LdN 337: Letzte Generation Kriminelle Vereinigung, bundesweite Razzien

Als es mir der letzten Generation losging, wurde nicht über das Klima diskutiert, sondern über die letzte Generation.
Jetzt wird nicht über die Staatsanwaltschaft und die Polizei diskutiert, sondern über die letzte Generation.
Vor kurzem gab es einen Thread, weil die Polizei einen ganzen Zug von Fußballfans personell erfasst hat und darin vor allem die Frage gestellt, ob die Polizei nicht ein milderes Mittel hätte wählen können. „Wir verhandeln nicht mit Terroristen“ wird das Problem nicht lösen, zumal es genug Beispiele gibt, wo der Staat gegen diesen Satz bewusst verstößt.
In meinen Augen muss man die Frage schon auch stellen, warum der Staat kein milderes Mittel wählt. Es ist doch letztendlich offensichtlich, dass man im Gespräch mehr erreicht als durch Konfrontation. Und es ist ja nicht so, dass die Ziele der letzten Generation den Zielen des Staates konträr gegenüberstehen.
Mit Gas-, Strom- und Autoproduzenten gibt es regelmäßig Gipfel. Würde der Staat in gleichem Maße sich mit Umweltververbänden treffen, wäre die Lage mit Sicherheit schon eine ganz andere.

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Das ist leider wieder die typische Problematik in der Diskussion, dass jede Seite meint, die andere Seite sei Schuld. Für den Konservativen liegt die gesamte Schuld bei den „bösen Klimaterroristen“, der gegen das Gesetz verstößt, beim Progressiven liegt die gesamte Schuld beim bösen Staat, der gegen das Gesetz verstößt. Dieses „warum reden wir nur über die LG und nicht über Polizei und Staatsanwaltschaft“-Argument ist daher ein wenig problematisch, zumal wir relativ deutlich über beides reden - und das ist auch gut so. In einem Konflikt ist es nahezu immer falsch, nur auf eine Seite des Konfliktes zu schauen.

Naja, hier haben wir die besonderen Probleme, dass zum Einen Polizei und Sicherheit in den Kompetenzbereich der Länder fallen und zum Anderen das Problem, dass die Staatsanwaltschaften faktisch (nicht: rechtlich; siehe Diskussion über die Weisungsbefugnis) relativ unabhängig von der Politik sind.

Daher ist hier das Problem: Wen meinen wir überhaupt, wenn wir über „den Staat“ reden?

Das Beispiel der jüngsten Eskalation zeigt ja, dass hier letztlich der „radikalste, selbstverantwortlich handelnde Teil des Staates“ den Ton angibt. Daher: Wenn 23 Generalstaatsanwaltschaften mildere Mittel einsetzen wollen oder gar nicht intervenieren wollen, aber die Generalstaatsanwaltschaft München volle Eskalation betreiben will, gibt es volle Eskalation.

Das ist in der Tat ein systematisches Problem. Die „Letzte Generation“ agiert bundesweit, aber das Maß der Repression wird durch die radikalste Staatsanwaltschaft im Bundesgebiet bestimmt, weil eben eine einzelne Staatsanwaltschaft reicht, um massive Repression zu erzeugen.

Wie will man dieses Problem beheben? Also auch wenn weite Teile der Regierungsparteien (vor allem der Grünen) eher gegen eine weitere Eskalation sind, ohne die FDP werden sie keine Gesetzesänderungen durchbringen können, die es der radikalsten Staatsanwaltschaft unmöglich macht, weiter zu eskalieren. Und selbst wenn man z.B. § 129 StGB wesentlich entschärfen würde, würden Staatsanwaltschaften Möglichkeiten finden, mehr Repression zu betreiben…

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Das wiederum ist schwierig. Bei Gas- Strom und Autoproduzenten ist klar, wer die Entscheidungsträger sind, es können rechtsverbindliche Vereinbarungen geschlossen werden und Vorgänge abgestimmt werden. Niemand von der „Letzten Generation“ kann hingegen rechtsverbindlich für diese Organisation sprechen, gleiches gilt für alle anderen Gruppen, entsprechend niedrig ist das Interesse der Politik, hier zu verhandeln.

Das ist das klassische Dilemma in solchen Situationen. Beide Optionen sind für den Staat nicht wünschenswert, er kann sich nicht „erpressen lassen“ (z.B. durch die Androhung von Sabotage an kritischer Infrastruktur), aber er kann das Problem auch nicht mit Repression beseitigen. Dass der Staat sich regelmäßig von Wirtschaftsinteressen erpressen lässt („Drohung mit Standortverlegung in’s Ausland“) ist bereits hochproblematisch, aber wenn daraus die Forderung gezogen wird, man sollte sich jetzt auch von Aktivisten erpressen lassen, halte ich das nicht unbedingt für sinnvoll.

Wie die Sache ausgeht hängt tatsächlich davon ab, wer den „Kampf um die Köpfe“ gewinnt - durch die massiven Repressionen werden sich noch mehr sturköpfige Autofahrer ermutigt sehen, aktiv gegen Klimakleber vorzugehen - und das ist ein Problem für die Bewegung. Wenn der Rückhalt in der Bevölkerung noch weiter zurückgeht und die Ablehnung noch weiter steigt wird man irgendwann das Problem haben, dass man sich nicht mehr traut, sich auf einer Kreuzung festzukleben, weil die Angst vor dem wütenden Autofahrer-Mob größer wird als die Angst vor Polizei und Strafverfahren.

Deshalb finde ich es auch so wichtig, sich bei jeder Aktion zu überlegen, ob man damit den gesellschaftlichen Rückhalt der Umweltschutzbewegung stärkt. Ich halte disruptive Aktionsformen, die gezielt den „Normalbürger“ treffen, in diesem Hinblick für massiv kontraproduktiv.

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Ich bin auch der Meinung, dass dies erwähnt wurde. Das Urteil ist allerdings von 1995 und zu diesem Zeitpunkt galt dieser Tatbestand noch für alle Straftaten. 2017 gab es eine Änderung und seitdem ist eingefügt worden, dass es sich um Straftaten mit einer Höchstfreiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren handelt muss. Dies ist meiner Meinung nach allerdings immer noch viel zu weit gefasst. Der in der Lage präsentierte Vorschlag, es müsse sich um Verbrechen (Mindeststrafe ein Jahr) handeln, geht da glaube ich schon eher in die richtige Richtung.

Ich hoffe, dass in dem nun folgenden gerichtlichen Verfahren entweder festgestellt wird, dass es sich um keine kriminelle Vereinigung handelt oder dass zumindest der Gesetzgeber dies als Anlass nimmt, diesen Straftatbestand zu überarbeiten. Unabhängig davon, ob man die Protestform als legitim oder nicht betrachtet, würde es durchaus mein Rechtsempfinden stören, auf diese Weise gegen die Gruppe vorzugehen. Es wird glaube ich an vielen Stammtischen auch verkannt, dass gegen die einzelnen Taten ja durchaus trotzdem strafrechtlich vorgegangen werden könnte (eventuell Nötigung, Sachbeschädigung, Störung von Betrieben o.ä.). Hierfür brächte es nicht die Voraussetzung einer kriminellen Vereinigung.

Du meinst, der Staat kann sich nicht öffentlich erpressen lassen. Denn er lässt sich regelmäßig von großen Unternehmen erpressen, meistens mit dem Hinweis auf Arbeitsplätze.

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Wobei das auch wieder zu Problemen führt, wenn es um z.B. Freie Kameradschaften oder andere Nazi-Schlägertrupps geht. Irgendwie ist es doch hilfreich, eine relativ offene Eingriffsmöglichkeit zu haben, wenn Gruppen sich zusammenschließen, um regelmäßig gefährliche Körperverletzungen zu begehen. Vielleicht sollte lieber die aktuell geltende Grenze des Höchststrafrahmens von 2 Jahren (das erfasst quasi alles!) auf mindestens 5 Jahre, besser aber 10 Jahre gefasst werden.

Um das mal zu verdeutlichen:
Höchstmaß zwei Jahre (aktuelle Regelung): Umfasst nahezu alle Strafvorschriften, einschließlich einfachster Sachbeschädigung und Beleidigungsdelikte. Von den üblichen Delikten ist eigentlich nur Hausfriedensbruch nicht erfasst…

Höchstmaß fünf Jahre: Umfasst einfache Körperverletzung und Diebstahl, aber nicht mehr einfache Sachbeschädigung, Nötigung, Beleidigung usw.

Höchstmaß zehn Jahre: Umfasst gefährliche Körperverletzung, besonders schwere Diebstähle (z.B. Autodiebe, Wohnungseinbrüche) und natürlich alle Verbrechen

Mindestmaß ein Jahr: Umfasst nur noch alle Verbrechen

Ich denke, die Variante „Höchstmaß 10 Jahre“ statt „2 Jahre“ ist der beste Kompromiss. Denn gegen Einbrecher- und Autodiebes-Banden sowie gegen Nazigruppen, die regelmäßig ihre Umgebung terrorisieren, sollte es schon die Möglichkeit geben, wegen einer kriminellen Vereinigung zu ermitteln.

Das schrieb ich doch direkt im nächsten Satz: Die Tatsache, dass sich die Politik leider durch Wirtschaftsinteressen erpressen lässt - i.d.R. sehr indirekt, also eher durch völlig legale Andeutungen als durch ausgesprochene Drohungen - rechtfertigt nicht die Forderung, der Staat sollte sich auch an anderen Stellen erpressbar machen. Es ist wie gesagt ein Dilemma, und in der Natur des Dilemmas liegt es, dass es keine leichte (und vor allem für alle Seiten befriedigende) Lösung gibt, sondern allenfalls die am wenigstens schlechte Lösung gewählt werden kann.

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Hallo,

Ich habe mich jetzt extra neu angemeldet weil es mir wert war zu sagen, dass Ihr meiner Meinung nach auf gar keinen Fall „auf der FDP rumhackt“. Vielmehr ist meiner Meinung nach eure Einfühlfähigkeit und Offenheit der FDP gegenüber dermaßen ausgeprägt und andere Parteien im Vergleich zur FDP unterrepräsentiert, dass ich mir immer öfter überlege ob ich Sie noch hören kann. Bis jetzt haben die Themen mich aber noch überzeugt dabei zu bleiben.

Ein anderes Thema dass ich spannend fände ist die zumindest von mir empfundene ungleich Behandlung von der letzten Generation und der ReichsBürgerbewegung. Natürlich gab es bei den ReichsBürgern auch vereinzelt Razzien aber nicht systematisch wie die der letzten Generation und ich frage mich warum es nicht versucht wird die Reichsbürger als eine kriminelle Vereinigung zu verbieten? Wäre dies möglich und können Sie sich erklären warum dies noch nicht geschehen ist?

Eine weitere Frage hätte ich noch zu der letzten Folge und der Vorverurteilung, s.Bild, von seitens der Generalstaatsanwaltschaft München und dem bayrischen LKA. Wenn die Ermittler so voreingenommen sind, kann dann noch von einer neutralen Beweisaufnahme ausgegangen werden oder stellt dies möglicherweise einen so gravierenden Formfehler da, dass der letzten Generation kein Prozess vor Gericht gemacht werden kann?

Herzliche Grüße,

Nora

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Da hat jemand beim LKA München Gefallen an den schönen Logos des FBI auf beschlagnahmten Webseiten gefunden und sich wohl gedacht, dass er sowas auch gerne hätte. Leider ist ihm dabei ein ziemlicher Bock unterlaufen, denn es ist ja noch völlig ungeklärt, ob die „Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung ist. Das müssen ja erst die Gerichte klären. Soweit ich weiss hat man bei der Generalstaatsanwaltschaft auch schon kleinlaut zurück gerudert.

Dazu haben sie es auch noch technisch verbockt, denn man hat wohl nur auf der vom Hoster betriebenen Webseite dieses Bild plaziert, und versäumt den DNS Eintrag beim Registrar mit zu übernehmen. So konnte die Letzte Generation dann einfach den Aufruf der .de Webseite auf ihre .org Präsenz umleiten. „Einmal mit Profis arbeiten“ ist alles was mir dazu sarkastisch einfällt.

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Das Problem ist hier, dass die „Letzte Generation“ durchaus als bundesweite Vereinigung gesehen werden kann, während es bei den „Reichsbürgern“ keine hinreichende organisatorische Verzahnung der einzelnen Gruppen zu einer bundesweiten Verbindung gibt.

Daher:
Die „Letzte Generation“ hat eine zentrale Website für Deutschland, auf der sie spenden sammelt, die dann innerhalb der Organisation bundesweit verteilt werden. Dazu hat die Letzte Generation eine Organisationsstruktur, die das überhaupt erst ermöglicht. Sie hat eine Pressesprecherin und andere, nach außen die gesamte Bewegung repräsentierende Persönlichkeiten, die in der Organisationsstruktur an der Spitze stehen und von der absoluten Mehrheit der Mitglieder als Führungsebene anerkannt werden.

Die Reichsbürgerszene hingegen ist - ähnlich wie die rechtsextreme Szene - zwar untereinander oft gut vernetzt, aber es gibt keine übergeordneten organisatorischen Strukturen. Also es gibt keinen „Chef der Reichsbürger in Deutschland“, es gibt keine „Führungsebene“, es gibt keine übergreifende Spendenorganisation. Viel mehr gibt es einige gefestigte, i.d.R. recht kleine Reichsbürgergruppen mit fest eingrenzbaren Personal (häufig nur ein selbsternannter König/Fürst/Whatever und ein paar Personen, die ihm folgen), die weitestgehend Autark sind (und oft auch in Konflikt zueinander stehen).

Dazu kommt, dass „Reichsbürger“ oft eine Zuschreibung von Außen ist, ein Verbot von „Reichsbürgern“ als Verein also darauf hinauslaufen würde, dass der Staat eine Blanko-Organisation verbietet, der er selbst nach eigenem Ermessen Personen zuordnet. Die rechtstaatlichen Probleme, die sich daraus ergeben, sollten offenkundig sein.

TL;DR:
Die LG ist eine klar abgrenzbare Vereinigung mit entsprechenden Strukturen und kann daher als Vereinigung durchsucht und im Zweifel auch verboten werden.
Die Reichsbürgerbewegung ist ein ideologisches Sammelbecken, ein Begriff, unter den wir viele verschiedene Gruppierungen und Einzelpersonen zusammenfassen, die miteinander nicht organisatorisch verwoben sind.

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Da hast du vollkommen recht. Und sie haben auch nicht einfach nur „Staatsanwaltschaft München“ geschrieben, sondern zusätzlich „Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus“ um auch noch mal zusätzlich mit dem Zaunpfahl zu winken, was für böse Menschen das sind, die andere am Befahren eines bestimmten Straßenstückes hindern.

Vermutlich wünscht man sich in Bayern so ordentliche, deutsche Vereine wie die Wehrsportgruppe Hoffmann zurück. :wink:

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Hm,
Vielen Dank Daniel für die ausführliche und fundierte Antwort. Finde es natürlich schon schade aber kann jetzt besser nachvollziehen warum die gleiche Vorgehensweise bei ReichsBürgern nicht funktionieren würde. Habe aber wesentlich mehr Angst vor denen als vor ein Paar Straßenblockaden und leider nicht das Gefühl dass da ausreichend unternommen wird auf staatlicher Ebene um die Gefahr von ReichsBürgern zu minimieren.

VG,

Nora

Mal ein Blick von einem etwas erhöhten Standpunkt: Der Paragraph 129 hat eine Vorgeschichte, bis in die Gründungszeit des Kaiserreichs von 1871. Damit konnte man gegen jede revolutionäre Bewegung (auch SPD) vorgehen - und war im Recht. Man muss sich schon vor Augen halten, dass ein Rechtssystem eine Entwicklung durchläuft und von Menschen gemacht ist. Es wird wohl so sein, dass die jeweiligen Eliten einer Epoche ihre Vorstellung (mithin ihr Interesse) in einer Weise in die Weiterentwicklung des Rechts eingebracht haben, dass es für die jeweilige Zeit als fortschrittlich und gerecht angesehen wird (im Vergleich zum vorherigen Stand), und dennoch im Zweifel im Interesse der Eliten wirkt. Es kann sein, dass Teile der Elite das Ziel von grösstmöglicher Gerechtigkeit unabhängig vom Eigeninteresse verfolgen, aber dieser fortschrittliche Teil kann den alten elitären Geist nur verdünnen, aber nicht neutralisieren.

Der ehemals als politischer Paragraph eingeführte § 129 ist abgeschwächt, aber hat die alte DNA noch in sich, so schwammig wie er vermutlich bewusst gehalten wird - für alle Fälle. Wie jetzt eben mit der LG.

Jetzt schaut man mit dem „alten Mikroskop“ des § 129 auf die LG und kann damit tatsächlich feststellen, dass sie organisiert ist und in ihren Aktionen gegen Gesetze verstösst. Da scheinbar alle Aktionen gegen Gesetze verstossen, schliesst man kurzerhand daraus, dass das Ziel die Begehung von Straftaten wäre. Das Ziel der LG ist aber doch ehrenwert, beinhaltet Opferbereitschaft, Gemeinsinn und Weitsicht. Ihr Mittel ist Disruption, gäbe es etwas Wirksameres zum Wachrütteln der pennenden Gesellschaft, dann würde sie bestimmt gerne auf „Straftaten“ verzichten. Der Zweck einer Diebesbande ist dagegen ausschliesslich die Begehung von Diebstählen, da gibt es keine alternative Methode, um an das Gut anderer Menschen zu deren nachhaltigem Schaden zu kommen.

Na ja, die gute Absicht rechtfertigt keinen Rechtsbruch, stimmt, wenn man mit Scheuklappen darauf schaut. Wir könnten uns aber vorstellen, wie die Sache mit dem Abstand von sagen wir 20 Jahren aussehen könnte. Vielleicht ähnlich wie unsere jetzige Sicht auf die selbst von Konservativen gefeierte Sklavenbefreiung oder die Gleichberechtigung?

Und wenn man auf die beiden geschichtlichen Ereignisse schaut, ist die jetzige Aufregung über die Strassenblockaden absolut lächerlich.

Als ob jede Stadt jeden Tag betroffen wäre!

§ 129 müsste von den politisch repressiven Optionen befreit werden. Eine kriminelle Vereinigung sollte daher beschränkt sein auf die Begehung von Straftaten zur Bereicherung oder sonstiger unrechter Vorteilsnahme zum Schaden Dritter.

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Die Frage, die ich mir bei solchen Erklärungen immer stelle ist, ob diese bei allen anderen Zielen genauso wohlwollend ausfallen würden.
Deswegen vielleicht ein kurzes Gedankenexperiment:

Eine sogenannte „Deutsche Generation“ möchte auf die hohe Zahl von Flüchtlingen aufmerksam machen und die Politik zu einer konsequenten Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern drängen.

Dafür blockieren sie Straßen, bewerfen manchmal das BAMF und Flüchtlingsunterkünfte mit Farbbeuteln, aber geben sich ansonsten friedlich und nicht ausländerfeindlich. Sie wollen nur, dass bereits geltendes Recht, d.h. die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern erfolgt. Jetzt gibt es Razzien bei der „Deutschen Generation“ aufgrund von § 129.

Würden wir genauso diskutieren?
Wären die Argumente, dass ja nicht jede Stadt betroffen ist noch dasselbe?
Würde man auch hier auf die politisch repressiven Optionen des Paragraphen verweisen?
Würde man fordern, dass der Paragraph geändert werden sollte, weil es sich ja nur um „kleinere“ Straftaten handelt?

@Oneiroid hat es mit seinem Post und Link zum Verfassungsblog schon geschrieben:

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Schwer zu sagen.

Ich mag solche Konstruktionen, denn sie versuchen immer irgendwie den Aktionismus zu kopieren und führen dabei grundsätzlich in’s Lächerliche.

Das Anliegen mag toll klingen: Abschiebung bereits abgelehnter Asylbewerber.

Das Problem ist, dass dieses Anliegen nur bei Leuten verfängt die sich mit dem Thema nicht beschäftigt haben und ausländerfeindlich eingestellt sind.

Das ist genauso an den Haaren herbeigezogen wie das Gedankenexperiment mit den Friedensaktivisten die sich an Züge kleben

Das macht es extrem schwer bis unmöglich anhand solcher Konstruktionen sinnvoll und sachlich zu argumentieren.

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Kann deinen Einwand nachvollziehen und Vergleiche hinken immer ein bisschen. Es sollte nur verdeutlichen, dass man das Ziel nicht zur Bewertung hernehmen sollte, wie es eben @rlinner gemacht hat.

Hier wurde argumentiert, dass das Ziel (analog zur Sklavenbefreiung & Gleichberechtigung) ja durchaus positiv ist und das die Anzahl der Störaktionen relativ gering sind.
Beide Argumente sind in meinen Augen aber komplett irrelevant, das wollte ich mich mit dem Gedankenexperiment zeigen.

Wenn man eine Anpassung des Paragraphen 129 fordert, dann muss das komplett unabhängig von den möglichen Zielen oder Anzahl an Störaktionen erfolgen, weil diese in der Betrachtung eben egal sind.

Die Frage ist in meinen Augen, was wir als Gesellschaft oder als Rechtsstaat aushalten müssen, bevor wir den „großen Instrumentenkasten“ herausholen wollen/sollen. Das hat auch schon @Daniel_K dargelegt.

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Das Gedankenexperiment trifft - vermutlich ungewollt - den Nagel auf den Kopf: Die „Deutsche Generation“ nennt sich eher „freie Kameradschaften“ und ihre Mitglieder und Anhänger:innen werfen in der Regel keine Farbbeutel auf Behörden, sondern eher Brandsätze auf Sammelunterkünfte von Geflüchteten. Ich persönlich kenne keine Ermittlungen wegen § 129 oder § 129a StGB wegen solcher Aktivitäten - weder inden frühen 1990er Jahren, noch seit 2015. Und ich kenne auch keine „Debatten“ hochrangiger Politiker:innen über eine „braune RAF“ in diesem Zusammenhang (das gab es nur ganz vereinzelt in Bezug auf den sogenannten NSU).

Einen guten Überblick zur systematischen Verharmlosung des Rechtsterrorismus bietet dieses Heft des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (Open Access):
https://www.idz-jena.de/schriftenreihe/band-6-rechtsterrorismus

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Ist das eigentlich dieser „Verfassungspatriotismus“, wenn eine SPD-Innenministerin die Durchsetzung eines Paragraphen verteidigt, der zum Schutz des Deutschen Reichs vor dem Übel der Sozialdemokratie erfunden wurde?

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Der Unterschied: die LG macht keinen Unterschied zwischen Menschen (ihre Ziele dienen allen Menschen). Die „DG“ setzt sich nur für einen Teil (den eigenen) ein, was automatisch den ausgeschlossenen Teil benachteiligt. Also Altruismus gegen Gruppenegoismus. Dieses Gedankenexperiment bringt mich nicht in Erklärungsnot.

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Das Ziel ist ein entscheidender Faktor. Denn im §129 steht:

deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind

Der Zweck heiligt die Mittel ist im §129 durchaus wiederzufinden.

Dieser Unterschied ist aber bei der Anwendung des Paragraphen 129 irrelevant. Das ist doch genau das, was ich meine.
Entweder fällt beides darunter oder eben nicht.

Man kann & sollte meiner Meinung nach im Recht nicht nach dem endgültigen Ziel unterscheiden.

Kann nicht sagen, ob man das so lesen kann. So wie ich die Ausführungen in der Lage und auch hier im Forum gelesen habe, fallen so gut wie fast alle Straftaten in diese Kategorie. Deswegen wird dieser ja auch so kritisiert.
Der Paragraph unterscheidet meiner Meinung nach (zurecht) nicht welches Ziel erreicht werden soll.
Oder wie hier derselbe Professor wie oben im Verfassungsblog (Aus der Mottenkiste politischer Theorie – Verfassungsblog) schreibt:
Denn es kommt nicht auf die Verfassungskonformität der Endziele, sondern auf die eingesetzten Mittel im Verhältnis zu den Nahzielen an.

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