Suffizienz - die vergessene dritte Säule der Nachhaltigkeit

Ich befürchte, mensch muss das gebetsmühlenartig vor sich her tragen, damit es irgendwann einsickert und gleichzeitig vorleben, damit sichtbar wird, dass der angebliche Verlust gar nicht groß ist bzw. dass es sogar ein Gewinn ist, wenn Wege nicht mit dem Auto zurück gelegt werden müssen.

ich befürchte, dass der Graswurzel Ansatz zu langsam sein könnte. Und zu langsam heißt in diesem Fall ja leider: mit größeren Freiheits- und Wohlergehensverlusten in der Zukunft.

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Liebes Team,

ich arbeite in der Bodenseeregion und kann daher oft an den verschiedenen Veranstaltungen des Büros für Freiwilliges Engagement und Beteiligung von Vorarlberg teilnehmen; eine Form der Förderung von Partizipation, die in Ba-Wü dagegen sehr viel weniger über Workshops und „Empowerment“, sondern über Infos läuft.

Mein Punkt ist jedoch ein Vortrag von Prof. Niko Paech in Vorarlberg, organisiert von der Gemeinwohlökonomie Vorarlberg.

Seine Sicht auf die Klimaziele und Notwendigkeiten in den nächsten Jahren läuft unter dem Schlagwort Suffizienz und Postwachstumsökonomie. Seine Position ist konträr zur Haltung derjenigen, die einen "Green New Deal“ vertreten.

Mich würde eine Diskussion dieser beiden Positionen sehr interessieren,- auf den ersten Blick scheint es logisch, dass v.a. eine Reduktion der CO2-Emissionen für uns alle nötig ist, um die Energiebilanz weltweit auszugeichen; - auch grünes Wirtschaften verbraucht jede Menge Ressourcen…was nicht gegen neue Techniken der Energiegewinnung sprechen soll.

Niko Päch bekommt viel Gegenwind, um so mehr würde ich seiner Position stärkere Aufmerksamkeit wünschen.

Herzliche Grüße aus Südbaden!
Verena

Hallo Serena und willkommen in forum.
Hast du ein paar Berichte und/oder Videos parat, mit denen man einsteigen könnte, um seine Sichtweise nachzuvollziehen?

Hallo Matti,
ich suche mal Videos raus,
Wachstumskritik und die Folgerungen (Wien, Club of Rome 2022)

All you need is less:

LG Verena

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Danke, habe mir das zweite Video angeschaut. Er bringt das Thema gut und auch für mich als Laien verständlich rüber.
Meiner Ansicht nach treffen da zwei Welten aufeinander.
Die EU ist als Nachfolger der EG halt immer noch vor allem ein wirtschaftsnahes Parlament. Damit strebt sie klimatische Reformation durch wirtschaftliche Innovation an. Verzicht ist da eher nicht gewünscht.
Herr Paech hat es selbst gesagt: Automation und Verzicht auf Konsum, der erstens nicht notwendig und zweitens stark klimaschädigend ist, könnte Arbeitsplätze verringern, was in der Politik nicht mehrheitsfähig ist. Und eine Partei, die antritt mit den Worten „Mit uns bekommt ihr weniger von allem“ würden viele Bürger nicht wählen wollen.
Insofern ist alles richtig was er sagt. Aber es ist halt die Frage, wie so etwas in einer Demokratie umsetzbar ist.

Nachtrag:
Es gibt aktuell einen Thread zur Suffizienz:
Suffizienz - die vergessene dritte Säule der Nachhaltigkeit - Themenvorschläge - Talk der Nation (lagedernation.org)
Und hier noch ein Sammelthread zum Thema:
Klimaschutz kontra Wirtschaft? - Kommentare zum Podcast - Talk der Nation (lagedernation.org)

ja. verstehe ich. Bei allem, was ich verfolge, entsteht bei mir der Eindruck. dass in Berlin alle bzw viele die kommenden Krisen kennen, aber das Notwendige nicht klar sagen. Es wird gewartet, bis initiativen oder Druck von unten entsteht, dann wird gefördert bzw. Themen aufgegriffen wie z.B. SoLaWis…
Ein klares Ansprechen über Partei- und Lobbygrenzen hinweg geschieht nicht, egal wie dringend ein Zusammenwirken der Verantwortlichen ist, wäre.
An Pächs Vorträgen ist ermutigend , dass er die Macht des einzelnen, der Konsumenten, aber auch von Initiativen hervorhebt.
Erstmal Grüße, Verena

Wer sich hier noch weiter für interessiert, eine spannende Studie:

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Weitere ältere Beiträge zum Thema: https://talk.lagedernation.org/t/lage285-ipcc-weltklimarat-report-suffizienz-fehlt/13524?u=margarete_amelung

Kann ich mir spontan nicht denken was das sein soll. Kannst du das mal darstellen?

Danke fürs Ausrechnen. Der Witz ist aber, dass dieser Flug gar nicht notwendig ist, im Gegensatz zur Heizung (wobei die noch ein grosses Sparpotenzial hat). Und wenn jetzt jemand damit kommt, dass eine ausgewanderte Person zur Beerdigung von Verwandten ja wohl heimfliegen muss, der soll mal darüber nachdenken, wieviele Auswanderer vor 1960 sich diesen Luxus leisten konnten? Die Fliegerei kommt einfach komplett oben drauf, ohne Not!
Ich weiss nicht wie oft ich hier die Fliegerei schon in der Art angesprochen habe, es nervt mich schon, aber es verfängt nicht. Mache ich halt weiter…

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Genau. Und weil es mit der „freiwilligen Selbstverpflichtung“ (vielsagenderweise ein Erfindung von Unionsministern) garantiert nicht funktioniert, müssen wir uns auf ein Regelwerk einigen.

Ich betreibe den Graswurzelansatz ± seit 1986, also ja, das reicht nicht. Ich habe allerdings auch keine Ahnung, welche Partei mit solch einem Programm jemals gewählt werden würde.

Passend dazu auch die Aussage von C. Lindner: " Es ist nicht Wissing, der die Klimaziele nicht erreicht, sondern die Bürger."

(1/2)

Bei der Suffizienz im Zusammenhang mit Klimaschutz sind für mich v.a. zwei Aspekte relevant:

Das eine ist das Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei einer feststehenden Konsumentscheidung. Ich wähle also für meinen Konsumbedarf diejenige Alternative aus, die am nachhaltigsten ist (z.B. weil sie am wenigsten CO2 verbraucht). Dieser Aspekt ist vor allem für die erste Phase der Energiewende von Bedeutung. Hier entscheide ich mich z.B. statt für einen Flug an den Ort X für eine Zugfahrt an den Ort X. Oder ich achte beim Kauf eines Produktes Y auf einen besonders geringen CO2 Fußabdruck.

Grundsätzlich sollte man sich klar machen, dass Verhaltensänderung in Richtung mehr Suffizienz nur funktionieren, wenn die Bevölkerung das auch will. Allerdings dürfte das auf einen großen Teil zutreffen, die man dann mit Maßnahmen erreicht, die diese Verhaltensänderung einfacher machen. Während die Wahlentscheidung bei Flug vs. Zug noch sehr trivial ist, gilt das für das Drittel (gemäß oben verlinktem CO2-Fußabdruck) des sonstigen Konsums oft nicht. Denn es ist gar nicht so einfach zu entscheiden, ob jetzt der importierte Apfel aus Neuseeland oder der heimische, aber lange gelagerte Apfel den höheren CO2-Fußabdruck hat.

Die wirksamste Abhilfe ist hier natürlich der CO2-Preis. Der stellt sicher, dass Produkte mit hohem CO2-Fußabdruck auch viel Geld kosten. Allerdings lässt sich am Ende kaum unterscheiden, ob ein Produkt wegen hoher Qualität, Abzocke, oder hohem CO2-Fußabdruck viel kostet. Das könnte man ggf. über Kennzeichnungen (ähnlich wie bei Tierhaltung lösen). Hier könnten z.B. unabhängige staatliche oder private Organisationen den CO2-Fußabdruck eines Produktes im (kostenpflichtigen) Unterauftrag des produzierenden Unternehmens bestimmen. So ein freiwilliges Label würde dann funktionieren, wenn der Kunde ein großes Interesse an dem CO2-Fußabdruck hat. Denn ein fehlendes Label deutet auf einen hohen Fußabdruck hin. Sollten Firmen versuchen, dass zu verschleiern, gäbe es die Möglichkeit, dass NGOs die Label-Organisation beauftragen, den Fußabdruck des Produktes Y zu bestimmen. Das ist dann (ohne Kooperation des Unternehmens) deutlich schwieriger und ungenauer, könnte aber dennoch das Image des Unternehmens und die resultierenden Kaufentscheidungen beeinflussen.

(2/2)
Der zweite Aspekt ist die grundsätzliche Reduzierung von potentiell ressourcenintensivem Konsum. Hier fände ich es vor allem wichtig, dass an vielen Stellen überhaupt erst ein Bewusstsein für den Ressourcen-Verbrauch geschaffen wird. Wenn ich jedes Jahr meine Gasrechnung sehe, funktioniert das noch relativ gut. Ähnlich, wenn ich an der Tankstelle meinen Spritverbrauch stehe. Anders ist das bei Flatrate-Konsum.

Deutlichstes Beispiel ist vielleicht der Datenverkehr im Internet. Dadurch, dass private Festnetz-Datentarife praktisch ausschließlich Flatrates sind, gibt es praktisch keine Anreize Datenvolumen und damit CO2-Emissionen einzusparen. In der Praxis limitiert häufig nur noch die Anschlussgeschwindigkeit, aber je mehr der Glasfaser-Anschluss zum Standard wird, desto weniger limitiert auch das. Das führt dann zu der absurden Situation, dass Leute ein Video in 4K streamen, obwohl der Bildschirm die Auflösung überhaupt nicht hergibt, einfach, weil die Datenrate es möglich macht und man zu faul ist die Einstellungen zu ändern.

Flatrates für ressourcen-intensiven Konsum sind daher m.E. Gift für Suffizienz-Verhalten. Natürlich sind bei der Entscheidung zwischen Verbrauchsabhängiger und Flatrate-Abrechnung auch Praktikabilitätsaspekte zu berücksichtigen. Die sollten aber im Zeitalter der Digitalisierung m.E. nach und nach in den Hintergrund rücken. Flatrates im Bereich Internet, Mobilität, z.T. auch Strom- und Gasverbrauch etc. sollte man also vor diesem Hintergrund auch noch einmal kritisch hinterfragen.

Ansonsten gilt hier eigentlich dasselbe wie beim ersten Aspekt, außer, dass man den CO2-Fußabdruck durch einen Energie- oder Ressourcen-Fußabdruck ersetzen kann.

Der zweite Aspekt ist für mich vor allem in der zweiten Phase der Energiewende wichtig, wenn im Prinzip alle Sektoren am Ende der Umstellungsphase sind und ein geringer Energie- und Ressourcenverbrauch (auch erneuerbarer Energien und Ressourcen) diese Umstellungsphase verkürzen kann.

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Zum Verständnis: willst du hier nur über den Suffizienzbegriff nach Paech diskutieren, oder (allgemeiner) über seine Vorstellung der Postwachstumsökonomie als Antwort auf die Klimakrise? Im ersten Fall fände ich die Verschiebung in diesem Thread sinnvoll, im anderen Fall wäre es m.E. besser, den alten Thread beizubehalten, weil das Thema ja schon breiter ist.
Allgemein finde ich die Ansätze von Paech sehr interessant in Teilen aber auch irritierend. Insofern würde mich die Diskussion auch interessieren.

Ich denke nicht, dass das so einfach ist:
Wärmepumpen & Co werden ja trotzdem aktuell schon ausgebaut. Das heißt, wenn man mit seinem Flug eine Wärmepumpe finanziert, ist die Frage, ob die nicht auch sowieso gebaut werden würde. Weil einfach nur zu sagen, da wir ja in anderen Bereichen reduzieren, gleicht das das Fliegen aus bringt auch nichts. Jetzt kann man natürlich sagen, dass durch diesen Ausgleichsmechanismus die Wärmepumpe früher als sonst gebaut würde, aber dann die ganz große Frage wäre, wie viel früher? Woran macht man sowas fest? Das ist ja rein spekulativ. Dann, was passiert, wenn du mit deinem Flug eine Wärmepumpe finanzierst, sich aber beim Einbau Probleme ergeben? Führst du dann Buch und zahlst zur Not nochmal etwas mehr nach?
Der nächste Punkt ist, wir wollen ja die Anzahl an Wärmepumpen & Co nicht erhöhen, weil wir es so sexy finden, wie die an Hauswänden aussehen oder weil wir so gerne budeln, sondern weil sie eine Möglichkeit sind, unseren Treibhausgasausstoß zu minimieren. Diese Möglichkeit nehmen wir uns, wenn wir sie zum Ausgleich von Flügen verwenden. Dann wird aus Wärmepumpen anstatt etwas positives, etwas neutrales.
Außerdem, kann dieser Mechanismus dazu führen, dass die Regierung sich bei der Wärmewende weniger anstrengt, weil sie sagt Wärmepumpen, werden ja durch Flüge finanziert.
Und der worst case bei diesem Ausgleichsmechanismus wäre, wenn auf einmal Doppelbuchungen angefangen werden, also sowohl Flüge, als auch Wärmepumpen als positiv betrachtet werden, nach dem Motto: „Wie toll all unsere Flüge werden ausgeglichen und schau mal wie weit wir mit der Wärmewende schon gekommen sind“

Also alles in allem würde ich sagen, dass wenn man einmal ausnahmsweise wirklich unbedingt einen einzigen Flug machen muss, kann man evtl. über so einen Mechanismus nachdenken. Wenn man aber einmal im Jahr in den Urlaub fliegen will, hat dieses System viel zu viele offene Fragezeichen, und ist viel zu unsicher, als dass wir darauf vertrauen sollten, dass es funktioniert.

Mein Beispiel war glaube ich zu stark simplifiziert, deine Ausführung sorgen für die deutsche Bürokratie und über Reglementierungen.
Mir geht es schlicht darum, dass unheimlich viele Einsparpotentiale liegen bleiben, weil die Kapitalrückflussdauer nicht ausreichend klein ist, oder weil die Investmittel fehlen.
Es ist doch vollkommen schnurz, ob dann mal was doppelt gezählt wird oder nicht. Statt dessen könnte man eine Dynamik der Verbesserung erreichen. Aber mit dem Bürokratie und Gerechtigkeitswahn bekommen wir das sicher nicht hin. Könnte ja einer einen Vorteil erzielen, der ihm nicht zusteht. Oder eine NGO kriegt es nicht mehr zusammen gerechnet.
Aber dass das wichtigste, der Klimaschutz auf der Strecke bleibt, dass nehmen wir dann hin.
In anderen Ländern wäre der Hebel noch viel größer. Aber die Tinte einer Überweisung wäre noch nicht mal getrocknet und es springt einer hinter dem Baum hervor und schreit „Greenwashing!“
Hauptsache wir haben neue Fremdwörter erfunden.

Mich interessiert der Ansatz der Postwachstumsökonomie als Antwort auf die Klimakrise…
Päch beschreibt den Wachstumsgedanken neben den ökonomischen und Nachhaltigkeitsaspekten als Überforderung des einzelnen (zunehmende Überlastung durch Geschwindigkeit, zu viel Info-Input, Burn-outs, weniger Well-being und zunehmende „Überfluss“-Erkrankungen in den entwickelten Ländern) und empfiehlt eine Reduzierung der bezahlten Arbeit für jeden auf 50%. Dadurch entstünde weniger Konsum, weniger Ressourcenverbrauch und jeder könne sich durch Subsistenzleistungen (Garten, reparieren, regionale Vernetzung und gegenseitige Dienstleistungen) ausleben und zusätzlich versorgen.
Kann das eine Option sein, die zu Lösungen beiträgt und dann auch politisch mit notwendigen Rahmenbedingungen gefördert werden könnte?
Das war meine Frage…