Hass und Empörung können m. E. durchaus positiv erlebt werden. Das daraus oft resultierende Überlegenheitsgefühl ist eine ganz wesentliche Quelle der Befriedigung.
Ich würde vermuten zum einen aus Angst, erstens davor, dass der Versuch scheitert und zweitens davor, bei den AfD-Wählern noch verhasster zu sein und zum anderen, weil es natürlich widersprüchlich ist, wenn man gleichzeitig die AfD-Politik im Kern unterstützt, etwa wenn man sagt, dass das Hauptproblem zu wenige Abschiebungen sind (Scholz) oder zu viel Migration (Merz).
Ich glaube, dass viele einfach mit der heutigen Zeit mit vielfältiger Veränderung überfordert sind.
Es wird verlangt sich in Sachen Nachhaltigkeit anzupassen, das Verhalten gegenüber anderen zu ändern, anders zu sprechen, etc.
Wie weit weg von der Realität viele Kritik an Veränderung ist sieht man z.B. in einem ganz anderen Beispiel beim Fußball, wo der Aufschrei in Sachen Reform der Spielform in den unteren Altersklassen ebenso riesig ist. Da wird dann von Verweichlichung gesprochen und dass man bald keine Profis mehr aus einem solchen System bekommen kann. Dass Spanien das schon seit vielen Jahren macht und die ersten Stars die auch International einschlagen genau ein solches System durchlaufen haben wird da nicht gesehen.
Es geht vielmehr darum, dass man das was man seit vielen Jahren tut in Frage stellen muss. Und für viele, in diesem Fall Fußballtrainer, nimmt man das persönlich. Statt sich darüber zu freuen, dass neue Erkenntnisse auch neue Methoden mit sich bringen und man Teil eines solchen Fortschritts sein darf wird mit dem Argument „uns hat das auch nichts geschadet“ geantwortet.
Ich glaube tatsächlich, dass das was die Leute zur AfD treibt mehr mit Kulturkampf zu tun hat als mit der Politik. Dass mangelnde Reformen und dadurch aufkommende Probleme natürlich auch jetzt gebündelt kommen macht es nicht besser und diese Unzufriedenheit macht einen vielleicht offener diesen Kulturkampf mit auszutragen.
Mag sein, dass ich das unterschätze. Ich habe auch immer noch nicht verstanden, warum sich Leute so viel aus Macht machen, obwohl ich es u. a. auf der Arbeit täglich erlebe. Vielleicht bin ich doch im Herzen ein Hippie
Das Folgende hatte ich irgendwo gelesen und gebookmarkt, finde es aber hier passend:
Die Untersuchung zeigt […], wie sich rassistische und anti-klimapolitische Untergangsszenarien zu einer selbst bestätigenden Gefühlswelt verdichten. Außerdem interpretiert Spissinger das kollektive Schimpfen und spöttische Gelächter bei AfD-Veranstaltungen als ein neurechtes Identitäts- und Gefühlstraining. Nicht zuletzt wird deutlich, wie AfD-Unterstützer*innen Kritik abwehren und daraus die Bestätigung ziehen, ‚die Wahrheit‘ zu vertreten und ‚frei‘ zu denken. Wer es sich in der neurechten Gefühlsgemeinschaft erst einmal bequem gemacht hat, lässt sich daher nur noch schwer zur Umkehr bewegen.
Eine sich selbst bestätigende Gefühlsgemeinschaft, in der die Einzelnen Bestätigung daraus ziehen, ‚die Wahrheit‘ zu vertreten und ‚frei‘ zu denken, macht destruktives Denken und Handeln nachgerade attraktiv.
Danke, das klingt sehr spannend. Das Buch ist Open Acess, kann also gratis heruntergeladen werden: https://shop.budrich.de/wp-content/uploads/2024/06/9783847419976.pdf
Im Fazit heißt es u. a.
Die neurechte Gefühlsgemeinschaft schafft sich selbst ihre Anlässe zum
‚nationalen Widerstand‘, indem sie bedrohliche Zukünfte entwirft: ‚Volkstod‘,
‚Deindustrialisierung‘, ‚Blackout-Gefahr‘, ‚Öko-Diktatur‘. Die Bewohner*in-
nen der neurechten Gefühlswelt rechnen mit dem Schlimmsten für die Zukunft
ihres Landes und ihrer Kinder. Sie schimpfen, artikulieren Verzweiflung und
Unverständnis in Anbetracht einer Regierung, die sich – so die Überzeugung
– gegen ihr ‚eigenes Volk‘ richte. Gleichwohl wirkt die bedrohliche Gefühls-
welt keineswegs lähmend, sondern erzeugt permanenten Handlungsdruck, um
die befürchtete Zukunft doch noch abzuwenden. Entscheidend dafür ist, dass
die AfD nicht bloß Szenarien vom drohenden Untergang verbreitet, sondern
sich zugleich selbst als Aufhalterin der Apokalypse bzw. als letzte Retterin ins
Spiel bringt. Was gemeinhin als bloße Angstpolitik gilt, wirkt demnach auch
als eine Politik der Hoffnung. An Orten, an denen die AfD auf breite Zustim-
mung aus der Bevölkerung stößt, ist das rechte Projekt gar mit Euphorie und
Optimismus aufgeladen.
Die tatsächlichen Probleme wirklich lösen kann man aber nicht mal eben, daher ist es Wahlkamp-technisch effektiver auf eine vermeintliche Ursache mit dem Hammer zu hauen, von der die Zielgruppe bereits überzeugt ist.
Wie Ulf und Philip schon zutreffend feststellten: Migranten sind ein leichtes Opfer.
Aber ich glaube nicht, dass die Bevölkerung originär davon überzeugt war, dass an allem die Migranten Schuld sind. Ich glaube, es kommt sehr viel zusammen: Abwanderung junger Leute (übrigens oft Frauen, soweit ich weiß), Verdienstnachteile (Im Osten arbeiten viel mehr Menschen für Mindestlohn als im Westen), kein Vermögensaufbau möglich, soziale Unsicherheit, Ärger über Bundespolitik und vieles mehr.
Dass für alle Probleme, die es sicher gibt, aber Migranten verantwortlich sein sollen: Ich bin nicht sicher, ob den Menschen dieses Narrativ von Politikern und vielen Medien und Talkshows eingeredet wurde. Zumindest verstärkt haben sie es.
Hervorzuheben ist hier m. E.:
Solche Dopaminschübe sind natürlich schwer zu kontern.
Vielleicht ist schon die Hypothese falsch, dass AfD-Wähler glaubten oder ihnen von wem auch immer eingeredet worden sei, dass an allem die Migranten schuld sein sollen.
Ich würde behaupten, dass auch schlichter Gestrickte wissen, dass an der Abwanderung junger Menschen und v. a. Frauen aus ländlicheren Regionen, an Einkommensdifferenzen und geringerem Vermögensaufbau nicht die Migranten schuld sind.
Die kriegen auch noch auf die Kette, dass ihre Verärgerung über und Ablehnung des Gebäudeenergiegesetzes nichts mit Migranten zu tun hat, um ein weiteres Beispiel zu nennen.
Steffen Mau hat im LdN-Interview gesagt:
Die Frage ist: Lässt sich das jetzt alles noch mal umkehren? Ich wär’ da skeptisch, ob jetzt irgend’ne sozialpolitische Maßnahme zu Veränderungen führt. […] Da würde ich sagen, das lässt sich nicht so einfach wieder umdrehen.
Ganz ähnlich argumentiert sein Kollege Wilhelm Heitmeyer:
Der Begriff Protestwähler oder Protestpartei ist eine Selbstberuhigungsformel. Darin steckt: Wenn wir uns nur Mühe geben und vielleicht die Renten erhöhen, kommen die alle zurück. Das ist eine Fehleinschätzung. Die autoritären Einstellungsmuster, von denen die AfD profitiert, hat es schon lange vor ihrer Parteigründung gegeben.
Ähnliches, wie das zuletzt Zitierte, deutet Mau im Interview an:
Man sieht eben, dass etwas, was strukturell schon vorhanden ist, jetzt an die Oberfläche tritt. Und es wird jetzt sichtbarer als in der Vergangenheit.
Beide Soziologen, einer davon ausgewiesener Extremismusforscher, weisen uns doch recht deutlich darauf hin, dass völkischen/nativistischen Einstellungen nicht mit Sozialpolitik beizukommen ist.
@Eleftherios hat es doch recht treffend formuliert:
Rationalisieren heißt in diesem Zusammenhang, anzunehmen, dass die AfD-Wähler eigentlich doch ganz andere Probleme hätten, aber irgendwie nicht davon wüssten.
Du schriebst z. B.:
Daraus lese ich, dass du denkst - korrigiere mich, wenn ich falsch liege -, dass diese Leute ihre eigentlichen Sorgen gar nicht kennen würden. Eigentlich seien sie aus sozialen Gründen unzufrieden und nicht, weil sie schlichtweg eine rassistische Überfremdungspanik haben. Ich neige da zum Naheliegenderen.
Mmm, bin selbst nicht sicher.
Aber es geht ja nicht allen schlecht und dennoch gibt es wohl ein grundlegendes Unzufriedenheitsgefühl.
Ich habe im Podcast neue Zwanziger Clips von Interviews gehört. Da war ein Mann dabei, der hat seine Meinung gesagt, aber es war ganz schwer zu verstehen, was er überhaupt meinte. Nur unzufrieden war er, das konnte man hören. Obwohl er irgendwo ganz idyllisch im eigenen Obstgarten saß. Ist aber nur anekdotisch.
Ansonsten denke ich, dass Rassismus in der deutschen Gesellschaft extrem verbreitet ist. Wir alle haben verinnerlichte Muster. Manche mehr, manche weniger. Aber vor allem: Manche reflektieren und manche nicht. Siehe Gilda Sahebi, Wie wir uns Rassismus beibringen
Bei einigen gibt es das sicherlich. Aber Steffen Mau hat im Interview auch gesagt, dass die persönliche Lebenszufriedenheit im Osten mittlerweile recht hoch und schon sehr nahe am Westniveau sei. An der persönlichen Lebenssituation kann’s also nicht liegen.
Dass es das auch gibt, bestreite ich nicht.
Okay, gehen wir mal davon aus, dass es diese Leute, die eine diffuse Unzufriedenheit verspüren, aber selbst nicht die Gründe dafür nennen können, gibt. Das unterscheidet sich dann doch sehr von jenen, die als konkreten Grund für ihre Unzufriedenheit „zu viele Ausländer“ angeben.
Beispielhaft mal folgendes Datum:
Fast 39 Prozent glaubten, Deutschland sei „im gefährlichen Ausmaß überfremdet“.
Diese Leute wissen, was ihnen stinkt. (Ohne dass ich solche Einstellungen in irgendeiner Weise rechtfertigen oder verharmlosen will.)
Das spricht auch für deine Annahme der Verbreitung von Rassismus.
Es gibt ja verschiedene Rassismustests, z. B.:
https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/takeatest.html
Zumindest beim impliziten Assoziationstest (IAT) wird man sicher extrem hohe Werte für Rassismus in der Gesellschaft finden. Und auch bei Tests, die rassistische Stereotype abfragen, wird man wahrscheinlich eine große Mehrheit von Menschen, die irgendwie rassistisch sind, finden. Ich würde mich da selbst gar nicht ausschließen.
Doch es gibt nicht nur Stammhirnimpulse, sondern auch höhere Hirnfunktionen mittels derer sich der eigene Rassismus ‚zähmen‘ lässt.
Reflektieren gehört sicherlich zu den erfolgversprechenden Gegenmaßnahmen.
Da würde ich aber sagen, es gibt Menschen, die sich freiwillig bemühen, und es gibt Menschen, die ihren Rassismus nicht reflektieren wollen. Zu Letzteren gehören m. E. typischerweise AfD-Wähler.
Enttäuscht, und akzeptieren, dass nur eine AFD mit 50%+X in der Lage sein wird, ihre Position zu vertreten.
Sie können also darauf hoffen, dass es eines Tages dazu kommt oder wählen eine Partei, die für sie zumindest teilweise akzeptable Politik macht.
Die wichtigere Frage ist doch, was sie nächstes Mal wählen werden, wenn die AFD die Chance bekommt, Politik für ihre Wähler zu machen.
Wenn ich mir Interviews mit oder Berichte über AfD-Wähler, Klimawandelleugner, Corona-Leugner, Putin-Freunde, etc. anschaue, dann fällt mir etwas auf, was Politiker nicht sagen (dürfen) und Jpurnailsten auch leider zu selten sagen: die meisten dieser Menschen sind unfassbar dumm! Ich glaube, dass das wirklich unterschätzt wird. Bestenfalls haben sie intellektuell vor der Komplexität der Probleme resigniert und wählen den, der am lautesten sagt: alles wird gut! Damit kann man natürlich kein Land führen, nur bis die das merken (wenn überhaupt) ist es zu spät. Ich sage schon seit über 20 Jahren , das man in einer Demokratie mit den Zumutungen einer notwendigen Klimapolitik keine Wahlen gewinnen kann. Ich habe leider auch keine Lösung, es ist sehr frustrierend, aber im Grunde genommen zerstören diese „Dummen“ die Demokratie und die Zukunft unserer Kinder. Bei den existenziellen Problemen vor denen wir stehen, stellt sich für mich wirklich die Frage, ob man mit einer lupenreinen Demokratie weiter kommt oder nicht vielmehr sowas wie einen Führerschein für Wähler einführen müßte oder eine Meritokratie oder was anderes. Die Menschen sind einfach in großer Zahl nicht bereit sich den Problemen die wir haben zu stellen. War es nicht die „Lage“, in der ich mal gehört habe, dass sich der Durchschnittsdeutsche 10 Minuten/Tag mit Politik beschäftigt und da die Tagesschau schon dabei ist? Da bleibt einem dann gar nichts anderes mehr übrig, als einfache Lösungen zu favorisieren.
Self-fullfilling prophecy? Issue-ownership? Bandwagon effect?
Mehrheitlich unzufrieden sind neben Anhängern der AfD (100 Prozent), des BSW (98 Prozent) sowie der Union (91 Prozent) mittlerweile auch die Anhänger der Regierungsparteien Grüne (54 Prozent) sowie SPD (63 Prozent).
Derweil die FDP:
Ein wesentlicher Teil der Landwirte ist radikalisiert:
Die Zeit hat noch ein ganz gutes FAQ zu den Landtagswahlen:
Ganz interessant ist noch:
Ist denen nicht klar, dass, wenn es nach der Afd geht, sie keine Zahlungen mehr aus der EU bekommen? Aber soweit denkt der Bauer vermutlich nicht.
Wieso ist wie der britische Bauer der für den BREXIT gestimmt hat und sich jetzt beschwert, dass er keine billigen Erntehelfer aus Osteuropa mehr bekommt.