Ulf sagte: „Die Schere geht immer weiter auseinander, die Armen werden ärmer, die Reichen werden reicher.“
Dieser Satz wird gesagt, als sei er eine absolute Wahrheit. Gewichtige Stimmen widersprechen inzwischen. Wäre mal spannend, die Faktenlage für Deutschland wissenschaftlich zu klären.
"We’re frequently told,” he writes, that “we live in an age of inequality.” But when you look at the most recent global data, that turns out to be false: In fact, “the world is growing more equal than it has been for over 100 years.”
Ich hab die beiden Artikel jetzt nicht gelesen, hatte die Äußerung in der Lage aber ohnehin so verstanden, dass es um die Situation in Deutschland geht. Und hier ist die Entwicklung bei der Einkommensverteilung eindeutig, zumindest bis 2019 (aktuellere Zahlen konnte ich auf die Schnelle nicht finden):
Bei der Vermögensverteilung sieht es etwas anders aus: Diese ist zwar in letzen 10-20 Jahren nicht noch schlimmer geworden, aber auch nicht viel besser: Die „ärmsten“ 50 Prozent der Bevölkerung sind auf der Grafik mal gerade so eben zu erkennen, aber fast das gesamte Vermögen gehört der reicheren Hälfte:
Hab den ersten Artikel jetzt gelesen, der zweite ist paywalled.
Im Grunde genommen bestätigt er, dass die Finanz- und Coronakrise in den USA zu einer Zementierung des Reichtums geführt haben.
Löhne blieben stabil oder sanken, Reiche wurden reicher.
Der Autor zitiert einen Experten der davon ausgeht, dass in Zukunft Löhne steigen werden und der American Dream wieder möglich wird.
In Deutschland sieht man jedoch, dass das bei hochqualifizierten Jobs (zumindest gerade) funktioniert, im Niedriglohnsegment aber keinerlei Druck auf die Wirtschaft besteht, Löhne anzuheben. Das wird in den USA erst recht auch in Zukunft der Fall sein.
Global gibt es natürlich gerade in Schwellenländern gerade Wachstum, was zu höheren, oder überhaupt ersten festen Einkommen, führt. Die langfristigen Schäden der Natur für diese Regionen müssen aber eingepreist werden. Die treffen traditionell die Armen härter.
Die Zahlen von vor 2019 kenne ich auch, das war allerdings vor der Pandemie und der starken Inflation. Die Hypothese ist ja, dass Geldvermögen durch die Inflation entwertet werden und Immobilienvermögen in weiten Teilen durch den demographischen Wandel an Wert verlieren, während der Fachkräftemangel die Löhne in den unteren Bereichen stärker ansteigen läßt.
Die Frage wäre, ob die bestehende Umverteilung ausgeweitet oder an die neue Situation angepasst werden muss. Gezielte Steuerung könnte auch durch Vermögensbesteuerung vorgenommen werden
Allerdings sind Hypothesen über etwas, das passieren/passiert sein könnte etwas gänzlich anderes als „die Faktenlage für Deutschland wissenschaftlich zu klären“, also eine verizierte Beschreibung des Ist-Zustandes. Wenn Du da etwas belastbare Zahlen kennst als die hier genannten, bin ich sehr gespannt. Ohne diese finde ich den von Dir präsentierten „Widerspruch“ keineswegs überzeugend.
Es ist allerdings schon passiert, hier einige Zahlen.
„omit wurden rund 6,1 Millionen Jobs unterhalb der Niedriglohnschwelle von 12,76 Euro brutto je Stunde entlohnt. Dies waren rund 1,5 Millionen Jobs weniger als im April 2022 (7,5 Millionen). Der Anteil der niedrig entlohnten Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen sank somit bundesweit innerhalb eines halben Jahres von 19 % auf 15 %.“
Ich sage nicht, dass alles schon gut ist. Pauschal zu sagen, dass es immer schlimmer wird (die Schere geht weiter auseinander) halte ich für nicht korrekt.
Immobilien werden nicht an Wert verlieren. Wohnraum wird immer knapper, allein schon deshalb, weil der Wohnraum pro Person immer mehr zunimmt. Die Häuser, die frei werden, werden derzeit vor allem von privaten Wohnbaugesellschaften gekauft. Auch das zementiert die Situation weiter.
Die Befragung der Bundesbank ist von 2021.
Ansonsten trifft die Inflation die besonders, die nicht in Sachwerte investieren können. Auch sind Lebensmittel und Energiekosten besonders stark gestiegen. Auch das trifft Arme besonders.
Der Mindestlohn zeigt ja, wie prekär die Situation im Niedriglohnsektor ist. Diese Leute bekommen keinen Inflationszuschlag auf den Lohn, müssen aber trotzdem die Preissteigerungen stemmen.
Bitte keine gefühlten Wahrheiten präsentieren. Die immer weitere Öffnung der „Schere“ ist in der Tat eine schlichte Tatsache, wie auch in diesem Diskussionsfaden jetzt schon mehrfach belegt wurde. Wir haben in diesem Forum absolut keine Toleranz für Desinformation.
Viel sinnvoller ist die Frage, die du oben in einem Nebensatz aufgeworfen hast, nämlich welche Mittel gegen die extrem ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen sinnvoll sind. Da kann man in der Tat fragen, ob die bisherige Methode, praktisch ausschließlich beim Einkommen anzusetzen, nicht ebenso ineffektiv wie ein Stück weit unfair gegenüber Menschen ist, die tatsächlich viel leisten. Da haben Union und FDP mE einen Punkt: Wir verteilen derzeit nämlich weit überwiegend über die Einkommenssteuer um, und jedenfalls Erwerbs-Einkommen ist oft (nicht immer) hart verdient. Für Zinseinkommen gilt das zwar nicht immer - aber das ist mittels der sog. Abgeltungssteuer bei der ESt. ohnehin privilegiert …
Stattdessen könnte man auch auch beim leistungslosen Wohlstand ansetzen, beispielsweise bei der Erbschaftssteuer (die derzeit de facto überwiegend weniger reiche Menschen zahlen!) oder bei der Vermögenssteuer (weil Vermögen zum weit überwiegenden Teil nicht verdient, sondern vererbt wird). Meinem ethischen Verständnis entspricht es jedenfalls eher, wenn der Staat einen Anteil von Vermögen verlangt, für das die verpflichtete Person nichts getan hat, als wenn der Staat von hart verdienten Euros einen Anteil abzwackt.
Nur wollen CDU und FDP gleichzeitig am Status der Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer nichts ändern. D.h. weniger EInnahmen beim Staat wegen verringerte Einkomemnssteuer, aber kein Ausgleich woanders, plus Schuldenbremse.
Sorry, ich habe mit Branko Milanović einen sehr renommierten Wissenschaftler zitiert, der dies auch in sehr angesehen Outlets (Atlantic, Politico) beschrieben hat.
Er sagt er hat sich die Zahlen angeschaut, mir liegen sie leider nicht vor. Wenn diese Diskussion im Forum als Desinformation oder gefühlte Wahrheit gilt, ist es nicht mehr der Ort für offenen Diskurs, den ich mag.
Ich kann aber auch nicht klar ausschließen, ob Milanović Desinformation verbreitet, dafür fehlt mir die Zeit.
Zum Gini-Index gibt es inzwischen aktuellere Zahlen. Laut dieser Statistik (wenn sie seriös ist) ist die Einkommensverteilung 2022 in Deutschland gerechter gewesen als sie noch 2010.
Es ist sicher interessant zu beobachten, dass die Einkommensverteilung 2022 beser geworden ist. Würde mich interessieren, was da die Ursachen sind - Mindestlohn? Corona-Hilfen?
Allerdings macht ein einzelnes Jahr noch keinen Trend. Die mittelfristige Tendenz zeigt doch nach oben. Und Veches oben angegebene Grafik zeigt auch, dass der 2022er Gini-Koeffizient noch wesentlich höher liegt als 2000. Ich wäre daher vorsichtig, hier „cherry picking“ zu betreiben.
Wenn die nächsten zwei, drei Jahre eine weitere Senkung mit sich bringen, wäre ich bereit, eine Trendwende einzugestehen. Jetzt ist es dafür noch etwas zu früh.
Tatsächlich wäre es aber interessant herauszustellen, was es mit dem vergleichsweise massiven Abfallen des Gini-Koeffizienten 2022 auf sich hat: gibt es dafür eine Erklärung und wie ist diese in Bezug auf die Entwicklung der Ungleichheit zu interpretieren?
Er hat aber gar nicht spezifisch zu Deutschland geforscht. Ihn als Experten für die Situation in Deutschland zu zitieren, und nur darum ging es im Podcast, ist zumindest irreführend.
„Insgesamt gibt es laut Reichenliste 226 Milliardärinnen und Milliardäre in Deutschland – und damit 14 Milliardäre mehr als noch im Vorjahr. Ein enormer Zuwachs, ebenso wie bei den jeweiligen Vermögen, die unter den Top 500 um insgesamt 82 Milliarden Euro auf knapp 1,1 Billionen Euro stiegen.“
Denke mal irgendwo dürfte sich dann aich nochwas über den Anstieg des Bedarfs bei den Tafeln finden und dann hätte man den Beleg für den Satz erbracht.
3 von 10 Tafeln haben einen Aufnahmestop.
Bei 7 von 10 Tafeln stieg die Zahl der Rentner, bei 4 von 5 die Zahl der ALGI und ALGII-Bezieher, 3 von 4 stellen einen Zuwachs der Niedriglöhner fest. Bei den Studenten ist der Zuwachs bei immerhin fast 30%.