ich frage mich mehr und mehr die letzten Monate, ob das Thema Ungleichheit (inequality) die richtige Buhne hat. Ich bin erst über ein ganzes Jahr dazu gekommen, weil ich mein Fokus erst auf ein Resultat von Ungleichheit gerichtet habe - steigende Mieten in Berlin (wo ich wohne). Monaten später komme ich auf diesen Kanal „Garys Economics“ (https://www.youtube.com/watch?v=e9ROtVQt98s) und sehe darin die Grundursache für Vieles, inklusive steigenden Mieten.
Meine Beschäftigung mit einem Resultat sehe auch herum mir - wir reden über fehlenden Lohne, Rentengeld, wichtige Investitionen, die verschoben waren, weniger Steuer für Firmen, die am Ende die Reichen gehören, Reichen die jetzt Erstwelt Länder mit regieren. Alles, was vielleicht Inequality als Grundursache zu verdanken hat. Und es gibt auch beweise dazu (Links unten sehen), aber ich habe keine beweise, ob die Sache wirklich wahr genommen wird und darüber diskutiert wird. Auch in der Lage kommt nur Erbschaftssteuer als wiederholtes Thema.
Sollen wir nicht Inequality generell immer wieder wiederholen?
Fokussieren wir uns zu viel auf Themen, die ein Resultat davon sind?
Wieso verlangen die nicht reichen (wir-die Mehrheit) nicht höhere Steuer für den Reichen, wenn es uns so schlecht geht?
Ist es zu kompliziert und Gary vereinfacht irgendwas, das lässt sich nicht so vereinfachen, wie er denkt?
Oder ist die Diskrepanz von Reichen zu allen anderen Schichten auch nur ein normales Thema, mit dem gleichen Gewicht wie alles anders?
Das klingt nach sehr linken Gedanken. Das wird in Deutschland leider immer sehr negativ assoziiert. Dabei war das einzige was uns Monarchie und Diktatur gebracht haben Kriege, reiche Eliten, korrupte Politiker und größenwahnsinnige Bauten, die nun Touristen und den Denkmalschutz erfreuen.
Ich halte v.a. die ungleiche Vermögensverteilung für ein sehr wichtiges Thema.
In Deutschland besitzen die obersten 10 % (5 %) der Vermögenden etwa 60 % (45 %) des gesamten Nettovermögens.
Zur Einordnung: Personen mit einem Vermögen von > 722.000 Euro zählt zu den obersten 5 % der Vermögenden.
Nach Thomas Piketty hat eine sehr ungleich verteilte Vermögenskonzentration empirisch sehr gut hinterlegte erhebliche ökonomische und gesellschaftliche Auswirkungen:
Ökonomische Auswirkungen
Nachfrageschwäche: Eine hohe Konzentration von Vermögen reduziert die Konsumnachfrage, da wohlhabendere Haushalte weniger konsumieren als ärmere, was die gesamtwirtschaftliche Dynamik bremst.
Geringeres Wirtschaftswachstum: Wenn die Rendite auf Kapital systematisch höher ist als das Wirtschaftswachstum, akkumuliert sich Vermögen schneller bei Reichen. Das verstärkt die Ungleichheit und hemmt das Wachstum.
Erschwerte Investitionen in Humankapital: Ungleiche Vermögensverteilung schränkt den Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung ein, was langfristig die Produktivität und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft mindert.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Gefährdung der Demokratie: Vermögenskonzentration führt zu Machtkonzentration, was politische Teilhabe und Entscheidungsprozesse verzerrt.
Soziale Spannungen: Ungleichheit verschärft gesellschaftliche Konflikte und fördert Abhängigkeiten von staatlichen Leistungen.
Eingeschränkte soziale Mobilität: Eine ungleiche Startverteilung von Kapital verhindert Chancengleichheit und behindert langfristige Konvergenz.
Dieser Gedanke war schon oft Teil der Lage: Umverteilung ist eines der Hauptprobleme in DE und gleichzeitig viel zu wenig diskutiert.
Dazu ist noch zu sagen, dass wir vor allem ein Problem mit ungleichen Vermögen haben (Gini-Koeffizient von 0,8) und nicht mal beim Einkommen (Gini-Koeffizient von 0,3)
Kaum eine Partei schreibt es sich als Top-Prio in die Agenda (abgesehen von den Linken). Geld hat nun mal eine sehr stake Lobby
Ich möchte die Eingangsfrage um einen anderen Gedankengang erweitern, nämlich die Frage, ob die Chance auf Ungleichheit auch Ehrgeiz, Produktivität und Leistungswillen erzeugen kann. Ich bin selbst in der DDR aufgewachsen, und habe eine Gesellschaft ohne große Unterschiede erlebt. Es war eine große Gleichmacherei. Hochschulabsolventen hatten teils weniger Gehalt als Schichtarbeiter (darum hieß es je Diktatur des Proletariats). Diese Gesellschaft ist auch an mangelnder Innovationskraft kaputtgegangen.
Schaut man sich heute Firmen an, die (gerade im Computerbereich) bahnbrechend sind, so sind diese in den letzten 50 Jahren alle in den USA gegründet worden, keine in Deutschland oder Europa. (Microsoft - 1975, Apple - 1976, Amazon - 1994, Google 1998, Facebook - 2004). Warum?
Die Gründer heute alle Milliardäre - Selfmade wohlgemerkt. Für mich ist Ungleichheit daher nichts per se Schlechtes. Was meiner Ansicht nach begrenzt werden muss, ist die politische Macht, die sich (gerade in den USA von heute) aus diesem Reichtum ergibt. Es kann nicht sein, dass Menschen wie Elon Musk allein entscheiden, ob die Ukraine weiter Internetzugang hat.
Aber zum Ausgangspunkt zurück, ein zu eng geknüpftes soziales Netz und die zu geringe Chance richtig reich zu werden sind (zusammen mit der überbordenden Bürokratie) für mich in Deutschland Hemmnisse für Innovationskraft.
Das ist nur eine Illusion. Es gibt keine Chancengleichheit. Kinder aus armen Verhältnissen haben quasi keine Chance, egal wie sehr sie sich anstrengen.
In Deutschland werden aktuell enorme Vermögen vererbt. Während der Krisen sind die Reichsten immer reicher geworden. Viele große Vermögen stammen von Nazi-Profiteuren.
Nein, das Märchen vom Ehrgeiz und Fleiß glsube ich nicht.
Selbst wenn es eine richtige Vermögenssteuer und eine Erbschaftssteuer gäbe, die den Namen verdient, würden die Vermögen weiter wachsen.
Warum also sollte man diese Einnahmen für das Gemeinwesen nicht einfordern?
Ich Frage mich ernsthaft warum wir in dem Zusammenhang immer nur über Umverteilung sprechen und so selten darüber, wie die 50% ohne Vermögen welches aufbauen können.
Der wesentliche Unterschied in Deutschland zu vielen anderen Ländern mit niedrigerer Ungleichheit ist das Immobilienvermögen.
Wenn wir mehr Menschen in die eigenen vier Wände bringen könnten, würden wir zum einen die Ungleichheit massiv verringern, die Altersarmut bekämpfen und dafür sorgen, dass nicht Monat für Monat große Geldabflüsse in Form von Miete unser Land verlassen.
Das ist auch das Problem, das die USA nun haben: von Tellerwäscher zum Millionär funktioniert nicht mehr.
Wer echte Chancengleichheit möchte, müsste Reiche konsequent zur Kasse bitten. Wer reich ins Leben startet, hat eine Chance, der andere nicht oder nur mit sehr viel glücklichen Fügungen. Die meisten scheitern irgendwann an ihren fehlenden Netzwerken und/oder Umgangsformen, wenn der erste Rückschlag sie nicht sowieso schon finanziell ruiniert hat. Das ist in den USA so und bei uns.
Warum senken wir nicht die Steuern auf die erste Immobilie und erhöhen sie für jede weitere. Das bringt Menschen in Eigentum und erschwert es den Mietmonstern wie Deutsche Wohnen
Ich glaube auf die 2 Jahre kommt es nicht an. Wichtig wäre mehr Dietmar Hopps und Hasso Platners zu haben und nicht Neid auf ihre Vermögen
Teile ich nicht in dieser Konsequenz. Deutschland bietet kostenlose Schul- , Berufs- und auch Hochschulbildung. Natürlich haben es Kinder gutverdienender Eltern punktuell leichter. Wichtiger finde ich (jetzt auch mal im Rückblick auf meine Kinder) wie beschäftigen sich Eltern während der Schulzeit mit ihren Kindern, unterstützen sie beim Lernen, bieten Bücher an, zeigen Natur, unterstützen ihre Mitarbeit in Vereinen …
Und wieso wird es so negativ assoziiert? Osten war Teil von Kommunismus, wo der Gedanke mindestens war, alles zu verteilen. Wieso hört man nicht mehr davon aus dem Osten? Frage als nicht-deutsche, also es kommt mit Naivität.
Das weiß ich leider auch nicht. Als alle auf Frankreich und die USA blickten und dem Volk die Macht gaben, liefen wir weiter einem König hinterher. Die Deutschen scheinen dazu zu neigen, Verantwortung und Entscheidung gerne abgeben zu wollen. Das erklärt auch unsere Bürokratie. Wenn alles geregelt ist, kann ich nichts falsch machen. Vielleicht hatten wir zu viele katholische Priester mit zu viel Macht, die etwas zu viel von der Erbsünde geredet haben und die Angst vor dem Fegefeuer hat sich tief in unser Herz gebrannt. Aber wie gesagt, ich bin auch eher links eingestellt, kann nur vermuten und verzweifle oft an meinem Volk.
Sind mir tatsächlich ein paar eingefallen:
Komoot wechselt gerade den Besitzer (Handelsblatt) Der Preis könnte aufgrund des Umsatzes durchaus achtstellig sein.
Als waze stolz damit warb, dass sie die Nutzerdaten zusammenführen werden, um Staus zu erkennen, konnte TomTom (edit: kommt aus Amsterdam), einst Marktführer bei Navis, das schon längst.
Navigon, das von Garmin (aus der Schweiz) übernommen wurde, ebenfalls Innovator bei Navis, kommt aus Würzburg.
Wer in Deutschland entwickelt, macht das auf deutsch und hat einen entsprechend kleinen Markt. Wer in den USA entwickelt, macht das auf englisch und hat als Markt die ganze Welt. Darum ist es als deutsches Unternehmen ungleich schwerer Marktführer zu werden.
Ich bin überzeugt, dass viele Probleme, auch hier im Forum diskutierte Themen, letztlich auf Ungleichheit zurückzufüren sind. Oder zumindest eine neue Betrachtung unter Berücksichtigung der aktuellen Ungleichheit angemessen ist. Wenn bei unzähligen Themen immer und immer wieder auf die Ungleichheit verwiesen wird, ist das zum einen langweilig und zum anderen geht dieser Aspekt im jeweiligen Thread zwischen allen anderen diskutierten Punkten unter.
Daher fände ich es sehr spannend, hier im Forum eine neue Kategorie „Ungleichheit“ einzuführen, um zu schauen, welche und wie viele Themen letztlich unter dieser Kategorie geführt werden und auch, ob sich die Diskussionen unter dem Aspekt „Ungleichheit“ anders entwickeln.
Das stimmt. Gerade heute ist in Capital die Liste der neuen deutschen Milliardäre veröffntlicht worden. Bis auf die Gründer des Start ups Celonis sind die anderen neuen im Club der Milliardäre Erben (=leistungsloses Vermögen)
Daher stimme ich auch zu, dass eine vernünftige Erbschaftsteuer Sinn macht, um einen größeren Teil des Kapitals gesellschaftlich sinnvoll zu nutzen.
Allerdings würde es Deutschland nutzen, wenn es mehr Menschen wie die Gründer von Celonis gäbe.
Und darum habe ich Probleme, wenn per se ein Zusammenhang zwischen Leistung und Vermögen bestritten wird und Vermögen und Vermögensunterschiede als grundsätzlich schlecht gesehen werden.
Und auch ererbtes Vermögen ist nicht per se schlecht. Bleiben wir z.B. bei Marc Fielmann, der nun den Chefposten der gleichnamigen Optikerkette innehat. Er leitet ein Unternehmen mit 13.000 Beschäftigten in Deutschland. Ich wünsche ihm dazu ein glückliches Händchen. Dann haben seine Mitarbeiter einen sicheren Arbeitsplatz und Deutschland Steuereinnahmen.
Welche Rolle in Deutschland Familienunternehmen spielen zeigt folgende Quelle. (klar: Lobbyverband).
Trotzdem denke ich, dass es Fakten sind, dass die Zahl der Beschäftigten in Familienunternehmen in den letzten Jahren stärker stieg, als in DAX-Konzernen, und dass familiengeführte Unternehmen oftmals längerfristig orientierte Entscheidungen treffen als börsennotierte (und damit auch börsenkursgetriebene) Unternehmen.
Der letzte Satz stimmt doch nicht. Oder war Biontech nicht bahnbrechend?
Was stimmt ist, dass es in Deutschland im Vergleich sehr aufwendig ist, eine Firma zu gründen. Ich würde das aber nicht auf fehlende Motivation oder zu viel Gleichheit zurückführen, sondern vor allem auf regulatorische Hürden und eine Mentalität in der Bevölkerung, die Risiken scheut und hinter einer gescheiterten Firmengründung dann einen gescheiterten Menschen sieht. Zudem wird glaube ich die Start Up-Szene in den USA gerne romantisiert: hinter den meisten Gründungen stecken keine „Tellerwäscher“, sondern Leute, die von ihren Eltern gut mit Geld und Kontakten ausgestattet wurden.
Damit die arme Hälfte Vermögen aufbauen kann, muss sie mehr Einkommen haben als sie zum Lebensunterhalt brauchen. Und eine Veränderung der Einkommensverteilung nennt man nunmal Umverteilung.
btw: Genaugenommen baut die Hälfte ohne Vermögen ja Vermögen auf - nur nicht das eigene.
Punktuell ist meines Erachtens eine an Unwahrheit grenzende Untertreibung. Kinder gutverdienender Eltern haben es durch die Bank leichter. Ob nun Bildung, Gesundheit, Karriere oder Vermögen. Studien der jeweiligen Institutionen (OECD, IAB, WHO, RKI, DIW) zeigen einen klaren Einfluss auf alle diese Lebensbereiche.
Ich finde nebenbei auch das Argument einer „Neiddebatte“ merkwürdig, das von Merz und Co. immer wieder vorgebracht wird. Natürlich darf man neidisch sein auf Leute, die, ohne was dafür zu tun, qua Erbe zu Millionären werden. Bin ich auch! Weil das eben fucking ungerecht ist.
Man sollte die Debatte um Chancengleichheit nicht mit dem Totschlagargument einer „Neiddebatte“ abkanzeln dürfen.
Kann die Gedanken verstehen. Leider wenn es schon solche Reiche gibt, die alles von dein Zuhause zu Schulplätzen (Beispiel USA oder Privatschulen) gehören, werden auch Menschen mit Ehrgeiz, Produktivität und Leistungswillen schnell runter gedrückt. Einem wird Meritokratie als Kind verkauft, aber man kann kaum ein WG Zimmer in der Nähe seiner Schule mieten, wärend die Reichen unglaublich viel Geld von ihrem Vermögen für Null Effort bekommen. Wir können einfach nicht so produktiv und so viel Leistung in einem gesunden Arbeitstag machen, um diese Spalte zu schließen. Sie wird immer größer.