Kreuzfahrten wirken asozial

Der Grund dafür ist in diesem Fall, dass die Leute, die man so beneidet, in aller Regel entweder deutlich näher an ihrem Lebensende als man selbst sind oder alternativ das letzte Jahr über erheblich mehr Risiko, ernsthaft an Corona zu erkranken, übernommen haben.

Genau diese Argumentation ist es doch aber, warum die Emotionen bei diesem Thema so hochkochen. Während der gesamten Pandemie war unser Ansatz ja immer, dass wir Lebensjahre und Lebensqualität einzelner Personen nicht gegeneinander aufrechnen, und das aus gutem Grund. Denn sonst hätte man sich doch von Anfang an fragen müssen, ob es okay ist, jungen Menschen zwei Jahre ihrer Jugend zu klauen, oder mittelständische Existenzen zu vernichten, um damit 92-jährige Krebspatienten noch ein paar Monate am Leben zu halten (ich überspitze). Das haben wir nicht getan, sondern wir haben in ganz überwiegender Mehrheit gesagt, dass wir uns solidarisch einschränken.

Auch würde ich mich nicht entscheiden wollen, ob es jetzt die Intensivkrankenschwester härter getroffen hat als den Gastronom, der vor einem Scherbenhaufen steht, oder den Studenten, der mittlerweile sein viertes Semester alleine im Wohnheimzimmer hockt. Mein Kollege hat mir vorhin erzählt, dass sein (motorisch eingeschränkter) Sohn mittlerweile merklich schlechter Schreiben kann, weil ihm in den letzten Monaten so viel Bewegung und Therapie entgangen ist. Wie hat man das jetzt auf unserer Skala des getragenen Risikos zu bewerten?

Wenn du jetzt argumentierst, dass die Risikogruppe schlechter dran war als der Rest und deshalb gewissermaßen Lockerungen verdient hat, stellst du das zentrale Argument der Pandemiebekämpfung auf den Kopf. Denn es war ja nie die Absicht hinter der Impfpriorisierung, besonders betroffene Gruppen zu bevorzugen, sondern vielmehr wollte man jedes Leben schützen, unabhängig von den individuellen Umständen. Das Geimpfte jetzt so hopplahopp nach der Impfung noch ein zweites Privileg erhalten sollen ist es ja gerade, was die Leute kritisch sehen, die betonen, dass Solidarität keine Einbahnstraße sei.

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Das ist doch überhaupt nicht vergleichbar.

Das zentrale Ziel der Pandemiebekämpfung war immer, Leben zu retten. Das ist die existenziellste Frage, die es gibt, und dass dem so ist, war das zentrale Argument, weswegen man da nicht angefangen hat, Kosten-Nutzen-Betrachtungen und ähnliches vorzunehmen, sondern aus Respekt vor der existenziellen Bedeutung menschlichen Lebens jedes Leben als gleichwertig betrachtet. Deswegen war es ebenso wichtig, die 90jährige Oma zu retten wie den 20jährigen Studenten, so dass im Ergebnis das individuell dann sehr unterschiedliche Risiko den Ausschlag gegeben hat, wem Schutzmaßnahmen früher oder in größerem Umfang zuteil wurden (von denen übrigens nur die Impfung eine ist, die man irgendwie als „erstrebenswert“ betrachten kann - die meisten anderen zielgruppenexklusiven Schutzmaßnahmen wie besonders rigorose Kontaktverbote in Altersheimen haben die Betroffenen meines Wissens nicht gerade als toll empfunden).

Es geht in der Frage, ab wann man geimpfte Menschen von Restriktionen ausnimmt, aber nicht mehr um die existenzielle Frage des nackten Überlebens. Es geht darum, ob ein Teil der Bevölkerung, für den gewisse Beschränkungen objektiv nicht mehr erforderlich sind, um das Ziel des Rettens von Leben in der Pandemie zu erreichen, von diesen Beschränkungen ein paar Wochen früher ausgenommen wird als der Teil, der noch nicht geimpft wurde, weil er während der Pandemie ein deutlich geringeres Risiko für das eigene Leben tragen musste.

Das ist doch geradezu ein Luxusproblem im Vergleich zu der Fragestellung, wie man verschiedene Leben verschiedener Menschen gegeneinander aufrechnet bzw. nicht gegeneinander aufrechnet. Niemand stirbt, wenn andere ein paar Wochen früher eine Kreuzfahrt buchen können! Allein der Vergleich dieser beiden Situationen bzw. das Beharren darauf, sie seien vergleichbar, und man könne über den Verweis darauf, wie in der Pandemie mit der Bewertung von zu rettenden Leben umgegangen wurde, jetzt irgendwie auch in dieser Situation erzwingen, dass gefälligst zu ignorieren ist, WARUM Leute eigentlich früher geimpft wurden, und dass dieser dahinter liegende Grund des Übernehmens eines deutlich erhöhten Risikos nun auch nicht zählen darf als moralische Rechtfertigung, warum man ihnen die Rückerlangung bestimmter Freiheiten ein paar Wochen früher sozusagen als „Glücksfall“ jetzt nach dem „Unglück“ des einjährigen meist eher unfreiwilligen Daseins in einer Risikogruppe nicht einfach mal gönnen könnte…mir fehlen ehrlich gesagt die Worte, wie ich das finden soll. Ich glaube „geschmacklos“ trifft es noch am ehesten.

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Genau das, was ich sagen wollte, konnte ich ihnen offensichtlich nicht gut genug deutlich machen.

Es geht mir nicht darum, dass die Leute keine Freiheiten bekommen sollen. Das ist ja wie breit in der Lage besprochen sowieso rechtlich nicht tragbar.

Mir fehlt nur immer bei den Stimmen wie ihrer das Verständnis für diejenigen, die sich irgendwie ungerecht behandelt fühlen, wenn jetzt Geimpfte Freiheiten bekommen, und man selber noch lange keine Chance dazu hatte. Natürlich ist der Neid, wie ja bereits gesagt unangebracht und egoistisch. Aber er ist nachvollziehbar, auch wenn ich ihn nicht teile.

Genau die Empathie, die sie hier zurecht einfordern, würde ich mir auch von ihrer Seite wünschen.

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Da ist ja durchaus was dran, das will ich gar nicht bestreiten.
Aber trotzdem kann ich nur wieder sagen: Da fehlt mir die Empathie für ebenfalls die andere Seite, die sie ebenso verdient hat.

Es bezweifelt doch quasi niemand, dass es gute Gründe gab, die Priogruppen so zu wählen wie sie jetzt gewählt wurden.

Ich glaube nur, dass der Unmut, der sich jetzt in dieser Debatte entlädt, daran liegt, dass die Politik in dieser Frage nicht ehrlich kommuniziert hat. Denn es muss ja mindestens im Justizministerium völlig klar gewesen sein, dass es früher oder später dazu kommen wird, dass man Geimpfte von Beschränkungen ausnehmen muss, weil es sonst die Gerichte tun. Trotzdem hieß es in der Debatte auch von Lambrecht und Spahn: staatliche Privilegien darf es nicht geben.

In diesem Kontext hat man dann die Impfpriorisierung debattiert und dabei quasi ausschließlich die Frage gestellt: wie impfen wir, um eine möglichst große Anzahl an Leben zu retten? Die Antwort liefert dann mehr techno- als demokratisch die Stiko und die Priorisierung haben wir ja heute.

Wenn man sich aber ehrlich gemacht hätte und die zukünftige Existenz von Privilegien eingestanden hätte, wäre die Frage ja gewesen: wie impfen wir, um möglichst viele Leben zu retten, und wem wollen wir zuerst ein normales Leben zurückgeben? Vielleicht wäre man dann zu anderen Schlüssen gekommen (so wie man ja Lehrer trotz eines geringen Sterberisikos vielerorts priorisiert hat, eben aus einer Abwägung heraus, die auch andere gesellschaftliche Nöte berücksichtigt). Vielleicht wäre die Antwort aber auch die selbe gewesen, aber es hätte dann wenigstens eine demokratische Debatte darum gegeben. So versteckt sich die Politik hinter vermeintlichen juristischen Zwängen und es entsteht eine ekelhafte gesellschaftliche Spaltung, die gegenseitige Vorwürfe von Neid oder Klientelpolitik nicht besser wird.

(Und auch wenn du hier so tust, als gehe es nur um wenige Wochen: für Menschen, die das „Pech“ einer AZ-Impfung haben, sind „wenige Wochen“ knappe vier Monate. Da muss man doch mit etwas Empathie auch eingestehen, dass die fehlende Begeisterung für Kreuzfahrten nicht nur mit Neid zu tun haben.)

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Die Politik wird Lockerungen machen, weil sonst Gerichte sie dazu zwingen werden. Und das auch mit Recht. Ich bin aus beruflichen Gründen schon erstgeimpft und hoffe auch aus persönlichen Gründen, dass es im Sommer wieder eine Rückkehr zu mehr Normalität geben wird. Aber selbst wenn ich noch länger auf eine Impfung warten müsste, würde ich nicht aus Missgunst Lockerungen ablehnen.

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Eine ähnliche Diskussion hatten wir hier im Forum schon um Weihnachten, als es um die Frage ging, ob man nicht mit dem Familienbesuch ein paar Wochen warten sollte. Es geht für viele um mehr als ein halbes Jahr. Meine Eltern sind als Krankenhausärzte Ü60 schon seit Januar voll geimpft, wenn ich in Deutschland wohnen würde, käme ich vielleicht im September zum vollen Impfschutz (die Schweiz ist etwas schneller, aber auch hier wird es wohl Juli).

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Meiner Meinung nach geht es nicht nur um Kommunikation. Es geht darum, dass es seit über einem Jahr kein Konzept gibt außer Sachen dicht zu machen und an die Menschen zu appellieren, „noch ein paar Wochen“ durchzuhalten, seit Dezember ergänzt durch die Parole „Impfen ist die Lösung!“. Dabei ist seit weit über einem halben Jahr klar, dass a) nicht alle Menschen gleichzeitig werden geimpft sein können und dass b) es genau zu der jetzigen Situation kommen wird, in der es immer mehr Geimpfte/Genesee gibt, für die die Einschränkungen nicht mehr gerechtfertigt sind und dass es jede Menge nicht Geimpfter/Genesener gibt, die sich weiter an die Einschränkungen halten sollen.
All das war absehbar und genau deshalb haben andere Länder auch in den letzten Monaten Lockerungspläne entwickelt und diese zum Teil auch schon umgesetzt. Sie gehen also einen anderen Weg: In der Erwartung des weiteren Impffortschritts nehmen sie Einschränkungen für alle zurück, um genau diesen gesellschaftlichen Druck zu entschärfen. Dass Deutschland im April bei Inzidenzen unter 200 über neue Verschärfungen geredet hat, ist ja aus europäischer Sicht eine ziemliche Ausnahme.
Ich wundere mich jetzt nur darüber, dass der Unmut sich vor allem gegen die völlig gerechtfertigten und völlig erwartbaren Ausnahmen für Geimpfte/Genesee richtet und nicht gegen eine Politik, die sich selbst so in die Sackgasse manövriert hat.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich verstehe die Wut und den Frust von jedem und jeder. Aber der Skandal ist aber nicht, dass ein wachsender Teil der Bevölkerung bald weniger von staatlichen Einschränkungen betroffen sein wird. Der Skandal ist, dass die Politik quasi dauerhaft solche Einschränkungen verhängt, ohne allen davon Betroffenen zügig und effizient zumindest eine finanzielle Kompensation zu ermöglichen und dass sie nicht dazu in der Lage ist, zu verhindern, dass viele dauerhaft ihren Job oder gar ihre Existenz verlieren.

Und aus FFF-Perspektive möchte ich noch sagen: Kreuzfahrten sind eh asozial :wink: (Achtung Ironie!)

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Das ist so nicht korrekt und berücksichtigt nicht die inzwischen um ein Vielfaches höhere Impfrate als im Dezember.

Es mag ja absurd klingen, aber die Versprechungen der deutschen Politik, im Juni könne man die Priorisierung fallen lassen, sind nicht übertrieben. Sie sind sogar eher konservativ. Schön sehen kann man dies z.B. in folgender, auf aktuellen Impfzahlen und den derzeitigen Lieferprognosen basierender Simulation: Simulation der COVID19-Impfkampagne

Man sollte dazu noch wissen, dass die drei Prio-Gruppen etwa 7%, 20% und 15% der Bevölkerung umfassen (schon korrigiert unter der Annahme, dass in jeder ein Anteil Impf-Unwilliger von etwa 20% sind). Diese Zahlen stammen von der Süddeutschen Zeitung und scheinen mir plausibel und konform mit Schätzungen anderer Stellen. Also bei 42% der Gesamtbevölkerung müssten theoretisch alle Impfwilligen der Priorisierungsgruppen erreicht sein, mal angenommen, es wurde immer strikt nach Reihenfolge geimpft (was in der Praxis wie wir wissen nicht 100%ig stimmt, daher muss man mit ein paar Prozent Abweichung von dieser Zahl rechnen).

Ich habe die zu erwartenden Impfzahlen für Mai auf Basis meiner eigenen Erkenntnisse und bevor ich obige Simulation kannte schon mal grob überschlagen und ich kam auf ähnliche Ergebnisse, wenn auch nicht ganz so optimistisch, nämlich 45% der Bevölkerung erstgeimpft Ende Mai.

Meine „wenigen Wochen“ waren daher ganz bewusst so gemeint und nicht als Verharmlosung oder Untertreibung zu sehen. Es geht hier nicht um ein halbes Jahr oder gar mehr, es geht vermutlich nicht einmal um drei Monate. A propos drei Monate: Selbst für diejenigen, die AstraZeneca bekommen haben und daher nominell erst mal einen dreimonatigen Abstand bis zur Zweitimpfung haben sollten, wird es vermutlich schneller gehen können, denn es ist davon auszugehen, dass AstraZeneca in Kürze mehr als genug vorhanden sein wird bzw. schlicht liegen bleibt, weil die Ü60 durch sind und in den U60 keiner das Zeug will, bzw. diejenigen die wollen finden keine Ärzte die es verimpfen wollen weil dort die Bereitschaft dazu eher mau ist (Aufklärung dauert länger, Ärzte haben teilweise Angst vor Haftungsrisiken). Da man das Zeug mit 4 Wochen Abstand laut Zulassung bereits zweitspritzen darf, gehe ich davon aus, dass viele Leute, die theoretisch 3 Monate warten sollten, am Ende diese drei Monate nicht warten müssen, sondern sich früher einen Zweitimpfungstermin holen können. Persönliche Anekdote an dieser Stelle: meine Eltern sind beide als Ü60 mit AZ geimpft worden, und deren Arzt hat ihnen vor ner Woche bereits einen zweiten Impftermin in 4 Wochen in Aussicht gestellt, d.h. nix mit 3 Monaten warten.

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Mehr Lockerungen bedeuten aber auch mehr Infizierte und Tote. Und es gibt immer noch nicht-geimpfte Menschen, für die eine Corona-Infektion sehr gefährlich sein kann.

Juristisch betrachtet sind Lockerungen wohl unvermeidbar, aber moralisch betrachtet senden sie ein fatales Signal aus. Genau wie beim Klimaschutz werden die Interessen der jungen Menschen mit Füßen getreten.

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Die Lockerungen gelten für Genesene und Geimpfte. Also für einen deutlich weniger gefährlichen und gefährdeten Personenkreis.

Ich lebe auch sehr gerne in einem Rechtsstaat. Moralische Grundsätze sind doch recht individuell. Viele würden es sicher für amoralisch halten, Grundrechte weiter einzuschränken, berufliche Existenzen zu zerstören und Bildungschancen für Kinder und Jugendliche zu beeinträchtigen, ohne dass es dafür noch eine zwingende Notwendigkeit gibt.

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Die Diskussion um Lockerungen ja/nein findet eher im großen Schwesterthread statt: Freiheiten für Geimpfte

Diesen Thread hier habe ich gestartet, um auf den verantwortungsvollen Umgang mit den Lockerungen aufmerksam zu machen, mit denen fatale Signale vermieden werden könnten. Besser noch: Die neuen Freiheiten der Geimpften können als Potential für positive solidarische Gesten erkannt und erschlossen werden. So könnte auch den Ungeimpften ein Stück Freiheit im Alltag ermöglicht werden.

Das erste wäre mal ein klarer Appell an die Gemeinschaft der Geimpften, dass eine moralische Verantwortung besteht, den Gesellschaftsvertrag zur gemeinschaftlichen Krisenbewältigung zu erfüllen (diszipliniertes Verhalten der Massen ist nicht mit Paragraphen erklärbar und Polizei brauchte es nur für verhältnismäßig wenige Freerider)!

Mein Eindruck ist, dass es gerade an vielen Ecken grummelt und gärt, und ich höre da weniger Missgunst heraus denn Empörung über einen sich anbahnenden Vertragsbruch. Wird das ignoriert, dann könnte so einiges Häßliches passieren: Enttäuschung wird zu Zorn, neue Feindbilder entstehen → bester Nährboden für Querdenker und Alternativdeutsche.

Das stimmt natürlich. Daher würde es Sinn ergeben wie die Schweiz Lockerungen für alle zu beschließen. Von den geplanten Lockerungen für Geimpfte und Genesene profitieren nur ein Bruchteil der Kinder, Jugendlichen und Eltern. Für die Außengastronomie, Kinos und Theater könnte man andere Regelungen beschließen, aber Bildung und Sport sollten wieder allen ermöglicht werden.

Bin eigentlich nur wegen des Reizwortes „Kreuzfahrt“ zu diesem Faden gekommen… Bin deiner Meinung dass alle Grundrechte wieder gewährt werden sollen, soweit sie noch notwendige Kontrollierbarkeit nicht ausser Kraft setzen. Glaube aber nicht, dass die gegenteilige Haltung rein auf „Neid“ zurückzuführen ist. Vielmehr halte ich es für ein spontanes, ehrliches Gerechtigkeitsempfinden, das aber zugegeben naiv ist mit Abstand betrachtet. Man hat ja keinen Schaden.

Da haut es mich fast um (oder ist das Sarkasmus?) Jedenfalls sollten diese Aktien baldmöglichst in den Keller rauschen, falls man doch daran geht, die übelsten und überflüssigsten Dreckfinken mit den wahren Kosten ihrer Geschäfte zu belasten. Nichts verbieten, nur so teuer machen wie sie unter dem Strich sind. Das reicht.

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Als Vater von zwei schulpflichtigen Kindern kann ich den Grundton des Posts sehr gut nachvollziehen. Auch ich würde mir grundsätzlich mehr Solidarität mit Kindern, Teenagern oder auch jungen Familien wünschen. Seit über einem Jahr verzichten meine Kinder auf wahnsinnig viel zu Gunsten der Gesellschaft obwohl sie nicht zur vulnerablen Gruppe gehören. Ich habe das Gefühl das wird gesellschaftlich kaum anerkannt oder wertgeschätzt. Stattdessen wird bspw. gleich die Polizei gerufen wenn mal 3 anstatt, der hier aktuell erlaubten zwei Kinder, auf dem Bolzplatz Fußball spielen. Und während bspw. Renter allmählich einfach zur Normalität zurückkehren können werden die Kinder noch sehr sehr lange mit den Folgen dieser Pandemie zu kämpfen haben. Mal ganz abgesehen von den ganzen anderen gigantischen Problemen die auf diese Generation zurollen.

Aber die Kindern haben auch nichts davon wenn wir geimpften Freiheiten vorenthalten. Wichtiger wären langfristige Maßnahmen und Konzepte um Defizite bspw. im Bereich der Schule auszugleichen, oder eben die langfristigen Folgen der Pandemie für die jüngeren Generationen abzumildern.

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Ja, das halte ich auch für wichtig. Ich halte es aber für falsch dies als Ausrede zur Unterlassung von Akutmaßnahmen zu verwenden. Das sind ja keine sich ausschließenden Gegensätze.

Da gehe ich mit (vgl auch meinen zweiten Post 21)! Ich denke Kinder und deren Familien könnten viel davon haben, wenn statt blindem und unbedingtem Drauflosöffnen nun überlegt würde, wie die Freiheiten der Immunisierten nun intelligent in praktische Alltagshilfestellungen gelenkt werden könnten.

Ich verstehe und schätze Deinen Impuls in diesem Thread, an einen verantwortungsvollen und solidarischen Umgang zu appellieren. Zwei Dinge stören mich allerdings daran (wenn ich etwas falsch verstanden habe, bitte ich um Nachsicht): Erstens die Behauptung, es würde „blind und unbedingt drauflosgeöffnet“. Das kann ich - gerade im Vergleich zu anderen europäischen Ländern überhaupt nicht nachvollziehen. Natürlich sollten von Öffnungen nicht nur Geimpfte/Genese profitieren können, das versteht sich hoffentlich von selbst (ich sehe aber auch nicht, dass dies gerade anders geplant ist). Die einzige Ausnahme ist vielleicht der weitgehende Wegfall von Reisequarantäten, der natürlich als grobe Ungerechtigkeit aufgefasst werden kann. Aber es ist ja erstens nicht so, dass Geimpfte/Genesene nun auf einmal reisen können wohin sie wollen (es gibt weiter Einreisebeschränkungen, vielerorts ist die touristische Infrastruktur geschlossen etc.) und zweitens wäre es ja ebenso unsinnig, Menschen weiter in Quarantäne zu schicken, wenn dies aus medizinischer Sicht gar nicht erforderlich ist.
Der zweite Punkt betrifft die angedeutete Idee, Geimpfte/Genese sollten quasi eine Art Gemeinschaftsdienst an noch nicht Immunisierten leisten. Ich habe nichts dagegen, wenn beispielsweise Kommunen ausreichend Gelder bekommen, um Programme wie Lesepatenschaften zu bewerben und zu ermöglichen. Aber ich halte überhaupt nichts von einer Art Dienstverpflichtung, sei sie auch nur moralischer Art. Ich hatte gerade einen fetten Streit mit meinem Vater, der sich grad nur noch dafür interessiert, wann seine zweite Impfung ist und wann seine Lieblingsrestaurants endlich wieder aufmachen und der nicht mal ahnt, was andere Leute gerade für Probleme haben. Aber es wäre m. E. fatal, diese Haltung pauschal auf alle Geimpften/Genesenen zu übertragen, daher funktioniert dieser Gedanke aus meiner Sicht nicht. Außerdem finde ich, dass es nach wie vor die Aufgabe des Staates ist, Familien, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu unterstützen und sich um die erwartbaren und zum Teil schon sichtbaren langfristigen Folgen des Lockdowns zu kümmern.

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Wohl nicht auf direktem Weg…
Über den negativen Beitrag zum Klima und den damit verbundenen Schäden an anderen Orten auf unserem Planeten, bin ich mir da nicht ganz so sicher.

In diesem Sinne viel Spaß bei deinen Kreuzfahrt- und Airline-Aktien.

Wenn nach deinem Ärger über diesen Kommentar auch ein Fragezeichen in deinem Kopf auftaucht, ob man in die richtigen Werte investiert, hat es sich schon gelohnt.

Ich hätte das Fass jetzt nicht aufgemacht, aber das wiederholte „endlich wieder Kreuzfahrten und in den Urlaub fliegen“ hatte mich getriggert.

Danke dir für die konstruktive Kritik (das fehlt mir hier in letzter Zeit). Du triffst wohl ganz gut ins Schwarze: „blind und unbedingt drauflosgeöffnet" ist sicher keine objektive Tatsachenbeschreibung sondern meine subjektive und gefärbte Situationswahrnehmung.

„Blind“, denn ich beobachte eine Breite Front aufkochender gesellschaftlicher Emotionen und Gegenwehr, erkenne bislang aber keine ernsthaften Versuche die zugrunde liegenden Motive zu analysieren, um eine Folgenabschätzung zu machen. Das wäre aber dringend erforderlich um eine feinfühlige Öffnungsstrategie abzuleiten die mit möglichst wenig gesellschaftlichen Verlusten einherginge (das gilt aus meiner Sicht unabhängig davon welcher Art die den Emotionen/Emotionsmix zugrunde liegenden sind). DAS Grundrechtseinschränkungen zurückgenommen werden müssen bezweifle ich nicht, aber bei der Ausgestaltung gäbe es aus meiner Sicht sehr viel Gestaltungsspielraum (WANN, WIE, Spielregeln, Begleitmaßnahmen…). Der scheint mir aber nicht erkundet zu werden (oder werden zu wollen?).

„Unbedingt“, da ich keine Diskussion sehe ob Öffnungen nicht vielleicht sinnigerweise auch an Auflagen gekoppelt werden könnten. Wie mir grad auffällt wäre vorherige Ermittlung von notwendigen Bedingungen zur Aufrechterhaltung der wiedergewonnenen Freiheiten auch sinnvoll.

Eine Dienstpflicht halte ich von der Idee her interessant zur Diskussion für künftige Pandemien, für aktuelle Situation wohl kaum machbar. Aus meiner Sicht wäre aber ein moralischer Appell das Mindeste und wäre das Analogon zum Solidaritätsaufruf mit denen die Grundrechtsbeschränkungen wirksam eingeführt wurden.

Weitere Ideen anskizziert:

  • Wahlkampf: Ortsgruppen der sich als Volksparteien empfindenden Parteien könnten lokal Hilfsaktionen initiieren/organisieren → gäb’s bessere Wahlwerbung?
  • Krisen-Parallelwährung: Jeder Unimmunisierte bekommt pro Kopf wöchentliche Corona-Solidaritätsgutscheine ausgegeben - solange die Krise währt (tbd). Die können nach der Krise später von Jedermann in Geld (oder Steuererleichterungen) eingelöst werden. Das aktuelle Schweinerennen um Impfstoffe würde vielleicht effektiv ausgebremst werden. (klar gäb es da einige Probleme zum Umgang mit Impfunwilligen usw zu lösen, es geht mir erstmal um die Grundidee. Könnte dann auch zu einer inversen Neiddebatte führen)
  • Krisen-Luxussteuer: Ausgewählte Luxusgeschichten (Luxus != Grundrecht), die eine symbolische Wirkung als Sprengstoff zur Gesellschaftsspaltung entfalten könnten, werden zeitweise deutlich besteuert. Die Erlöse werden 100% zweckgebunden an Krisenverlierer weitergeleitet (Künstlervereinigungen…)

Ich glaube auf symbolische Ebene wäre es wichtig, dass Niemand das Gefühl bekommen darf, man könne sich aus der Krise rausimmunisieren.

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