Dieser Thread ist nicht unmittelbar als Themenvorschlag für den Podcast gedacht, sondern eher als Diskussionsthema innerhalb des Forums, aus dem sich möglicherweise auch interessante Themen für den Podcast ergeben. Und er dokumentiert Stand jetzt eher mein lautes Nachdenken als eine abgeschlossene These. Daher sind Kommentare sehr erwünscht.
Die Idee für diesen Thread ist aus der Diskussion über Themen wie das Tempolimit [1], grüne Gentechnik [2], die Metadiskussion zu emotionalen vs. rationalen Argumenten [3] sowie der Diskussion zu demokratischen Entscheidungsprozessen [4] entstanden.
Eine These aus [4] ist die, dass gesellschaftlicher Wandel, der für mehr Klimaschutz notwendig ist, am Widerstand des politisch konservativen Lagers (CDU/CSU, AfD) scheitert, weil dieses die notwendigen Veränderungsprozesse aus Prinzip blockiert oder am Widerstand des liberalen Lagers (FDP), weil dieses nicht bereit ist, bestimmte Freiheiten dafür zu opfern. Diese These wird im Großen und Ganzen schlüssig hergeleitet – genau wie eine weitere These, nämlich, dass diese Blockade häufig mit Scheinargumenten (Schilder beim Tempolimit) oder Ablenkungsmanövern (Kampagne gegen „Klima RAF“) erreicht wird.
Wie wir in [3] herausgearbeitet haben, liegen diesem Vorgehen häufig emotionale Motivationen zugrunde, die aber im Diskurs nicht ernst genommen werden oder kein Gewicht erhalten, sodass sie aus taktischen Gründen nicht angeführt werden. Das erschwert die Identifizierung der wahren Motivation und damit die Diskussion und Kompromissbildung. Das wiederum blockiert gesellschaftlichen Wandel, wenn zwei ähnlich große gesellschaftliche Gruppen im Konflikt stehen.
Ein Ansatz hier weiter zu kommen (ich spreche bewusst nicht von „Lösung“), könnte aus meiner Sicht der ehrliche Diskurs auf zwei Ebenen sein:
Da hier im Forum meist aus der Sicht einer tendenziell links und oder grün ausgerichteten Position heraus argumentiert wird, zu der ich mich auch am ehesten zählen würde, halte ich das in diesem Post auch so.
Das erste Eingeständnis, dass wir uns im Sinne der Ehrlichkeit machen müssen ist, dass es die o.g. Blockaden und Scheindebatten im eigenen Lager in ähnlicher Form gibt. So fallen bei den Debatten [1] und [2] doch erstaunliche Analogien auf.
Beim Tempolimit herrscht wissenschaftlicher Konsens, dass die Vorteile des Tempolimits in Bezug auf Zeitersparnis, Verbrauch (und damit Klimaschutz) und Verkehrssicherheit in Summe die Nachteile überwiegen. Der Gewinn ist mangels perfekt genauer Daten nicht genau quantifizierbar aber wird klar positiv bewertet.
Bei der grünen Gentechnik wiederum gibt es einen wissenschaftlichen Konsens, dass ihre Anwendung nicht gefährlicher / schädlicher als konventionelle Züchtung ist und dass sie großes Potenzial in Bezug auf Klimaschutz und Klimafolgen-Minderung hat. Dabei heißt Potenzial nicht, dass der Erfolg garantiert ist und die Risikogleichheit zwischen Züchtung und Gentechnik nicht, dass neue Pflanzen grundsätzlich ungefährlich sind.
Die Diskussion beider Debatten wird jetzt in unterschiedlichster Weise analog geführt. Teilweise wird der wissenschaftliche Konsens geleugnet / verwässert. Teilweise wird er ignoriert und das Problem klein geredet und teilweise werden eben Ablenkungsmanöver oder Scheinargumente aus dem Boden gestampft. Das ist ein Riesenproblem für die Glaubwürdigkeit auf beiden Seiten. Wenn jemand aus dem grünen Lager an „Follow The Science“ appelliert aber auf der anderen Seite Grüne Gentechnik im Vergleich zu konventioneller Züchtung ablehnt, dann kann ich ihn zu Recht schwer ernst nehmen. Genauso hat ein Liberaler seine Glaubwürdigkeit verspielt, wenn er mit dem Argument um die Ecke kommt, dass ein Tempolimit aufgrund fehlender Schilder nicht umsetzbar wäre.
(zweiter Teil folgt)