Liebes Lage-Forum!
Anlässlich der Bundestagswahl in wenigen Wochen möchte ich ein Thema vorschlagen: Wie kommt man als Auslandsdeutscher eigentlich ins Wählerverzeichnis? Ich bin (ausschließlich) Deutscher, wurde in Deutschland geboren und bin dort aufgewachsen, lebe aber seit meinem 14. Lebensjahr im schönen Wien in Österreich. Man möchte meinen, dass ich mein staatsbürgerliches Recht, bei der Bundestagswahl 2021 zu wählen, problemlos wahrnehmen kann. Denn was verbindet man mit einer Staatsbürgerschaft, wenn nicht wenigstens das damit einhergehende Wahlrecht?
Weit gefehlt! Während Auslandsdeutsche, die erst später in ihrem Leben ausgewandert sind, relativ unkompliziert an ihrem letzten innerdeutschen Wohnhort in der Wählerevidenz eingetragen werden (die Betonung liegt hier auf relativ) können, müssen Deutsche, die nicht wenigstens 3 Monate nach ihrem 14. Geburtstag ununterbrochen in Deutschland gemeldet waren, ihre politischen Kenntnisse und Verbundenheit mit dem Heimatland schriftllich argumentieren und aktiv einen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis stellen. Leider falle ich um Haaresbreite vor diesen Stichtag. „Es geht sich ums Oaschlecken ned aus“, wie der gemeine Wiener fluchen würde.
Es mag zwar nicht viele Menschen weltweit betreffen, aber ich finde es doch demokratiepolitisch bedenklich, wenn deutschen Staatsbürgerinnen unnötige bürokratische Hürden auf den Weg zu ihrer Briefwahl gelegt werden. In den USA ist das nicht grundlos ein heiß umkämpftes Eisen. Mehr noch stört mich die Vorstellung, dass meine Argumentation für meine politischen Kenntnisse und meine politische Betroffenheit der Lage in Deutschland womöglich als unzureichend erachtet werden und mein Antrag daher abgelehnt werden könnte. Wozu sonst müsste man das Wahlrecht beantragen, wenn es nicht auch abgelehnt werden könnte? Immerhin genügt „eine passive Kommunikationsteilnahme, etwa durch den Konsum deutschsprachiger Medien im Ausland, [] nicht“ (sic!). Mit anderen Worten: Lage hören reicht nicht!
Zum Glück ist mir dies noch nie passiert und ich erwarte es auch nicht für diesen Herbst. Aber ich fühle mich aufgrund dieser Praxis gelinde gesagt als Staatsbürger zweiter Klasse. Und dieses Minderwertigkeitsgefühl kann ich nicht einmal durch eine Doppelstaatsbürgerschaft aufwiegen, indem ich einfach das Parlament in einem anderen Land wähle, weil ich schlicht und ergreifend nur Deutscher bin.
Ich möchte nicht wissen, wieviele Menschen in meiner Lage diese bürokratischen Hürden nicht überwinden und dadurch ihres Wahlrechts „beraubt“ werden. Und selbst wenn es kaum jemanden betrifft, so ist es doch demokratietheoretisch höchst widersprüchlich: Denn mir leuchten nur zwei mögliche Erklärungen für diese Praxis ein.
Erstens: Man möchte vermeiden, dass Personen, die qua ius sanguis Deutsche sind, aber nie in Deutschland gelebt haben und von der politischen Lage dort nicht unmittelbar betroffen sind (was auch immer das heißen soll, wenn man Themen wie Erbschaftssteuern, Visa, mögliche EU-Austritte etc bedenkt), aus „Jux und Tollerei“ oder gar aus niederträchtigen Motiven zur Wahl gehen, und damit das Ergebnis verwässern oder verfälschen. In diesem Fall fände ich es höchst fragwürdig, was denn legitime und nicht legitime Gründe sein sollen, an einer Wahl teilzunehmen, und vor Allem, wer darüber zu urteilen hat, wenn nicht jede Staatsbürgerin für sich selbst (die Mitarbeiter einer Gemeinde etwa?!?! - ja, anscheinend!!!).
Zweitens: Es werden de iure oder de facto eh alle Anträge angenommen, es gibt also keine willkürlichen Entscheidungen lokaler Beamter, man möchte nur durch die zusätzliche bürokratische Hürde sicherstellen, dass wirklich nur diejenigen wählen, die es auch redlich zu interessieren scheint - so redlich, dass sie in einem einseitigen Essay und beigefügten Belegen ihre Verbundenheit zur Heimat erläutern. In diesem Fall leuchtet mir nicht ein, warum die simple Hürde des Antrags auf Briefwahlunterlagen (7 Seiten, zweifache Ausfertigung, wohlgemerkt) nicht ausreichen soll. Dieser Hürde stehen immerhin alle Auslandsdeutschen gleichermaßen gegenüber - egal wie alt sie bei ihrer Ausreise waren.
Nun ja, genug der Jammerei - mein Antrag ist gestellt und ich erwarte hoffend meine Wahlunterlagen.
Mehr Informationen findet Ihr hier und hier. Der Spiegel und der Deutschlandfunk haben schon berichtet.
Ich freue mich auf Eure Ideen und Rückmeldungen
heitschibumbeitschi