Dass du den Vergleich als „krude“ empfindest, liegt aber vermutlich eher an deiner politischen Sichtweise, denn an meiner Aussage selbst. Ich empfinde die Voraussetzungen als ähnlich.
Natürlich sind Kinder und Jugendliche nicht vollständig entwickelt, die Reifung des Gehirns ist in den mittleren 20ern abgeschlossen. Deshalb sollte man differenzieren, wofür der Entwicklungsstand ausreicht und wofür nicht.
Wie gesagt - mir persönlich reicht ein bloßes politisches Ziel als Grundlage der Änderung nicht aus. Du darfst das natürlich gerne anders sehen.
Es gäbe m.E. eine recht elegante Lösung, um sich Diskussionen um Altersgrenzen weitgehend und den Griff in den Giftschrank des vikarischen Elternwahlrechts komplett sparen zu können: das Wahlrecht ab der Geburt. Sobald eine Willenserklärung eines Menschen vorliegt, sollte dieser die Möglichkeit bekommen, zu wählen. Man könnte dann viel weniger aufgeladen über die Altersgrenze diskutieren, ab der man das Wahlrecht automatisch bekommt.
Das Argument, dass Menschen unter 18 (unter 16) weniger politisch informiert sind, verstehe ich nicht ganz. Ein ganz entscheidender Grund für dieses Gefälle ist, dass sie nicht wählen dürfen. Die Auseinandersetzung mit möglichen Wahlentscheidungen ist auch ein Konjunkturprogramm für politische Informiertheit.
Wichtiger Punkt. Man sollte sich wahrscheinlich im Klaren darüber sein, dass jede Absenkung des Wahlalters in der Realität nur einen relativ kleinen Teil an potentiellen Mehrwähler:innen bedeuten würde. Die ganze Debatte leidet ja ein wenig darunter, dass man sie tendentiell von möglichen oder gewünschten Outcomes her diskutiert und weniger im Hinblick auf die Frage, in welcher Art von demokratischem Gemeinwesen wir leben wollen.
Man könnte hier statt „Wahlrecht“ zum Spaß mal „Menschenrecht“ einsetzen und sich dann fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, mit „höchsten demokratischen Güter[n]“ möglichst restriktiv umzugehen.
Dann sollte man aber auch an sagen wir 60 prüfen, ob das Gehirn nicht zu sehr abgebaut hat, um noch eine Wahlentscheidung treffen zu können. Da sind wir bei genau deinem Argument, wofür der Entwicklungsstand reicht. Würdest du da auch mitgehen?
Das ist auch so. Aber die Vertretung und Teilhabe ist auch ein hohes Gut. Dies ist für unter 18-jährige nicht gegeben.
Und sie werden es ja nicht bestreiten, dass bei einer Stimmenzahl im Millionenbereich (46.854.508 abgegebene Stimmen 2021) meine eigenen Einflussnahme sehr gering ist (0,0000021%).
Das hohe Gut ergibt sich durch die Möglichkeit als Staatsbürger Repräsentanten wählen zu dürfen. Dies zu verteidigen ist wichtig, ob jetzt 14 16 18 hingegen nicht so sehr, meiner Meinung nach.
Nicht ab 60, da liegt die Demenzprävalenz noch deutlich unter 1% (und der bürokratische Aufwand in unserem vergreisten Land wäre enorm), ab 70 oder gar 80 könnte ich mir das vorstellen - wichtiger fände ich in dieser Altersklasse aber noch eine regelmäßige Prüfung zur Fahreignung.
Da für eine solche massive Einschränkung (beim Wahlrecht, nicht bei der Fahreignung) aber kein kurzer 5-Minuten-Test, sondern ein ausführliches psychiatrisches Gutachten (analog zu einem Betreuungsgutachten) notwendig wäre, sehe ich hier keine Praktikabilität.
Der Lehrplan lässt leider nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächlichen Fähigkeiten der Jugendlichen zu; er besagt lediglich, dass das Thema behandelt wird. Erst ab der 9. Klasse (Ausnahmen existieren) ist erkennbar, dass die Jugendlichen jenseits der Pubertät wieder Kapazitäten frei haben und ihr Interesse an Ereignissen und Zusammenhängen wächst sowie der Wille zu einiem kritischen Hinterfragen zunimmt.
Wann ist das? Wenn wir Kaufverträge als Beispiel heranziehen, liegt die erste Grenze bei sieben Jahren. Allerdings sind Kinder/Jugendliche da nur im Rahmen ihres Taschengeldes zu gültigen Willenserklärungen fähig, also in einem trivial überschaubaren Umfang. Wahlen sind komplexere Vorgänge als das.
Damit wären sie wahrscheinlich schon locker auf dem Level von einem Drittel der Wahlberechtigten.
Du konntest mir immer noch nicht aufzeigen, wieso deiner Meinung nach die derzeitigen Wahlberechtigten zum Großteil dazu in der Lage sind? Alleine die hohen Werte der AfD und Union könnten daran massive Zweifel aufkommen lassen, um Ihnen die Komplexität Ihres Handels bewusst ist.
Erwachsene haben ihre komplette Schulzeit durchlaufen (in der das politische System teils mehrfach thematisiert wird) und mehrere Wahlen miterlebt mit der Fähigkeit und Gelegenheit, diese aktiv zu verfolgen.
Die Werte für AfD und Union lassen per se keinen Rückschluss auf die Eignung der Wählys zu, denn es ist naheliegend anzunehmen dass sie anhand ihrer subjektiven Prioritäten eine entsprechend konsequente Entscheidung getroffen haben. Oder kurz: Das ist nicht Unvermögen, die wollen das so.
Jugendliche können regelmäßig noch nicht hinreichend zwischen Parteien unterscheiden, denn sie fangen gerade erst an die ganze Materie kennenzulernen. Erwachsene mögen in ihre Entscheidung teils nicht viele Hirnzellen einbeziehen, aber es macht aus meiner Sicht dennoch einen Unterschied ob jemand gerade erst anfängt, einen Sachverhalt zu erfassen, oder schon reichlich Fortbildung und Zeit hatte. Letzteres macht eine durchdachte Entscheidung wahrscheinlicher, und darauf kommt es mir an.
Ich glaube wir drehen uns im Kreis. An dieser Stelle können wir Diskussion beenden weil auf der einen Seite jemand steht der sagt Kinder sind erst ab 16/18 in der Lage eine rationale Entscheidung für eine Wahl zu treffen, wir hören auf der anderen Seite man das den Kindern früher zutraut.
Ich bin eher der Meinung, dass Kinder die es früher können. Aber sinnstiftend ist diese Diskussion nicht mehr.
Können wir. Was mir - sehr zum negativen - aufgefallen ist: Während in den eher technischen Diskussionsbereichen des Forums, wo es um Wärmepumpen oder Klimawandel geht, ständig (und das zurecht) nach Quellen und Evidenz gefragt wird, reiht sich hier ein Pamphlet an das andere, hauptsache es unterstützt die eigene politische Meinung.
Natürlich ist der Wirkungsgrad einer Wärmepumpe leichter zu beschreiben als die durschnittliche kognitive Reife eines Zwölfjährigen - es gibt aber für letztere Fragestellung entsprechende Instrumente und Evidenz. Solange hier nur - sehr blumig - umschriebene Forderungen der jeweils eigenen politischen Überzeugung argumentativ hervorgehoben werden, halte ich die Diskussion tatsächlich für frustran.
Das stimmt. Wir sind drei ehrenamtlich Moderatoren, die nebenbei beim Mitlesen moderieren (Beiträge möglichst zeitnah freigeben, auf den Ton achten, Fake eliminieren, Qualität hochhalten. Wir können nicht alle Threads mitlesen (v.a. wenn Diskussionsstränge ins Nirgendwo laufen) und immer alle Regeln durchsetzen.
Bitte fasse das nicht als Kritik an den Moderatoren auf. Eine - zur Prüfung hinsichtlich Stil und Netiquette hinzukommende - allumfassende, faktenprüfende Moderation wäre allein dahingehend völlig unmöglich, dass die im Podcast angesprochenen, politischen Themen beinahe für sämtliche Lebensbereiche Assoziationsanker ergeben.
Ich begrüße sehr die neue Moderationsstruktur, die (meines Erachtens) einen breiteren Diskurs zulässt, allein dadurch, dass Beiträge von Nicht-Stammgästen wesentlich schneller veröffentlicht werden. Ich persönlich habe das Gefühl, dass das Forum in den letzten Wochen geradezu aufgeblüht ist.
Warum ich die Nachfrage nach Evidenz hinsichtlich der emotionalen und kognitiven Reife von Kindern- und Jugendlich in Bezug auf das Wahlthema wiederholt habe:
Oftmals kommt es mir so vor, als hätten viele - auch gebildete - Menschen den Eindruck, diese schwer fassbaren Themen aufgrund eines bestimmten Bildungsniveaus oder aufgrund einer bestimmten politischen Haltung hinreichend beurteilen zu können. Dem ist aber nicht so. Es gibt Forschung dazu, es gibt Experten dazu (zu denen ich mich als Erwachsenen-Psychiater nicht zähle). Ich meine - und das ist meine persönliche Meinung - dass eine Forderung nach der Herabsetzung des Wahlalters eine sehr simplifizierende (und dabei sicherlich meist wohlmeinende) Maßnahme darstellt, die von den wichtigeren Hebelpunkten ablenkt.
Wichtig finde ich auch, dabei anzumerken, dass rechtliche Altersgrenzen immer dann besonders wichtig sind, wenn sie dazu dienen, im Schnitt sehr unerfahrene Menschen vor den Folgen ihrer Entscheidungen zu schützen. Deshalb gibt es im Zivilrecht für Minderjährige sehr vorteilhafte Regelungen, deshalb werden Jugendliche im Strafrecht weniger hart angefasst und deshalb sind Dinge wie Alkohol- oder Tabakkonsum sowie das Fahren schneller Motorräder (sogar ab 21!) mit Altersgrenzen versehen. Es geht daher nicht nur um die Frage, ob wir jungen Menschen „komplexe Entscheidungen“ zutrauen, sondern auch darum, welche Risiken sich durch fehlgegangene Entscheidungen für das Individuum ergeben können.
Bei all diesen Dingen überwiegt daher die Schutzwirkung der Altersgrenze.
Im Hinblick auf das Wahlrecht sehe ich hingegen nahezu keine (realistische, das Individuum betreffende) Gefahr, vor der mit einer Altersgrenze geschützt werden müsste, gleiches gilt bei den von dir genannten Beispielen der Religionsmündigkeit und der Organspende, bei denen eine Schutzwirkung allenfalls im Hinblick auf „spirituelle Schäden“ diskutiert werden könnte.
Deshalb bedürfen Einschränkungen des Wahlrechts durch Altersgrenzen mMn stärkerer Argument als einem bloßen „Aber im Zivilrecht und im Strafrecht darf das Betroffene auch noch nicht frei entscheiden“, sodass ich zu dem Ergebnis komme, dass das Wahlrecht mindestens auf 14, eher auf 12 Jahre abgesenkt werden sollte…
Eine Demokratie hält ein paar „fragwürdige Stimmen“ aus Mangel der Entscheidungsfindung aus. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Wahlbeteiligung mit sinkendem Alter auch niedriger sein wird und vor allem diejenigen wählen werden, die tatsächlich eine Meinung gefasst haben. Und auch wenn diese Meinung oft auf fragwürdigen Grundlagen besteht sollte man ehrlich sein und sich bewusst sein, dass das bei vielen „Traditionswählern“ nicht anders ist Die Demokratie wird ein paar fragwürdige Stimmen überleben, im Gegenteil sogar, es gehört geradezu zur Demokratie dazu, dass auch diejenigen mitbestimmen dürfen, deren Meinung vielleicht fragwürdig sein könnte.
Ich bin ein wenig überrascht, dass es so viel Begeisterung bzgl. Wahlen alle 5 Jahre gab. Jaja, die Parlamentarier finden, dass sie erst nach 4 Jahren wirklich eingearbeitet sind. Das darf wohl sehr bezweifelt werden, zumal ja nicht alle Parlamentarier ihre erste Amtszeit haben (derzeit 38%).
Ein weiteres Jahr Job-Garantie hat da bestimmt keinen Einfluss auf ihre Einschätzung.
Für mich als Wähler überwiegen die Nachteile und damit meine ich, dass ich mir verarscht vor komme, im Jahrzehnt zwei Chancen auf demokratische Teilhabe zu haben.
Aber ich will konstruktiv bleiben: Wie wäre es mit 6 Jahre, aber alle 3 Jahre wird die Hälfte der Sitze neu vergeben?
Das würde wohl dennoch bedeuten, dass alle 3 Jahre eine neue Regierung zu Stande kommt - und vor allem, dass die Parteien eine noch größere Zeit in ihrer Legislaturperiode im Wahlkampf wären, also die produktive Zeit noch weiter verkürzt wäre.
Ob 4 oder 5 Jahre nun besser sind, ist schwierig zu sagen - es gibt gute Argumente für beides. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass es hier keine einfache Lösung gibt - Utopie steht schlicht nicht zur Auswahl, wir können nur zwischen den mangelbehafteten Alternativen auswählen, die realistisch machbar sind.