. Es löst halt nur nicht dieses spezifische Problem. Zertifikate können Strom nicht „entwerten“, sie können ihn nur „aufwerten“, aber aufwerten macht Dinge immer teurer, nicht billiger!

Wenn du keinen Handel mit Strom willst, dann solltest du dir schon mal genug Solarzellen, Pufferbatterien und nen Dieselgenerator aufs Dach bzw. ins Haus bauen, denn nach Umsetzung deines tollen Vorschlags kannst auch du keinen Strom mehr kaufen. Wäre ja ein Handel mit Strom, und den braucht es nicht.

Was die Leute tun sollen, die kein Haus besitzen, um sich selbst zu versorgen? Tja…Auf jeden Fall nicht auf die Idee kommen, zu ihrem Nachbarn mit dem Generator ein Kabel und ein paar Euro zu werfen. Das wäre Stromhandel, und der ist verboten und böse. Sagt @nichtdipling

Kohle ist auch erheblich teurer geworden im Zuge der Krise. Aber sei’s drum. Der Punkt war ja auch, dass die von fossilen Anbietern gekauften EE-Zertifikate überhaupt gar nichts mit Rekordgewinnen zu tun haben. Du suggeriertest, das sei der Fall, aber das ist Quatsch. Der Zertifikatekauf mindert im Gegenteil die Gewinne, weil es Ausgaben sind, die auf die Rohstoffkosten noch drauf kommen.

Ich sagte ja auch, dass der Inhalt der Anstalt gar nicht so falsch war. Tendenziös gestaltet, einige Punkte im Dunkeln lassend auch, und Chancen für Gags die dem linken Durchschnittskonsumenten sauer aufstoßen könnten wurden leider verpasst - aber fehlerhaft war der Inhalt nicht! Deine Interpretationen hingegen, also das, was du über den reinen Inhalt des netten Kammerspiels hinaus meintest, aus diesem an Aussagen herauslesen zu können - z.B. die Idee, irgendwie mit Zertifikaten billigere Preise für regenerativen Strom durchzusetzen - nun, die halte ich für fehlerbehaftet, und auf diese Fehler weise ich hin.

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Als eine Alternative zum jetzigen System wird bei der EU das sogenannte „Pay-as-bid“-Verfahren diskutiert (Quelle).

Dabei kommt offenbar auch zunächst das Merit Order System zum tragen und die Kraftwerke werden nach angegebenen (Grenz-) Kosten pro Megawattstunde aufsteigend bei der Stromauktion berücksichtigt.
Allerdings bekommen dann nicht alle den Preis des teuersten, noch notwendigen Kraftwerks sondern genau den angegebenen Grenzkosten-Betrag.

Wer sich mal vertieft damit beschäftigen will, es gibt dazu einen recht interessanten und umfangreichen wissenschaftlichen Artikel von 2008:

Hab es noch nicht durchgelesen, aber als Fazit wird das jetzige System als besser erachtet. Mal schauen was für Annahmen und Erfahrungen da so eingeflossen sind…

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Die Arbeit ist wirklich gut. Definitive Leseempfehlung!

Die Hauptautorin könnte einem übrigens aus aktuellen Nachrichten bekannt vorkommen. Sie leitet die Kommission, die gerade binnen zwei Wochen mit 200 Milliarden Euro einen „Schutzschirm“ gegen hohe Gaspreise aus dem Boden stampfen darf.

Veronika Grimm könnte einem auch aus der LdN 281 bekannt vorkommen :wink:
Ein lohnender Rückblick auf die Situation im März 2022:

Interview mit Prof’in Dr. Veronika Grimm: Kohle-/Öl-/Gas-Boykott - Was ist jetzt zu tun?

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Der Artikel oben ist offenbar ein Derivat aus einem Gutachten das die drei Autoren:
Prof. Dr. Axel Ockenfels, Dr. Veronika Grimm, Dipl.-Vw. Gregor Zoettl im Auftrag der Firma EEX AG, also dem Betreiber-Unternehmen der Leipziger Strombörse angefertigt haben:

Kann man sich hier runter laden:
Strommarktdesign - Preisbildungsmechanismus im Auktionsverfahren an der EEX

Für mich ist damit schon alles gesagt. Den natürlich ist die Leipziger Börse selbst, bzw. ihr Betreiber-Unternehmen (EEX AG) nicht an einer ausgewogenen und kritischen Betrachtung ihrer Markt-Regeln interessiert, sondern daran, dass dieses Gutachten ihnen Recht gibt.

Jetzt könnte man sich noch fragen, warum die Leipziger Börse ein Marktdesign haben möchte, dass hohe Preise für die Stromproduzenten ermöglicht?

Das liegt daran, dass die Stromproduzenten, wenn sie an der Leipziger Börse gute Preise bekommen, natürlich mehr von ihrem produzierten Strom dort verkaufen, anstatt ihn z.B. außerbörslich (OTC-Handel) direkt zu verkaufen.

Und die Gebühren (Fees), die ein Stromproduzent bei der Leipziger Börse bezahlt, richten sich nach den gehandelten Strommengen (Quelle: Gebührenordnung der Leipziger Strombörse):

Transaction fees are derived from the volume executed in the corresponding units in Megawatt hours (MWh), […]

Aber zum Gutachten selbst: Entsprechend dieser „Färbung“ zu Gunsten des Auftraggeber sieht dann auch der Inhalt aus:

Beim Einheitspreis (eben dem System der Leipziger Börse) ist im Fazit natürlich: Alles super. Ich will daher mal eine Argumentationslinie raus nehmen, die mir persönlich als widersprüchlich aufgefallen ist.
Beim Einheitspreis wird das Fazit gezogen:

Bei hinreichend wettbewerblichem Verhalten führt die Einheitspreisauktion zu vollständiger Effizienz […] und geringstmöglichen Strommarktpreisen.

Es wird also davon ausgegangen, dass die Wettbewerber sich fair verhalten und sich gegenseitig die Preise „kaputtmachen“, anstatt wie bei den Tankstellen implizite Kartelle zu bilden.

Gleichzeitig nimmt man aber genau dieses Verhalten als Argument gegen das alternative „Pay-as-Bid“-Verfahren:

Warum sollte ein Kraftwerk mit Grenzkosten in Höhe von 10 €/MWh sich in der Pay as bid Auktion mit einem Preis in Höhe von 10 €/MWh zufrieden geben, wenn es auch noch bei einer Preisforderung in Höhe des sehr viel höheren Markträumungspreises in Höhe von vielleicht 50 €/MWh den Zuschlag bekommen würde?

Die Vorstellung, man könne durch eine Änderung der Preisregel systematisch Bezugskosten von Strom einsparen, ignoriert also fälschlicherweise die strategische Reaktion der Anbieter auf veränderte Marktregeln.

Für das Fazit wird also argumentiert, dass man es bei „Pay as Bid“ mit „egoistischen“ Marktteilnehmern zutun hat, die den Wettbewerb zu Gunsten eigener Gewinne „sabotieren“, während man bei dem Einheitspreis-System von einem „hinreichendem Wettbewerb“ ausgeht.

Leider sind die drei Autoren am Ende des Tages Wissenschaftler und schreiben daher in solchen Gutachten auch immer noch die Wahrheit mit rein, damit man ihnen so ein „erkauftes“ Gutachten nicht komplett um die Ohren hauen kann:

Sowohl die Einheitspreisregel als auch die Pay as bid Regel erzeugen bei Wettbewerbsproblemen Anreize, Preisforderungen über die Grenzkosten hinaus anzuheben.

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Tja, ich hatte kurz die Hoffnung, du würdest dir diesen Artikel tatsächlich mal in Gänze durchlesen, deinen Verstand benutzen um die darin aufgestellten Behauptungen auf Plausibilität zu überprüfen und das korrelieren mit den zahlreichen Diskussionen hier im Forum, in denen erstaunlich viele Erkenntnisse die auch in diesem Artikel stehen ebenfalls und vermutlich unabhängig davon hergeleitet wurden, rein durch logisches Denken (für sämliche meine Posts z.B. gilt das, ich kenne diesen Artikel erst seit du ihn gepostet hast).

Stattdessen hast du dich leider offenbar dazu entschieden, die Zeit darauf zu verwenden, nach Wegen zur pauschalen Diskreditierung der Arbeit und der Autoren zu suchen.

Das hast du falsch verstanden. Es wird IMMER von egoistischen Marktteilnehmern ausgegangen, die versuchen werden, den Wettbewerb zu Gunsten höherer eigener Gewinne zu unterlaufen! Das ist eine zwingende Grundannahme in allen ökonomischen Modellen! Kein Unternehmen „wünscht“ sich Wettbewerb, alle wollen nach Möglichkeit in eine Monopolstellung kommen, denn die maximiert die Profite. Es ist der Job des Ökonomen, ihnen das so schwer wie möglich zu machen.

Die entscheidende Frage ist daher nicht, ob man davon ausgeht, dass das versucht wird, sondern ob ein Modell in der Lage ist, diese Bestrebungen effektiv zu unterbinden, bzw. unter welchen Rahmenbedingungen ein Modell dazu in der Lage ist. Und hier wird festgestellt, dass sowohl Pay-as-Bid als auch der Einheitspreis unter gewissen Umständen anfällig sind. Allerdings ist das Einheitspreismodell lediglich bei sehr schwacher Wettbewerbssituation anfällig, während das Pay-As-Bid-Modell diese Anreize, über die Grenzkosten hinaus Preise zu fordern, inhärent immer bietet, völlig ungeachtet der Wettbewerbssituation, und das führt zu Situationen von zu hohen Strompreisen bis hin zu unökonomischen Kraftwerksauslastungen (billige Windkraft wird nicht angefragt, weil zu hoch im Preis gepokert wurde, teure Gaskraft schon, weil die grad einen Cent niedriger pokerte). Aber ich spar mir jetzt, den kompletten Teil des Artikels zu rezitieren, in dem dieses Pay-as-Bid-spezifische Problem detailliert beschrieben wird - es beginnt im Grunde auf Seite 4 bei dem wunderschönen Satz „Aus spieltheoretischer Sicht führen Pay as bid Regeln zu einem Spiel, das man „Rate den Markträumungspreis!“ nennen könnte.“.

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Ich finde es ja schon leicht amüsant, dass du die Publikation erst heraus kramst, um dann festzustellen, dass sie dir nicht passt. Ist natürlich immer einfach dann anstelle des Inhalts alles anhand der Auftraggebenden zu diskreditieren. Das geht dann aber schon sehr stark in eine Richtung ich glaube nur noch das was mir gefällt und meinem Weltbild entspricht. Kritisch einsortieren ja, aber dann bitte noch mal etwas weiter umschauen, was der Stand der Forschung ist.

Das ganze zu Einheitspreisaktion oder einer pay-as-bid-Aution wird, gerade im Kontext des Stromhandels, offensichtlich nicht seit gestern untersucht. Kann man gut daran erkennen, dass der Artikel, basierend auf dem Gutachten, von 2008 ist. Beispiele gibt es im Kontext der Elektrizitätskrise in Kalifornien Ende der 90er und akut 2000/2001 (z.B. Redirecting oder Institute for Research in Technology (IIT)) und eben in den Nuller-Jaren auch das von dir genannte Papier. Etwas aktueller und eine schöne Übersicht und auch mit Bezug zu vielen anderen, schon erfolgten Studien gibt es hier: Electricity Market Pricing: Uniform Pricing vs. Pay-as-Bid Pricing | SpringerLink. Es bleibt dabei, dass pay-as-bid nicht dazu führt, dass der Preis sinkt, auch wenn man das auf den ersten Blick vielleicht erwarten würde. Zu den Mechanismen wurde hier schon viel geschrieben und @Slartie versucht es auch weiterhin immer wieder (Danke dafür).

Was ich zusätzlich wichtig finde. Es leugnet hier ja niemand, dass bei dem aktuellen Marktdesign zu Problemen kommt und diese angegangen werden müssen. Beispielsweise hast du weiter oben zu Manipulationsvorwürfen und Kapazitätszurückhaltung das sogenannte Inc-Dec-Gaming angesprochen. Die Reduktion des Angebots auf dem einen Markt (hier der Spotmarkt), um mit einem erhöhten Angebot auf einem anderen Markt (Regelenergie) höhere Profite zu erzielen. In der Tat muss dafür keine Marktmacht vorliegen. Nur das Problem ist nicht so einfach zu beseitigen, weil es nicht allein durch den Markt hervorgerufen wird. Das Problem kann letztlich auftreten, weil man Netzengpässe antizipieren kann und durch sein Gebotsverhalten dann von dem Wissen darüber profitiert. Das wiederum liegt daran, dass der Strommarkt in seiner gesamtdeutschen Preiszone keine Kapazitätsrestriktionen der Netze sieht. Die Netzengpässe kommen aber in der Praxis vor und sind „vergleichsweise einfach“ zu antizipieren. Ein möglicher Eingriff in den Strommarkt wäre dann z.B. die Marktzone zu teilen, weil der Markt dann nicht unrealistische Mengen handeln kann, sondern die Kapazitätseinschränkung berücksichtigt. Das wäre an dieser Stelle ebenfalls ein Eingriff in das Marktdesign, nur vermutlich nicht der, denn du mit deinem Beispiel im Kopf hattest.

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Unangemessene Polemik

Gut, ich habe die entsprechende Passage entschärft. Die grundlegende Kritik an der Vorgehensweise von @Matder halte ich allerdings weiterhin für valide und somit aufrecht.

Eine Trennung in mehrere Preiszonen hätte zudem noch den charmanten Vorteil, dass dann energieintensive Industrie einen klaren Anreiz hätte, sich in unmittelbarer Nachbarschaft von (günstigen) Energiequellen niederzulassen, statt dass erwartet wird, dass der Strom von Nord nach Süd einmal quer durch Deutschland transportiert wird.

Hast du ihn den in Gänze gelesen, bevor du gestern Abend nach einer Stunde deine Meinung dazu geschrieben hast?

Wesentliche Aussagen aus langen Texten zu ziehen ist ja auch eine Fähigkeit. Dazu kann man z.B. das Fazit lesen und sich dann aus dem eigentlichen Text die Stellen raus suchen die zu dem Fazit geführt haben. In dem Artikel werden z.B. auch Termingeschäfte behandelt, was aber mit der Preisbildung an den Spotmärkten nur sehr wenig zu tun hat.

Genau das habe ich mit meiner Kritik an der Berücksichtigung der Wettbewerbstreue der Marktteilnehmer in meinem letzten Post getan.

Die Intention einer (Informations-) Quelle zu kennen ist wesentlicher Bestandteil der Kommunikationstheorie. Nichts anders machen wir z.B. alle (hoffentlich) beim lesen von Zeitungsartikel.
Und da Wissenschaftlicher auch nur Menschen sind, muss man, leider, auch deren Motivationen immer ein Stück weit hinterfragen, nicht so stark wie bei der Bild-Zeitung aber dennoch.

Exakt, da bin ich auch bei dir. Und genau bei der Frage kann ich aus der Studie keinen klaren Vorteil zu Gunsten des „Einheitspreis“-Systemes erkennen.

Das stimmt natürlich. Aber beim Einheitspreissystem ist das nur deswegen nicht notwendig, weil sowieso alle Bieter den hohen Einheitspreis bekommen.

Das sehe ich nicht so. Den auch beim „Pay as Bid“ gilt noch das Merit Order Prinzip und wenn z.B. die AKW-Betreiber auf einmal Preise über dem Niveau der Gaskraftwerke als Grenzkosten angeben, dann werden sie möglicherweise gar nicht berücksichtigt, siehe unten.

Richtig. Aber dieses Raten beinhaltet auch Risiken und ist kein Selbstbedienungsladen, siehe unten.

Stimmt, ich hätte auch erst das Fazit lesen und sie dann für mich behalten können. So etwas nenne ich faire Diskussionskultur bzw. „mit offenen Karten spielen“ :wink:

Stimmt generell, aber ich habe ja oben inhaltliche Kritik genannt, also ich den, von mir empfundenen, ungleichen Einfluss mangelnden Wettbewerbes auf die beiden Preisbildungssysteme bemängelt.

Und unten kommt noch mehr.

Das sehe ich auch so. Nur habe ich einige Kommentare hier im Forum so verstanden, dass dieses Problem nicht gesehen wird und dagegen argumentiert.

Außerdem ist ja die Frage gerade, mit welchem System es insgesamt einen bessern Strommarkt geben kann. Da ist die Robustheit gegen Marktmanipulation ein Element aber auch die Robustheit gegen volkswirtschaftlich schädliche Preisüberhöhung bei z.B. der aktuellen Gas-Preis-Krise.

Du gehst da sehr ins Detail (was nicht per se schlecht ist) und ich glaube, dass dieses „Gaming“ noch mal ein anderes Problem ist, als die von mir oben beschriebene Manipulation durch künstliches Erhöhen des Einheitspreises, aber vielleicht missverstehe ich dich da auch.

Interessanter Vorschlag, hast du da Literatur o.Ä. zu?

Anmerkung:
Hier muss ich trennen, da ich offenbar die 5000er Zeichenbegrenzung gesprengt habe…

Ich will noch mal versuchen 2 Gedanken zu dem Vergleich zwischen „Einheitspreisbildung“ und Preisbildung mit dem „Pay-as-Bid“-System zu formulieren. Sind wie gesagt nur eigene Gedanken aber jeder kann sie sich mal ansehen und seine Meinung dazu bilden.

Zunächst ein paar Vereinfachungen:

  1. Der Strommarkt besitzt nur 4 Teilnehmer: 1 AKW (rot), 1 Öko-Anbieter (grün) und 2 Gas-Kraftwerke (hellgrau, dunkelgrau)
  2. Diese 4 Anbieter sind von einander unabhängige Firmen (Stichwort: „Hinreichender Wettbewerb“)
  3. Der Verbrauch sei immer gleich und so, dass von den 4 Kraftwerken bei der Auktion immer nur 3 zum Zug kommen. Ist aber kein Problem, alle 4 Anbieter verkaufen ihren Strom auch per Termingeschäft und außerbörslich, gehen also nicht pleite, wenn sie mal nicht bei der Auktion berücksichtigt werden.

Hinweis: Die Kraftwerke werden in jedem Fall nach dem Merit Order System ausgewählt, also nur die 3 billigsten werden berücksichtigt.

Mit diesen Annahmen sieht das aktuelle Einheitspreissystem beispielsweise aus:

EP

Das „Pay as Bid“ Verfahren hingegen sehe etwa so aus:

PAB

Jeder Anbieter, der in der Auktion berücksichtigt wird, erhält den Preis, der er vorher als Grenzkosten angibt. In der Theorie entstehen hierbei geringe Preise für AKW- und Öko-Anbieter, was beim Endkunden dann zu einem niedrigeren, gemittelten Strompreis führen würde.

Aber natürlich sind die Anbieter, wie schon mehrfach erwähnt, nicht gutmütig und versuchen daher ihren Gewinn zu maximieren. Der Öko- und der AKW-Anbieter geben also höhere Grenzkosten an um einen höheren Preis zu kassieren:

PAB_Aus

Der Öko- und AKW-Anbieter nutzen das System also aus und erhalten einen höheren Preis. Sie dürfen aber nicht zu gierig werden, denn es gilt ja immer noch das Merit-Order System und wenn sie zu hohe Grenzkosten angeben, dann werden sie bei der Auktion nicht berücksichtigt.

Nehmen wir dazu mal den Fall an, dass die Gas-Kraftwerke plötzlich billiger werden z.B. durch Wechselkursschwankungen, durch günstigere Termingeschäfte usw. Davon wissen Öko- und AKW-Anbieter nichts oder zu wenig („hinreichender Wettbewerb“).
Dann könnte folgendes passieren:

PAB_Aus_risk

Der AKW-Anbieter hat sich quasi „verzockt“, einen zu hohen Preis geschätzt und wird bei der Auktion nicht mehr berücksichtigt. Somit müssten Öko- und AKW-Betreiber in der Realität immer ausreichend weit unter dem vermuteten Preisgebot der Gas-Kraftwerke bleiben, wenn sie sicher sein wollen, dass sie immer in der Auktion berücksichtigt werden.

Daher, so scheint mir, erzeugt das „Pay-as-Bid“-System doch zumindest in diesem Beispiel höchstens gleich hohe Strompreise, wie das Einheitspreissystem, eher sogar etwas geringere.


Aber wir haben ja aktuell eine Gaspreiskrise und die Kosten für „Gas-Strom“ sind entsprechend hoch. Bei dem Pay-as-Bid-System würden natürlich die günstigeren Anbieter auch versuchen ihre Grenzkosten künstlich zu erhöhen.

Allerdings müssten sie dafür das Krisenniveau der Gas-Kraftwerksbetreiber genau kennen um auch nicht zu hoch zu bieten. Bei „hinreichendem Wettbewerb“ darf man aber bezweifeln das sie das Wissen haben.
Das Ergebnis würde könnte dann so aussehen:
PAB_Krise

AKW- und Ökostrompreise steigen zwar, bleiben aber wegen der Unsicherheit in der Krise deutlich weiter unter den Gas-Strom-Preisen, als sie dies in „ruhigeren“ Zeiten täten und drücken so den durchschnittlichen Strompreis. Das wäre aber natürlich gerade in der Krise ein willkommener Effekt.

Hingegen „garantiert“ das Einheitspreis-System, nach meiner Meinung, dem Öko- und AKW-Betreiber geradezu einen maximalen „Krisengewinn“:

EP_Krise

Wie gesagt, das sind nur mal 2 Gedankengänge von mir und jeder kann sich selbst überlegen, für wie wahrscheinlich er derartige Szenarien hält angesichts z.B. des Verhaltens der Mineralölkonzerne bei der Stritpreis-Gestaltung.

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Zunächst: schöne Grafiken, danke dafür!

Ja, weil du das Beispiel so gewählt hast.

Was aber auch darin schon deutlich wird: wir verheizen im Bild „Ausnutzung mit Risiko?“ unnötig viel Gas, während Atomkraft ungenutzt bleibt. Selbiges Phänomen kannst - und wirst - du auch mit Ökostrom haben, sprich es werden Windräder stillstehen während stattdessen Gas verheizt wird. Das passiert zwar jetzt auch schon teilweise bei Windrädern im Norden, aber nicht wegen des Einheitspreissystems, sondern weil Redispatch stattfindet um aufgrund zu geringer Netzkapazitäten die Stromerzeugung näher an die Verbraucher zu bringen. Das Pay-as-Bid-System liefert einen weiteren Grund, aus dem eine solche ökologisch untragbare Situation in schöner Regelmäßigkeit auftreten wird.

Der Grund für die höheren Strompreise sind zwei Dinge: erstens der erheblich höhere Overhead. Das „Rate den Markträumungspreis“-Spielchen geht ja nicht kostenlos, das bindet Ressourcen bei den Marktteilnehmern. Da setzt sich ja nicht ein Mensch hin und würfelt irgendwas, sondern es werden große Computermodelle erstellt, um möglichst genaue und verlässliche Prognosen anzustellen. Du kannst dir den Börsenhandel als Beispiel ansehen, der basiert ja auch darauf, dass Teilnehmer Prognosen über Preise in der Zukunft anstellen und auf deren Basis Entscheidungen treffen. Unglaublich viel Ressourcen fließen in diese Prognosen, die im Fall des Börsenhandels wenigstens noch den wohlfahrtstechnischen Benefit haben, dass hinten eine ständig aktualisierte Bewertung von Firmen und deren Zukunftsperspektiven rausfällt, auf deren Basis dann Kapital möglichst effizient allokiert wird. Im Fall des Strommarktes hätte dieses Ratespiel aber abseits des egoistischen Nutzens für jeden Marktteilnehmer überhaupt keinen Nutzen für irgendwen! Den Strompreis für morgen 15 Uhr zu raten, der 5 Minuten später bei einer Auktion dann ermittelt wird, bringt niemandem was. Aber: bezahlt werden will der ganze Aufwand halt trotzdem, und im Endeffekt zahlen den die Stromkunden. Dieser Overhead wird im 2008er-Artikel auch explizit als Nachteil des Pay-as-Bid-Verfahrens aufgeführt.

Der zweite Effekt ist, dass ja jeder Marktteilnehmer, das heißt inklusive desjenigen, der in der gerade stattfindenden Auktion am Ende den Markträumungspreis festlegt, das Spielchen spielt und seine Preise um einen jeweils individuellen Wert X anpasst. Nun wissen wir: der Wert X wird niemals negativ sein, denn unter den Grenzkosten verkaufen macht für keinen Anbieter Sinn; wenn es günstiger ist, das Kraftwerk abzuschalten, wird er das Kraftwerk abschalten. X ist also bestenfalls 0, wahrscheinlich meist aber größer 0, was automatisch bedeutet: da der Teilnehmer, der am Ende den Markträumungspreis festlegt, vorher nicht weiß, dass er „der Glückliche“ ist, wird auch dessen Preisanhebung nicht < 0, aber vermutlich größer 0 sein. Das schiebt den Markträumungspreis über den minimal nötigen Preis, der im Einheitspreissystem ansonsten zustande gekommen wäre. Das allein kann schon dafür sorgen, dass insgesamt mehr für den Strom bezahlt werden muss, wenn diese Preisübertreibung „am oberen Ende“ nicht durch Ersparnisse „am unteren Ende“ ausgeglichen wird. Da das Spiel aber „Rate den Markträumungspreis“ heißt, und vergangene Preise für alle Marktbeteiligten eine transparente Ressource sind und somit ein Element in den Modellen darstellen dürften, besteht hier zudem noch die Chance, dass sich die Preisübertreibungen mit der Zeit „hochschaukeln“: auf Basis früherer Markträumungspreise, die übertrieben waren, werden abermals noch weiter übertriebene Preise geschätzt usw.

Das ist eine reine Hoffnung, die ich wiederum für sehr optimistisch halte und daher bezweifle - wie gesagt, da wird ein Wettrüsten stattfinden um die besten Prognosemodelle, das btw auch große Anbieter vor kleineren bevorzugen wird, denn die können mehr Ressourcen in diese Modelle stecken und sich somit bessere Margen sichern. Noch so ein Effekt den du garantiert nicht gut findest.

Und wie gesagt: deine Grafik lässt außer Acht, dass auch der „Gas 1“-Anbieter mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits einen um irgendeine Summe X größer 0 überzogenen Preis bietet, weil er die realen Grenzkosten des „Gas 2“-Anbieters nicht kennt (und die deiner Argumentationsgrundlage zufolge ja nur sehr ungenau zu prognostizieren sein müssen, sprich da gibt’s viel Spielraum für X).

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