Allgemein gesagt gibt es ja drei denkbare Modelle, die das Wahlrecht einer Person begründen:
- Das Staatsangehörigkeitsprinzip.
Pro: Wer sich gerade temporär im Ausland aufhält, bspw. aus beruflichen Gründen, aber plant in der Zukunft wieder zurückzukommen, wird nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen.
Contra: Langjährig bzw. für immer im Ausland lebende Deutsche bestimmen über eine Politik mit, die sie persönlich überhaupt nicht mehr betrifft. Im Inland lebende Ausländer sind dagegen von der Politik betroffen, dürfen aber nicht wählen.
- Das Wohnortprinzip.
Pro: Wer von der Politik betroffen ist, darf sie mitbestimmen, andere nicht.
Contra: Langfristige Bindungen finden keine Berücksichtigung. Ebensowenig vielleicht in den kommenden Jahren bevorstehende Wohnsitzänderungen über Staatsgrenzen hinweg.
- Eine Kombination von 1. und 2.
Über viele Jahrzehnte galt in Deutschland eine strikte Regelung in Gestalt der Schnittmenge beider grundlegenden Modelle. Prinzipiell durfte nur wählen, wer die Staatsangehörigkeit besaß und einen Wohnsitz im Wahlgebiet hatte. Ausnahmen gab es nur für Soldaten, Diplomaten und andere direkt vom Bund ins Ausland entsendete Personen.
Auf Länder- und kommunaler Ebene hat sich das im Prinzip gehalten, wurde aber in Richtung Wohnsitzprinzip aufgeweicht für EU-Staatsangehörige. Nach wie vor besitzen Auslandsdeutsche aber kein Wahlrecht zu Landtags- oder Kommunalwahlen.
Auf Bundesebene haben verschiedene schwarz-gelbe Regierungen das Wahlrecht dagegen seit den 80ern in Richtung Staatsangehörigkeitsprinzip aufgeweicht. Ab 1985 durften daher auch Auslandsdeutsche wählen, die in ihrem Leben mindestens 3 Monate in Deutschland gelebt und nicht länger als 10 Jahre im Ausland ansässig waren. Kurz vor der Bundestagswahl 1998 wurde das dann noch schnell auf 25 Jahre erhöht, und 2008 wurde die Frist ganz aufgehoben, so dass die einzige Anforderung verblieb, schon einmal 3 Monate in Deutschland gelebt zu haben.
Man kann natürlich vermuten, dass solche Änderungen am Wahlrecht immer auch vielleicht damit zu tun haben, dass eine amtierende Regierung sich davon vielleicht eine Verbesserung ihres eigenen Ergebnisses verspricht. Und so wie links-/grüngerichteten Parteien gerne vorgeworfen wird, dass das der eigentliche Grund für ihre Forderungen nach Absenkung des Wahlalters sei, kann man wohl davon ausgehen, dass Union und FDP zumindest erwarten würden, von weltweit tätigen deutschen Ingenieuren, Akademikern, Handwerksmeistern, Finanzakteuren und Steuervermeidern überproportional gewählt zu werden.
2012 hat dann das BVerfG diese Regelung allerdings für nichtig erklärt. Geklagt hatte eine deutsche Staatsangehörige, die in Belgien geboren wurde und ihr Leben lang dort gelebt hat, aber sehr häufig nach Deutschland kommt und, wenn ich mich richtig erinnere, sogar als Pendlerin arbeitet. Diese fühlte sich nach Auffassung des Gerichts zu Recht benachteiligt, weil sie nicht wahlberechtigt war, im Gegensatz zu Leuten, die bspw. in ihrer frühen Kindheit mit ihren Eltern nach Australien ausgewandert sind, und daher viel weniger Bindung zu Deutschland aufweisen.
Daraufhin wurde die 25-Jahres-Grenze wieder eingeführt und zusätzlich müssen die drei Monate Mindestaufenthalt nach dem 14. Lebensjahr stattgefunden haben. Allerdings wurde eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen für Deutsche, die entweder diese 25 Jahre überschritten haben oder noch nie in Deutschland gelebt haben, dass sie trotzdem wählen dürfen, wenn sie „aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind“, und das ist die Regelung, die wir heutzutage haben.
Weil die Bundestagswahl regional unterteilt in den Bundesländern und Wahlkreisen durchgeführt wird, bedarf es natürlich einer Regelung, welche Wahlkreiskandidaten und Landeslisten wahlberechtigte Auslandsdeutsche denn nun wählen dürfen. Andere Staaten, wie bspw. Frankreich, haben dafür eigene Auslandswahlkreise geschaffen. In Deutschland werden die Auslandsdeutschen aber einfach auf das Wahlgebiet verteilt, indem sie grundsätzlich da wahlberechtigt sind, wo sie das letzte Mal im Inland ihren Wohnsitz hatten. Nur bei Deutschen, die noch nie in Deutschland gelebt haben, ist das natürlich nicht anwendbar, aber da diese ja sowieso bei ihrem Antrag darlegen müssen, inwiefern sie von der deutschen Politik betroffen sind, müssen sie dort dann begründet festlegen, mit welchem Ort in Deutschland sie besonders verbunden sind, also z.B. bei Pendlern der Arbeitsplatz.
Finde ich, ehrlich gesagt, nicht schlimm. Bei im Ausland lebenden Deutschen kann man meiner Meinung nach schon erstmal davon ausgehen, dass sie von der deutschen Politik nicht unmittelbar betroffen sind, und deswegen nicht dasselbe Interesse an einer Wahlteilnahme haben, wie Inlandsdeutsche. Wer das doch meint, der muss sich eben kümmern, und wer den Wahltermin verpasst oder keine halbe Stunde Zeit damit verbringen kann, sich die Unterlagen zusammenzuklicken, dem war’s vielleicht doch nicht so wichtig.