LdN 261/274 - Energiewende/ "Atomkraft ist kokolores"

Ja genau, so wie das die Russen und Japaner das ja auch geschafft haben (und wenn man die kleineren aber auch ernstzunehmenden Störfälle in England und USA dazuzählt sind es schon 4 Nationen).
Die haben alle keine Ahnung, nur wir sind die Schlauen und können diese Gewalt beherrschen.

Im Umkehrschluss, würde ich mal behaupten, wird ein Schuh drauss: Hätte man seit dem 40ern dieselbe Geldmenge anstatt in zunächst waffenfähige Atomkraft und danach auch in energiegewinnende Atomkraft gesteckt, wären wir heute was emissionsfreie Energie angeht, so viel weiter. Aber man kann eben mit Solorstrom keine Bomben bauen. Tja.

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Dieser Phantasiepreis wurde doch irgendwann mal in der Lage vorgestellt (oder vertue ich mich und das war ein anderer Podcast). Diese Zahl beruht darauf, dass nicht nur die Schäden von Klimakatastrophen einzeln mit einbezogen wurde, sondern auch noch, dass eine betroffene Region anschießend noch etliche Jahre wirtschaftlich betroffen ist. Spielt aber auch keine große Rolle, welche Zahl man da ansetzt, da die eingesparte Menge CO2 durch AKWs immens ist.

Ok, jetzt bin ich baff. Jetzt verstehe ich, warum Du so vehement gegen Atomkraft bist. Aus Angst, dass es einen Wiedereinstieg geben könnte. Ich halte einen Einstieg in Kernenergie auf absehbare Zeit für völlig ausgeschlossen.

  1. Es gibt eine unglaublich starke politische Bewegung gegen Atomkraft. Bereits die Ankündigung eine Politiker für einen Einstieg ist ein politisches Aus. Auch das Thema Endlagerung ist politisch ein extrem heißes Eisen.
  2. Die Genehmigung und die Bauzeiten sind extrem lang. Selbst wenn die gerade gewählt Regierung versuchen würde das umzusetzen, würde das noch 20-30 Jahre dauern bis so ein Ding steht.
  3. Wir haben gar keine Industrie dafür mehr. Da braucht es Experten, die wir jetzt nicht mehr haben, zumindest nicht in ausreichend Anzahl.
  4. Kernenergie ist in der bisherigen Form zu teuer (wurde mehrfach erwähnt).
    => Man müsste also erstmal Forschen, was dauert.
  5. Es besteht eine große Rechtsunsicherheit. Wenn Vorschriften verschärft werden, dann kann das erhebliche Mehrkosten nach sich ziehen.
  6. Die Projektdauer ist extrem lang. 10 Jahre Planung und dann nochmal 10 Jahre Bau. Wenn man Glück hat. Kann auch sein, dass man 40 Jahren der Bau immer noch nicht abgeschlossen ist. Das heißt 40 Jahre Kosten ohne irgendwelche Einkünfte. Wer geht dieses Risiko ein?

Der Hauptpunkt, der aus meiner Sicht schief gegangen ist, ist die Kommunikation. Es wurde vertuscht, nicht kommuniziert, verharmlost und vorgeschrieben.

Jetzt muss ich erstmal verdauen, dass Menschen ernsthaft an ein Comeback von Kernenergie in Deutschland glauben. Ich glaub, dass das auch nur Kernkraftgegner betrifft. Oder gibt es hier Kernkraftbefürworter, die glauben, dass Kernenergie in nächster Zeit wiederkommt?

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Naja - so einfach ist das Problem jetzt auch nicht.

Greenpeace hat untersuchen lassen, wie der Kraftwerkspark aussehen müsste, damit er für Deutschland VERSORGUNGSSICHER auf regenerativen Energien basieren kann:
https://www.greenpeace-energy.de/blog/wp-content/uploads/2017/06/170629_GPE_Studie_Kalte-Dunkelflaute_Energy-Brainpool.pdf. Das Fraunhofer ISE geht in seinen Studien von einem ähnlichen Szenario aus (https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE-Studie-Was-kostet-die-Energiewende.pdf; https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE-Studie-Wege-zu-einem-klimaneutralen-Energiesystem.pdf).

Wenn wir jetzt auf Basis dieser Studien anschauen, was dort alles passieren muss, ist das nicht mehr mal so eben:
|| Technologie | Inst. Leist. [GW] SOLL | Inst. Leist. [GW] 2019 | Differenz ||
| Solar | 231 | 42,3 | 188,7 |
| WKA Land | 190 | 50,3 | 139,7 |
| WKA See | 39 | 5,4 | 33,6 |
| GuD-Gaskraftwerke | 67 | 29,4 | 37,6 |
| P2G Elektrolyse | 42,7 | 0 | 42,7 |

Dies bedeutet dass im Zeitraum von 2020 bis zum vollständigen Atom- & Kohleausstieg in 2039 gesehen, dass wir entsprechend des Szenarios folgendes bauen müssen:

  • GUD-Gaskraftwerke: 38 GW entsprechen ca. 35 GuD-Großkraftwerken, d.h. pro Jahr müssen 2 dieser Kraftwerke fertiggestellt werden. Zusätzlich dazu muss noch die Befähigung, teilw. Ersatz und Wartung der bestehenden Gaskraftwerken erfolgen.
  • WKA Land:
    • 140 GW entspr. bei einer durch. Nennleistung von 3,5 MW 40.000 Anlagen. Dies bedeutet wir müssen ca. 2200 WKA pro Jahr NEU bauen.
    • Da WKAs eine Laufzeit von ca. 20 Jahren haben, müssen in diesem Zeitraum die bereits installierten WKAs bis 2020 ersetzt werden, was ca. weiteren 800 Anlagen / Jahr entspricht.
    • 2020 wurden Onshore 420 Anlagen gebaut, das generelle Maximum an Anlagen wurde 2002 mit ca. 2300 Anlagen erreicht. Mit steigender Anzahl der Anlagen & Größe wird jedoch auch der Zubau von Anlagen erschwert. Daher ist eine Rückkehr zur den Zahlen von 2002 eher unwahrscheinlich
    • Offshore sollte an sich kein Problem darstellen.
  • PV: Die benötigten 189 GW Nennleistung PV entsprechen ca. 1500 km² ~ das halbe Saarland ~ 210.000 Fußballfelder (8 qm entsprechen ca. 1 kWp). Es müssen ca. 10,25 GWp an PV-Anlagen pro Jahr installieren werden, d.h. ca. 80 km² pro Jahr. In den Jahren 2013 – 2018 wurden im Mittel laut BMWi nur 1,9 GWp/a installiert.
  • P2G-Elektrolysatoren: Es wird ein Zubau von ca. 2,3 GW an P2G im Jahr bauen benötigt. Anlagen in dieser Größenordnung gibt es noch nicht mal als Versuch. Aktuell bewegen sich die größten Anlagen im Bereich von 35 MW.

Das Fraunhofer ISE geht dabei nochmal von 10 - 20 % höheren Werten in seinen Studien aus. Nicht berücksichtig sind hierbei die benötigten EE für die Umstellung der Wirtschaft und Heizung auf Wasserstoff, wie sie die Bundesregierung fordert. Ich hab gerade noch die Anzahl von 9000 WKA + die entsprechenden P2G-Anlagen im Kopf, finde aber den Quellartikel gerade nicht mehr.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Bauindustrie schon seit Jahren völlig am Anschlag ist und es diverse weitere große Infrastrukturprojekte & Themen zu erleidgen gibt, sind die oben skizzierten Umfänge nahezu unmöglich.

Meine Wette ist: Wir werden 2038 zwar die AKW abgeschaltet haben, aber der EE-Systemverbund ist noch lange nicht soweit, den Strombedarf zu decken und Braunkohle wird immer noch eine relevate Rolle spielen - alleine schon um die Stromversorgung sicherzustellen. Man muss sich ja nur mal das erste Halbjahr 2020 anschauen, dass extrem Windarm war und die Kohlemeiler alle auf Volllast liefen…

Die Grünen haben 2000 den Fehler gemacht, sich idologisch zuerst auf die Atomausstieg zu fokussieren anstatt auf die CO2-Reduktion. Der hohe Pro-Kopf-CO2-Ausstoß ist leider insbesondere auf den Shutdown der AKWs zurückzuführen - man muss ja nur mal den Vergleich mit Frankreich oder England anstellen.

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Das finde ich die eigentlich spannende Frage. Ich würde gerne mal ein Szenario vernünftig von Experten durchgerechnet sehen, bei dem

  • 95% der Grundlast (dies sind aktuell ca 40 GW in Deutschland, wird aber in den nächsten Jahren steigen) durch AKWs erzeugt wird
  • und der Rest durch die EE-Systemverbünde, wie Greenpeace und Fraunhofer FSI sie empfehlen.

Grundlast wird es immer geben, in den 100%-EE-Szenarien wird diese nur durch eine Kombination aus Kurzzeitspeichern und P2G abgedeckt. P2G ist aber extrem ineffizient und dadurch teuer (~50 - 70 % Verlust), aber eben laut Fraunhofer ISE & Co der einzige Weg die benötigten Energiemengen zu speichern.

Das Fraunhofer FSI rechnet ja durchaus verschiedene Szenarien für Verteilungen der Erzeugerarten durch, um ein Optimum zu berechnen, lässt dabei aber Kernkraft aus politischen Gründen außen vor.
(https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE-Studie-Wege-zu-einem-klimaneutralen-Energiesystem.pdf)

Würde an Anteil an AKWs am Strommix das Matching einfacher machen?

Und die Betreiber:in des Elektrolyseurs wird schon einen Unterschied darin sehen, ob sie überschüssigen Windstrom für 2 Cent/kWh oder Atomstrom für 18 Cent kWh einkauft.

Mag sein dass die Betreiberin des AKW bei Stromüberschuss auch kein 18 Cent mehr bekommt, aber die Kosten des AKW müssen ja trotzdem bezahlt werden. Also wird entweder der normale Strom teuer, oder sie, die AKW-Betreiberin lässt sich aus Steuergeldern kompensieren. Das ist ja das Modell in UK wo Hinkley Point umgerechnet inkl. Inflationsausgleich mind. 13 Cent/kWh bekommt. Sprich, den Rest zahlt der Steuerzahler.

Wieso denn nur auf absehbare Zeit? Was könnte sich den langfristig deiner Meinung nach ändern?

Das dürfte wohl am ehesten für die kommenden grünen Regierungsmitglieder gelten. Bei der FDP sieht das glaube ich schon anders aus. Und bei der Oppositions-CDU scheint inzwischen eh alles an Positionen möglich:

Also vor 10 Jahren sah das noch so aus:

Wieso sollte das heute anders sein?

Meine Hauptbefürchtung sind ja auch nicht vorrangig neue Meiler, sondern ein Weiterlaufen der noch vorhandenen KKW. Die sind ja alle noch relativ jung und könnten nach den Regelungen, die bis zum Ausstieg galten, noch etliche Jahre weiterlaufen.

Und wie gesagt, alles was einer weiteren Verzögerung des Atomausstieges im Weg stünde, ist ein Gesetz. Und das hat noch nicht mal Verfassungsrang, wie zum Beispiel die Schuldenbremse.

Man könnte also sagen, unsere „nachkommenden Generationen“ vor Schulden zu bewahren, ist uns wichtiger als sie vor Atommüll und GAU zu schützen.

Dafür brauchst du doch keine „Experten“.

Erzeugungs- und Verbrauchsdaten kann man sich hier ziehen: Data view

Oder hier: Data Platform – Open Power System Data

Da kann man dann die Anteile von PV, Wind sowie durchlaufenden Kernkraftwerken frei skalieren und schauen, mit welchem Mix man die Überschüsse/Unterdeckung und damit verbunden die benötigten Speicherkapazitäten minimiert. Ich schätze mal, für ein Land wie Deutschland würde da um die 70% bis 80% Kernkraft (bezogen auf die Deckung des Jahresbedarfs) rauskommen.

In sonnigeren Gefilden, wo man tagsüber auch Klimaanlagen als relevante Verbraucher hat, würde der optimale Mix dagegen vermutlich eher in Richtung PV kippen. Ist jetzt nur mein Bauchgefühl - aber sowas durchzuspielen, das ist wirklich kein Problem.

Jedoch: grau ist alle Theorie - da man in Europa zu vertretbaren Kosten keine Kernkraftwerke mehr gebaut bekommt, ist diese Option schlicht vom Tisch.

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Na, momentan wären 180 Euro/MWh ja fast ein Schnäppchenpreis :slight_smile:

Aber keine Frage: wenn man es schafft, die technisch vorhandenen Potentiale für PV und Windkraft tatsächlich zu erschließen, dann ist fraglich, wo die exorbitant teure Kernkraft (wenn man heute eine neues Kraftwerk baut) noch reinpassen soll. Allerdings kann es auch sein, dass wir Europäer uns schlicht zu dumm anstellen und insbesondere der Windkraft zuviele Steine in den Weg legen. Die Energiekrise, die wir gerade erleben, würde dann chronifiziert. Und bei Großhandelspreisen von um die 300 pro MWh wird man irgendwann nach jedem Strohhalm greifen. Vermutlich nicht in Deutschland, aber z. B. in Frankreich und Großbritannien. Dies wären auch die beiden einzigen europäischen Player, die das industrielle und wirtschaftliche Potential hätten, um der Kernkraft noch einen Schub zu geben. Zeithorizont wäre dann aber das Jahr 2040 und später.

Ausgerechnet UK? Weil die Erfahrung damit haben radioaktive Abfälle ins Meer einzuleiten? Oder weil Toshiba und Hitachi ihnen jetzt doch kein neues bauen. Lass mal hören.
Und die Franzosen? Die ihre bevorzugt über Kontinentalplatten bzw. deren Bruchkanten bauen?
Wie wäre es noch mit den Finnen, die sich Tchernobyl bei den Russen bestellt haben?
Also ich gebe dir recht, dass keiner in der Lage ist dazu, und das ist auch gut so

Frankreich verfügt mit dem EPR über ein aktuelles Reaktordesign, bei dem zwar zig Kinderkrankheiten zutage getreten sind, das aber letztlich funktionstüchtig ist. Das ist schon eine Rarität in der westlichen Welt. Neben der zivilen Nutzung gibt es zudem in beiden Ländern die Fähigkeit zum Bau von kleineren Reaktoren für U-Boote und Schiffe. Und beide Staaten sind wohlhabend genug, um sich so ein Abenteuer leisten zu können.

Aber, wie schon mehrfach geschrieben, ich glaube nicht daran. Frankreich wird große Mühe haben, seine alternde Reaktorflotte in den kommenden Jahrzehnten zu ersetzen. Dass die darüber hinaus noch Kapazitäten zubauen können, um jenseits des Stromsektors die Dekarbonisierung voranzutreiben, das möchte ich erstmal sehen. Und UK ist mit soviel Potential für Offshore-Windkraft gesegnet, dass es nicht rational wäre, nun massiv in Kernkraft zu investieren.

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Üblicherweise verweisen die Artikel ausschließlich auf die Gestehungskosten und vergleichen dort z. B. AKWs mit WKAs. Dieser Vergleich ist aber defakto unzulässig, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden:

AKWs sind steuerbar und haben eine Verfügbarkeit von ca. 90%. WKAs haben keine gesteuerte und planbare Stromerzeugung. Deshalb werden in den Studien seitens Fraunhofer oder Greenpeace eben auch für ein 100%-EE-Stromsystem zum einen massive Überkapazitäten an WKA und PV geplant (ca. Faktor 5: Greenpeace plant ca. 450 GW an PV + WKA für die Energieerzeugung, das Fraunhofer sogar noch etwas mehr, Peakbedarf in Deutschland liegt aktuell bei ca. 90 GW.) und zusätzlich P2G sowie GUD zur Absicherung des kontinuierlichen Strombedarfs.

D.h. wenn man die Kosten vergleichen will, muss man eben die Kosten des AKWs mit einem EE-Systemverbund aus WKA, PV, P2G und GUD vergleichen. Dies führt sowohl zu massiv höheren Kosten als auch CO2-Emissionen für den EE-Systemverbund.

Mir wäre keine Studie seitens der üblichen Forschungsinsitute bekannt, die dies sauber vergleicht.

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Die sind aber schnell erreicht. Für ein einzelnen KKW macht UK schon 100.000.000.000,00€ locker.

Die gesamte Fördersummer der Atomkraft in Deutschland wird schon jetzt auf eine Größenordnung von mehreren 100 Milliarden geschätzt. Weitere Subventionen dürfen wegen mir gerne in eine nachhaltige Technologie fließen, die sich später selbst trägt.

Das FÖS hat die seit 1955 erfassbaren Förderungen und staatlichen Ausgaben zusammengetragen. 287 Mrd. € machen in diesem Zeitraum allein direkte und indirekte staatliche Förderungen aus – wie etwa Finanzhilfen, Forschungsausgaben oder Steuervergünstigungen, aber auch Vorteile für Atomkonzerne durch den Emissionshandel oder eigene Rückstellungen. Weitere 9 Mrd. € entfallen auf sonstige staatliche Kosten, etwa für Polizeieinsätze bei Castor-Transporten oder für von der Bundesrepublik übernommene Atom-Folgekosten als staatlicher Nachfolger der DDR.

https://www.topagrar.com/energie/news/atomkraft-hat-volkswirtschaft-milliarden-gekostet-12352064.html

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Habe gerade die letzte Lage gehört und bin ein bisschen enttäuscht mit welcher Rhetorik da mit der Atomkraft umgegangen wird. Vor allem Ulfs Aussage dass man Atomkraft nicht unter Kontrolle hätte - Entschuldigung aber bitte was? Atomkraftwerke gibt es seit den 50ern, in den knapp 70 Jahren sind uns genau zwei Werke um die Ohren geflogen. Chernobyl und Fukushima sind außerdem Konstruktionen der ~70er, seitdem ist die Technik auch wieder vorangeschritten. Klar gibt es immer wieder Unfälle, Warnungen, und auch Tode die keinen Supergau benötigen - das hab ich auch an erster Hand als jemand der nahe einem französischen Atomkraftwerk wohnt erlebt. Aber wenn man diese dann wieder unter Kontrolle bekommt sehe ich nicht wie man das als Beispiel dafür aufbringen kann dass man Atomkraft nicht unter Kontrolle habe.

Ich finde man kann viel über Atomkraft diskutieren, und das Problem mit der Endlagerung oder dass radioaktives Material in die falschen Hände kommt sind wahrscheinlich wirkliche Sicherheitsrisiken, darüber wurde hier schon von Leuten diskutiert die da mehr wissen als ich. Aber die Sicherheit von Atomkraftwerken als contra aufzubringen ist mMn der falsche Weg. Das ist ein bischen wie Straßenverkehr (Kohle) und Luftverkehr (Nuklear) zu vergleichen. Wenn im Luftverkehr was schief geht dann gehts richtig schief und ist ein riesiges Disaster das weltweit diskutiert wird. Trotzdem sterben im Zivilflugverkehr weltweit ~10% der Menschen die allein in Deutschland jährlich im Straßenverkehr sterben. Das sind ganz andere Dimensionen, aber wie viele Leute haben Flugangst und wie viele Leute haben „Autoangst“? Gibts den Begriff überhaupt? Die Unsicherheit von Atomkraftwerken ist eine zwar irgendwo nachvollziehbare aber irrationale Angst die einfach allgemein als selbstervständlich angenommen wird.

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In Deutschland ganz einfach, niemand. Auch in anderen Länder wird das nicht klappen, da die Bauzeit von AKWs einfach viel zu lange ist. Bis die Strom produzieren, sind wir jenseits der 1,5°C.

Wie sollte es denn anders sein? Die Konzerne sind massiv in Vorleistung gegangen und allein um die Kredite zurückzahlen zu können, muss ein AKW eine große Menge Geld abwerfen. Und zu den Bauzeiten damals gab es damals keine Kredite zu so niedrigen Zinsen. Das ist genau so wie wenn Du Dir eine Immobilie kaufst und dann vermietest. Wenn das Ding abbezahlt ist und nichts daran kaputt ist, dann ist das auch eine Gelddruckmaschine. Ein AKW ist nur deutlich teurer und größer und bringt daher mehr Geld. Dazu kommt, dass dabei sie auch eine ganze Menge Risiken haben, so die man auch einkalkulieren muss und die deutlich größer sind als bei einer Immobilie.

Ich würde die Diskussion die AKWs weiterlaufen zu lassen gerne führen. Aber das ist nicht mehr möglich. Die Mitarbeiter sind weg bzw. werden weg sein. Die Konzerne selber haben dazu gesagt, dass dies nicht mehr möglich ist (Sendung FAKT, hab ich irgendwo weiter oben verlinkt).

Ich habe es nie durchdiskutiert, da nicht möglich, aber grundsätzlich fände ich die Idee die AKWs noch länger laufen zu lassen und dafür entsprechend Kohlekraftwerke sofort stillzulegen, sehr charmant. Denn die Kohle ist bei weitem schlimmer. Und ja, ich wäre damit auch dafür das Risiko eines GAUs gesellschaftlich in kauf zu nehmen (Das heißt nicht, dass ich dafür bin überalterte, unsicher AKWs weiter zu betreiben). Auf das bisschen Atommüll mehr kommt es nicht wirklich an. Bei Kohle dagegen besteht nicht ein geringes Risiko, sondern da sind massive Schäden garantiert. Aber die lassen sich ja wunderbar hinter den AKWs wunderbar verstecken.

Das Hauptproblem, was wir in Deutschland haben, ist dass wir den Ausbau der Erneuerbaren gut angefangen haben, dann aber wurde das alles zurückgefahren. Und jetzt haben wir Kernernergie nicht mehr als Notlösung, sondern nur noch Kohle und evtl. Gas.

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Wie schon ein paar mal erwähnt, war auch in der aktuellen Folge, wieder die AKW Diskussion sehr ungenau. 1. Trotz Sektorenkopplung, trotz Speicherkraftwerke (die nahezu nicht gebaut werden) und massiven Ausbau der Erneuerbaren wird man ohne fossile Kraftwerke und ohne AKWs es kaum schaffen eine 24/7 Stromversorgung bereitzustellen, siehe zB.: Harald Lesch & Hartmut Zohm: Atomausstieg, Endlagerung, Transmutation, Kernfusion - YouTube (und H. Lesch ist jetzt nicht als Freund der AKWs bekannt.) 2. Ja es ist der Menschheit nicht gelungen Druckwasserreaktoren sicher zu betreiben, aber dieses fragwürdige Design hat uns wahrscheinlich das Militär eingebrockt. … es gibt dazu gerade eine gute Doku names „Thorium“ auf Netflix. Wahrscheinlich könnte man schon Spaltungsreaktoren bauen, die in sich sicher sind (also nicht in die Luft fliegen, wenn die Kühlung ausfällt). Aber ich denke auch nicht das es jetzt 2021 noch sinnvoll wäre ein neues Reaktorkonzept zu entwickeln und zuzulassen, Auch wenn es in den USA und China große Befürworter gibt. 3. Das Argument mit dem CO2 Ausstoß beim Bau eines AKWs ist unsinnig, weil die Kraftwerke ja schon stehen.

Abschließend glaube ich natürlich auch, dass man erneuerbare Energie massiv ausbauen muß, dass der Bau neuer Spaltungskraftwerke finanziell aktuell komplett unsinnig ist, aber ich befürchte auf der anderen Seite auch, dass der Strombedarf der Menschheit weiter steigen wird und sich die Zunahme eher noch beschleunigen dürfte (Straßenverkehr wird auf Elektro umsteigen, Heizungen auf Wärmepumpen, Flugzeuge und Industrie auf H2, usw) und dass dies durch EE und Sektorenkopplung nicht rund um die Uhr abgedeckt werden kann. Also wird die Frage, gerade in so Ländern wie Frankreich sein: Stellt man fossile Gaskraftwerke hin oder lässt man die schon gebauten AKWs noch ein paar Jahre länger am Netz, solange bis dann irgendwann doch mal Fusionskraftwerke die Grundlast übernehmen werden (Forschung im Bereich Kernfusion sollte man massiv fördern, scheint mir gerade die einzige Rettung zu sein). Und mit Blick auf den Klimawandel scheint es mir weniger kritisch die alten AKWs - gerade in Ländern wie F - noch etwas länger am Netz zu lassen, wie weiterhin auf fossile Kraftstoffe zu setzen.

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Liebes Lage-Team,
gerade weil ich bei euren gut recherchierten Beiträgen oft und gerne dazu lerne bin ich von dem „Zukunft der Atomkraft“ Beitrag in LdN267 etwas enttäuscht. Zur Diskussion steht, ob Atomkraft das Label „nachhaltig“ oder „grün“ bekommt. In dem Zusammenhang geht es dann um die entscheidende Frage, wie die CO2 Bilanz von AKWs denn nun ist („Gretchen-Frage“). Statt einer Zahl bekommen wir hier dann aber Sätze wie „Mein Wissensstand ist, dass die Atomkraft nicht CO2-neutral ist“, „die CO2-Emissionen sind enorm / ganz massiv“ präsentiert. Ein seltsamer Satz, der ungefähr so hilfreich ist, wie „Die Corona-Impfung ist nicht ohne medizinische Risiken“. Wenn ich das Risiko der Impfung nicht ins Verhältnis setze zum Risiko der Infektion und die CO2 Emission von AKWs nicht zu denen von Kohle o.ä. sagt eben leider das rein gar nichts aus.
Wenn ich mal Umwelt Bundesamt Zahlen nehme [1], [2] dann liegt die Braunkohle bei 1135 g/kWh während Atomstrom zwischen 3,7 und 110 g/kWh rangiert – Median 12 g/kWh. Da liegt also mal mindestens Faktor 10, im Mittel eher Faktor 100 dazwischen. Wie viel ist enorm / massiv?
Als besonders CO2 intensiv wird der Beton beim Bau erwähnt (allerdings auch keine Zahlen). Da habe ich auf die Schnelle nur bedingt belastbare Quellen für AKWs [3] und Windräder [4] gefunden. In meiner Milchmädchen Überschlags-Rechnung komme ich auf ~260000t Beton für ein AKW mit 9853 GWh Stromproduktion pro Jahr, während es beim Windkraftwerk 900t Beton bei 8,3 GWh Stromproduktion sind. Wäre die Lebensdauer gleich, würde die Windenergieanlage 4x mehr Beton verbrauchen. Aber wie gesagt – keine belastbaren Zahlen – nur eine Größenordnung – nagelt mich nicht drauf fest. Wirklich im Nachteil scheint mir hier das AKW allerdings nicht zu sein (gerne widerlegen).
Es gibt echt gute Argumente gegen den Einsatz von Kernkraft (die ihr ja auch schon genannt habt) – deswegen ist es irgendwie echt kontraproduktiv, wenn ihr euch hier einen schlanken Fuß macht und eure Thesen nicht quantitativ belegt (wie ihr es sonst sehr gut macht).

[1] Ist Atomstrom wirklich CO2-frei? | Umweltbundesamt
[2] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/entwicklung-der-spezifischen-kohlendioxid-7
[3] Kernkraftwerk Grafenrheinfeld – Wikipedia
[4] 1600 Tonnen Beton für eine Windenergieanlage - Max Bögl

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Danke für Ihren Beitrag, dem ich voll zustimme. Das Thema wird leider viel zu ideologisch diskutiert und sich dann gewundert, dass es an der Umsetzung hapert.

Mich würde tatsächlich mal interessieren, wo die ganzen Handwerker herkommen sollen um die ganzen neuen Anlagen zu bauen? Und hier geht es ja nicht um irgendwelche Handwerker, sondern hoch ausgebildete Spezialkräfte inkl. Ingenieuren zur Planung und Überwachung.

Zusammen mit der mangelnden Akzeptanz für Stromtrassen und Windkraftanlagen vor der eigenen Haustür sind das leider keine guten Aussichten für die Energiewende. Ich glaube, dass es mittlerweile einen breiten Konsens in der Bevölkerung für die Energiewende gibt aber mir fehlt der Glaube, dass wir die Umsetzung unter den gegebenen Rahmenbedingungen, die auch eine neue Ampelregierung nur langsam wird verändern können, hinbekommen. Dazu ist Deutschland einfach viel zu langsam.

Und dabei ist es fast egal ob mit oder ohne Atomkraft…

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Sie werden lachen - ich habe genau das Anfang des Jahres gemacht und ein kurzes „Paper“ dazu geschrieben, in dem ich genau den Kosten- & CO2-Ausstossvergleich für die Grundlast in D in Szenarien verglichen haben.

Das Ergebnis was ziemlich eindeutig: sobald man auch nur 20% der Energie über P2G Zwischenspeichern muss, sind Kernkraftwerke in fast allen Szenarien günstiger und haben bei einer Cradle2Grave-Betrachtung weniger CO2-Ausstoß.

Ich hab das Ganze ans Fraunhofer ISE geschickt und war überrascht, dass mir ein Telefonat diesbezüglich angeboten wurde. Vom Telefonat selbst war ich dann sehr enttäuscht - die von mir aufgeworfene Fragestellung, ob ein Energiesystem inkl. AKW Kosten- und CO2-ärmer wäre im Vergleich zum 100%-EE-System ist, wurde nicht disktuiert - alle Argumente wurden mit dem Verweis auf das Maximalrisiko von AKWs sowie Atommüll beantwortet und die Fragestellung daher inhaltlich gar nicht betrachtet.

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magst du das hier verlinken? klingt spannend!

Die Atomenergie in Deutschland ist schon immer massiv subventioniert worden (Quelle). Auch der Bau der Reaktoren wurde vom Steuerzahler mitgetragen. Aber darum ging es bei dem Argument gar nicht. Tatsache ist, der Weiterbetrieb der noch laufenden KKW wäre finanziell für die Betreiber leider sehr lohnend.

Das halte ich für eine taktische Behauptung. Natürlich werden die KKW-Betreiber öffentlich jetzt keinen Wiedereinstieg propagieren. Damit würden sie nur unnötigerweise der Anti-Atombewegung Futter geben. Viel klüger wäre es da, abzuwarten, wo sich die öffentliche Diskussion hinbewegt und vielleicht hinter den Kulissen Lobby-Arbeit zu leisten.

Stimmt, das haben wir alle ein Stück weit versemmelt. Als die ersten Einschnitte beim EEG gemacht wurden (so um 2013), hätte man dagegen auf die Straße gehen müssen. Auch um Leuten, die den Ausblick aus ihrem Eigenheim über den Naturschutz stellen, zu zeigen, dass sie damit in der Minderheit sind.

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