Israel & Nahost-Konflikt - Folgen in und für Deutschland - Demonstrationen

Nach der Definition der International Holocaust Remebrance Alliance ist Antisemitismus „eine bestimmte Wahrnehmung von Juden (…)“. Das ist schon der Kern, auf den es ankommt: Eine, ganz bestimmte Sicht dominiert, anstatt die jeweilige Person in ihrer Unterschiedlichkeit und Individualität wahrzunehmen. Wer sich über jüdische Menschen eine Meinung bildet, die von ihrem Judentum abgeleitet wird anstatt von ihrem konkreten persönlichen Verhalten, handelt antisemitisch.

Antisimetismus ist also extrem vereinfacht gesagt eine Art Rassismus gegen Juden. Israel =/= Judentum. Israel ist ein Staat mit einer Regierung. Kritik an diesem Staat, egal wie unberechtigt ist erst mal kein Antisemitismus. Erst wenn man Juden mit Israel gleichsetzt wird es antisemitisch. So wie die Idioten, die gerade in Deutschland Juden angreifen, weil man sie für die Taten Israels verantwortlich macht.

Ich halte es aber für extrem schädlich Kritik an Israel mit Antisemitismus gleichzusetzen, da der Begriff „Antisemitismus“ dann komplett an Bedeutung verliert. Es ist normal, dass man andere Staaten kritisiert. Wenn dann aber jeder der Israel kritisiert direkt als antisemit bezeichnet wird, hören die Menschen auf den Begriff ernst zu nehmen, und da wo es tatsächlich zu Antisemitismus kommt verliert man die Unterstützung.

Zu dem FFF Beitrag: Man kann durchaus die Aussagen von ihnen kritisieren. Ich will hier auch nicht sagen, dass sie Recht haben. Nur sind FFF auch nicht die ersten, die den Begriff Arpartheid verwenden, den hat auch schon Amnesty International verwendet. Sie haben auch in keinem der Bilder den Begriff Jude oder Judentum verwendet. Klar kann es sein, dass das Team hinter dem social media account antisemitisch ist und jetzt ihre Chance gesehen hat gegen die Juden vorzugehen, das kann aber keiner von uns wissen. Und ich denke es tut uns im Diskurs gut erst mal davon auszugehen, dass das Gegenüber ignorant ist, bevor man ihm direkt Bösartigkeit unterstellt. Und nicht gleich mit dem Wort „Antisemitismus“ als Allzweckwaffe um sich zu schmeißen, um den Gegenüber zum schweigen zu bringen. Stattdessen sollte man ruhig auf die Punkte eingehen und erklären, warum sie so nicht stimmen.

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Selbstverständlich handelt es sich bei beiden Vorwürfen um ganz klassische Topoi des israelbezogenen Antisemitismus. Grundsätzlich hat die Formel des großen Antisemitismus-Historikers Léon Poliakov, Israel sei „der Jude unter den Staaten“ bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren.

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Vorab: Das Israel =/= Judentum ist keine Frage, es ist auch nicht jeder Jude Israeli.

Wenn Du Dir den verlinkten Beitrag und weitere Unterlinks durchliest, wirst Du u.a. folgendes lesen, was meiner Meinung nach Deiner Interpretation widerspricht.

Zum einen die 5 Anwendungsmerkmale:

  1. Aberkennung des Existenz- und Selbstbestimmungsrechts Israels
  2. Vergleich bzw. Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus
  3. Anlegen anderer Maßstäbe an Israel als an andere Länder
  4. Verantwortlichmachen von Juden aus aller Welt für das Regierungshandeln Israels
  5. Bezugnahme auf Israel oder Israelis mit antisemitischen Bildern, Symbolen oder Floskeln.

Und die IHRA-Definition wurde seitens der Bundesregierung erweitert um: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“

Insofern kann auch Kritik an Israel als Staat Antisemitismus sein, was natürlich nicht bedeutet, dass jede Kritik an Israel, israelischer Politik direkt Antisemitismus ist.

Wie oben ausgeführt ist für mich die Grenze zu Antisemitismus überschritten, wenn man Israel vorwirft, dass sie einen Genozid an den Palestinensern beabsichtigen. Das ist nämlich exakt die Umkehr der Wirklichkeit, da es die Hamas (und andere extremistische Organisationen) sind, die ihrerseits offenen den Tod aller Juden und die Vernichtung des Staates Israel fordern. Israel tut dies nicht in Bezug auf die Palestinenser.

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Tolles Interview in der aktuellen Lage 354! Laura Cazés von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) bestätigt, dass Antisemitismus strukturell stets vorhanden ist und nicht speziell mit Flüchtenden nach Deutschland kommt/gekommen ist.

Glaubt ihr das eigentlich jemand? Das ist klassisches dog whistling, wie aus dem Lehrbuch. Eine Krake in einem Post über Israel und dann will’s wieder keiner gewesen sein? Oh come on, I have a bridge to sell you.

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Das ist wieder die große Frage, wie man solche Dinge bewertet.

Grundsätzlich bin ich geneigt, den juristischen Blick anzuwenden und dem Betroffenen im Zweifel die am wenigsten belastende, nachvollziehbare Erklärung abzunehmen. Daher glaube ich zumindest Greta Thunberg, dass sie glaubte, dass das Plüschtier Autismus ausdrücken soll.

Ob die Person, die das Plüschtier aktiv auf dem Knie hatte (die junge Frau hinter Greta) hier vielleicht andere Gedanken hatte, würde ich nicht ausschließen.

Hier muss man schon - auch, wenn man davon ausgeht, dass die Krake als antisemitisches Symbol verwendet wurde - differenzieren, wer dafür die Verantwortung trägt, sei es durch das aktive Einbringen des Symbols in das Foto oder dadurch, dass man dessen Bedeutung kannte und die Verwendung gut geheißen hat.

Es sind daher folgende Szenarien möglich:

  1. Greta Thunberg wusste ob der Bedeutung des Symbols oder hat gar aktiv darauf hingewirkt, das Symbol im Foto zu platzieren.
  2. Die abgebildete Aktivisten wusste oder der Bedeutung des Symbols und hat es bewusst verwendet, Greta Thunberg erkannte das Symbol nicht.
  3. Alle Beteiligten wussten nicht ob der Bedeutung des Symbols und meinten tatsächlich etwas anderes damit.

Von diesen Optionen finde ich tatsächlich 2) am realistischsten.

Dass es bei FFF - wie in wohl leider absolut jeder größeren Gruppe der Gesellschaft - auch Antisemiten gibt, ist denke ich unbestritten. Die Frage muss doch daher sein: Sind bei FFF mehr Antisemiten als in der durchschnittlichen Gesellschaft? Und tut FFF etwas gegen diesen Antisemitismus?

Dass es dort mehr Antisemitismus gibt als im Rest der Gesellschaft glaube ich nicht. Da die Aktivisten im Schnitt eher jünger sind, wird es dort jedoch mehr unreflektierte Positionen zu komplexen politischen Fragen geben, dh. z.B. mehr Menschen, die sich ohne Hinterfragen auf die Seite des „Underdogs“ stellen. Ob FFF genug gegen Antisemitismus tut, wird sich nun zeigen.

Kurzum:

  1. Wir sind uns wohl einig, dass es ein Fehler war, ein Kraken-Plüschtier auf einem Foto zum Gaza-Konflikt zu verwenden - selbst wenn es für Autismus stehen sollte. Alleine wegen des Anscheins.
  2. Es ist gut möglich, dass zumindest die Aktivistin mit dem Plüschtier auf dem Knie es bewusst als antisemitisches Symbol verwendet hat, aber es ist nicht klar, ob Grata Thunberg diese Bedeutung kannte.
  3. Dieses Bild zeigt vermutlich einmal mehr, dass Antisemitismus überall ein Problem ist und FFF sicherlich nicht frei davon ist, aber ich wäre vorsichtig, die gesamte Bewegung auf dieser Grundlage zu verurteilen. Es könnte auch nur der Fehltritt eines Mitgliedes und die Unkenntnis der anderen Beteiligten sein.
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Hier wird dem ganzen umfänglich nachgegangen:

"Ist der Post antisemitisch?
Ja, bei genauerer Betrachtung wird die Intention des Posts deutlich. Trotzdem hat t-online den Antisemitismusexperten Uffa Jensen nochmals um eine Bewertung des Posts gebeten. Jensen ist stellvertretender Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Er sagt: „Dort wird eine extreme Sichtweise auf Israel mit einer antiimperialistischen Verschwörungstheorie über die Macht der Medien verbunden.“

Der Post bedient sich ganz offensichtlich klassischer Elemente antisemitischer Verschwörungsideologie. Jensen sagt: „Hier wird dem Einzelnen suggeriert, seine Meinung werde fremdbestimmt und durch dunkle Medienmächte gelenkt.“
Auch im Gesamtbild zeigt der Post offen antisemitische Tendenzen. „Die gesamte Intention der Posts läuft auf eine Dämonisierung Israels und auf Verschwörungstheorien hinaus. Die Verfasser müssen sich deshalb in der Tat fragen lassen, wie sie es mit dem Antisemitismus halten“, so der Experte in seiner abschließenden Einschätzung."

Zur Verteidung:
„Die Recherche zeigt, dass der X-Account der Gruppe von weniger als 12 Aktivisten verwaltet wird, denen jegliche demokratische Legitimierung innerhalb der Bewegung fehlen soll. Die Inhalte des Profils sollen zuvor in einer kleinen Telegramgruppe besprochen werden.“

Zwar hat sich FFF Deutschland von FFF International distanziert, aber m.M.n reicht das nicht. Es muss eine Abspaltung geben um Glaubwürdigkeit zu erzeugen.

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Soweit ich weiß, ist FFF keine Organisation, sondern eine Bewegung.
Ich denke, FFF Deutschland hat sich deutlich genug distanziert.

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Natürlich ist Antisemitismus in jeder Gesellschaft strukturell vorhanden. Ich halte es aber mittlerweile für falsch, muslimischen Antisemitismus nicht auch direkt zu adressieren. Nicht weil er schlimmer wäre, sondern weil es strukturelle Unterschiede gibt. Wenn Erdogan z.B. die Hamas als „Freiheitsbewegung“ bezeichnet direkt nach dem Massaker, dann hat dies einen riesigen Impact auf die deutsch-türkische Community. Viele liberale Muslime (z.B. Eren Güvercin) reden sich seit Jahren die Münder fusselig darüber, was für antisemitischer Mist in vielen Moscheen verbreitet wird. Diskussionen darüber abzuwürgen mit dem Hinweis, dass es in der weißen, nicht-migrantischen Gesellschaft auch genug Antisemitismus gäbe, ist kontraproduktiv.

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Die Gründungsmitglieder sind längst bei Extinction Rebellion oder der Letzten Generation engagiert, FFF Deutschland hat immer weniger Resonanz auf seine Proteste, neue Mitglieder generieren sie quasi gar nicht mehr. Insofern ist die Abspaltung nur eine Frage der Zeit. Für die Demonstrationsformen mag das eine schlechte Nachricht sein.

Ich finde es seltsam, dies als Verteidigung zu sehen, wie es schon @Daniel_K gemacht hat. FFF gibt es ja nicht erst seit gestern und von daher sollten Social Media Auftritte mittlerweile professionell ablaufen. Wie kann bei dieser Größe so etwas unkontrolliert raus gehauen werden. Das darf keine Entschuldigung sein, vor allem da dafür zu wenig deutliche Gegenreaktionen kommen. Wenn FFF keine antisemitische Grundtendenz hat, müssen diese 12 Personen aus der Organisation ausgeschlossen werden und die Aussendarstellung vernünftig organisiert werden.

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Wieso ist die Kritik an der Barbarei der Hamas (übrigens keine islamische, allenfalls eine islamistische, vom Iran instrumentalisierte, Menschen- und insbesondere frauenverachtende Truppe) eigentlich einer Staatsraison geschuldet? Warum soll es nicht sinnvoll sein, öffentlich zu protestieren, da dies angeblich sowieso der Staatsraison entspricht? Ist es nicht vielmehr eine demokratische, eine menschenrechtliche, eine menschliche Raison? Bitte kurz mal nachdenken, bevor solche Begriffe ins Feld geführt werden!

Damit wäre nahegelegt, dass es hier eher um Nichtwissen geht und damit wäre es kein antisemitistisches Symbol im Kontext des Bildes. Man kann natürlich diskutieren, ob andere Personen das Kuscheltier dort bewusst platzierten, wie @Daniel_K hier suggeriert, aber auch hierfür gibt es weder Belege noch hinweise.

Es sollte auch nicht unterschlagen werden, dass es sich bei dem Plüschtier um ein beliebtes Emoji aus der Populärkultur handelt. Wenn man nach Beschreibungen dafür sucht, findet man beispielsweise

Die ganze Diskussion darüber ist völlig unsinnig. Denn wie wir aus Antisemitismus erkennen (siehe BPB Quelle) gelernt haben, können antisemitisch gedeutete Aussagen (und sicher auch Bilder) sowohl tatsächlich antisemitisch, wie auch eben nicht antisemitisch sein und man müsse sich den Kontext des Sprechers ansehen.

Hier [gemeint ist Israelkritik vs Antisemitismus] bedarf es jeweils eines differenzierten Blickes auf die Hintergründe der jeweiligen Akteure, erfolgen doch ähnlich klingende Aussagen mitunter aus antisemitischen wie nicht-antisemitischen und damit unterschiedlichen Grundpositionen heraus.

Lasst uns bitte abrüsten. Antisemit ist zurecht eine der schärfsten und folgenreichsten Schmähungen, die die deutsche Sprache kennt. Wenn allerdings jeder Pups oder jede Unbedachtheit damit betitelt wird, normalisiert sich die Bedeutung und irgendwann heißt es nur noch „Na und?“.

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Wenn nach 14 Demonstrationen mit brennenden Autos und „Tod den Juden“- Rufen die 15. Demo verboten wird, finde ich es richtig das zu verbieten. Juden trauen sich schon jetzt in Deutschland kaum mehr auf die Straße. Dieses Land ist getränkt mit dem Blut von Juden. Wir dürfen nicht zulassen, dass hier auf offener Straße wieder zu ihrer Vernichtung aufgerufen wird.

Das ist wichtig, das immer wieder zu betonen.
Gewalt gegen Juden muss mit aller Härte angegangen werden. Antisemitismus, und das ist Gewalt gegen Juden in Deutschland fast ausschließlich, darf keinen Platz haben.
Auch wenn Israel im Krieg ist, ändert sich daran gar nichts.
Vor allem macht man dann genau die Entscheidung nicht, die man sonst für sich selbst gerne einfordert: der Staat Israel ist ein Staat und die Juden in der Welt sind eine Religionsgruppe.

Auch ohne die Unterscheidung kann man natürlich Menschen nicht in Kolllektivhaft nehmen. Keine Russen in Deutschland angehen, weil ihr weit entfernter Staatschef einen Angriffskrieg führt. Keinen Türken angehen, weil man Erdogan für einen Despoten hält, keine Eritrea-Fest-Besucher mit Steinen bewerfen, weil das Fest mit Diktatoren-Geld bezuschusst worden sein könnte usw

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Vielleicht liegt das Problem ja auch darin, Antisemitismus vor allem als „Schmähung“ zu betrachten, also als einen Vorwurf, der vor allem erhoben wird, um jemand anders zu schaden. Das impliziert ja auch, dass Antisemitismus eigentlich eine Ausnahme, etwas sehr Außergewöhnliches ist und nur in sehr seltenen und besonders krassen Fällen überhaupt auftaucht. Die Antisemitismusforschung - und auch die darauf basierenden, hier vorgestellten Definitionen von Antisemitismus - sagen aber genau das Gegenteil: antisemitische Denkweisen sind durchaus weit verbreitet, und zwar in unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen Milieus, bei Menschen mit unterschiedlichen ethnischen, kulturellen oder religiösen Hintergründen sowie bei Menschen mit hoher und niedriger formaler Bildung. Zwei Punkte sind zudem noch wichtig: Zentral ist nicht ob eine Person „Antisemit“ ist (das würde bedeuten, dass die Denkweise dieser Person entscheidend von Antisemitismus geprägt ist, wie es etwa bei führenden Verteter:innen der Nazis oder der Hamas der Fall ist), sondern ob antisemitische Denkweisen, Symboliken etc. verwendet, transportiert oder verbreitet werden. Da dies auch unbewusst geschehen kann, spielt auch die Intention nur eine zweitrangige Rolle. Stattdessen geht es um die Frage, wie bestimmte Begriffe, Symbole, Denkweisen etc. wirken. Dafür ist es erst einmal unerheblich, ob diese Wirkung bekannt oder gar intendiert ist. Was ich hier formuliert habe sind wie gesagt mehr oder weniger die Basics der Antisemitismusforschung. Aus meiner Sicht wäre die Diskussion sehr viel fruchtbarer, wenn wir uns auf diese Basics einigen könnten, anstatt hier mit völlig subjektiven und in der Regel unbegründeten Annahmen darüber zu handtieren, was Antisemitismus ist - bzw. eigentlich eher was alles nicht Antisemitismus ist.
Auf den konkreten Fall FFF bezogen heißt das: Eine kleine Gruppe von Personen kontrolliert einen Social-Media-Account - der als Sprachrohr einer weltweiten Bewegung wahrgenommen wird. Diese Gruppe veröffentlicht dort regelmäßig Postings mit eindeutig antisemitischem Sinngehalt (Begriffe, Symbole, Narrative etc.) und aus der genannten Bewegung gibt es (mit Ausnahme der deutschen Sektion) keinerlei wahrnehmbaren Protest dagegen. Das so zu benennen sollte nun wirklich nicht kontrovers sein.

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Du machst es dir hier zu einfach.

Zum einen ist bei weitem nicht jede Pro-Palästinensische Demonstration eskaliert, hier in NRW gab es einige, die nicht mal in die Nachrichten gekommen sind (Überraschung: In die Nachrichten schaffen es die Demonstrationen, die eskalieren, nicht die, die friedlich bleiben - das Resultat ist ein falscher Bias, dass alle Demonstrationen eskalieren würden; das gleiche Problem haben wir in der Flüchtlings-Berichterstattung: In die Nachrichten schaffen es die Geflüchteten, die schwere Straftaten begehen, die anderen hingegen kaum…).

Zum Anderen war es selbst bei den eskalierten Demonstrationen so, dass fast immer eine gewisse Minderheit mit Gewalt oder Vernichtungsparolen aufgefallen ist, während der Großteil der Demonstrationen friedlich war. Würden wir deinen Maßstab an alle Demonstrationen anlegen, müssten wir einen großen Teil aller „aufgeheizten“ Demonstrationen verbieten.

Juristisch gilt hier ganz klar, dass die Behörden zuerst einmal gegen die Störer vorgehen müssen, sie können nicht gegen die gesamte Demonstration vorgehen, weil es Störer auf der Demonstration darauf anlegen, die Demonstration zu eskalieren. Und hier wäre die richtige Forderung, mit einer massiven Polizeipräsenz und - in diesem Fall nach den meisten Versammlungsgesetzen zulässiger - Videoüberwachung auf Demonstrationen die Täter festzustellen und mit repressiven Maßnahmen zu überziehen. Daher: Wird mit vielen Volksverhetzungen oder Gewaltstraftaten gerechnet muss der Fokus darauf liegen, die Täter zu ermitteln und zu bestrafen, statt die ganze Demonstration zu verbieten.

Du gewichtest das Demonstrationsrecht viel zu gering. Ja, es ist unerträglich, antisemitische Parolen auf solchen Demonstrationen zu sehen, genau so wie es unerträglich ist, Nazis durch die Straßen ziehen zu sehen. Aber in beiden Fällen gilt: Überschreitet es die Grenze des legalen (insb. Volksverhetzung), muss dagegen polizei- und strafrechtlich vorgegangen werden, nicht primär versammlungsrechtlich.

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Nein, ich finde Du machst es Dir zu einfach. Ich kenne kaum mehr Juden in Berlin, die überhaupt noch unter ihrem echten Namen irgendetwas tun. Wir werden von einer Welle des Antisemitismus überrollt. Die Demonstrationen sind nahezu ausnahmslos sehr aggressiv und zeigen fast immer offenen eliminatorischen Antisemitismus. Das können wir nicht dulden. Vor allem nicht in diesem Land, wo jeder Zentimeter mit dem Blut von Juden getränkt ist.
Höre mal den Opfern und den Marginalisierten zu. Und Juden sind sowohl heute als auch historisch wohl die marginalisierteste Gruppe überhaupt.

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Ich bin sicher, dass @Daniel_K das tut.
Und für alle anderen nochmal Empfehlung des tollen Interviews mit Laura Cazés in der aktuellen Lage.

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Ich bewerte die Situation in aller erster Linie juristisch - und in dieser Bewertung ist das Demonstrationsrecht einfach eines der höchsten Güter, die in einer Demokratie existieren.

Du bewertest die Situation in aller erster Linie moralisch - und in dieser Bewertung ist der Schutz einer historisch und auch gegenwärtig ständigen Anfeindungen bis zum Genozid ausgesetzten Gruppe eines der höchsten Güter.

Die moralische Wertung fließt letztlich auch in die juristische Bewertung ein, wird daher schon berücksichtigt, aber eben nicht „absolut“ gesetzt.

Darüber hinaus haben wir das Problem unterschiedlicher Wahrnehmungen, wie schon im großen Nahost-Thread: Du neigst dazu, die Gesamtheit der Demonstrierenden (im Nahost-Thread Palästinenser) zur Verantwortung für den - definitiv existenten - Extremistenanteil zu ziehen, ich neige dazu, strikt zwischen „den Extremisten“ und „den Friedlichen“ zu trennen. Da werden wir auch auf keinen gemeinsamen Nenner kommen können, wenn du z.B. den Palästinensern jegliches Recht absprichst, ihre Opfer öffentlich auf Demonstrationen zu beklagen, weil selbstverständlich jede dieser Demonstrationen auch Extremisten anzieht, die diese Bühne für Antisemitismus nutzen.

Für dich verläuft die Grenze zwischen Gut und Böse zwischen „Juden“ und „Palästinensern“, für mich verläuft die Grenze zwischen Gut und Böse zwischen „Zivilbevölkerung“ und „Extremisten“.

Auch da haben wir unterschiedliche Sichtweisen: Du erkennst nur die deutsche Verantwortung für die Juden an, da Deutschland zweifellos mit der Schoah großes Leid über die Juden gebracht hat. Ich erkenne zudem die Verantwortung gegenüber den Palästinensern an, weil die Schoah auch dazu geführt hat, dass der Nahost-Konflikt überhaupt in dieser Form entstehen konnte. Hätte Deutschland damals keinen Genozid verübt, hätte sich die Situation in Nahost vermutlich gänzlich anders entwickelt.

Auch hier unterscheiden wir uns vor allem dadurch, dass du nur die Juden als Opfer und Marginalisierte betrachtest, während ich auch das Leid der Palästinenser berücksichtigen möchte - denn diese sind auch Opfer und extrem marginalisiert.

Ich erkenne das Leid der Israelis an und ich erkenne das Leid der Juden in Deutschland an, mit Antisemitismus konfrontiert zu sein (und ich habe auch schon Gespräche mit Juden in Deutschland geführt, heck, ich hatte hier auch mal einen jüdischen Mitbewohner, mit dem ich mich regelmäßig über diese Themen unterhalten habe). Die Gegenfrage aber wäre: Erkennst du das Leid der Palästinenser an? Erkennst du das Leid derjenigen an, die die in Deutschland leben und in den Nachrichten von Bombardements ihrer Heimat hören?

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