Israel & Nahost-Konflikt - Folgen in und für Deutschland - Demonstrationen

Das Interview ist tatsächlich interessant, vor allem ab Minute 4, wo es dann genau um die Frage geht, ob man eben auch das Leid der Palästinenser berücksichtigen muss.

Hinzufügen würde ich vielleicht noch die aktuelle Episode vom Spiegel-Podcast Stimmenfang:

Beide Beispiele, daher das Interview Hararis als in den USA lebender Israeli und Chahin als in Deutschland lebender Palästinenser zeigen ganz gut, wie wichtig es ist, das Leid beider Seiten zu verstehen.

Wie gesagt, mir müssen mMn aufhören, diesen Konflikt als „Israel vs. Palästina“ zu sehen und anfangen, den Konflikt als „Scharfmacher vs. Zivilbevölkerung“ zu sehen, unabhängig davon, auf welcher Seite die jeweiligen Leute stehen. Und dazu gehört, die zivilen Opfer beider Seiten gleichermaßen zu betrauern und diejenigen, die Hass verbreiten, auf beiden Seiten gleichermaßen zu verurteilen.

Die Hamas will, dass die Israelis die Palästinenser hassen. Sie will, dass Israel als Reaktion nun den Gaza-Streifen bombardiert, was dazu führt, dass der Hass auf Israel in weiten Teilen der Palästinenser gestärkt wird - sie will, dass beide Seiten sich hassen. Leider profitieren aber auch Hardliner auf Seiten Israels von diesem gegenseitigen Hass, Netanjahu selbst hätte vermutlich ohne diesen Hass nicht so viele Wahlen gewonnen.

Wir müssen die Stimmen der Vernünftigen auf beiden Seiten unterstützen. Leider werden diese Stimmen im Gaza von der Hamas strikt unterdrückt, in Israel wird es im Lichte des immer stärker werdenden Hasses für Friedensaktivisten auch immer schwieriger, gerade nach den massiven Greul der Hamas vom 07.10. ist es aktuell in Israel auch kaum möglich, für Frieden zu demonstrieren, ohne als Verräter oder Hamas-Unterstützer betitelt zu werden. Aber genau das führt uns immer weiter weg von einer Lösung. Wenn auf beiden Seiten des Konfliktes nur noch Hass verbleibt - so berechtigt dieser auch im Hinblick auf den Terrorismus auch sein mag - ist ein Frieden unmöglicher denn je.

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Yuval Harari lehrt in Jerusalem und lebt in der Nähe von Tel Aviv.

Vor allem gibt es diesen Hass schon seit Jahrzehnten… Diese Spirale bzw. diesen Teufelskreis zu durchbrechen wird ja nicht leichter

Ah, danke für die Korrektur, irgendwie hat das Interview mir den Eindruck vermittelt, er lebe in den USA.

Da ist sicherlich was dran. Die Anschläge der Hamas helfen Hardlinern wie Netanyahu. Wahrscheinlich hätte er damals auch ohne die Ermordung Rabins die Wahlen 1996 gewonnen, in Umfragen lag er jedenfalls zu dem Zeitpunkt vorne. Viele haben vergessen, dass damals nicht nur die Extremisten in Israel, sondern auch die Extremisten in den palästinensischen Gebieten auf den Osloer Friedensprozess mit Gewalt reagiert haben. Im März 1996 kamen bei Anschlägen 32 israelische Bürger ums Leben, das hat die Wahlen im Mai 1996 sicher beeinflusst.

Es macht ja wohl einen gewaltigen Unterschied, wenn jemand der Meinung ist „Der Staat Israel begeht gerade einen Genozid und sollte durch internationalen Druck dazu gebracht werden, dass sie damit aufhören, damit es zu einer friedlichen Zweistaatenlösung kommt“ oder ob jemand der Meinung ist „Juden sind eine besondere Art von Menschen, die alle schlecht/böse sind und weniger Wert als der Rest der Menschheit“. Zwischen diesen Meinungen liegen immer noch Welten. Und meiner Meinung nach verhamlost man massiv die Menschen, die zur zweiten Gruppe zählen, wenn man beiden mit dem Label „Antisemit“ in einen Topf schmeißt.

Vor allem, wenn man übertriebene Kritik an Israel als Antisemitismus bezeichnet erhält man auf einmal eine extrem schwammige Definition was Antisemitismus ist. Wer definiert, ab wann Kritik zu übertrieben ist? Was wenn Israel irgendwann tatsächlich mal einen Genozid begehen sollte? Stehen wir dann alle nur tatenlos daneben, aus Angst als Antisemiten gebrandmarkt zu werden?

Ein anderer Aspekt den man denke ich auch noch beachten sollte ist, dass wenn man Menschen als Antiemiten bezeichnet, nur weil sie Israel kritisieren, drängt man sie immer mehr in eine Ecke. Das kann dazu führen, dass Menschen, die vorher nichts gegen Juden hatten, nur einfach unzufrieden mit dem Handeln des Staates Israels waren, auf einmal doch einen Hass gegen Juden entwickeln, weil sie ihnen die Schuld für das Label „Antisemit“ geben.

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Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: Israel und der Nahostkonflikt, Hintergründe

Wie unterscheide ich Kritik von israelbezogenem Antisemitismus?

■ Laut Umfragen sind nur 10 % der Deutschen in der Lage, eine Kritik an Israel ohne antisemiti-
sche Anleihen zu äußern.
■ Es gibt keine allgemeingültige Formel, um sicher zwischen Kritik und Antisemitismus in Bezug
auf Israel unterscheiden zu können. Die Differenzierung wird jedoch erheblich erleichtert
durch den dafür entwickelten 3D-Test in Kombination mit den richtigen Nachfragen und ei-
nem Verständnis dessen, was Antisemitismus ist.
■ Ebenso wenig kann es Textbausteine für eine nicht-antisemitische Kritik an israelischer Politik
geben. Aus der Darstellung dessen, was israelbezogener Antisemitismus ist, lässt sich aller-
dings ableiten, wann eine Aussage nicht antisemitisch ist.
Eine Reihe offen antisemitischer Demonstrationen während des letzten Gaza-Krieges mit teilwei-
se aus ihnen hervorgegangenen Hetzjagden auf Jüdinnen, Parolen wie »Hamas, Hamas – Juden
ins Gas« und der Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal illustrieren eine lange als über-
wunden gegoltene Qualität der Judenfeindschaft in Deutschland. Selbst diese Taten stufen einige
politische Kommentator
innen und selbst Gerichte als nicht antisemitisch ein. Im Folgenden soll
daher eine Hilfestellung gegeben werden, wie in Bezug auf Israel zwischen Kritik und Antisemi-
tismus unterschieden werden kann.

Um die Sachen besser einzuordnen gibt es diese umfassende Studie

Nach der Lektüre hoffe ich, dass Sie zu den o.g. 10% gehören…

Interessant. Hast du dazu die Quelle?

Mein Vorschlag (aus dem Podcast Wochendämmerung geklaut): Einzelne Personen kritisieren und nicht den Staat oder die Juden als Ganzes. Zum Beispiel Netanjahu, der eine enorme Mitschuld an der gegenwärtigen Eskalation tragen dürfte.

Das ändert aber nichts daran, dass der Antisemitismus-Vorwurf (auch hier im Forum) oft als Todschlagargument missbraucht wird, um Kritik am Vorgehen des Israelischen Staates, der israelischen Armee oder radikaler Siedler oder Orthodoxen im Nahostkonflikt mundtot zu machen.

Danke für diese sehr weisen Worte. Ich habe mir erlaubt, Deine Sätze in diesem Zitat mit Absätzen zu trennen, weil jeder Gedanke darin mir sehr wichtig erscheint

Dieses Dilemma gilt leider für alle Demonstrationen. Man denken z.B. an die sagenumwobenen G20-Demos in Hamburg: Die allermeisten Demonstranten waren friedlich, der sog. „Schwarze Block“ bestand aus wenigen Duzend Vermummten und Quasi-Uniformierten (denen ich unterstelle, dass es ihnen gar nicht um die Inhalte geht, sondern um den Krawall).

Das ist m.E. eines der große Dilemmata im Demonstrationsrecht: Kein Veranstalter kann verhindern, dass seine Demo durch Andere gehijackt wird.

Die Öffentlichkeit (wie auch z.B. Justus @jkjwilhelm) differenziert hier zumeist nicht. Angesichts der nackten Angst, die sicherlich unter vielen in Deutschland lebenden Juden herrscht, ist dies menschlich mehr als verständlich. Trotzdem bleibt es mangelnde Differenzierung.

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Die Messlatte sollte sein, ob man Israel mit dem gleichen Massstäben bewertet wie andere Staaten - dann ist es eher kein Antisemitismus, oder ob man an Israel „besondere“ Anforderungen stellt, dann möglicherweise schon. Beispielsweise: Was die Juden in Deutschland erlitten haben, wiederholen sie an den Palästinensern oder Vergleiche zwischen Gaza und dem Warschauer Ghetto sind historisch falsch und nicht nur antisemitisch, weil sie die Shoah relativieren sondern weil sie davon ausgehen, dass Israel es doch besser wissen müsse (Shoah als Erziehungsmaßnahme?!)

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8 Beiträge wurden in ein existierendes Thema verschoben: Antisemitismus erkennen

Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: Antisemitismus erkennen

Es handelt sich hier nicht um mangelnde Differenzierung, sondern schlicht um eine andere Schlussfolgerung. Auch eine äußerst differenzierte Sicht der Dinge kann zu dem Schluss kommen, dass die Verbote legitim sind. Vgl. § 15 VersammlG
Am Ende müssen dies Richter entscheiden. Eine Demo vor dem Hintergrund mehrerer unmittelbar vorangegangener Demos mit gleichem Zweck und gleichen Teilnehmern, bei denen Autos brannten und es offensichtlich zu Volksverhetzung kam, zu verbieten ist also überhaupt nicht aus der Luft gegriffen. Eine völlig andere Situation als bei G20.
Ihre „Differenzierung“ kommt mir eher wie der Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen vor.

Ohne Dir oder irgendjemand zu nahe treten zu wollen - aber ich halte gerade diese These häufig für ein Totschlagargument oder zumindest für ein Abwehrargument. Erstens ist es mitnichten so, dass Menschen, die „Kritik am Vorgehen des israelischen Staates, der israelischen Armee oder radikaler Siedler oder Orthodoxer“ äußern, in irgendeiner Weise „mundtot“ gemacht würden - das Forum hier ist doch das beste Beispiel dafür, dass jede Menge solcher Kritik geäußert werden kann und wird. Da diese Kritik allerdings auch immmer antisemitische Bilder, Denkweise, Symbole, Stereotype enthalten kann, ist es wichtig, diese erkennen zu können. Und dafür liefern die einschlägigen Definitionen von Antisemitismus - vor allem die IHRA-Definition - ja durchaus gute Kriterien. Das macht diese Definitionen ja gerade so wertvoll.
Nochmal: Aus meiner Sicht geht es bei der Sensibilität für Antisemitismus nicht darum, Aussagen zu scannen, um dann mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und zu sagen: „Du bist Antisemit!“. Vielmehr geht es um ein Bewusstsein dafür, welche unterschiedlichen Ausdrucksformen von Antisemitismus es gibt und dass diese - zumindest der Antisemitismusforschung zufolge - auch häufig bei Äußerungen zu/über Israel bzw. den arabisch-israelischen Konflikt zu beobachten sind, weshalb es sich aus antisemitismuskritischer Sicht lohnt, diese Aussagen genauer zu betrachten.

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Der Tagesspiegel hat noch eine Recherche zu dem treibenden Akteur hinter den Posts von FFF International nachgelegt:

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Ich finde das Interview bzw. die Aussage, auf die du Bezug nimmst, überhaupt nicht toll. Ich finde sie sogar so falsch und ärgerlich, dass ich mich eigens registriert habe, um eine Gegenrede anzubringen.
Das Argument, dass es Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Milieus gebe und man sich daher als Mehrheitsgesellschaft gewissermaßen zunächst einmal an die eigene Nase zu fassen habe, hört man ja öfter. Es wird auch in der Debatte um mutmaßliche Homophobie oder andere mit demokratischen Grundwerten nicht vereinbaren Einstellungen bei Zuwanderer:innen immer wieder gebraucht.
Dass es sowohl Homophobie wie auch Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Milieus gibt, ist hierbei sicherlich richtig – aber doch überhaupt nicht der entscheidende Punkt! Viel wichtiger ist doch, wie ausgeprägt er in einer Gruppe vorkommt. So verortet die aktuelle Mitte-Studie 0,6% der Grünen-Wähler:innen als antisemitisch, aber 11,2% der AfD-Wähler:innen (vgl. https://www.fes.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=91776&token=3821fe2a05aff649791e9e7ebdb18eabdae3e0fd, S.74f). Jetzt nur festzustellen „Antisemitismus gibt es in unterschiedlichen politischen Lagern“ – das greift doch deutlich zu kurz! Bei einem zahlenmäßigen Unterschied vom Zehnfachen (!) muss man stattdessen nüchtern konstatieren, dass das Antisemitismus-Problem bei den Rechtspopulisten größer ist als bei Grünen-Anhänger:innen.
Um das Antisemitismus-Problem nun für Menschen mit muslimischen Migrationshintergrund zu quantifizieren, scheint eine SVR-Studie von 2022 am zuverlässigsten. Hier stimmten 11,3% der Personen ohne Migrationshintergrund der klassisch antisemitischen Aussage „Juden haben auf der Welt zuviel Einfluss“ zu, aber 52,2% der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund als nächste Näherung der Gruppe, um die es hier geht (vgl. https://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2022/10/SVR-Studie-2022-2__Antimuslimische-und-antisemitische-Einstellungen_barrierefrei.pdf, S.31). Hier finden wir also ebenfalls einen riesigen Unterschied um den Faktor fünf! Von einem deutlich stärker ausgeprägtem Antisemitismus bei Migrant:innen aus muslimischen Ländern im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft auszugehen, ist also durchaus plausibel.
Ich stimme übrigens den populistischen Forderungen nach Abschiebungen in diesem Zusammenhang überhaupt nicht zu. Die meisten der Demonstrierenden dürften deutsche Staatsangehörige sein, es handelt sich also durchaus um ein deutsches Problem. Ich habe auch keine Lösung für diesen Missstand anzubieten, aber wenn man Probleme gar nicht erst wahrhaben will, sondern sie letztlich mit Phrasen beiseite wischt (nichts anderes ist für mich die Aussage, Antisemitismus sei strukturell stets vorhanden), wird man sie sicherlich nicht lösen. Die Tendenz, unangenehme Fakten auszublenden, die nicht ins eigene Weltbild passen (das gilt in gleicher Weise bei anderen Themen für Konservative!), ist für mich unübersehbar und ich finde sie äußerst irritierend.

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das ist nur dann der entscheidende Punkt, wenn man beabsichtigt, bestimmte Gruppen auszugrenzen ( wir gegen die / „othering“).

Wenn es hingegen darum geht, etwas gegen Antisemitismus zu tun, dann lenken solche Muster davon ab, dass es antisemitische Strömungen in allen Schichten und Gruppen gibt, sodass man sie auch überall bekämpfen muss.

Othering hingegen führt fast notwendig dazu, dass Scheinlösungen propagiert werden, indem etwa von „importiertem“ Antisemitismus gesprochen wird, der dann angeblich durch Migrationskontrolle zu bekämpfen sei.

Hinzu kommt, dass es gerade bei islamischen Menschen auch viele geben wird, die nicht aus rassistischen Gründen antisemitische Einstellungen verfolgen, sondern aus politischen Gründen. Ein gutes Beispiel ist die von dir zitierte These:

Natürlich kann das ein klassisch antisemitischer Topos sein („Weltverschwörung“ etc). Berücksichtigt man indes, dass es auch 75 Jahre nach dem UN-Teilungsplan für Palästina keinen palästinensischen Staat gibt, wohl aber fast ebenso lang den Staat Israel, dann kann man auch ohne jeden Hass auf Juden zu der Auffassung gelangen, dass sie zu viel Einfluss hätten.

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Wie würde denn das Ergebnis einer angemessenen Menge Einfluss aussehen?

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Ich will mir das nicht zueigen machen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Positionen auch politisch und nicht zwingend antisemitisch zu begründen sein können.

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