Mir ist bei dieser gesamten Situation ein Punkt noch nicht klar - der hier am Rande auch schon ab und an kam.
Es ist immer die Rede von „Man kann Geimpften ihre Freiheiten nicht verwehren“ und „Vertragsfreiheit“.
Nun habe ich in jungen Jahren mal in einer Mensa gearbeitet - dort ist es verpflichtend, einen wirksamen Impfschutz gegen TBC nachzuweisen - sonst darfst Du dort garnicht arbeiten.
Ich kenne es auch von meinen Eltern (beide ehem. Krankenpfleger*in). Dort sind regelmäßige Impfungen zu bestimmten Infektionen verpflichtend.
Was bedeutet das dann?
Heißt das, ein Gastronom kann seine Bediensteten nach Impfstatus einstellen?
Was ist dann mit Angestellten in Fertigungsstätten, die ja Abstände nicht unbedingt immer garantieren können?
Was ist dann mit Berufsanfängern? Werden Berufsanfänger die noch kein Impfangebot erhalten hatten nicht gegenüber den Berufsanfängern, die bereits eines hatten benachteiligt?
Das sind die Punkte, die mir bei dieser Diskussion mehr Kopfschmerzen machen als ob Oma Erna ein Kaffeekränzchen veranstalten darf…
Na die Uni hat sich mit ihrer ohnehin schon sehr gewöhnungbedürftigen Verschulung der Lehre in der Coronapandemie entgültig zu einem weiterbildungseminar heruntergestufft dass mit einer hochschulischen Ausbildung nicht mehr so viel zu tun hat^^
Mit den priolisten wurde lokal so viel unsinn getrieben dass ich mich zumindest schwer tue das medizinisch wissenschaftliche argument einfach so durch zu lassen. Im ursprünglichen war das mal so aber die haben auch ziemlich viele Gruppen hoch und runter gestuft und einige Sachen auch an den Priogruppen vorbei gemacht. Aber, wenn man sich über die spontane Impfung von pozilei und lokalpolitikern wundert, dann ist das ja wieder impfneid ^^
Vor allem auch witzig dass jetzt auch wahlhelfer und lokal poltiker (unabhängig vom alter) in teilen auch in priogruppen rutschen… So als letzter Teil der Bevölkerung der geimpft wird kommt man sich gerade, wenn man sich zurückhält und eben nicht die eigenen Kontakte ausnutzt doch etwas verarscht vor.
Das Jahrzehnte lange Desinteresse der Politik an gewissen Bevölkerungsgruppen versinnbildlicht sich halt in der Diskussion um die Freiheiten und wird mit der moralisierung im Neidvorwurf und dem damit verbundenen Vorwurf irrationaler Emotionen zur endgültigen Desillusionierung jener Gruppen die man eh schon immer als unproduktiv gesehen hat.
Entsprechend wird in den Diskussionen "DIE " kultur auch meist als Konsumobjekt einer Notwendigen Lebensweise und damit als Wert an sich gesehen. Die kulturschaffenden werden nur als Hilfempfänger betrachtet. Dann ists halt auch wieder ok wenn die mal ungeimpft für die geimpften arbeiten…
Es steht allen Wahlberechtigten frei, sich in der Heimatgemeinde als Wahlhelfer:innen registrieren zu lassen. Allerdings ist diese Registrierung verbindlich, dh es ist für den einen oder die andere schon wichtig zu wissen, ob spätestens in der letzten Juliwoche der erste Impftermin wahrgenommen werden kann, damit bis zum 26. September voller Impfschutz besteht. (Diese Frist ist natürlich nur für die Bundestagswahl wichtig, bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im Juni ist der Zeithorizont noch um einiges knapper).
Ich bin seit einigen Jahren regelmäßig als Wahlhelferin aktiv und nach der Erfahrung bei der Kommunalwahl im letzten Jahr hätte ich es mir ohne Priorisierung auf jeden Fall zweimal überlegt, ob ich für dieses Jahr wieder zusage.
Ich möchte nur noch einmal drauf aufmerksam machen, dass Impfungen von Bundesland zu Bundesland unterscheidlich sind. Hier in NRW sind die jetzt bei den Jahrgängen 1951/50. Und als nächstes sollen ja die Kinder drann kommen. Sprich. Berufstätige, die oft sogar gezwungen sind, in die Firma zu fahren um zu arbeiten, sind als letzte drann.
Ich kann nur drei Kreuze machen dass mein Arbeitgeber seit über einem Jahr sein OK zu komplettem Homeoffice gegeben hat. Glück gehabt.
Naja wahlhelfer kommen aus spezifischen Demografien. Aber man kann natürlich auch auf die formelle Gleichstellung reduzieren und es zum individuellen Motivationsproblem machen. Jeder könnte trotzdem nicht Wahlhelferände werden.
Aber ich finde es auch gut, verständlich, wie auch notwendig dass Wahlhelfende geimpft werden.
Aber mir gehts auch nicht um einzelne Gruppen und die Frage ob das jetzt legitim sei. Ich wollte nur betonen dass die Kategorisierungen längst nicht so (medizinisch) fest sind wie es manchmal wirkt und es gewisse Faktoren und damit Gruppen sind die kaum Berücksichtigung finden.
Für mich bleibt ein wichtiger Aspekt – nämlich der „soziale Kit“ in der Gesellschaft – bei der Debatte häufig unberücksichtigt. Einige Gedanken:
Seit heute ist in Berlin PrioGruppe 3 freigegeben. Dadurch bekam ich mit, wie in einzelnen Berufsgruppen – ich bin Rechtsreferendar – eine kreative Auslegung der Priorisierungsbestimmungen angegangen wird. Dabei wurde mir klar: Spätestens jetzt beginnt die Zeit der „Findigkeit“, noch ärger wird es, wenn die Priorisierung ganz fällt, Impftermine aber gleichzeitig noch begrenzt sind. Dann gilt: Wer kennt einen Hausarzt wie gut? Wer hat Zeit auch 20 Ärzte abzutelefonieren? Wer kann es sich leisten in eine Nachbarstadt zu fahren um sich dort impfen zu lassen usw.
Es wird hartnäckige Personen geben, und es wird Personen geben, die mal beim Hausarzt anrufen und dort erfahren, dass aktuell nichts frei ist und sie werden es dann in einem Monat nochmal versuchen.
Meine Vermutung ist: Der hartnäckige Teil der Bevölkerung bzw. jener, der die überobligatorischen Bemühungen (s.o.: Zeit, Fahrtwege, Bekanntschaften) erbringt, ist tendenziell der „privilegierte“ (untechnisch) Teil der Gesellschaft. Überspitzt ausgedrückt: Von nun an werden sozial Bessergestellte geimpft, sozial benachteiligte Gruppen (Stichwort z.B. auch Deutschkenntnisse) erst, wenn es wirklich (!) niedrigschwellig Impftermine gibt (Juli? September?). Was hat das mit der Rückgewähr von Freiheitsrechten zu tun?
Nun: Der Staat gewährt Freiheitsrechte dann vornehmlich folgenden zwei Gruppen zurück: 1. vulnerable Bevölkerung (bis jetzt geimpfte Personen) und 2. hartnäckige privilegierte Personen ohne Impf-Prio. [vereinfacht, medizinisches Personal etc. hier mal ausgeklammert, da derartige Gruppen für die Gesamtbevölkerung nicht zu stark ins Gewicht fallen dürften]
Wenn nun ein Rechtsreferendar einer Wirtschaftskanzlei (derzeit Home-Office), weil er über drei Ecken persönlich einen Hausarzt kennt, eine Impfung erhält, eine Person im Lager von Amazon aber online nur die Ausbuchung der Impfzentren angezeigt bekommt und keinen wohlgesonnenen Hausarzt hat, dann bekommt die „Rückgewähr von Freiheitsrechten-Debatte“ einen anderen Zungenschlag finde ich. Für den „sozialen Kit“ ist diese Situation nicht förderlich. Umso weniger, wenn sich ungeimpfte Personen für das Ausleben von Freiheitsrechten von Geimpften in die Gefahr einer Ansteckung begeben. Hier geht es ja nicht mehr darum eine Runde Bridge im Pflegeheim zu ermöglichen, sondern darum, dass eh schon privilegierte Teile der Bevölkerung (ohne aus irgendeinem Grund ein Vorrecht zu besitzen) früher in den Genuss ihrer Freiheitsrechte kommen, während eh schon benachteiligte Gruppen bei ihrer (nicht vorwerfbaren) Beschreitung des regulären Wegs mit ihrem Impftermin und damit auch ihren Freiheitsrechten (noch weiter) nach hinten gedrängt werden.
Gewiss: Diese Strapazen für den sozialen Kit in der Gesellschaft lassen sich schwer in eine rechtliche Dimension gießen.
Und es gibt auch eine Lösung: Wirklich ganz aktiv in die Breite gehen mit den Impfungen. Erste Impf-Teams in sozialen Brennpunkten (dort ohne Priorisierung) sind ein guter Beginn. Ebenfalls ist zu hoffen, dass Ärztinnen und Ärzte auch die sozial benachteiligten Gruppen auf dem Schirm behalten.
Anderenfalls habe ich die Sorge, dass in den Sommermonaten „die Upperclass“ (nicht mal unbedingt finanziell qualifiziert) ihre Freiheitsrechte feiert, während die eh schon stärker abgehängten wegen ihrer Informations-, Zeit- und anderer Ressourcendefizite in die Röhre gucken, bis ein tatsächlich breitflächiges Impfangebot besteht.
Ganz ehrlich, wer ausschließlich utilitaristisch argumentiert, der verbaut sich selbst eine ganze Menge Betrachtungsebenen. Und, Solidarität lässt sich recht klar definieren, allgemein, aber auch gesellschaftlich. Siehe GKV, gesetzliche Rente, HartzIV, aber auch Subventionen für Soziale Schwächere (Tickets) oder aber für kulturelle Veranstaltungen für alle. Weißt du, was ein Theaterbesuch kosten würde, wenn er nicht staatlich (also durch das Steuergeld aller, die es zahlen, zahlen können) querfinanziert wäre? Dann säßen tatsächlich nur die oberen Zehntausend dort. Ich glaube es ist klug sind mal anzuschauen, wie unser Gemeinwesen so organisiert ist und wie viel gelebte Solidarität einem da so im Alltag begegnet.
Zudem, jetzt wird es wieder eher medizinisch, war die Rede von bis zu 30 Mio. vulnerablen Menschen in Deutschland. Aktuell sind 8 Mio. vollständig geimpft. Darunter befinden sich jedoch bereits einige, die nicht zu dieser Gruppe gehören, die von Berufswegen her geimpft sind. Mediziner teilen mit, dass ein Drittel der Über-80-Jährigen noch nicht geimpft ist, bei den Über-70-Jährigen ist erst ein Drittel geimpft. Also offenbar scheinen in der Diskussion diese qua Alter vulnerablen Gruppe ja ein Feigenblatt zu sein. Mediziner stellen schon fest, dass einige im Vorfeld von Pfingsten teils ihre Zweitimpfungstermine bereits canceln (schwänzen), weil sie sich offensichtlich bereits durch die erste Impfung geschützt wähnen. Dann hast du den Punkt, den einige hier schon richtigerweise ins Feld führten: die Impfwirkung wurde oft mit rund sechs Monaten beziffert. Das heißt es kann gut sein, dass die Erstgeimpften im Juni bereits erneut geimpft werden müssten, ungeachtet möglicher Mutationen. Dann sind aber „die letzten“ noch gar nicht erstgeimpft. Was machen wir denn dann? Wieder die vulnerablen Gruppen vorziehen? Biontech wird demnächst weniger Erstimpfungen vornehmen, da bei vielen Menschen die Zweitimpfung mit dem Wirkstoff fällig wird, aber nicht ausreichend Wirkstoff vorhanden ist. Ergo: die Zahl Erstgeimpfter mit Biontech wird temporär einbrechen. Wie die von politischer Seite herbeizitierten eine Mio. Impfungen täglich (die wir bisher überhaupt nur an einem Tag erreicht haben), wird wohl eine Fata Morgana bleiben. Aber, vereinzelt wird schon die Sinnhaftigkeit von Impfzentren in Frage gestellt und argumentiert, dass Haus- und Betriebsärzte dies ja alles besser könnten. Schaue ich mir diese Gemengelage an, kann ich nicht verstehen, wie auch nur irgendwer derart naiv (oder berechnend) sein kann zu glauben, in zwei Monaten (oder wenigen Wochen, wie es ja auch heißt) seien alle zumindest erstgeimpft und daher könnten Lockerungen jetzt bereits für erste Gruppen umgesetzt werden. Und da bin ich noch nichtmal bei der Frage, wer das alles kontrollieren soll, wie fälschungssicher Belege von Impfungen sind oder, wer denn bitte diesen Garten Eden aus Kultur, Gastro und Hotellerie betreiben soll mit lauter ungeimpftem Personal (die Zahl der Unter-60-Jährigen, die vollständig geimpft sind, liegt bei rund drei Prozent)? Hier werden Dinge versprochen, die kaum umsetzbar sind, die aber gut klingen. Da Experten am Maske-tragen auch für Geimpfte festhalten, frage ich mich, welche Vorteile denn diese Lockerungen am Ende konkret sein sollen. Zudem wird hier oft vermeintlich suggeriert, dass die Wirkstoffe zu 100 Prozent wirken würden. Dem ist aber nicht so. Ich meine, dass bei rund 90 Prozent Wirksamkeit eine Menge Luft, in diesem Falle Risiko, besteht doch erneut zu erkranken und/oder andere anzustecken.
Der Löwenanteil der Bevölkerung ist in einer einzigen Priogruppe. Plakativ gesagt herrscht da „Wild West“. Der stärkste Regulator derzeit ist die Haus- bzw. Betriebsärztin. Ich glaube, der Staat vertraut ihr, selbst unter den 4lern sinnvoll zu priorisieren. Denn sie „kennt die Leute vor Ort am besten“.
Sollte der Staat die Priogruppe 4 ausdifferenzieren? In sozialer Hinsicht? In lokaler? In epidemiologischer?
Am wichtigsten ist es mE, den Impfstoff dahin zu bringen, wo es die meisten Infektionen gibt. Das korreliert vermutlich leider mit den Gruppen, die eher spät einen Impftermin bekämen(, und mit einer niedrigen Impfbereitschaft?). Köln-Chorweiler und so. Es gibt Berichte, dass das zum Glück bereits verstärkt geschieht.
Aber das derzeitige Grundprinzip ist mW immer noch, dass jeder Hausarzt dieselbe Höchstmenge an Impfstoff ordern kann. (Wie es mit den Impfzentren aussieht, weiß ich nicht.) Formale Gleichbehandlung ist hier mMn nicht sinnvoll.
Zurzeit setzen wir auf die Ärzteschaft oder darauf, dass die, denen die Impfung weniger nutzt, denen, denen sie mehr nutzt, aus moralischen Gründen freiwillig den Vortritt lassen.
Den „wilden Westen“ kann ich auch in meinem Umfeld beobachten. Da werden Telefonnummern von Ärzten (ich kenne zwei Fälle von Orthopäden), die ohne Berücksichtigung von Prioritäten jeden, der kommt, impfen. Inzwischen hat sich auch herumgesprochen, dass im Fall von Kontaktpersonen von Pflegebedürftige niemand festhält geschweige denn prüft, ob die Pflegebedürftige mehr als 2 Kontaktpersonen benannt hat. Das erklärt vielleicht auch, wie über ebay Kleinanzeigen Pflegetermine zum Kauf angeboten werden können. Die Bundesrechtsanwaltskammer lobbyiert sehr stark, dass jeder Beschäftigte in einer Anwaltskammer als priorisieren Angehörige der Justiz- und Rechtspflege gilt; in Berlin wird das z.B. bereits praktiziert.
Das ist halt bitter und war aber ehrlich gesagt auch schon zu Beginn der Impfkampagne zu Hauf vorhanden. Da haben es viele nur nicht so öffentlich gemacht. Ich kenne leider auch relativ viele Unternehmer mit Einfluss innerhalb Ihres Kreises, die seltsamerweise alle ganz zufällig schon sehr früh übrig gebliebene Impfdosen erhalten haben. Aber es war wenn wir alle ehrlich sind abzusehen, dass Menschen mit Geld und Einfluss vor vielen Priorisierten geimpft werden. So war es in diesem Land immer und wird es wohl leider auch immer noch bleiben.
Lambrecht wies jedoch darauf hin, dass die Regelung keinen Anspruch auf Öffnungen beinhalte. Geimpfte können demnach nicht verlangen, wieder ins Kino oder in ihr Lieblingscafé zu gehen. Ob und wann Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen öffnen, hängt von anderer Gesetzgebung ab, nicht von der nun beschlossenen Verordnung.
@vieuxrenard : Liegt sie da nicht verfassungsrechtlich falsch?
So sehr ich den Wunsch nach einer besseren Impfsteuerung der Gruppe 4 nachvollziehen kann, die Gefahr für deutschen Perfektionismus+Bürokratie ist zu gross. Die Impfbereitschaft wird leiden, wenn zur Impfung erstmal ein 10 seitiger Fragebogen ausgefüllt werden muss. Allein dieser Akt schließt wieder Menschen aus. Ok, 10 ist vielleicht zu hoch gegriffen, aber unter 3 Seite und 20 Fragen plus beglaubigter Kopie von irgendwas, ist es nicht vorstellbar.
Die Hürde muss mMn absolut niedrigschwellig sein. Bei Ikea einkaufen und impfen lassen - fertig. Ja, es wird nicht jeder gleich geimpft werden können, so ist das Leben. Gleichzeitig kann man aber clever mit Aktionen in Brennpunkten o.ä. Etwas nachsteuern. Dann besteht wirklich eine Chance auf breite Durchimpfung.
Der Staat hat sich ja explizit dagegen entschieden. Die Stiko hatte m. W. fünf oder sechs Priogruppen empfohlen, Spahn hat daraus 3+Rest gemacht. Andere Länder hatten bis zu 12 Gruppen, bei denen auch klarer nachvollziehbar war, wer warum vor wem dran ist. Zudem wurden zwei Grundsätze vermischt (vorranging Menschen mit hohem Risiko schwerer Erkrankungen impfen vs. vorrangig Menschen mit vielen Kontakten impfen), indem z.B. Lehrer:innen und Polizist:innen priorisiert wurden.
Bei den Hausärzten ist es so eine Sache: Wenn Du bei 3000 Leuten in der Kartei und sekündlich(!) eintreffenden E-Mails systematisch nach gesundheitlichen Kriterien priorisieren willst, brauchst Du dafür mindestens eine zusätzliche Vollzeitstelle. Bezahlt werden aber 20 Euro pro Impfung (anstatt 180 Euro pro Stunde im Impfzentrum). Einige Praxen machen sich die Mühe trotzdem, zumindest bei den Patient:innen, die sie wirklich kennen. Andere impfen einfach alle, die gerade eh in die Praxis kommen - dazwischen gibt es glaube ich alles.
Nach einem wirklichen Plan sieht das alles für mich nicht aus. Und die jetzige Debatte über Ausnahmeregelungen ist lediglich ein weiterer Punkt auf der langen Liste mit der Überschrift „hätte man sich auch vorher denken können“.
Zu Recht weisen Ulf und Philip regelmäßig darauf hin, dass es keine Rechtfertigung mehr für die Grundrechtseinschränkungen von Geimpften gibt. Viel zu wenig kritisch wird allerdings die Frage diskutiert, wie weit diese denn gehen sollen.
Die Befreiung von Kontaktverboten etc. ist das eine, aber in meinen Augen kann man Geimpften auch nicht mehr mit guter Begründung verwehren, in ein Restaurant, Theater oder Fußballstadion zu gehen. Hier ist die Politik leider sehr zurückhaltend. Verstört hat mich diesbezüglich am Sonntag die Aussage von Markus Söder bei Anne Will, dass es keinen Sinn machen würde, die Gastronomie für 8 % der Bevölkerung zu öffnen. Begründet der Staat pandemiebedingte Grundrechtseinschränkungen (hier: Berufsfreiheit, Art. 12 GG) ernsthaft mit ökonomischen Erwägungen? Stehen die Grundrechte unter dem Vorbehalt wirtschaftlicher Prosperität?
Natürlich kann jeder Gastronom entscheiden, sein Restaurant mangels Erwerbsaussichten (noch) nicht zu öffnen, diese Entscheidung ist aber keine Frage des IfSG.
Der Hintergrund der Zurückhaltung ist wahrscheinlich folgender: Man hat Angst, ein System zu etablieren, bei dem durch die Hintertür ein Impfzwang geschaffen wird. Denn die Diskussion wird erst dann richtig losgehen, wenn alle ein Impfangebot hatten und manche Querdenker dies partout nicht wahrnehmen wollen. Hätte man dann zuvor die Regel geschaffen, dass alle Geimpften wieder alles dürfen, müsste schon gut begründet werden, warum dies jetzt auch wieder für Nicht-Geimpfte gelten soll, die eine potenzielle Gefahr darstellen.
Dabei bin ich übrigens sehr gespannt, wie opportunistisch die Impfgegner dann am Ende des Tages sind. Wenn Sie ohne Nachweis nicht mehr in ein Flugzeug steigen dürfen, sind vielleicht die Vorbehalte nicht plötzlich mehr ganz so groß. Privatwirtschaftlich ist dies natürlich zulässig. Aber die Politik will sich hier offensichtlich nicht zum Vorreiter machen. Eigentlich schade…
Demnach ist Gruppe 4 mit 20% der Bevölkerung „nur“ etwa so groß wie Gruppe 2. Gruppen 1-3 zusammen sind 42% der Bevölkerung (die Zahlen sind immer schon korrigiert um einen Anteil Impfunwilliger, näheres bitte unter obigem Link nachsehen, es ist wirklich gut aufbereitet dort). Gruppe 3 ist mit 15% sogar relativ klein, deutlich kleiner als die inzwischen bereits größtenteils abgedeckte Gruppe 2.
Aufgrund der „Vordrängel-Effekte“, die hier schon hinreichend beschrieben worden sind, ist außerdem davon auszugehen, dass mit zunehmender Zeit immer mehr Leute, die eigentlich in Gruppe 4 zu zählen sind und keinerlei Grund für eine Priorisierung haben, sich trotzdem schon eine Impfung erschlichen haben. Wenn die Gruppe 4 also „offiziell geöffnet“ wird, fängt die also nicht mehr bei 0% Durchimpfung an, wie das Gruppe 2 noch getan hat, also diese begonnen wurde - damals waren die Möglichkeiten, sich vorzudrängeln, mangels impfender Hausärzte nahezu nicht vorhanden.
Ich erwarte also die größte „Schlacht“ im Sinne von heiß laufenden Telefonen bei Ärzten und unangenehm auftretenden Patienten, die mit mehr oder weniger Recht nach Impfungen „verlangen“ gar nicht dann, wenn die Gruppe 4 tatsächlich freigegeben wird, sondern jetzt schon, im Laufe der Durchimpfung der Gruppe 3.
Erstens - die Impfung als solche: Idealerweise gehen die Impfungen (so lange knapp) in den „richtigen Arm“, aber auch ein „falscher Arm“ ist m.E. besser als kein Arm #herdenimmunität. Da könnte man zugunsten der Praktikabilität ja noch einiges verkraften.
Zweitens - wenn wegen „wildwest“-Terminvergabe alsbald ein bestimmtes (idR privilegiertes) Klientel die Impfung erhält und darüber hinaus auch wieder mehr Freiheiten ausleben kann, hat das eine gesamtgesellschaftliche soziale Dimension, die über das reine „jetzt seid doch nicht neidisch“-Argument hinaus geht.
Ja mit der Alibi-Restimpfstoffvergabe seit Beginn hast Du vermutlich Recht. Darüber könnte ich persönlich, trotz Schweinerei, einigermaßen hinweg sehen - jeder geimpfte Arm hilft ja wenigstens.
Aber wenn diese Personen eher in den Urlaub fahren können, als der regelkonform agierende Busfahrer dann leistete der Staat einer - wortwörtlich - „survival of the fittest“ Ideologie Vorschub, die sozialen Ausgleich vermissen lässt.
Vielleicht lässt sich der Entwicklung ja zumindest teilweise entgegen steuern (Maßnahmen in sozialen Brennpunkten wie von @Werbutz genannt).
Ich möchte mal kurz ein paar Dinge in die Runde werfen - ich höre immer das Argument eines „deutlich niedrigerem Risiko“ durch Geimpfte als durch (Antigen) Getestete. Deshalb gäbe es juristisch keine Spielräume.
Das stört mich deshalb weil wir eigentlich schon eine ganze Weile darüber reden wie schlecht die Tests eigentlich sind (ganz grob verpassen sie aufgrund niedriger Sensitivität etwa ein Drittel der infektiösen Phase und sind deshalb eigentlich nicht zum „Freitesten“ geeignet). Diese rein politische Entscheidung sie dennoch als Eintrittskarte zu nutzen wird jetzt die Benchmark dafür dass es juristisch keinerlei Spielraum mehr gibt. Das vereinfacht die Debatte komplett an der Realität vorbei.
Das gibt mir zu denken. Wir haben leider keine guten Daten gesammelt und müssen uns auf sehr löchrige Daten stützen. Das hier ist die beste Zusammenfassung zur Infektiösität der verschiedenen Impfstoffe die ich bisher gefunden habe:
In der dritten Tabelle finden sich die Infektionsrisiken für Geimpfte. Nach diesen Daten die sicher noch nicht perfekt sind sieht man, dass sich viele Geimpfte durchaus infizieren - das ist nicht der Promillebereich oder selbst der einstellige Prozentbereich sondern zwischen 86 und 51 %. Einschränkung: Infektionsrisiko ungleich Übertragungsrisiko! Einige Hilfen zur Interpretation dieser Daten:
Die Viruslast ist oft deutlich geringer was das Risiko für andere reduziert sich anzustecken. (erhöht dem Schutz)
Der Impfschutz nimmt ab, diese Daten sind zum großen Teil der Idealfall kurz nach der Impfung. (senkt den Schutz)
Man muss definitiv bedenken dass geimpfte die Perfekten Katalysatoren für das Auftreten von Immunescape Mutanten werden.
Daher ist meine Meinung: Ich gönne allen ihre Rechte selbst wenn ich sie nicht habe, solange wir nicht in einem starken Pandemiegeschehen mit hoher Inzidenz sind. Die Impfungen und Tests senken das Restrisiko und Grundrechtseinschränkungen sind dann nicht mehr haltbar - dem stimme ich zu. Und genau da beißt sich die Schlange in den Schwanz - wir haben die Zahlen nicht runtergebracht und lockern wieder mit miesen Daten in eine wacklige Situation hinein um zu schauen was passiert. Die Zahlen müssen runter, davon profitieren wirklich alle!
Also ich weiß eines. Wenn die Geimpften und Genesenen ab dem Wochenende nach 22 Uhr wieder draußen sein dürfen bin ich auch wieder mit dem Fahrrad bei Freunden unterwegs ( unter Einhaltung der Sicherheitsregeln). Sollen die Mal alle kontrollieren die dann noch unterwegs sind.
In den Kommentaren auf Welt.de, sprich einem AFD Hotspot, witzeln (hoffentlich!) schon viele ,Na dann mach ich jetzt eine Corona Party und lass mich anstecken. Dann bin ich frei. Geht schneller als impfen,.
Sollten die Beschlüsse zu sowas führen, dann Prost Mahlzeit.