Doch, kann man, beim AfD-Wähler. Die Strategie dahinter ist aus meiner Sicht offensichtlich.
Man will die abgedrifteten 25% abholen. Und das geht nunmal hauptsächlich über diese Themen. Man holt sie einerseits ab, andererseits lässt man die Themen dann nicht kampflos von der AfD besetzen.
Die übrigen 75% bekommt man auch so erreicht. Erstmal geht es darum die Blutung zu stoppen.
Nur zeigt sich seit Jahren, dass diese Strategie die AfD stärkt und nicht jene, die versuchen, Teile ihrer Politik zu übernehmen. Ist ja auch komplett widersprüchlich: Man signalisiert den AfD-Wählern einerseits, dass die Rechtsextremen im Kern eigentlich Recht haben und fordert sie dann aber auf, anstatt ihrer doch lieber die halbherzige Kopie zu wählen. Wen das nicht überzeugt…
Die Floskel „XY nicht kampflos den Rechten überlassen“ ergibt auch nur Sinn, wenn es sich um etwas handelt, was man insgesamt als wichtig für die Gesellschaft erachet. Bei Themen wie Nationalismus oder Hass gegen Minderheiten ist es mir sogar sehr recht, wenn alle anderen das den Rechten überlassen.
Mich haben die etablierten Parteien durch diese Strategie verloren. Der öffentliche Diskurs der Parteien ist inzwischen soweit nach rechts gerückt*, dass sie für mich tatsächlich unwählbar geworden sind.
*eigentlich ist „nach rechts gerückt“ hier die falsche Umschreibung, vielleicht Empathielosigkeit, keine Achtung vor Menschen(leben).
Ich würde noch ergänzen - keine Achtung vor Schwächeren. Und auch keinen Respekt mehr vor weniger Priveligierten. Die Orientierung geht auf „Leistungsträger“! Ich finde das C und CDU/CSU auch mittlerweile überflüssig.
Interessehalber frage ich mal nach: Worauf stützt sich deine Hoffnung, wenn doch die entsprechenden Personenkreise in Umfragen/Vor- und Nachwahlbefragungen regelmäßig etwas ganz anderes angeben? Kennen die ihre ‚eigentlichen‘ Bedürfnisse nicht?
Im Unterschied zu euch beiden halte ich weder die eine noch die andere Strategie für erfolgversprechend.
Dass Leute - etwa bei der AdD, aber auch bei anderen Parteien - gegen ihre eigenen objektiven Interessen wählen, ist ja nichts Neues. Zum Teil hat es m. E. wirklich mit dem Glauben zu tun, dass es einem selber besser ginge (oder man sich zumindest weniger Sorgen machen müsste), wenn „die anderen“ nicht da wären, nicht so viel bekommen würden, nicht so gewalttätig wären etc. pp. Es gibt aus meiner Sicht viele Menschen, die man von diesem Glauben vielleicht nicht unbedingt abbringen kann, bei denen man aber dafür sorgen könnte, dass er weniger handlungsrelevant wird.
Ich habe tatsächlich immer öfter das Gefühl, das solche Parteien wie die AfD nicht gewählt werden, damit es einem selbst besser geht. Sondern in dem Wissen, das diese Parteien es nicht besser machen können, eher dafür gewählt werden, damit es allen schlecht geht und man in seinem „Leid“ nicht mehr so allein ist.
Schräg, aber offenbar ein Motiv…
Das halte ich für eine optimistische Einschätzung, weil die Gefühlsaufwallungen dieser Leute spezifisch ‚getriggert‘ werden. ‚Der‘ Politik fehlen einfach die ‚therapeutischen‘ Mittel, das zu verändern.
Es gibt beides. Ich habe mit Leuten gesprochen, die wirklich glauben, dass sich ihre Rente unter einer AfD-Regierung erhöhnt. So langweilige Argumente wie die rentenpolitischen Pläne der AfD wollten die natürlich nicht hören. Und es gibt auch welche, die völlig in der rechtspopulistischen „Logik“ gefangen sind, die da sagt „Ihr habt so wenig, weil die da oben es euch wegnehmen und es den anderen geben“.
Das wird sicher um so schwieriger, je länger und stärker sich entsprechende Denk- und Wahrnehmungsmuster verfestigen. Vielleicht ist es da in der Tat bei vielen schon zu spät. Aber auch in den 1990er Jahren gab es schon mal eine enorme Welle rassistischer Mobilisierung, die irgendwann wieder abgeebbt ist (natürlich nicht ohne Spuren zu hinterlassen).
Who knows. Ich schwanke selbst immer zwischen „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ und „Optiminsmus ist Mangel an Information“
Der Anteil derjenigen mit ausgeprägt rassistischen Ressentiments ist, das zeigen Erhebungen, über die letzten Jahrzehnte hinweg ziemlich konstant in der Bevölkerung.
Die Frage ist doch m. E., wie dieses vorhandene Potenzial wieder demobilisiert werden kann. Ein erheblicher Teil der AfD-Wähler hatte zuvor lange gar nicht gewählt. Meine Vermutung wäre, weil es keine Chance auf Erfolg gab, weshalb auch ersatzweise andere Parteien gewählt wurden.
Nun ist der Ungeist aus der Flasche. Die AfD warb mal mit dem Spruch „AfD wirkt“. Und das tut sie de facto sogar dann, wenn sie nicht regiert, wie man an der breiten Rechtsverschiebung der Parteien erkennen kann.
Ich fürchte, eine gemeinschaftliche Normsetzung mit der Folge, dass AfD-Wählen einfach wirkungslos verpufft, das ist ja auch die Idee hinter der Brandmauer, wird nicht mehr gelingen. Dazu haben sich separate gesellschaftliche Teilöffentlichkeiten und Meinungsblasen im Internet zu sehr verselbstständigt.
Wenn man sich schon nicht mehr auf grundlegende Faktizitäts-/Wirklichkeitsbeschreibungen einigen kann, ist die Verfestigung bestimmter Denk- und Wahrnehmungsmuster nahezu zwangsläufig.
Danke, dass du das postest. Genau das hatte ich befürchtet. Es ist auch schwer zu erklären für jemanden, der eher konservativ wählt, dass er nachher eine eher linke Politik mit einer Koalition aus SPD und BSW bekommt.
Zu mehr Zufriedenheit wird das nicht führen. Im Grunde ist die CDU in einer Lose-Lose-Situation und wird es letztlich niemandem Recht machen können. Nicht, dass ich ein großer Freund der CDU bin, aber als letzte größere demokratische Partei sollte sie nicht auch noch aufgerieben werden.
Leider nein.
Gab hier in der Zeitung eine Leserbriefdebatte wo ein SD Politiker die Behauptung aufstellte dass die Ausländer eh nichts nennenswertes beitragen, er bekam darauf eine Erwiederung einses Arbeitskollegen der ihn fragte wie er dazu komme wo doch mehr als 50% ihrer gemeinsamen Arbeitskollegen Ausländer seien.
Ich frage mich, ob das letztlich nicht auch mehr oder weniger eine Konstante ist. Was gab es z. B. für Kontroversen über die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, obwohl die Frage faktisch längst entschieden war. Und gleichzeitig ging 2024 ein Staatsangehörigkeitsrecht mit doppelter Staatsbürgerschaft durch, gegen das die Union 1999/2000 noch groß mobilisiert hat. Es geht nicht alles immer nur in eine Richtung.
Ganz platt gesagt, indem es den Leuten wieder besser geht. Und das heißt wie gesagt nicht, ihre Ressentiments zu bedienen. Leicht wird das allerdings nicht und ich fürchte auch, dass es nicht passieren wird, weil die Politik dazu weder willens noch in der Lage ist.
Kontakt führt unter bestimmten Bedingungen zum Abbau von Vorurteilen.
Dies sollte nach Allport bes. dann der Fall sein, wenn die Personen in der Kontaktsituation (1) kooperative Ziele verfolgen (Kooperation), von (2) gleichem Status sind, (3) miteinander interagieren müssen, um ihre Ziele zu erreichen, und der Kontakt (4) von Autoritäten unterstützt wird.
Ganz platt gesagt, fühlen sich diese Leute besser, wenn es weniger Fremde gibt. Und das ist das eigentliche Problem.
Ich bestreite nicht, dass es politische Fortschritte gegeben hat und weiterhin geben wird. Da würde ich aber sagen, dass die Gewöhnung bei der Bevölkerungsmehrheit ermöglicht hat, dass diese - hoffentlich - von Dauer sein werden. Eine Art von Desensibilisierung, wenn du so willst.
Wenn ich mir ansehe was für Leute im Osten AfD wählen, dann wage ich das zu bezweifeln. Es sind eben nicht nur Abgehängte aus Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit sondern auch Menschen mit soliden Jobs, teils sogar guten Gehältern.
Man sieht ja auch was für Themen den typischen AfD Wählern wichtig sind. Die Reden nicht über Ausbau von Bildung, ÖPNV, und Umverteilung, sondern ganz im Gegenteil sind das eher Themen bei denen sie die Positionen der AfD verteidigen.
Dafür sind Themen wie Gendern, „Woke-Wahnsinn“, Ausländer, Entwicklungshilfe, etc. bei denen der Aufschrei kommt.
Natürlich mag es sein, dass man einen Teil wieder für die etablierten Parteien begeistern könnte, wenn die Ängste die manche Menschen haben kleiner wären. Vielleicht wären manche für höhere Steuern wenn sie sähen, dass damit bei ihnen vor der Tür Infrastruktur gefördert wird, aber den meisten ist das letztlich dann doch eher egal. Gerade im Osten ist man mit Mangel (auch nach der Wende) ja ohnehin Vertraut.