Bei der Diskussion um Freiheiten für Geimpfte wird m.E. die Perspektive junger Menschen schwer vernachlässigt. Gerade als Studierender ist eine Impfung in den nächsten Monaten wohl eher nicht zu erwarten. Nun restriktieren diese sich bereits seit einem Jahr (zumindest überwiegend) und werden nun von solchen Vorschlägen vorgeführt. Die Idee hierbei Tests und Impfung gleichzustellen halte ich für unzureichend, da Tests einen Tag Sicherheit bieten und zumindest in meiner Heimatstadt, nur einmalig pro Woche umsonst angeboten werden. Um gesellschaftliche Konflikte abzufedern und möglichst gering zu halten, sollte zumindest über eine monetäre Entschädigungen nachgedacht werden. Gerade im Hinblick auf junge Menschen, welche seit Pandemiebeginn gesellschaftlich kollektiv ignoriert werden, ist die impfgebundene Zurückgewinnung der Freiheiten folglich ein Schlag ins Gesicht.
Auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass Studierende /„junge“ Menschen ignoriert werden, würde ich eher vorschlagen, wenn es soweit ist, die kostenlosen Schnelltests auszuweiten z.B. auf zwei oder drei pro Woche. Je mehr Menschen geimpft sind und von der „Freitestung“ befreit sind, desto mehr Schnelltestkapazitäten sollten ja eigentlich frei werden.
Diese Ansicht kann ich sehr gut verstehen. Auch ich finde, dass der jungen Generation (15-25) zu wenig Beachtung geschenkt wird. Sie haben zu funktionieren, bzw. besser noch nicht negativ aufzufallen. Sie müssen Schule und Berufsausbildung/ respektive Studium bewerkstelligen und werden im Zweifel aber mit Bußgelder wegen auffälligen Verhalten so belegt, weil es so einfach ist, junge Menschen/ Erwachsene wegen Fehlverhaltens anzuprangern. Das stört mich schon lange, dass die Jungen Schuld tragen sollen für das Leid was den Älteren aus anderen Gründen wiederfährt. Das ist billig lässt sich aber politisch gut verkaufen. Und junge Menschen haben keine Lobby nicht beim Impfen, nicht bei dem, was sie wünschen. Und zurück zum Punkt: da hakt die Freiheit für Geimpfte Diskussion: wo bleiben die jungen Erwachsenen?
Der „Punkt“ ist doch „Freiheiten für Geimpfte“ und nicht „Welche Altersgruppe hat am ehesten Freiheiten verdient“?
Ich glaube, es gibt niemanden, der nicht in irgendeiner Form unter den Einschränkungen leidet. Klar, es ist nie gleich/gerecht verteilt, aber wie es so schön heißt: „Ein Virus verhandelt nicht.“ Ergo kann es auch nicht fair sein.
Vor dem Hintergrund gehen mir Überschriften mit „XY werden in der Pandemie vergessen“ langsam auf die Nerven, weils diese mittlerweile zu jeder Alters- oder Berufs- oder Interessensgruppe gibt und diese (Schein-?)tatsache (fast) immer als Argumentation für mehr Freiheiten eben dieser Gruppe herangezogen wird. Solidarität mit diesen Gruppen zu fordern finde ich völlig legitim. Aber unter derlei Überschriften ist mir noch nie ein ernstzunehmender Vorschlag untergekommen, wie man konkret den vermeintlich Vergessenen jetzt mehr Unterstützung zukommen lassen kann, ohne dem Rest wiederum mehr abzuverlangen oder den Rest einem höheren Risiko auszusetzen.
Zusammengefasst: Ja, die „jungen“ (bis zu welchem Alter eigentlich?) Menschen haben es sehr schwer, weil sie lange auf eine Impfung warten werden müssen und es ist gesellschaftlich nicht fair einfach Geduld zu fordern, noch dazu von Menschen die ihre Impfung deutlich früher bekommen werden. Aber bei den noch zu diskutierenden Freiheiten für Geimpfte geht es in meiner Wahrnehmung auch nicht um eine Belohnung oder Bevorzugung. Die Frage ist doch eher, inwieweit müssen/können/dürfen wir Geimpfte weiter einschränken, sobald und solange wir belegen können, dass sie das Virus nicht oder nur sehr eingeschränkt verbreiten können? Und wie sinnvoll ist es (sowohl wirtschaftlich als auch sozial) von denen einen tagesaktuellen Schnelltest zu fordern? Was hätten denn die vermeintlich Vergessenen bzw. Wartenden davon, wenn Geimpfte ihnen die Testkapazitäten blockieren, nur weil wir in unserem Wunsch nach Fairness nicht in der Lage sind z.B. beim Testbedarf zu differenzieren?
Einordnung: ich bin Student und habe während der Pandemie zwangsweise ohne Bib und Präsenzrepetirorium erstes StEx geschrieben.
Mein subjektives Empfinden ist ein völlig anderes. Ich bin froh für jeden, der wieder eingeschränkt zur Normalität zurückkehren kann. Inwiefern ich dadurch vorgeführt werde, ist mir ein völliges Rätsel. Wenn man neidisch ist, dann doch bitte im Privaten. In letzter Zeit wundere mich immer wieder, wie bei diesem Thema offener Neid salonfähig gemacht wurde. Kein Studierender hat irgendetwas davon, wenn auch alle anderen unter Einschränkungen leiden. Ganz im Gegenteil: wenn die Wirtschaft (sehr) langsam angekurbelt wird, kann das nur Vorteile haben - auch für die Studierende. Niemand kann in einem Jahr in ein Kino gehen, das leider die Pforten schließen musste.
Davon abgesehen ignorieren diese Takes völlig die rechtliche Lage, die mE im Podcast völlig richtig dargestellt wurde. Reflexhafte Gegenwehr („vorgeführt“, „Schlag ins Gesicht“) ist also ziemlich sinnlos. Es ist nicht so, dass hier irgendwer die Wahl hätte, Beschränkungen aufzuheben oder es sein zu lassen. Das Aufheben der Beschränkungen ist in bestimmten Situationen schlicht rechtlich geboten. Eine finanzielle Entschädigung ausgerechnet an diese gebotene Ungleichbehandlung von wesentlich Umgleichem zu knüpfen, halte ich ebenfalls für unangemessen. Die Finanzmittel sind knapp und es gibt wahrlich dringendere Probleme als die schmollende Studierendenseele. (Ob bedürftige Studierende allgemein genug finanzielle Unterstüzung bekommen ist eine andere Frage.)
Weil diese Argumente schon so unendlich oft (nicht nur in der Lage) durchgekaut wurden, halte ich den kratzbürstigen Ton meiner Nachricht für angemessen. Wenn in der Diskussion irgendwer immer wieder von vorne anfängt, kommen wir nie weiter.
LG
Danke Jakob, du sprichst mir aus der Seele … was Studis fühlen ist für die Frage, ob man gegenüber einem Geimpften noch Beschränkungen verhängen kann, rechtlich einfach irrelevant.
Gleichwohl finde ich die Perspektive wichtig, weil sie doch ein Stück weit erklären hilft, warum unsere Politik so einen juristisch kaum noch nachvollziehbaren Schlingerkurs fährt. Wir haben uns gemütlich eingerichtet in einem Streben nach breitestmöglichem Konsens. Ich glaube, dass das auch viele Vorteile hat, weil so einfach breite Kreise der Bevölkerung mitgenommen werden. Es gibt aber einen Punkt, wo das Streben nach dem Konsens schlicht zu sachlich falschen Entscheidungen oder auch zu gefährlicher Entscheidungsschwäche führt. Das ist eine Erkenntnis, die ich in dieser Deutlichkeit selbst erst in der Pandemie gewonnen habe. Konsens-Demokratie bedeutet häufig langsame, in Ausnahmefällen aber leider auch richtig schlechte Politik.
Das mittelfristig viel gravierendere Beispiel ist die Nicht-Reaktion auf den Klimawandel. Die Pandemie wird irgendwann ein Ende finden, selbst mit der zynischen Taktik der Durchseuchung würde sie sich irgendwann totlaufen, wenn auch zu einem unvorstellbar hohen Preis. Der Klimawandel hingegen endet nicht von alleine. Wenn wir da nicht genug tun, wird es richtig hässlich.
Ich sehe da sogar gleich 3 Probleme. Zum einen die jungen Leute und die würde ich bis ca 40 ausweiten, weil auch bei denen eine Impfung in diesem Jahr eher unwahrscheinlich ist. Dann Kinder bis 16 die ja nicht mal in den Testzentren getestet werden und auch bei den Impfungen quasi gar nicht eingerechnet werden, die können noch wahrscheinlich Jahre lang nicht normal leben. Und dann die älteren die zwar geimpft werden aber kein Smartphone haben und damit auch nichts machen können da es ja scheinbar keine Papiervariante des Nachweises geben soll. Es harkt an allen Ecken und enden. Und wirklich gruselig finde ich das wir erwachsen vielleicht auch noch irgendwie Verständnis haben können aber Kinder natürlich a nicht verstehen warum sie nicht zb nicht mit essen gehen dürfen aber zur Schule müssen ohne Aussicht auf Impfung. Alternativ Kinder bis 14 werden wie beim Kontakt nicht gerechnet und dürfen ohne Test oder Impfung überall hin. Was das heißt muss ich denke ich nicht erklären. Und zu den Studenten und Azubis das hier jetzt ist vor allem bei Ausbildungen oder Studiengängen mit viel Praxis auf Dauer nicht mehr machbar und ich verstehe das es da Probleme gibt und ich könnte verstehen wenn da irgendwann Leute auf die Barrikaden gehen.
Ich finde hier malst du etwas zu schwarz. Selbst bei den Lieferausfällen von AstraZeneca sind bis Ende des Jahres genug Impfstoffe geplant, um alle (auch Kinder, sofern bis dahin zugelassen) zweifach zu impfen. Mutationen, die uns den Spaß verderben, außen vor gelassen.
Also mehrere Punkte die ich gerne erwidern möchte.
- Wie bereits dargelegt ist mir die juristische Seite bewusst es geht um das Vermeiden gesellschaftlicher Konflikte
- Aus meiner Argumentation eine Neiddebatte zu konstruieren ist schlichtweg ideologisch. Es geht hier um keinen Neid sondern darum, dass Studierende stark benachteiligt werden, genauso wie alle anderen Gruppen, bei denen man ähnliche Umstände konstatieren kann.
- Eine finanzielle Entschädigung für all jene die die Pandemie stark betrifft halte ich im Allgemeinen für geboten.
- Aus fiskalpolitischer Sicht ist eine Finanzierung überhaupt kein Problem, siehe Mmt.
- Ist es unfassbar wichtig Gruppen wie Studierende o.ä. endlich mal zu beachten.
- Unterstütze ich es, dass Geimpfte wie Negativgetestete zu bewerten sind und folgere daraus, dass Menschen die noch länger nicht in diese Kategorie fallen, auf welche Art auch immer, zu entschädigen sind. Dies muss nicht unbedingt monetärer Art sein, aber schlichtweg priorisiert Geimpften Vorteile zu geben, ohne über gesellschaftliche Implikationen nachzudenken, ist falsch. Dies fügt sich aber natürlich in den Gesamtkontext sozioökonomischer Ungleichheit, welcher auch vor der Corona Pandemie nicht adressiert wurde.
Absolute Zustimmung zu @Leopardy!
Ich bin auch noch nicht geimpft und werde es voraussichtlich für längere Zeit auch nicht sein. Aber welchen Vorteil hätte ich denn davon, wenn andere die gleichen Einschränkungen erdulden müssten, wie ich? Ich freue mich eher darüber, dass z.B. meine Eltern hoffentlich bald wieder ins Restaurant oder Konzert gehen dürfen. Wieso sollte denen zugemutet sein, weiter darauf zu verzichten?
Das oft verwendete Schlagwort „Solidarität“ ist im übrigen für diese Situation fehl am Platz, denn Solidarität wäre was, was dem Leidenden hilft.
Und was folgerst Du daraus? Aus dem bisherigen Post konnte man ja schließen, dass die Geimpften dann gefälligst auch die gleichen Nachteile ertragen sollen. Aber vielleicht habe ich das ja falsch verstanden.
Du argumentierst für die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen zugunsten von schnelleren Entscheidungen? Normativ ist es nunmal nicht egal ob ich Menschen ignoriere oder nicht. Auch beim Klimawandel trifft dein Argument nicht. Das Problem dabei ist nicht ein Wille der Bevölkerung, sondern exorbitanter Einfluss von Lobbygruppen auf Politiker*innen. Klimapolitik darf in keinem Falle, wie du es hier darlegst, über ganze Bevölkerungsgruppen hinweg geschehen. Viel mehr benötigen wir eine Klimapolitik unter der Ägide der Gerechtigkeit. Eine Verzahnung also zwischen sozialen Maßnahmen, Restriktionen und klugen Investitionen. Was deine Argumentation Studis zu ignorieren betrifft Frage ich mich jedoch wirklich, was denn diese angepriesene Solidarität wert ist, wenn sie in Einbahnstraßen verläuft.
In welches Restaurant oder Konzert?
Beides setzt geimpftes oder getestetes Personal voraus …
Diese Menschen haben ihre „Entschädigung“ bereits bekommen: sie haben nun über ein Jahr lang weit weniger Angst vor schweren Folgen einer Covid-19-Erkrankung bis hin zur Todesfolge haben müssen.
Man kann es auch umgekehrt sehen: die frühere Impfung und womöglich dadurch ein paar Monate früher wieder mögliche Teilnahme an gesellschaftlichem Leben (wofür es natürlich erst mal sowas wie offene Bars, Konzerte usw. wieder geben müsste - aktuell reden wir hier über ungelegte Eier, muss man sich auch immer wieder mal dran erinnern!) ist die „Enschädigung“ an diejenigen, die deutlich mehr persönliches gesundheitliches Risiko im Laufe dieser Pandemie auf sich genommen haben als andere, sei es in einigen Fällen freiwillig (medizinisches Personal beispielsweise) oder auch unfreiwillig (ältere Menschen).
Nein, denn um Diskriminierung geht es hier sowieso nicht. Das haben wir in der Lage schon mehrfach erklärt, zum Beispiel in der 225 und 226.
Danke Olaf! Genau dieser Aspekt wird meiner Meinung nach in den Diskussionen - egal ob es um Öffnungen in der Gastronomie oder um Aufhebung von Einschränkungen für Geimpfte geht - vollkommen außer Acht gelassen.
Das mag ja sein, aber um diesen Aspekt geht es doch hier gar nicht. Mein Beitrag verliert kein bisschen von seiner Gültigkeit, wenn man das Beispiel mit meinen Eltern, die ins Restaurant oder Konzert gehen, weglässt.
Damit die Diskussion nicht abdriftet: Hier geht es darum, ob es eine unbillige Benachteiligung von Studys oder anderen jungen Leuten darstellt, wenn Geimpfte einen Teil ihrer Freiheiten wieder bekommen. Und ich sage, es gibt zwar eine Ungleichbehandlung, aber die ist deswegen hinzunehmen, weil einerseits die benachteiligte Gruppe sonst andere gefährdet, andererseits aber die „Bevorzugung“ der Anderen niemandem schadet.
Ich finde, bei der rechtlichen Beurteilung wird mit zweierlei Maß gemessen. Es wird argumentiert, es geht nicht um Gewährung von Sonderrechten für Geimpfte, sondern um die Rücknahme von Grundrechtseinschränkungen, die nicht mehr gerechtfertigt seien. Das kann ich zwar verstehen, aber wir hatten und haben doch die ganze Zeit schon „nicht gerechtfertigte Grundrechtseingriffe“:
Zum Beispiel durften wir eine Zeit lang nach 20 Uhr nicht alleine im Wald spazieren gehen (Ausgangssperre). Rechtfertigung?
Oder ich darf nicht zu meinem Wohnwagen (auf einem Camping-Dauerstellplatz), in dem ich mich völlig autark und ohne Kontakte aufhalten könnte. Rechtfertigung?
Oft wurde bei solchen Freigeitseingriffen argumentiert, es ginge um den Zusammenhalt der Gesellschaft. Aber der wird durch andere Regeln für Geimpfte jetzt schwer auf die Probe gestellt.
Moin zusammen,
darf ich mal kurz eine simple Frage hier in den Hut mit rein werfen?:
Wenn jeder vor der Gesetz gleich ist, gingen die Freiheiten dann nicht erst dann, wenn auch jeder geimpft ist/sein könnte?
Ich habe im März(?) schon in einem anderen thread mal kurz meine persönliche Meinung kund getan, dass ich es nicht vermittelbar finde, Freiheiten zu zu lassen, wenn einem (Groß)teil der Bevölkerung nicht ermöglicht wird, den erlösenden Zustand durch Impfung zu erreichen. Das ist für mich mehr als Diskriminierung und vor allem unter dem Vorzeichen, dass man bisher darauf angewiesen war, dass ein Großteil die eingleiteten Maßnahmen solidarisch mitträgt. Wie kann man das dann tun? Was ist das für ein Signal?
Auch wenn man geimpft ist, ist das nicht das Ende der Solidarität! Es ist das Ende des persönlichen Risikos. Andernfalls sind nicht alle vor dem Gesetz gleich. Wenn alle geimpft werden können, dann gern her mit den Freiheiten. Solange sollten die Ungeimpften, die durch ihr Verhalten auch die Geimpften mit geschützt haben, nicht durch selektiven Entzug der Freiheitsrechte bestraft werden.
An die jungen Leute: Bitte geht wählen! Lest die Wahlprogramme und entscheidet euch für die, die auch eure Belange berücksichtigen! Eine andere Chance habt Ihr nicht.
Gruß!
Anja
Doch es geht auch um diesen Aspekt.
Denn machen wir uns nichts vor, bei den meisten Freiheiten geht es doch um Kultur, Freizeitgestaltung u.s.w.
Diese sind aber zu und werden es aller Voraussicht nach auch noch eine Weile bleiben, bis die Sache mit Impfen und testen endlich funktioniert.
Und wenn sie dann funktioniert, gibt es auch keine Benachteiligung deiner Gruppierung mehr.
Vom Grundgedanken her magst du ja Recht haben, aber du übersiehst die Personalfrage, die muss geklärt sein, bevor du irgendwas wieder aufmachen kannst.
Aber wenn du die Personalfrage geklärt hast, gibt es auch keinen Grund mehr irgendwem anderes noch auszuschließen.