LdN 334: Wahlrechtskommission, Familien- oder Jugendwahlrecht

Ja, natürlich. Meine Mindesterwartung an das Durchschnitts(!)wähly ist schon, dass man grob inhaltlich begründen kann warum man Partei A gewählt hat und nicht Partei B (hat in den letzten Jahren einen guten Job gemacht, ich vertraue Spitzenpolitiky X, ich unterstütze Ziel Y usw.) und dass nicht der Kanzler sondern der Bundestag die Gesetze beschließt. Ich meine ja gar nicht, dass man Sainte-Laguë/Schepers erklären soll, sondern halt einen fundierten Gedankengang vornimmt. Und ja, Durchschnittswähly heißt dass es sicher manche gibt, die Partei B wählen weil der Kugelschreiber vom Infostand so bequem in der Hand liegt oder die Gummibärchen geschmeckt haben.

Eine Demokratie lebt von der aktiven Partizipation des Volkes. Dazu gehört ein beständiges Grundinteresse an politischen Ereignissen und dem Handeln des Spitzenpersonals. Das einschätzen zu können meine ich mit Lebenserfahrung, und dass das subjektiv ist liegt sicher in der Natur der Sache. Und gerade die deutsche Erfahrung sollte Ansporn dabei sein, den Anspruch nicht zu tief zu hängen. Ja, bei vielen Erwachsenen ist der Zug längst abgefahren. Ihn bei Jugendlichen von vorneherein aufzugeben erscheint mir aber nicht die richtige Antwort auf diese Erkenntnis.

Was ist denn aus deiner Sicht die angemessene Standard(!)anforderung an ein Wähly? Also was sollten die meisten mitbringen?

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Eine solche Antwort wirst du von einem großen Teil der Wähler nicht bekommen. Da hörst du dann ehr sowas wie Habeck reißt meine raus und ich darf kein Fleisch mehr essen. Ich sehe null Evidenz für dein Argument. Vor allem haben Kinder und Jugendliche sogar oft durch Schule und Vereine eine viel heterogene soziale Bubble als Erwachsene.

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Das interessiert sehr viele Wähler nicht. Die wählen ihre Partei, weil die die immer wählen. So wenige sind das nicht. Nach deiner Logik dürften wirklich höchstens die Hälfte der Bürger wählen.

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Aus meiner Sicht wäre es auch für Erwachsene besser, es gäbe keine Reklame für solch gesundheitsschädlichen Kram. Den Verkauf würde ich nicht verbieten, die Werbung aber mit Warnhinweisen versehen. Sowohl bei Süßkram als auch Alkohol, Zigaretten und Autos :sweat_smile:

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Ich hab keinen mindeststandard, finde auch dass man den weder aus realistischer noch egalitärer Sicht wirklich einfordern kann.

Im Sinne des enablements sind ein paar Grundlagen des politischen Systems durchaus sinnvoll. Allerdings sollte man hier die Ambivalenz vermitteln die zahlreichen Aspekten von Politik und dem deutschen System inhärent sind. Zum einen damit die Leute das deutsche politische System nicht einfach als ideologie vor sich her tragen und zum anderen um quasi implizit von ihnen einzufordern sich nach interessen Lage selbst stärker mit Themen zu beschäftigen bzw zumindest bei themen bei denen sie das nicht gemacht haben etwas offener ins gespräch zu gehen.

Auch sollte viel mehr Fokus auf partizipative Aspekte von demokratie gelegt werden. Sprich räum für selbstorganisation zu schaffen oder selbst organisation durchspielen etc.

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Wie wäre es, wenn zu jeder Wahl jeweils nur die Hälfte der verfügbaren Sitze im Parlament neu gewählt würden? Klar, Mehrheiten würden sich trotzdem verschieben, die Chance bestünde jedoch, dass es eine höhere Kontinuität in der Arbeit des Parlaments gäbe. Dann müsste vielleicht nicht jedes größere Projekt bis zur Hälfte der Legislaturperiode durchgedrückt werden.

Der Lehrplan in NRW für Realschule nimmt ab der 7. das Thema auf (12/13 Jahre alt sind dann die Jugendlichen).

Willst du den generellen Reifungsprozess im Laufe eines Lebens - hochverdichtet in den ersten beiden Lebensjahrzehnten - infrage stellen?

Die Strafmündigkeit eines Kindes bzw. Jugendlichen ist ebenso wie die Testier- und Deliktfähigkeit eingeschränkt oder sogar komplett aufgehoben. Grund ist die angenommene Einsichts- und Verantwortungsfähigkeit - die mir aber auch für eine Wahlentscheidung als Voraussetzung erscheint.

Bevor so eine weitreichende Entscheidung getroffen wird, sollte man vorher eine gewisse Evidenz als Entscheidungsgrundlage haben. Diese Untersuchung zeigt beispielsweise anhand einer Befragung von unter 18-Jährigen verschiedener Schulformen, dass diese ein signifikant geringeres politisches Verständnis als die Kontrollgruppe an über 18-Jährigen aufweisen und auch das Verständnis politischer Reden geringer ist.

Wenn ich mir manche Argumente hier anschaue, bin ich manchmal froh, dass gewisse staatliche Prinzipien in unserer Verfassung verankert und daher dem allzu schnellen politischen Zugriff verwehrt sind.

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Ab dem Alter der (eingeschränkten) Strafmündigkeit sollten Jugendliche auch wählen dürfen. Also ab 14.

Was wäre denn der Nachteil? Ich sehe keinen. Auch wenn vereinzelt diese Jugendlichen noch keine besonders ausgebildete Einsichtsfähigkeit hätten, würde es keinen entscheidenden Nachteil bringen. So groß ist diese Stimmmacht nicht, ehrlich gesagt.

Die junge Generation hat einfach zu wenig Lobby in Regierung und Parlament. Das ist falsch. Ältere Generationen fahren ihre Zukunft an die Wand. Wenigstens wählen sollten sie können.

Die Regierung denkt immer in zu kurzen Zeitspannen. Was aus Menschen wird, die heute Kinder sind, ist den meisten Politikern nicht bewusst, wenn nicht gar egal. Denn als ihre Wähler:innen kommen sie nicht mehr infrage.

Einer der Gründe, warum die Bildung total unter die Räder gekommen ist.

Ja würde ich tatsächlich. Es gibt zu viele Menschen, die einfach aufhören geistig zu wachsen und das schon sehr früh, während Kinder und Jugendliche auf Grund Ihrer Entwicklung tatsächlich noch sehr lernfähig sind.

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Das ist mir zu sehr ins Blaue geschossen. Hast du hierzu Belege aus (neuro-) psychologischen Untersuchungen? Statistische Ausreißer gibt es immer, die Frage ist doch, welche tatsächliche Evidenz man für eine solche Aussage hat.

Man muss auch die Kirche im Dorf lassen. Die Abgabe einer Wahlstimme, einer von hoffentlich sehr vielen, ist aus meiner Sicht schwer zu vergleichen mit einer Strafmündigkeit. Während in dem einen Fall die Stimme in einem großen Rauschen untergeht und keine persönlichen Konsequenzen (inklusive der im Anschluss daran hängenden parlamentarischen Gegebenheiten) hat, steht im anderen Fall die persönliche Haftung inklusive möglichem Freiheitsentzug entgegen.

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Nein habe ich gerade nicht, sehe ich aber gerade nicht so eng, da hier auch mit solchen kruden Vergleichen wie der Strafmündigkeit um sich geworfen wird. Ich finde die Begründungen, Jungendliche und Kinder sind quasi eh nicht entwickelt genug einfach nur pauschal übel. Es wäre sogar sehr wichtig diese jungen Menschen sehr früh für die Demokratie zu gewinnen. Das ist schlicht eine bevormundete Überheblichkeit, die in keiner Art und Weise gerechtfertigt ist.

Sehe ich komplett anders. Das Wahlrecht ist eines der höchsten demokratischen Güter. Das mal eben so auszuweiten - nach dem Motto, dass es da ohnehin ein großes Rauschen gäbe, auf das man kaum Einfluss nehmen könne, wertet dieses Gut mMn ab.

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Dass du den Vergleich als „krude“ empfindest, liegt aber vermutlich eher an deiner politischen Sichtweise, denn an meiner Aussage selbst. Ich empfinde die Voraussetzungen als ähnlich.

Natürlich sind Kinder und Jugendliche nicht vollständig entwickelt, die Reifung des Gehirns ist in den mittleren 20ern abgeschlossen. Deshalb sollte man differenzieren, wofür der Entwicklungsstand ausreicht und wofür nicht.

Wie gesagt - mir persönlich reicht ein bloßes politisches Ziel als Grundlage der Änderung nicht aus. Du darfst das natürlich gerne anders sehen.

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Es gäbe m.E. eine recht elegante Lösung, um sich Diskussionen um Altersgrenzen weitgehend und den Griff in den Giftschrank des vikarischen Elternwahlrechts komplett sparen zu können: das Wahlrecht ab der Geburt. Sobald eine Willenserklärung eines Menschen vorliegt, sollte dieser die Möglichkeit bekommen, zu wählen. Man könnte dann viel weniger aufgeladen über die Altersgrenze diskutieren, ab der man das Wahlrecht automatisch bekommt.

Das Argument, dass Menschen unter 18 (unter 16) weniger politisch informiert sind, verstehe ich nicht ganz. Ein ganz entscheidender Grund für dieses Gefälle ist, dass sie nicht wählen dürfen. Die Auseinandersetzung mit möglichen Wahlentscheidungen ist auch ein Konjunkturprogramm für politische Informiertheit.

Wichtiger Punkt. Man sollte sich wahrscheinlich im Klaren darüber sein, dass jede Absenkung des Wahlalters in der Realität nur einen relativ kleinen Teil an potentiellen Mehrwähler:innen bedeuten würde. Die ganze Debatte leidet ja ein wenig darunter, dass man sie tendentiell von möglichen oder gewünschten Outcomes her diskutiert und weniger im Hinblick auf die Frage, in welcher Art von demokratischem Gemeinwesen wir leben wollen.

Man könnte hier statt „Wahlrecht“ zum Spaß mal „Menschenrecht“ einsetzen und sich dann fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, mit „höchsten demokratischen Güter[n]“ möglichst restriktiv umzugehen.

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Dann sollte man aber auch an sagen wir 60 prüfen, ob das Gehirn nicht zu sehr abgebaut hat, um noch eine Wahlentscheidung treffen zu können. Da sind wir bei genau deinem Argument, wofür der Entwicklungsstand reicht. Würdest du da auch mitgehen?

Das ist auch so. Aber die Vertretung und Teilhabe ist auch ein hohes Gut. Dies ist für unter 18-jährige nicht gegeben.
Und sie werden es ja nicht bestreiten, dass bei einer Stimmenzahl im Millionenbereich (46.854.508 abgegebene Stimmen 2021) meine eigenen Einflussnahme sehr gering ist (0,0000021%).
Das hohe Gut ergibt sich durch die Möglichkeit als Staatsbürger Repräsentanten wählen zu dürfen. Dies zu verteidigen ist wichtig, ob jetzt 14 16 18 hingegen nicht so sehr, meiner Meinung nach.

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Nicht ab 60, da liegt die Demenzprävalenz noch deutlich unter 1% (und der bürokratische Aufwand in unserem vergreisten Land wäre enorm), ab 70 oder gar 80 könnte ich mir das vorstellen - wichtiger fände ich in dieser Altersklasse aber noch eine regelmäßige Prüfung zur Fahreignung.

Da für eine solche massive Einschränkung (beim Wahlrecht, nicht bei der Fahreignung) aber kein kurzer 5-Minuten-Test, sondern ein ausführliches psychiatrisches Gutachten (analog zu einem Betreuungsgutachten) notwendig wäre, sehe ich hier keine Praktikabilität.