LdN 337: Letzte Generation Kriminelle Vereinigung, bundesweite Razzien

Der Unterschied: die LG macht keinen Unterschied zwischen Menschen (ihre Ziele dienen allen Menschen). Die „DG“ setzt sich nur für einen Teil (den eigenen) ein, was automatisch den ausgeschlossenen Teil benachteiligt. Also Altruismus gegen Gruppenegoismus. Dieses Gedankenexperiment bringt mich nicht in Erklärungsnot.

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Das Ziel ist ein entscheidender Faktor. Denn im §129 steht:

deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind

Der Zweck heiligt die Mittel ist im §129 durchaus wiederzufinden.

Dieser Unterschied ist aber bei der Anwendung des Paragraphen 129 irrelevant. Das ist doch genau das, was ich meine.
Entweder fällt beides darunter oder eben nicht.

Man kann & sollte meiner Meinung nach im Recht nicht nach dem endgültigen Ziel unterscheiden.

Kann nicht sagen, ob man das so lesen kann. So wie ich die Ausführungen in der Lage und auch hier im Forum gelesen habe, fallen so gut wie fast alle Straftaten in diese Kategorie. Deswegen wird dieser ja auch so kritisiert.
Der Paragraph unterscheidet meiner Meinung nach (zurecht) nicht welches Ziel erreicht werden soll.
Oder wie hier derselbe Professor wie oben im Verfassungsblog (Aus der Mottenkiste politischer Theorie – Verfassungsblog) schreibt:
Denn es kommt nicht auf die Verfassungskonformität der Endziele, sondern auf die eingesetzten Mittel im Verhältnis zu den Nahzielen an.

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Dann schau dir doch bei Gelegenheit mal eine Statue von Justitia an. Die stehen häufig vor Gerichten rum. Um ihre Unabhängigkeit zu symbolisieren hat sie nicht nur Scheuklappen auf, sonder sogar eine Augenbinde. Vor dem Gesetz ist nun mal jeder gleich.

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Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Die gute Absicht, die @rlinner erwähnt, ist durchaus relevant, aber eben im Rahmen der Strafzumessung, nicht im Rahmen der Frage, ob etwas strafbar ist.

Bedeutet:
Eine Tat ist in der Regel nicht deswegen nicht strafbar, weil sie aus einer „guten Absicht“ erfolgt, aber die Höhe der Strafe wird dadurch i.d.R. niedriger ausfallen. Ausnahmen sind hier Straftaten wie die Nötigung, bei der explizit der Zweck-Mittel-Zusammenhang im Sinne der Verwerflichkeit Tatbestandsmerkmal ist. Hier kann ausnahmsweise ein guter Zweck auch die Strafbarkeit ausschließen, ob dies bei Klebeaktionen der Fall ist, wurde zuerst von einem Gericht bejaht, zuletzt jedoch von allen höheren Instanzen verneint.

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Und das ist der Mangel des § 129, der wie ich schon sagte als Repressionsmittel gedacht und verwendet wurde und in abgeschwächter Form heute wieder gebraucht wird. Im Übrigen würde ich eine DG ja gar nicht als kriminelle Vereinigung ansehen, denn auch sie hätte Blockaden nicht als unmittelbares Ziel (im Gegensatz zur Einbrecherbande Einbruch und Diebstahl) sondern als eines von vielen möglichen MITTELN zur Erreichung eines Ziels, das aus der Aktion nicht unbedingt zu erkennen ist.

Die kenne ich auswendig, kommt in Böhmermanns genialem „Recht kommt“ auch vor.

Ich sage ja gar nicht, dass Strassenblockaden keine Vergehen sind; ich sage, dass die versuchte Einstufung der LG als kriminalle Vereinigung ein böser Willkürakt wäre, der mit der äussersten Auslegung des Rechts im Sinne der politischen Macht und unter Zuhilfenahme eines obrgkeitsstaatlichen Paragraphen mit Denkfehler (siehe oben) allerdings möglich ist.

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Genau. Jeder der sagt: „Mir ist Klimaschutz wichtig!“, muss im Grunde für eine Reformierung des §129 StGB plädieren. Das müsste das eigentliche Thema des Threads sein.

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In der LdN 337 wurde zum Ermittlungsverfahren,der StA München gegen die „Letzte Generation“ wegen § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen) diskutiert, ob der Paragraph nicht dahingehend geändert werden müsste, dass nur noch solche Straftaten erfasst sind, die im Mindeststrafmaß mit einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind (Verbrechen), sodass nur noch die „richtig schlimmen“ Gruppierungen von diesem Vereinigungsstraftatbestand erfasst wären. Das wäre auch ein Schritt zu „mehr Demokratie“, weil Aktivisten dann weniger Strafverfolgung bei politischen Protestaktionen zu befürchten hätten (so Tenor Ulf in etwa).

Ich denke, dass man hier leider nur an politischen Aktivismus denkt, dem man selbst auch von seiner eigenen Haltung mehr zuneigt und vergisst, dass diese Reform auch kriminellen Gruppierungen zu Gute kommt, die sich nicht fürs Klima einsetzen, sondern andere Absichten verfolgen.

Exemplarisch seien Aktionen von Rechtsextremisten angeführt, die beispielsweise organisiert und planvoll die Zufahrten zu Asylunterkünften oder Rathäusern blockieren, um in rassistischer Motivation ein Zeichen gegen die Migrationspolitik zu setzen. Das wäre in der oben vorgeschlagenen Form nicht mehr mit § 129 StGB verfolgbar. Natürlich kann man weiterhin die Einzelnen Blockierer strafrechtlich verfolgen, wegfielen aber die Ermittlungsmöglichkeiten und möglichen strafrechtlichen Sanktionen gegen die Hintermänner, Spender und Logistiker derartiger Aktionen.
Anderes Beispiel: Die ehemalige Rechtsrockband „Landser“ wurde auch als Kriminelle Vereinigung eingestuft, insbesondere wegen regelmäßiger Begehung von Volksverhetzung durch die organisierte Verbreitung rechtsextremistischen Liedgutes. Auch dies wäre mit dem neuen § 129 dann nicht in der Form verurteilbar.

Um es kurz zu machen: Ich sehe keine guten Argumente für die vorgeschlagene Reform. Der § 129 StGB sollte in der aktuellen Form bestehen bleiben.

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Haben solche Aktionen stattgefunden?

Oder ist das wieder eine Hypothetische Konstruktion?

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Es gab zumindest bereits Einzelbeispiele:

Heidenau, Sachsen, 2015:
Erneut haben in Sachsen Rechtsextremisten und Bürger mit rassistischen Parolen und Gewalt gegen Flüchtlinge protestiert. In der Nacht zu Samstag blockierten mehrere hundert Menschen die Zufahrtsstraße zu einer neuen Notunterkunft für Flüchtlinge in Heidenau bei Dresden, pöbelten die Asylbewerber an und bewarfen Polizisten mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern.
(Quelle: Merkur)

Rechenberg-Bienenmühle, Sachsen, 2015:
Freiberg (dpa) - Gegner eines neuen Asylbewerberheims im Erzgebirge haben versucht, die Ankunft der ersten Bewohner zu blockieren. Etwa 100 Demonstranten haben am Abend die Zufahrt eines Busses mit Flüchtlingen im sächsischen Rechenberg-Bienenmühle behindert. Drei Autos blockierten die Straße. Erst nach etwa zwei Stunden löste sich der Protest auf und der Bus konnte am Heim vorfahren. Die Polizei war mit 30 Beamten im Einsatz. Sie ermittelt gegen 13 Demonstranten unter anderem wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
(Quelle: Magdeburger Volksstimme)

Senftenberg, Brandenburg, 2016:
Senftenberg - Am Dienstagmorgen haben Unbekannte im Senftenberger Ortsteil Brieske (Oberspreewald-Lausitz) eine Barrikade errichtet, um die Zufahrt zu einem geplanten Flüchtlingsheim zu blockieren. Auf der Straße zu dem früheren Baumarkt hatten sie Baumstämme ablegt und mit Erde beschüttet. An die Barrikade befestigten sie ein Transparent mit der Aufschrift „Nein zum Heim“.

Wer die Barrikade errichtet hat, ist unbekannt. Die Täter stecken aber offenbar hinter einer Facebook-Seite, [die sich „Bürgerinitiative Heimat & Zukunft“] nennt. Die Macher der Seite bezeichnen sich als „asylkritische Bürger Südbrandenburgs“. Auf der Seite heißt es, mutige Bürger hätten die „erste Barrikade“ errichtet. „Diese Aktion soll als Warnschuss für kommenden zivilgesellschaftlichen Widerstand in unserer Heimat gelten, der sich in seiner Spannbreite nicht nur gegen geplante Asylunterkünfte richten wird, sondern vor allem auch gegen die politischen Verursacher dieser zerstörerischen Überfremdungspolitik“, heißt es weiter. Es entstand auf der Facebook-Seite eine rege Diskussion über den Vorfall. Befürworter feierten ihn als „mutig“ und „vorbildhaft“. Andere mahnten: „So hat es 1933 auch angefangen“.
(Quelle: Tagesspiegel)

Könntest du die Quellen bitte als Link angeben?

An die Berichte aus der Zeit der Flüchtlingskrise kann ich mich erinnern.
Aber es gab keinerlei Hinweise darauf, dass da irgendwo dieselbe Truppe „aufmarschieren“ oder auch nur die Strippen zieht.

Von daher hättest du den 129er sowieso nicht anwenden können.

Nur weil an unterschiedlichen Orten von unterschiedlichen Gruppen zum selben Mittel gegriffen wird, hast du noch keine geschlossene Vereinigung, kriminell oder nicht.

Müssen Handlungen denn hier tatsächlich in Deutschland stattgefunden haben, um über die Sinnhaftigkeit ihrer Sanktionierung nachdenken zu dürfen?

Dann können wir ja endlich § 307 StGB abschaffen um das Buch etwas leichter zu machen. :wink:

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Wie kommst du auf diese Frage?

Alle Aktionen aus den Beispielen haben doch in Deutschland stattgefunden.

Und nur weil es in Deutschland keine aktiven Atomreaktoren mehr gibt, schließt das doch ein „Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie“ nicht aus.

Von daher fehlt mir gerade jegliches Verständnis für deinen Post.

Natürlich nicht, aber der Modus Operandi der „Klebeaktionen“ könnte doch ohne Weiteres von anderen Extremisten aufgenommen und adaptiert werden, z. B. bei Asylunterkünften. Soll man das als Staat hinnehmen und „mehr Demokratie wagen’“ (O-Ton Ulf im Podcast). Sehe ich kritisch.

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Wenn etwa die Akteure des Rechtsextremismus ihre Aktionsformen des Mordens, der massiven Gewaltanwendung, der Einschüchterung und Bedrohung, der NS-Verherrlichung, der rassistischen Hetze, des konspirativen Terrorismus, etc. etc. durch friedliche Blockaden des Autoverkehrs ersetzen würden, dann wäre das ein enormer zivilisatorischer Fortschritt.

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Nachdem dieser Thread jetzt schon sehr lange läuft (ich meine, bereits bevor im Podcast die Ermittlungen / Razzien eingeordnet wurden) und nur noch mühsam zu verfolgen ist, habe ich ChatGPT (4.0) gebeten, die Diskussion zusammen zu fassen:

Die Diskussion im Forum, die Sie verlinkt haben, dreht sich um die Umweltaktivistengruppe „Letzte Generation“ und die Ermittlungen gegen sie in Deutschland. Es wurden verschiedene Standpunkte und Argumente präsentiert, die ich unten zusammengefasst habe:

Die Ermittlungen sind ein politischer Akt und schüchtern die Menschen ein

  • Die Aktionen der Behörden sind beängstigend und schüchtern die Menschen ein, die sich eigentlich für das Klima engagieren möchten.
  • Die Razzien wurden als Teil eines Wahlkampfes in Bayern angesehen.
  • Einige Teilnehmer stellten die Rechtsprechung des BGH in Frage und betrachteten sie als Beleidigung der Intelligenz.

Die Mitglieder der „Letzten Generation“ sind die junge Elite

  • Sie sind Menschen, die Ungerechtigkeit nicht ertragen können und sich selbstlos für die Sache einsetzen.
  • Einige Argumente konzentrieren sich auf die negative Berichterstattung und Reaktion der Presse und Politiker, die als eskalierend und kontraproduktiv angesehen wird.

Kritik an den Ermittlungen von Juristen

  • Der Vorstandsvorsitzende des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) hat die Ermittlungen gegen die „Letzte Generation“ als „politisches Strafrecht in Reinform“ kritisiert.
  • Die Generalstaatsanwaltschaft München wurde kritisiert, weil sie bei der Einschätzung der „Letzten Generation“ Fehler gemacht hat.

Die „Letzte Generation“ erfüllt möglicherweise die Kriterien einer kriminellen Vereinigung

  • Es wurde argumentiert, dass zumindest einige Gruppierungen innerhalb der „Letzten Generation“ die Kriterien für die juristische Einordnung als kriminelle Vereinigung erfüllen könnten.
  • Es wurde betont, dass die „Letzte Generation“ keine Schädigung der Gesellschaft plant oder kriminelle Handlungen im klassischen Sinne begeht.

Vergleich der Situation mit illiberalen Demokratien

  • Es wurde ein Vergleich gezogen mit der Anwendung von Gesetzen in illiberalen Demokratien, die unliebsame Mitglieder der Gesellschaft treffen können.
  • Kritik wurde insbesondere an § 129 StGB geübt, der so breit und unbestimmt angelegt ist, dass er möglicherweise für schwere staatliche Eingriffe wie Hausdurchsuchungen in fragwürdigen Fällen verwendet werden könnte.

Leider war es mir aufgrund technischer Einschränkungen nicht möglich, alle Beiträge im Diskussionsfaden vollständig zu analysieren. Ich hoffe jedoch, dass diese Zusammenfassung hilfreich für Sie ist.

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Und ohne §129 wäre deiner Meinung nach das besetzen von Zufahrten nicht bestrafbar oder worauf willst du hinaus? Mindestens Nötigung wäre das immer noch.

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Gerade auf der Tagesschau Seite gelesen das der LG seit Beginn letzten Jahres 580 Strafdelikte zugeordnet werden. Also grob 1 pro Tag. Irgendwie ist das doch eine Menge wo es schwierig wird nicht von geplanter Kriminalität zu sprechen. Irgendwie wird da das Rechtsverständniss arg strapaziert, wenn es dann heißen sollte, die werden bestraft aber alles okay. Das ergibt irgendwie keinen Sinn.

Naja, so gesehen ist jede Klebeaktion recht eindeutig eine Straftat, wenn es bei der sich aktuell durchsetzenden Rechtsprechung im Hinblick auf die Verwerflichkeit der Nötigung bleibt (wovon ich leider ausgehe). Dass da viele Straftaten zusammen kommen, ist klar. Ebenso ist klar, dass die Taten geplant sind.

Wichtig ist aber, anzumerken, dass diese Taten allesamt nur nahezu kleinstmögliche Vergehen sind, daher Taten, denen kein besonders böser Wille oder besondere kriminelle Energie zu Grunde liegt und die keinen besonderen Schaden anrichten. Deshalb werden diese Taten ja auch gerne in den Bereich des „zivilen Ungehorsams“ eingeordnet.

Die Frage bleibt natürlich, wie ein Staat mit einer Gruppe umgeht, die koordiniert und in großer Menge kleinere Straftaten begeht, die dabei aber eigentlich nur Ziele verfolgt, die absolut legitim sind (dh. die Bundesregierung wird aufgefordert, das zu tun, zu dem sie sich eigentlich rechtlich selbst verpflichtet hat).

In diesem Kontext ist es verständlich, dass gegen die einzelnen Täter Ermittlungsverfahren und seichte Strafen ausgesprochen werden (müssen), aber wenn dann Strafen ohne Bewährung verhängt werden oder das ganz große Besteck im Rahmen der „kriminellen Vereinigung“ ausgepackt wird, kann man schon fragen, ob das noch verhältnismäßig ist.