LdN 200 Wohnungspolitik vom Boden her betrachtet

Guten Tag zusammen,
zu meiner Überraschung geht es bei der (öffentlichen politischen) Diskussion sehr stark um ideologisierte, undifferenzierte Fragen wie „Staat oder Markt?“, „Mieten oder Eigentum?“. Zum ersteren gehören eigentlich jedwede gesetzliche Regelungen (Mietendeckel, Mietpreisbremse, Bauvorschriften etc) - die von den bekannten Parteien entweder gefordert oder strikt abgelehnt werden. Zum letzteren wird demjenigen der sich heute keine Miete leisten kann zynisch vorgerechnet das er doch sich eigentlich vor 10 Jahren eine Eigentumswohnung hätte kaufen sollen. Ich würde gerne eine andere Perspektive auf das Thema Wohnungspolitik aufwerfen, die gewissermaßen „vom Boden her“ gedacht wird und so auch von Verbänden des Städtebaus, der Stadtplanung und Stadtforschung diskutiert wird. Was ist damit gemeint? Einige Schlagsätze:

Es wird gerne dargestellt als seien explodierende Mieten v.a. ein Problem der örtlichen Politik, weil diese „zu wenig baut“, explodierende Landpreise weil „zu wenig Bauland“ ausgewiesen wird. Der Staat sei der „Preistreiber des Bauens“ mit Bauvorschriften. Nicht alles davon ist kompletter Quatsch, manches stimmt sogar in gewisser Weise, jedoch:

„Land prices, not replacement costs, are the key to understanding the trajectory of house prices. Rising land prices explain about 80 percent of the global house price boom that has taken place since World War II.“ No Price Like Home: Global House Prices, 1870-2012 - American Economic Association

Der Anteil der Bodenpreise an den Kaufpreisen beträgt etwa ein Drittel in kleineren Städten bis hin zu 79% in guten Lagen in München. Sowohl die Kaufpreise als auch auch der Anteil der Bodenpreise an den Kaufpreisen steigt im allgemeinen mit der wirtschaftlichen Entwicklung. In München sind die Baulandpreise seit Erfassung 1950 um jetzt bald mehr als 69.000% gestiegen (ältere Zahlen, kritischer Artikel https://www.br.de/nachrichten/wissen/sind-die-bodenpreise-in-muenchen-um-39-400-prozent-gestiegen,RpcHVsv).

Ob und inwieweit der Wert von natürlichen Ressourcen - darunter Boden - der Allgemeinheit oder einigen wenigen Eigentümern zusteht, und die wirtschaftlichen Implikationen die daraus entstehen, sind Fragen die schon mindestens seit dem 19. Jh. diskutiert werden und hat mit Industrialisierung & Verstädterung zugenommen (Stichworte: französische Physiokraten, Bodenreformbewegung um Damaschke, Gesell, Henry George). Dabei geht es im Grundsatz um die Festellung, dass niemand Boden nutzen kann (oder den Verkaufspreis daraus behalten, oder eine Pacht verlangen kann) ohne das ein anderer von der Nutzung ausgeschlossen ist. Das Bodenangebot ist fix und nur durch seine relative Knappheit erhält Boden einen Preis, denn er hat keine Herstellungskosten.

Nein, mehr Bauland ausweisen ist auch keine Lösung für dieses Problem

Da sicherlich jemand jetzt einwenden will das der Staat ja Bauland ausweisen könne, sei hier noch kurz darauf hingewiesen das auch dieses Bauland heute bereits einen Besitzer hat und es stadtplanerisch unsinnig ist. Wenn man ein neues Quartier von 10ha mit einer gewissen Dichte der Bebauung anstrebt ist es nicht zielführend 30ha auszuweisen, wo dann Kosten führ Erschließung und soz. Dienstleistungen der Stadt höher sind. Zumal auch die Besitzer der 30ha den maximalen Preis für die Bodennutzung einfordern wollen, genauso wie es die Besitzer der 10ha tun würden. Dazu kommen die ökologischen Kosten einer solchen Zersiedelung und die Festellung das Menschen ja eben in den Städten leben wollten (dort ist das Problem der hohen Bodenpreise und Mieten besonders akut).

Es ist sicherlich ein Thema worüber man viel mehr schreiben könnte als ich jetzt hier und mehr politisch debatieren sollte. Aktuelle Anknüpfungspunkte der fachlichen Debatte in letzter Zeit: die Grundsteuerreform mit der Debatte um eine Bodenwertsteuer, der kürzliche Vorschlag der SPD eine Wertzuwachsteuer (wieder) einzuführen und in letzter Zeit um den Entwurf des Baulandmobilisierungsgesetzes. Ich fände es spannend wenn die LdN sich hier von Debatten anderer Medien abhebt, die sich „nur“ letzlich darum drehen wie man mit den Konsequenzen einer solchen Bodenpolitik (Verdrängung) politisch umgeht um Schadensbegrenzung zu betreiben (Mietendeckel, Mietpreisbremse, Kappungsgrenze etc.). So könnte eine andere Perspektive auf aktuelle wohnungspolitische Debatten gezeigt werden.

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