Ich hatte das in einem anderen Thema bereits einmal ausgebreitet und mache das an dieser Stelle gerne nochmals, diesmal im Detail. Da ich selbst Auslandsdeutscher bin ärgere ich mich regelmässig über meine Landsleute, die sich über den Prozess ärgern. Bitte nicht persönlich nehmen. Ich erkläre gerne wieso.
Zunächst muss man die Schwierigkeit des Staates verstehen…
Wenn ein Deutscher ins Ausland zieht, ist nicht mehr „nur“ die deutsche Verwaltung zuständig. Meist finden tatsächlich sogar vermehrte Verwaltungsaufwände im Ausland statt und eben nicht durch die Botschaft. Da gibt es internationale Abkommen und Verträge, wie es genau gehandhabt wird. Üblicherweise ist das Wohnland zuständig, die Person als Ausländer zu erfassen und zu bewilligen und dann eben „kleine“ Änderungen nachzuführen. Sonst müssten man ja bei jedem Umzug an noch mehr verschiedene Ämter Meldung erstatten. Da würde jeder schimpfen und es wäre für alle unangenehm.
Also ist quasi die lokale Behörde für Wohnsitze etc. zuständig und Sie müssten nicht jeden Wohnsitz an die deutsche Botschaft oder andere Behörden der BRD melden. Wie also soll der Staat kontrollieren, ob Sie noch an der angegebenen Adresse wohnen? Im Zweifel weiss der Staat nicht einmal, ob Sie nicht bereits verstorben sind. D. h. de facto befinden Sie sich ausserhalb des deutschen Zuständigkeits- und Hoheitsbereichs. In der Regel zahlen Sie auch keine (oder wenigstens geringere) Steuern in Deutschland, da ihr Lebensmittelpunkt ja im Ausland liegt.
Die Seite der Deutschen - wie es wirklich läuft
Ich weiss nicht, wo Sie, Neesi, leben. Ich lebe im Europäischen Ausland und habe damit das Glück, dass ich relativ sicher sein kann, dass meine Post nicht abgefangen wird oder sonst wie verloren geht. Solche Dinge gibt es und es gibt auch Orte, an denen der Brief mal eine ganze Weile unterwegs ist. Selten ist es jedoch so, dass er wie die Waren aus Fernost für 16 Wochen langsam per Schiff nach Deutschland tuckert. Ja, die Coronakrise hat für Verzögerungen gesorgt, aber erstens ist der Peak der Krise bereits vorbei, Massnahmen wurden eingeleitet und die Basisinfrastruktur funktioniert - im Gegensatz zum letzten Jahr - wieder mehrheitlich. Ich unterstelle Ihnen jetzt etwas, aber ich behaupte, dass rechtzeitig eingereichte Formulare (die bereits vor Monaten hätten eingereicht werden können) von praktisch überall auf der Welt rechtzeitig das Ziel erreicht hätten. Wenn es dennoch nicht gereicht hat, wäre allenfalls eine Expressfrankierung sinnvoll gewesen.
Was mich aber am meisten an Ihrem Beitrag stört ist folgendes:
„Ich finde, dass der deutsche Staat eine hohe Erwartungshaltung an die Buerger hat und alles einem genauen Schema entsprechen muss. Dies an sich ist ok, aber wenn der Staat dann selbst nicht den Standard zu diesen Erwartungen haelt, ist das extrem schwierig.“
Ich finde es mitnichten zu viel verlangt, dass ein deutscher Staatsbürger, der sich politisch interessiert und informiert, weiss, wann er seine Wahlunterlagen bestellen muss (auf der Seite des Bundeswahlleiters ist das sehr weit im Voraus abrufbar, dann einen kleinen Eintrag in den Kalender und rechtzeitig ausfüllen) und dass er sich selbst dazu bemüht, die Unterlagen frühzeitig einzufordern. ich finde es - sorry für die Ausdrucksweise - rotzfrech, dass es Leute gibt, die es zu aufwändig finden, alle vier Jahre ein Formular rechtzeitig auszufüllen, auszudrucken, zu unterschreiben und an die Heimatstadt zu schicken. Das sind 30 - 60 Minuten „Arbeit“ und rund 2 Euro Porto für die Ausübung eines politischen Rechts. Das ist also wirklich nicht zu viel verlangt.
Zum Thema rechtzeitig: der Bundeswahlleiter schreibt dazu auf der Website wörtlich:
" Sie sollten Ihren Antrag auf einen Wahlschein so frühzeitig wie möglich stellen. Sie müssen hierzu nicht den Erhalt der Wahlbenachrichtigung abwarten."
Das hat jetzt mehrere Dimensionen:
- Wie kann der Staat sicherstellen, dass der Wahlbrief auch wirklich bei der richtigen Person ankommt und/oder nur die richtige Person abstimmt? Muss der Staat künftig mehr Verwaltungsaufwand machen, und im Zweifel den Bürgern damit enormen Mehraufwand aufbrummen, damit man bei der Wahl kein Formular ausfüllen muss?
- Muss der deutsche Steuerzahler für die „Bequemlichkeit“ von Menschen aufkommen, die im Zweifel in Deutschland keine Steuern zahlen und sich politisch nicht ausreichend engagieren, um rechtzeitig ein Formular auszufüllen?
- Handelt es sich bei denjenigen Personen, die es nicht schaffen, einmal in vier Jahren rechtzeitig ein Formular einzureichen wirklich um interessierte Staatsbürger?
Warum der aktuelle Prozess auch für Wähler sinnvoll ist
Am häufigsten wird bemängelt, dass man selbst dafür aktiv werden muss, statt einfach die Unterlagen nach Hause geschickt zu bekommen. Das finde ich einleuchtend und ich wäre auch froh, diese „Bürokratie“ abzubauen. Jetzt kommt aber das ABER:
Würde der Staat verantwortlich, mir die Unterlagen zukommen zu lassen, müsste er regelmässig überprüfen, ob ich noch an dieser Adresse lebe, damit der Brief mich auch wirklich erreicht. Wenn ich mich als Wähler aktiv werden muss, fällt hier die „Kontrollpflicht“ weg, bzw. wird für den Staat drastisch vereinfacht. Wer sich nicht interessiert oder sich nicht rechtzeitig darum kümmert, bekommt einfach keine Unterlagen, das Spart Porto, Bearbeitungskosten und Papier und ist im Zweifel sicherer.
So, jetzt kommt der Clou:
Aktuell muss ich selbst das Formular ausfüllen und verschicken. Das kostet mich weniger als eine Stunde und kostet dem Staat nichts. Vor der Prüfung fallen also für den Steuerzahler keine Kosten an.
Angenommen, der Staat hätte die Pflicht, zu prüfen, ob Ihre Adresse noch korrekt ist. Dann müssten Sie im Zweifel einmal jährlich (oder wenn’s genau sein soll noch häufiger) auf die Botschaft (was je nach Wohnort ein einigermassen grosses Chaos ist) oder jemand müsste bei Ihnen vorbei, damit man prüfen kann, ob Sie noch dort leben. Die Bürokratie ist in beiden Fällen um ein Vielfaches höher, als mit dem „Drandenken“ und beantragen.
Persönlicher Tipp
Die Daten zu den nächsten Bundestagswahlen sind bereits lange im Voraus bekannt. Einfach einen Termin ein Jahr vorher ins Handy. Dann ein Jahr vorher auf die Seite des Bundeswahlleiters gehen (siehe unten) und das dort präsentierte Datum für die Öffnung der Formularantragsfrist erneut als Termin speichern.
Dann einfach ganz gemütlich mal einen Abend Papierkram machen, das Formular anfordern und Sie werden es rechtzeitig erhalten. Das ist weder politische Agenda, noch unzumutbar. Es ist im Gegenteil ein sinnvoller Prozess. Dass man automatisch eine Erinnerung erhält oder vielleicht ein digitales Formular ausfüllen könnte, das sehe ich ein. Nicht aber, wieso man nicht selbst ein Formular beantragen soll.