LdN 384 - Umverteilung: Geht die Schere wirklich auseinander?

Das ist schon schlimm und wird wohl noch schlimmer. Ich sehe derzeit auch keine politischen Willen daran ernsthaft etwas zu ändern. Es gibt einfach keine Partei mit wirklichem sozialem Umverteilungswillen außerhalb des Stimmenfangs im Wahlkampf. Viele Politiker wollen natürlich auch nicht gegen die eigene Blase arbeiten. Zudem hat Geld schon immer mehr direkten Einfluss auf die Politik.

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Was mich wundert ist, das es nicht zu viel mehr Einbrüchen kommt. Wenn ich am Existenzminimum leben würde, wäre es für mich persönlich die direkteste und einfachste Form der Umverteilung von Oben nach Unten. Wenn ich mir anschaue wie die Aufklärungsquote ist (und hier zählen schon Tatverdächtige), ist die Gefahr doch recht gering erwischt zu werden.

Die Aufklärungsquote liegt bei knapp 20%. Wobei der Amateur-Einbrecher ohne entsprechende Erfahrung wohl weit häufiger zu den 20% gehören wird als der Profi-Einbrecher :wink: Zumal der Amateur oft auch mit sehr spärlicher Beute aus der Sache gehen wird.

Und wirst du erwischt, wird’s haarig. Denn seit der Strafrechtsreform 2017 ist der Wohnungseinbruchsdiebstahl kein Vergehen mehr, sondern ein Verbrechen mit Strafrahmen von 1-10 Jahren.

Kurzum:
Nein, es wundert nicht, dass es nicht mehr Einbrüche gibt. Da gibt es sowohl im legalen Bereich als auch in den Grauzonen und vor allem in der Kriminalität Bereiche, die ein wesentlich besseres Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweisen… Einbrechen ist schon eine Straftat, die vergleichsmäßig viel Wissen, einen hohen Organisationsgrad (Ausspähung und Durchführung) und starke Vernetzung (für das Absetzen der Beute) erfordert. Das ist nichts, was der Mensch am Existenzminim mal eben so macht - und damit Erfolg hat…

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Die Aufklärungsquote ist wie oben geschrieben nicht die Quote der erfolgreichen Festnahmen sondern lediglich dass es Verdächtige gibt. Was Hierunter fällt und wie hoch die wirkliche Quote ist an Verurteilungen konnte ich nicht finden. In eine Fremde statt fahren und in der entsprechenden Gegend eine Scheibe mit einem Stein einschlagen und den Fernseher/Laptop mitgehen lassen ist jetzt auch nichts was hoch kompliziert ist. Zu Geld machen ist dank Kleinanzeigen jetzt auch kein Problem bei Gegenständen die nicht hoch individuell sind. Sony Fernseher in Köln geklaut und in Düsseldorf angeboten und schon bekommt keiner die Verbindung hin.

16,1%: „die Aufklärungsquote ist mit nur 16,1 Prozent nach wie vor relativ niedrig“ - Einbruch-Statistik: Polizeiliche Kriminalstatistik 2022 (polizei-dein-partner.de)

Die "einfachste Form der Umverteilung dürfte aber wohl eher der Ladendiebstahl sein, da man da einen anonymen, gesichtslosen Konzern beklaut. Da ist die Aufklärungsquote auch nur 6,1%.

In den USA sehen wir, wie weit das gehen kann… Zustände die ich mir nicht für Deutschland wünsche.
Armutsproblem der USA: Ladendiebstahl-Epidemie im Land des Überflusses (t-online.de)

Auch die Daten der EU Kommission zeigen, dass das Verhältnis zwischen den höchsten und den niedrigsten Einkommen in Europa und in Deutschland zurückgeht, also gerechter wird. (Ungleichheit der Einkommensverteilung - S80/S20 Einkommensquintilverhältnis)

Ist ein zweiter Indikator, der neben dem GINI-Index herangezogen wird.

Hier die Quellen:
https://data.europa.eu/data/datasets/ouid4bxzjkohbp0alxxmxq?locale=de

Also entweder du trägst den geklauten Fernseher (der nebenbei einen miserablen Gebraucht-Verkaufswert hat) über etliche Straßen - oder du parkst mit deinem Auto direkt vor dem Einbruchsziel. Ich weiß nicht, was der sicherere Weg ist, erwischt zu werden - dumm ist jedenfalls beides. Vor allem für den wie gesagt mickrigen Verkaufswert von Gebrauchtelektronik. Zumal auch Fernsehgeräte eine Seriennummer haben, die der Bestohlene sich möglicherweise notiert hat (z.B. bei der Online-Registrierung des Gerätes, die bei vielen Smart-TVs nötig ist, um alle Funktionen zu nutzen). Und schon sieht es mit der Rückverfolgbarkeit ganz anders aus.

Als jemand, der in seiner Jugend selbst mal u.a. wegen ähnlicher Delikte auf Bewährung war (vor 25 Jahren mittlerweile…), finde ich es immer wieder interessant, wie leicht sich Menschen, die nie kriminell waren, die Kriminalität vorstellen…

Wer ohne vorheriges Ausspähen und ohne Vorbereitung (z.B. gestohlene Kennzeichen) in eine fremde Stadt fährt und in der Nacht eine beliebige Scheibe einschlägt, um den Fernseher rauszutragen, wird vermutlich schon am Widerstand der geweckten Bewohner scheitern, wenn er Glück hat wird er beim ersten oder zweiten Mal nicht erwischt, aber nachhaltig ist das Ganze sicherlich nicht. Wie gesagt, das Nutzen-Risiko-Verhältnis ist katastrophal schlecht. Kriminalität lohnt sich - wenn überhaupt - nur, wenn man es professionell angeht… (und ist moralisch natürlich immer abzulehnen, aber das nur der Vollständigkeit halber…)

Aber lass uns vielleicht besser wieder zum ursprünglichen Thema zurückkehren. Kriminalität sieht hier wohl hoffentlich niemand als sinnvolles Werkzeug, um die Schere zu schließen :wink:

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Deine Quelle sagt:

So stieg der Gini-Koeffizient der verfügbaren Einkommen, also die Ungleichheit, vor allem in Malta, Grie-
chenland, Deutschland und Portugal um mehr als einen Punkt (in der letzten Spalte von Tabelle 2a rot hervorgehoben), während Luxemburg durch besonders erfolgreiche Umverteilung hervortritt.

Tabelle 2b zeigt zudem, dass dieser S80/S20-Wert in Deutschland von 2019-2021 um 0,01 abgenommen hat, also tatsächlich besser geworden ist. Ich wage aber zu behaupten, dass das in irgendeiner Weise signifikant ist, und man höchstens von einer Stagnation sprechen kann. Leider werden keine Unsicherheiten angegeben.
Der Autor schreibt zudem:

Als Datenbasis dienen die Haushaltsbefragungen von EU-SILC, die das verfügbare Einkommen von ca. 130.000 Haushalten erheben. Damit stellen sie die beste verfügbare empirische Grundlage dar, auch wenn man davon ausgehen muss, dass die tatsächliche Ungleichheit höher ist, da die Befragungen am unteren und oberen Rand der Einkommensverteilung wenig repräsentativ sind.

Ich würde zudem gerne wissen, wie das Einkommen bestimmt wird, also Lohn vs. Anlageeinkünfte.

Tabelle 3 zeigt auch, dass die „Vermögensverteilung als Anteil der reichsten 10 Prozent“ in Deutschland in diesem Zeitraum (2019-2021) um 0,21% zugenommen hat, die Reichen also mehr des Gesamtvermögens halten.
Zudem hat sich in Deutschland das Armutsrisiko um 3,4% zugenommen; das ist eine Zunahme um mehr als das Doppelte als im nächst-schlechteren Land (Spanien: 1,6%). Der EU-Durchschnitt ist +0,6%.

Das alles sind nur bis nach der Pandemie und der Autor verweist auf die kommenden Daten. Für die Entwicklung seitdem stellt er aber fest

Die Inflation und die hohen Energiepreise treffen alle Menschen, belasten aber arme besonders. So gaben 2015 Haushalte im untersten Einkommensquintil über 7 Prozent ihres Einkommens für häusliche Energie aus. Dieser Anteil sinkt auf etwas über 4 Prozent für das reichste Quintil (Blake/Bulman 2022). Auch steigende Lebensmittelpreise treffen ärmere Haushalte stärker, da sie einen höheren Anteil ihres
Einkommens für Ernährung ausgeben.

Und schon in der Zusammenfassung auf Seit 4 des PDF steht:

Innerhalb der Länder haben staatliche Schutzmaßnahmen die Auswirkungen der beiden Krisen abgeschwächt. In der Pandemie gelang das halbwegs. Für die aktuelle Krise steht der Befund noch aus, aber die Inflation dürfte die Realeinkommen der ärmeren Bevölkerungsteile hart getroffen haben. Für die EU-weite Ungleichheit ergibt sich in der Pandemie ein Stopp der seit 2015 zu beobachtenden Einkommenskonvergenz, während die Inflation 2022 die nominale Konvergenz eher beschleunigt
haben dürfte.

Ich will dir nicht zu nahe treten, aber es wirkt auf mich, als hättest du hier Cherry-picking bei der Auswahl der Evidenzen zur Unterstützung deiner These betrieben. Es wäre schon gut, wenn du deine eigene Quelle wenigstens so weit überflogen hättest, dass du siehst, dass sehr wohl eine Aufteilung nach Ländern stattgefunden hat.

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Wer sich nochmal vertieft damit beschäftigen möchte, wie es armen Menschen in Deutschland geht und warum es fatal ist, Geringverdiener gegen Bürgergeldempfänger gegen Geflüchtete auszuspielen, während die wirklich reichen Familien nicht gefordert werden, sei dieses Interview mit der wunderbaren Helena Steinhaus von Sanktionsfrei https://sanktionsfrei.de/ empfohlen.
Hyperpolitik Podcast

Übrigens: Nicht wenige sehr reiche Unternehmerfamilien in Deutschland sind in der Nazi-Zeit an ihr Vermögen gelangt… siehe Braunes Erbe https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/541128/braunes-erbe/

Immer wenn man zulässt, dass zu gering Verdienende gegen Bürgergeldempfänger oder Migranten ausgespielt werden, lässt man zu, dass die unfassbar Reichen im Land unbehelligt bleiben…

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Das SOEP wird allein schon mit einem jahr Verspätung überhaupt veröffentlicht DIW Berlin: SOEP-Core v35 (Daten 1984-2018)

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In der letzten Folge wurde wieder vom weiteren Auseinanderdriften von Arm und Reich geredet. Die zentrale Argumentation von Sahra Wagenknecht gegen die etablierten Parteien. Dabei ist die Einkommensverteilung 2022 weniger ungerecht als noch 2010 (Gini-Index) und die reichsten 10% der Haushalte besitzen weniger vom Gesamtvermögen als noch 2010 (PHF).

Ich finde es schwierig wenn alle das wiederholen, obwohl zentrale Indikatoren dagegen sprechen. Die Vermögensverteilung ist krass ungerecht und ich bin sehr für eine gerechtere Verteilung von Vermögen, aber man darf auch nicht suggerieren, dass alles trotz Bemühungen in der Politik immer schlimmer wird.

Quellen:

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Leider sieht man die Quelle nur als angemeldeter User.
Die offizielle Seite zeigt noch keine Zahlen von 2022.Auch ist der Wert immer noch auf hohem Niveau. Und ob die Senkung ein Strohfeuer ist, bleibt auch abzuwarten.

Die Quelle ist nur in der englischen Version verfügbar.

Da finde ich nichts, wenn ich nach „gini“ suche.

Das ist die offizielle Seite:

Und da hören die Zahlen für Deutschland mit 2020 auf.
Wo hat also das statistische Bundesamt seine Zahlen her?
Wie stellst du sicher, dass jedes Jahr die gleiche Datenbasis verwendet wurde?
Wie willst du garantieren, dass in die Berechnung auch genug Faktoren eingegangen sind, um ein realistisches Bild zu erzeugen?

Ich habe im Radio gehört, das in Deutschland seit Wegfall der Vermögenssteuer gar nicht mehr erfasst wird, wer welches Vermögen besitzt. Insofern frage ich mich gerade, in sofern das stimmt, auf welcher Grundlage diese Studien entstehen? Umfragen finde ich hier schwierig, da die Leute gerade was ihr Vermögen angeht eventuell wenig interesse daran haben bzw. einen genauen Überblick darüber haben wie ihr Vermögen wirklich aussieht. Was ist mein Hsus oder Wagen aktuell Wert. Wie sieht es mit Grundbesitz aus. Oder auch arme Menschen beschönigen eventuell Ihre Situation da Sie eh schon schwierig genug ist.

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Genau das war ja der wissenschaftliche Diskurs, der im Podcast besprochen wurde:

Die Bundesbank sage: „Die Fachleute der Bundesbank untersuchten auch die Ungleichheit in Deutschland. Die Ungleichheit hinsichtlich des Nettovermögens hat sich auch zwischen 2017 und 2021 leicht reduziert“

Diese Aussage stützen sie auf ihre empirische Untersuchung. Erfahrene Wissenschaftler versuchen in solchen Erhebungen Verzerrungen herauszurechnen.

Im Podcast wurde hingegen die These vom Auseinanderdriften der Vermögensverhältnisse aufgestellt. Es wird also die Empirie der Bundesbank wegen unzureichender Methodik angezweifelt und eine alternative These mit Studien untermauert, die von Annahmen ausgehen. Das hat ja Ulf Buermeyer auch offen so gesagt.

Das ist ein ganz normaler Wissenschaftlicher Diskurs. Wichtig ist nur, dass die Studien die Empirie anzweifeln methodisch sehr gut sind und einen Peer-Review durchlaufen. Man darf nur nicht suggerieren, dass es empirische Sicherheit beim Auseinanderdriften der Vermögen gibt, das kam mir im Podcast eben zu kurz.

Zu Einkommen geht der Index hoch: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/arbeitseinkommen-100.html

Es fällt mir wirklich schwer zu glauben, dass er für Vermögen aktuell sinkt.

Siehe auch hier https://www.t-online.de/finanzen/aktuelles/wirtschaft/id_100112468/die-schere-zwischen-arm-und-reich-in-deutschland-die-kluft-wird-sich-vertiefen-.html#hat-sich-die-ungleichheit-verschaerft

https://www.instagram.com/p/CippA6jNJUW/?igshid=MTc4MmM1YmI2Ng==

2 Anmerkungen zu deiner These, das es kein Auseinanderlaufen von Arm und Reich gibt:

  1. Das wohlhabenden Menschen immer reicher werden, ist die eine, einzige Kernmechanik des Kapital-ismus. Darum heißt er ja auch so. Zu behaupten, dass es diese Kapitalakkumulation nicht gäbe, bedürfte schon etwas mehr als nur ein bisschen Statistik-Bastlerei.
  2. Speziell in Deutschland kann diese Debatte sogar noch schlechter geführt werden, da die reichen Deutschen ihr Vermögen nirgendwo angeben müssen, wie dieses Video der Anstalt gut erklärt:
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Die SPD lebt:

Möglicherweise wirbt hier bereits der vernünftige Teil der SPD um die von Wagenknecht erlöste Linke und die letzten linken Grünen. Liest dich jedenfalls gut und würde gesamtgesellschaftlich Deutschland gut tun.

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Die Nachricht seh ich wohl, doch mir fehlt der Glaube.

Mit wem als Partner will die SPD das durchsetzen? MIt der FDP sicher nicht. Und wer überzeugt den Kanzler davon?

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