LdN274 Energiewende/Windkraft: Gefühlswelt der Landbewohner

Der Frust auf dem Land ist je nach Betroffenheit sehr groß.
Bei uns in der Gemeinde wehren wir uns auch bestmöglich gegen jedes Windrad das man uns vor die Nase setzen möchte.
Unsere Gemeinde produziert mit 5 Biogasanlagen und ca. 20 Windrädern bei ca. 2500 Einwohnern bereits weit mehr als sie verbrauchen kann. Die Leute mit den „Stadtschühchen“ sitzen an der Landkarte und setzen anderen die Windräder vor die Nase.
Durch die hohen Abschreibungen bleibt für die Gemeinden fast nichts hängen. Die Akzeptanz bei den Bürgern ist nicht vorhanden. Egal ob 500m Entfernung zur Stromproduktion oder 80km, die Netzentgelte und Steuern sind gleich. Und die Städte mit den dicken Geldbeuteln (Gewerbesteuereinnahmen) sind fein raus und lachen sich ins Fäustchen.
Und am Ende der Laufzeit bleiben 700 Kubikmeter Beton im Erdreich für die sich niemand mehr verantwortlich sieht.

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Ich verstehe ein paar der Punkte, die du aufwirfst nicht, bitte hilf mir, sie zu verstehen:

  1. Gehört der Grund, wo die Windkraft gebaut werden soll, der Gemeinde oder ist das privat?
    Wenn privat: Was stört dich am Beton im Erdreich, ich nehme an, darum muss sich derjenige kümmern, dem der Grund gehört.

  2. Was hat es genau mit den Abschreibungen auf sich? Wenn bei euch nichts hängen bleibt, doch dann auch sonst nirgends, oder nicht? Oder sind da Abschreibungspauschalen so hoch, dass die Betreiber Geld einnehmen, aber fiktive zu hohe Kosten abschreiben dürfen, sodass die Steuern ausbleiben?
    Wenn die Abschreibungen zu hoch sind, ist das natürlich schlecht und sollte generell geändert werden. Wenn es aber korrekte Kosten sind, frage ich mich, wieso überhaupt jemand Windräder baut, denn dann hat er ja auch keinen Gewinnn. Es würde mich allerdings auch nicht wundern, wenn es da Möglichkeiten für legale Steuertricks gibt.

  1. Wir wohnen auf dem Land und viele der Bürger sind entsprechend naturverbunden. Wenn 700Kubikmeter in einem Wald vergraben sind wo zuvor Pilze Symbiosen mit Bäumen hatten stört das.

  2. Die Gemeinde erhält 70% der Gewerbesteuer, basierend auf der Summe des Geldes, was ein Investor mit dem bei uns erzeugtem Strom verdient. Da die Windkraftanlagen oftmals finanziert sind, dauert es bis zu 15 Jahre, bevor der Investor erstmals offiziell Geld verdient.

Könnten wir die Diskussion über die Notwendigkeit von Atomkraft in den entsprechenden Themen lassen? No offense, aber ich hab irgendwie das Gefühl, dass sonst jede zweite Diskussion die irgendwie erneuerbare Energien betrifft hier in eine Diskussion pro/contra Atomkraft abrutscht

https://talk.lagedernation.org/t/ldn267-atomkrafts-co2-bilanz/10940/84

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9 Beiträge wurden in ein existierendes Thema verschoben: LdN 261/274 - Energiewende/ „Atomkraft ist kokolores“

5 Beiträge wurden in ein existierendes Thema verschoben: LdN 261/274 - Energiewende/ „Atomkraft ist kokolores“

Und ein weiterer Thread wurde von einer unnötigen Atomkraft-Diskussion gekapert, die keine neuen Informationen gebracht, aber den eigentlichen Threadinhalt erfolgreich abgewürgt hat…

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Liebe LandbewohnerInnen, die AKW-Diskutanten sitzen jetzt im Abklingbecken „Atomkraft ist Kokolores“ - bitte diskutiert weiter in diesem wichtigen Thema. Und wendet Euch bei themenfremden Kaperversuchen an @moderat

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zu 1. hm, ok, das kann ich zwar irgendwie verstehen, finde es aber auch halbwegs beliebig.
Man könnte mit fast derselben Begründung gegen Ackerbau zu Felde ziehen. Immerhin ist das Industrie vom feinsten, schlecht für die Biodiversität und man muss aus fast jedem Dorf auf diese Felder schauen, die überall sind, trotzdem stört es kaum jemanden.

Aber wie dem auch sei, würde ein Vertrag (vielleicht versichert gegen Insolvenz) helfen, der garantiert, dass das Beton aus der Erde geklaubt wird, wenn die Anlage stillgelegt wird? Könnte auch der Bund garantieren. Würde Steuergeld kosten, aber so ist das halt.

zu 2. Ok, das heißt, die Gemeinde muss 15 Jahre auf Einnahmen warten, wie der Investor selbst auch.

Würde es der Akzeptanz helfen, wenn der Investor sozusagen eine umgekehrte Abschreibung machen könnte, also die Steuern, die er nachher zahlen muss, vorher ratenweise bezahlt und am Ende gibts eine Gesamtrechnung, wo Differenzen ausgeglichen werden?
Das macht das ganze natürlich teurer, aber wenn dadurch die Gemeinde vor Ort mitmachen statt Widerstand leisten würde, könnte sich das lohnen.

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Das Grundproblem ist ein ganz klassisches Wirtschaftsproblem.
Z.B. kann man Kies nur dort abbauen wo es ihn gibt. Daher muss jemand der Kies haben will, eben so viel Geld bieten, dass sich jemand mit entsprechenden Grundstücken bereiterklärt diesen abzubauen.

Bei der Windkraft würde ein funktionierender Markt so aussehen:
Es gibt eine Börse aus Anwohnern und Stromkonzernen.
Wenn Gemeinde A eben nur bereit ist für 10.000.000€ Entschädigung 10 Windkrafträder zu bauen, muss der Konzern sich entscheiden ob er den Strompreis erhöhen kann oder nicht.

Dem entsprechen steigt der Strompreis automatisch auf ein Niveau, mit dem die Landbevölkerung zufrieden ist.

Derzeit funktioniert der Markt jedoch nicht so, da Windkrafträder privat gebaut werden.
Das heißt, dass der Eigentümer der Fläche und die Betreiber planen und die Gemeinden und Anwohner haben dann nur die Möglichkeit mit Beschwerden dagegen vorzugehen.

Somit geht es darum, ob das Windrad gebaut werden darf oder nicht, aber nicht darum, für wie viel Geld die Anwohner bereit sind, diese Beeinträchtigung zu akzeptieren.

Der Hamburger Hafen ist auch hässliche Industrie, jedoch akzeptieren die Menschen sie, weil sie von ihr leben. Genau wie Menschen auf dem Land nichts gegen Landwirtschaft haben.

Die Landbevölkerung einfach zum Aufbau zu zwingen, sehe ich kritisch. Das führt dazu, dass diese eben nicht angemessen entschädigt wird.

Als Gleichnis: wenn ich einen Sklaven habe, dann muss ich keinen Lohn zahlen und keine guten Arbeitsbedingungen schaffen.

Wenn ich jedoch heute gefragte Fachkräfte anstellen will, dann muss ich gute Bedingungen bieten oder ich kann meine Fabrik vergessen.

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  1. Theoretisch alles gut geregelt
    https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/hintergrundpapiere-oeffentlich/themen/Technik/20180611_bwe_hintergrundpapier_rueckbau.pdf
    praktisch leider nicht
    Windräder: Wer bezahlt den Rückbau? | Bauernzeitung

  2. Genau aus diesem Grund das man mit geringem Kapital Anteile an einem Windrad, Wasserkraft, Photovoltaikanlagen, Biogasanlagen kaufen kann und der Kredit sich selbst finanziert macht das ganze für Investoren so interessant.

Die Bürger haben in der Nähe solcher Anlagen nur die Nachteile, keine Vorteile wie geringere Steuern auf Strom.
Das ist das selbe wie mit CO2 Steuer, viele hier bewirtschaften Wälder (die keine Einnahmen bringen) in ihrer Freizeit und zahlen genauso viel CO2 Steuer wie jemand der nichts für die Umwelt tut.
Kann zumindest von mir sagen das ich mit der Politik bezüglich ländlicher Raum sehr unzufrieden bin.

Na gut, solange die Anlage nun mal keinen Gewinn macht, ist das doch legitim, dass es keine Steuern zu zahlen gibt. Ein Problem sehe ich erst, wenn die Anlage schon Gewinn macht, es aber legale Möglichkeiten diesen für das Finanzamt wegzurechnen. Ist das so?

Das sehe ich, deshalb ja meine Fragen, wie kann man Windkraft den Anwohnern schmackhaft machen. Als Versuch habe ich oben ja so eine umgekehrte Abschreibung vorgeschlagen und eine Rückbauversicherung.
Wäre das was? Oder freier, und im Sinne von @Felix1 gesprochen: Was müsste es geben, damit man bei euch Windkraft bauen dürfte?

So sieht es mitunter in Städten und deren Umland aus: https://www.metropolnews.info/wp-content/uploads/2018/02/BASF.jpg

Da wird auch eine ganze Menge über den Bedarf der ansässigen Bevölkerung hinaus produziert, z. B. für Leute auf dem Land, die weitab der industriellen und kommerziellen Ballungszentren des Landes leben.

Willst du das ernsthaft gegeneinander aufrechnen?

Es sieht nicht so aus, als würde der Menschheit noch etwas deutlich besseres einfallen, als die Nutzung von Windkraft und Sonnenenergie. Daher würde ich davon ausgehen, dass diese Standorte genutzt werden, solange es Menschen gibt, die Strom brauchen. Allenfalls wird man die Fundamente im Laufe der Zeit ausbessern und erweitern, je nach Anforderungen der aktuellen Windkraftanlagen.

Eine Frage an dich, ganz ernsthaft und ohne Polemik: wo soll der Strom in Zukunft denn herkommen?

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Vielleicht zum besseren Verständnis:

Das Recht auf garantierte Vergütung wird in einem Wettbewerbsverfahren vergeben, das zum niedrigstenmöglichen Strompreis, aber damit auch zum niedrigstmöglichen Gewinn führt. Da die Höhe der Einnahmen aber garantiert ist und die Winderzeugung über 20 Jahre halbwegs verlässlich kalkulierbar, ist es für Investoren möglich, sich fast das gesamte Geld zum Aufbau der Anlage zu leihen. Das führt dazu, dass der Betrieb Windkraftanlage an sich keinen großen zu versteuernden Gewinn abwirft, aber die Investoren auf ihren Eigenkapitalanteil dennoch akzeptable Rendite einfahren. Für die Gemeinden aber dürften ein paar Windräder meist kein finanzieller Gamechanger sein.

Danke für die Erklärung. Leider verstehe ich es immer noch nicht.
Wenn die Anlage schlussendlich keinen (oder kaum) Gewinn abwirft, was habe ich dann als Investor davon?

Nehmen wir mal an, du musst 100 Euro einsetzen, um nach 20 Jahren mit 200 Euro rauszugehen. Sieht nicht gerade nach einer dollen Rendite aus. Aber weil das ein bombensicheres Geschäft ist, kannst du dir von den 100 Euro immerhin 90 Euro leihen zu einem attraktiven Zinssatz. Nach Abzug der Zinsen bleiben dir vielleicht noch 40 Euro. Aber bezogen auf die 10 Euro, die du an Eigenkapital einsetzen musstest, ist das nicht schlecht.

(Zahlen willkürlich gewählt.)

Wobei man nicht vergessen sollte, das die Anlagen halt auch zuverlässig lange funktionieren und auch ein Markt dauerhaft da ist. Heute wurde ja in der Lage beschrieben, dass die Gemeinden vor Ort praktisch die gesamte Gewerbesteuer bekommen. Verstehe gar nicht über was es sich da zu Beschwerden geben sollte.

Das ist ja wohl immer so, dass eine Gemeinde mit offensichtlich guter Windlage (bei 20 Anlagen wird es bei euch ja so sein) mehr Strom produziert als sie selbst verbraucht. Und weil in der Stadt durch die Bebauung schlechter Wind ist, gibt es da auch keine Windräder. Der Windstromanteil für die Städte MUSS also zum Teil von Landgemeinden kommen die natürlich über dem Eigenbedarf produzieren. Nach deiner Logik dürfte es keinen Windstrom für die Städte geben, und damit fiele die Energiewende flach. Vielleicht pendelst du selbst oder sicher einige der Windkraftgegner bei euch ich in eine Stadt und lebt also dann auch von der Stadt - und gönnt den Städtern nicht, dass sie es scheinbar so gut haben ohne Windräder. Ich halte die Anti-Windkraft-Haltung für eine Hysterie in die sich Leute gegenseitig hochkeilen. Ich lebe auf dem Land und wünsche mir Windräder an allen geeigneten Standorten. Dafür hätte ich gerne riesige Kreisverkehre und grössenwahnsinnige Ortsumgehungen auf hohen Dämmen rückgebaut. Kies- und Zementverbrauch für Windradfundamente sind gegenüber Kies- und Asphaltverbrauch eine Kleinigkeit, und so verhält es sich auch mit der Fläche, auf der nichts mehr wächst.

Da wird ja wohl ein neues Windrad hinkommen, vielleicht sogar auf dem alten Fundament und natürlich auch wegen der Windlage und den vorhandenen Zufahrtswegen. Warum sollte man das einfach verschenken?

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Das muss aber nicht so sein. In der Lage wurde ja das Beispiel Hunsrück bei Frankfurt/Main genannt. Ganz in der Nähe gibt es noch eine weitere Gemeinde, die gemeinsam mit einem Unternehmen einen Windparkbetreiber gegründet hat (Quelle):

Ziel der Gesellschaft ist die Entwicklung, Realisierung und der Betrieb des Windparks. Die Kommune hält 49 Prozent der Anteile an der Gesellschaft und die Süwag Erneuerbare Energien GmbH 51 Prozent. Die neue Gesellschaft wird von zwei Geschäftsführern vertreten: Udo Zindel für die Kommune und Bernd Vergin für die Süwag.

Und eine Bürgergenossenschaft gibt es auch:

Nach Fertigstellung und Inbetriebnahme des Windparks ist vorgesehen, dass beide Gesellschafter der Windpark Heidenrod GmbH bis zu zehn Prozent der Geschäftsanteile zur Bürgerbeteiligung an eine Genossenschaft abgeben.

Damit macht die Gemeinde jetzt wohl gutes Geld (Quelle):

Finanziell erweist sich der Windpark für die Gemeinde als Bombengeschäft. Der Plan war, dass er 800.000 Euro pro Jahr für die Gemeinde abwerfen sollte. Doch es ist wesentlich mehr. Pachteinnahmen, Gewerbesteuer und Gewinn spülen derzeit jedes Jahr zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro in die Gemeindekasse. Geld, das in der Gegend bleibt. Zum Nutzen der Menschen. Demnächst kann das Straßennetz der Kommune endlich saniert werden.

Vielleicht sollten Bund und Länder sich hier stärker engagieren, damit die Gemeinden zukünftig zu einem großen Anteil die Windparks selbst betreiben anstatt das nur den Investoren zu überlassen. Oder eine Drei-Teilung: 1/3 die Gemeinde, 1/3 Firma mit Fachwissen und 1/3 die Bürger. :slight_smile:

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Zu den Anlagen in Heidenrod aus der Quelle. Ich habe jetzt nur 2 Minuten gegoogelt aber so wie es scheint wurde zum einen mindestens 1000m Abstand zu Häusern der eigenen Gemeinde geachtet und mindestens 1 Nachbargemeinde hat versucht dagegen zu klagen. Ich weiß nicht ob das wirklich so ein gutes Beispiel ist, dafür wie so etwas umgesetzt werden sollte.