Antisemitismus erkennen

Hallo!
Anknüpfend an Euer Interview mit Ronen Steinke aus der Folge204 würde ich mir wünschen, dass Ihr das Thema nochmal aufgreift.

Philip fragt in der Folge, wo sich Antisemitismus im Alltag zeigt. Ich stelle in den Diskussionen der letzten Wochen fest, dass diesbezüglich viel Unwissenheit herrscht. Viele fragen sich verblüfft, warum den diese oder jene Aussage mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird. Fängt bei Precht an, geht über Fridays For Future bis hier ins Forum.

Als gute Grundlage für Aufklärung zu antisemitischen Codes und Metaphern halte ich z.B.:

Bundeszentrale für politische Bildung

Amadeu Antonio Stiftung mit z.B. dieser Broschüre.

Diese können auch unbewusst weitergetragen werden. Vielleicht erkennt man sich sogar selbst manchmal (ich schon).

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Ich würde dazu noch ergänzen ein Handbuch zur weit verbreiteten Arbeitsdefinition Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA)
https://iibsa.org/de/handbuch-zur-ihra-arbeitsdefinition-von-antisemitismus/

sowie Berichte von Meldestellen für antisemitische Vorfälle, die sowohl beim Gaza-Krieg im Sommer 2021 als auch seit dem 7. Oktober jeweils einen markanten Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland registiert haben:

https://iibsa.org/de/neue-publikation-mobilisierungen-von-israelbezogenem-antisemitismus-im-bundesgebiet-2021/

Die Beschreibung der einzelnen Vorfälle macht z. T. sehr anschaulich, um welche Ausprägungen von Antisemitismus es sich dabei handelt und in welchen Situationen Jüd:innen davon betroffen sind.

Hat ja nur 2 Stunden gedauert. In der neuen Folge kommt es direkt vor. Wir hatten offensichtlich den gleichen Gedanken.
Vielleicht könnt Ihr ja bald nochmal explizit auf die Codes und Metaphern eingehen.

Also ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen, dass antisemitisch alles ist was man Israel (vorwirft, ergänzt Moderation).

Man kann jedem Staat der Welt Genozid vorwerfen und ein Diskussion auslösen ob es wirklich Genozid ist oder nicht.

Bei Israel löst man keine Diskussion aus, sondern wird als Antisemit abgestempelt.
… Abs. gel. Mod.)

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Nein, nicht alles wird als antisemitisch abgestempelt. Ich finde z.B. Ulfs und Philips Einlassungen absolut nachvollziehbar und „unverdächtig“. Aber man muss natürlich erstens sensibel mit dem Thema umgehen, zweitens bereit sein, sich unbewusste Stereotype etc. bewusstzumachen, und drittens darauf achten, welcher Sprache man sich bedient.
Viele hier im Forum verteidigen die leidenden Palästinenser und sehen Israels Vorgehensweise durchaus kritisch.

Der Vorwurf des Genozids geht wirklich zu weit, Olaf. Israel will zum Selbstschutz die Hamas zerstören. Ganz sicher haben sie nicht die Absicht, das palästinensische Volk auszulöschen. Man sollte sicher kritisch hinterfragen, ob Israels Vorgehensweise selbst über das Ziel hinausschießt. Aber Völkermord zu unterstellen, ist absurd.

Ich verweise an dieser Stelle gern auf das außerordentlich lehrreiche und berührende Interview in der Lage 354. Vielleicht hilft es, auch Empathie mit den Juden zu entwickeln.
Wir brauchen Empathie für beide Seiten. Die „Bösen“ sind die Hamas. Nicht die Palästinenser, nicht die Israelis.

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Wirklich?

"Genocide, the deliberate and systematic destruction of a group of people because of their ethnicity, nationality, religion, or race. "

Und da legen wir jetzt drüber, dass Israel (nicht „die Juden“ sondern „der Staat“) die Wasserversorgung eingestellt und nur nach internationalem Druck wieder zugelassen hat.

Aber im Endeffekt ist das nicht der Punkt den ich hier machen will.

Es geht mir darum, dass jedweder Vorwurf um Bruch des Völkerrechts bei jedem Staat der Welt zu Diskussionen anhand von Fakten führt ob oder ob nicht. Bei Israel führt jedweder Vorwurf um Bruch des Völkerrechts erstmal zu Antisemitismusvorwürfen.

Israel will sicher nicht systematisch die palästinensische Bevölkerung vernichten.

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Antisemitismus ist auch, wenn in einer Diskussion über Antisemitismus Deutsche als größtes Problem ausmachen, dass ihnen aus ihrer Sicht zu Unrecht Antisemitismus vorgeworfen wird.

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Du schreibst selbst:

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gazastreifen demnächst einfach nicht mehr existiert. Die Israelis wissen, dass sie kein Flächenbombardement im Sinne der Irak Invasion über Gaza ergehen lassen können, aber dass sie nun Strom und Wasser abschalten zeigt, dass die Nöte der zivilen Bevölkerung in ihren Kalkulationen hinten anstehen.
Lösungsvorschlag zum Nahost Konflikt - #3 von WayneS

Wäre das so, wäre das Genozid.

Üben wir doch einmal was wir gelernt haben. Antisemitismus erkennt man also an den drei D.

  1. Dämonisierung Israels: trifft hier offensichtlich nicht zu
  2. "Delegitimation Israels: Kann ich im Beitrag von @Olaf.K auch nicht erkennen
  3. Doppelstandards: ja um Doppelstandards ging es bei Olaf tatsächlich. Tatsächlich anders als bei der Definition verlangt, denn es geht eher um eine bevorzugte Behandlung Israels gegenüber anderen Staaten, an denen problemlos Kritik geäußert werden kann.

An welcher Stelle machst du nun Antisemitismus aus? Oder ist das eher so ein Gefühlsthema, in dem jeder brandmarken kann was ihm nicht gefällt.

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Mein Themenvorschlag war: wie erkennt man Antisemitismus? Was ist kein Antisemitismus, aber wo beginnt er?

Diskutiert wird leidenschaftlich, dass Israel einen Genozid betreibt….

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Und ich will eigentlich gar nicht darüber diskutieren ob Israel das will oder nicht will.

Ich will darauf hinweisen, dass jegliche Debatte darüber was Israel will mit Hinweis auf Antisemitismus abgewürgt wird.

Im Grunde kann man jegliche Debatte um Israel und Völkerrecht damit beenden, dass es kein Völkerrechtsbruch sein darf, sobald es um Israel geht.

Geh doch mal einen Schritt zurück aus deiner Blase und betrachte die Gegenrede zu jedweder Äußerung die nicht aus Blanco Scheck für Israel besteht.

Sei es Guterres, Thunberg, FFF oder was gerade sonst so durch die Medien geistert.

Alle dürfen sie sich erstmal anhören sie seien Antisemiten, die Argumente die sie vor bringen werden gar nicht zur Kenntnis genommen, sondern nur danach abgeleuchtet ob man "Antisemitismus " rufen kann.

Und hier gibt es dann auch gleich den Beweis:

Wenn man sich also gegen Antisemitismusvorwürfe verteidigt und darstellt, warum das nicht antisemitisch ist, ist man genau deswegen Antisemit…

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Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: Greta und der Oktopus

Danke Olaf, dein Punkt ist jetzt denke ich mehrfach gemacht, bitte lass es damit auch mal gut sein.

Eigentlich sollte es in diesem Thread ja darum gehen, welche Definition von Antisemitismus hilfreich sein könnte. Ich fände eine Diskussion der 3-D spannend. Insbesondere der letzte Punkt (Doppelstandards) ist sehr problematisch, weil er zum Whataboutism einlädt.

Außerdem wäre mir ein Anliegen, dass es eine Antisemitismus-Definition schafft, politische Kritik an Israel zuzulassen. Hier hat Olaf nämlich durchaus einen Punkt. Ein zentraler Faktor bei der Beurteilung einer Definition von Antisemitismus ist daher aus meiner Sicht, dass sie es möglichst schwer macht, unberechtigte Antisemitismus -Vorwürfe zu erheben.

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Ich denke, die Zusammenstellung der Codes und Metaphern soll nicht dazu dienen, jemanden Antisemitismus nachzuweisen. Nach dem Motto: hier habe ich einen Punkt in der Liste gefunden, deswegen bist du Antisemit.

Und der Vorwurf, antisemitische Stereotype zu verbreiten, heißt nicht automatisch, dass man Antisemitismus vorwirft.

Bewusster Antisemitismus funktioniert aber eben auch über Codes, die gesetzt werden. Deswegen sollte man sie kennen.

@vieuxrenard Ich habe noch nicht ganz verstanden, warum du den Punkt Doppelstandards für problematisch hältst.

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Klassisches Beispiel dazu wäre wohl die missglückte Aussage Prechts in der Talkrunde mit Lanz… manche antisemitische Stereotype sind leider so fest in der Gesellschaft verankert, dass sie genutzt werden, ohne dass einem überhaupt bewusst ist, dass sie antisemitisch sind.

Dabei gilt, dass man dann natürlich gegen diese Stereotype vorgehen muss (mit Aufklärung usw.) und nicht gegen diejenigen, die sie - aus Unwissen - verwenden. Die müssen lediglich darauf hingewiesen werden (und an der Reaktion darauf sieht man dann auch oft, ob Antisemitismus vorliegt…).

Das Problem am Argument mit Doppelstandards ist, dass es eine enorme Nähe zum Whataboutism hat, letztlich ist es ein Whataboutism. Nach dem Motto: „Warum wirfst du diese Menschenrechtsverletzung Israel vor, aber nicht dem Iran“. Man muss etwas negatives in Israel auch kritisieren können, ohne jedes Mal eine Liste aller Fälle anzuhängen, in denen dieses Problem anderswo auf der Welt ebenso vorliegt.

Zumal der Grund, warum Dinge an Israel, Deutschland oder den USA kritisiert werden, die man jetzt im Iran oder China nicht kritisiert, oft ist: Weil wir tatsächlich an das Handeln von Demokratien höhere Erwartungshaltungen haben - und das ist auch okay. Ich meine, wir wissen alle, dass es im Iran oder in Nordkorea mit den Menschenrechten nicht weit her ist, hier also einen spezifischen Verstoß anzuprangern ist quasi eine Binse - wir wissen es alle, wir erwarten (leider) auch nichts anderes.

Dazu kommt, dass man in aller Regel auch nicht den gleichen Maßstab anlegen kann, weil die Bedingungen unterschiedlich sind. Mit anderen Maßstäben zu messen ist auch aus diesem Grund oft sinnvoll. Zum Beispiel lege ich an Israel und Südkorea bewusst (für die Länder positive) andere Standards an als an Deutschland oder Frankreich, wenn es um die Frage der Überwachung der Bevölkerung geht, weil ich respektiere, dass Länder wie Israel oder Südkorea, die an verfeindete Staaten grenzen, andere Sicherheitsbedürfnisse haben als Deutschland oder Frankreich.

Das Argument der Doppelstandards ist daher aus vielen Gründen oft problematisch, vor allem, weil es ein Whataboutism ist, aber auch, weil unterschiedliche Standards nicht immer Doppelstandards sind, sondern es oft gute Gründe dafür gibt.

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Ich möchte gerne noch eine alternative Antisemitismus Definition mit auf den Weg geben. Sie wurde von 800 Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Diszipinen und Überzeugungen entwickelt wurde. Die sogenannte JDA Jerusalem Declaration of Antisemitism ist sehr klar und nicht so vage wie die HRA Definition.

Antisemitism is discrimination, prejudice, hostility or violence against Jews as Jews (or Jewish institutions as Jewish).**

Die Kritik an einer israelischen Regierung ist NICHT perse antisemitisch.

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Nicht fas ich diesen Punkt unterstützte aber wieso ist eine Delegitimation des jetzigen Staates Israel Antisimitisch? Ich kann doch dem Staat Israel, in der jetzigen Form, und der Art der Gründung seine Daseinsberechtigung absprechen und gleichzeitig das Judentum voll okay finden. Das wäre so als wenn ich mit der Abschaffung des Vatikan direkt den katholischen Glauben abschaffen möchte, was jawohl auch Niemand so sehen würde. Ich finde die Verknüpfung zwischen einem Staat und einem Glauben extrem schwierig. Gerade wenn es darum geht das diese in den Grundzügen in Ihrer Auslegung so stark variieren. Wer den Film Unorthodox gesehen hat weiß das es auch im jüdischen glauben Varianten gibt die man durchaus kritisch sehen kann. Und auch die Siedlungspolitik von Israel ist etwas das man durchaus kritisieren kann. Wieviele der 3-D müssen den gegeben sein um eine Aussage als Antisemitisch gelten zu lassen.

Die Amadeu Antonio Stiftung schreibt dazu:

Dem kann man natürlich entgegen halten, dass anderen religiösen oder ethnischen Gruppen (z.B. jeder Religion oder den Kurden) auch das Recht, in Sicherheit in einem eigenen Staat leben zu können, regelmäßig abgesprochen wird. Andererseits muss man die Einzigartigkeit der Schoah und jahrhundertelangen Diskriminierung der Juden im Exodus berücksichtigen, die wohl nach herrschender Ansicht ein besonderes Schutzbedürfnis gerade für diese Gruppe konstituiert. Dem würde ich mich tendenziell auch anschließen.

Absolut, ich würde sogar sagen, dass man das stets und ausdauernd kritisieren muss, weil es eben ein massiver Bruch des Völkerrechts ist, der den Nahost-Konflikt immer weiter anheizen wird und Fakten dahingehend schafft, dass eine Zwei-Staaten-Lösung immer weniger denkbar wird, es daher aktiv die Chancen der Palästinenser auf ihren eigenen Staat reduziert. Aber man sollte es eben nicht zum Anlass nehmen, dem Staat Israel das Existenzrecht als Ganzes zu entziehen.

Es ist möglich, Israel zu kritisieren, ohne das Existenzrecht Israels abzuerkennen.

Dabei musst du dir die Frage stellen, was die Konsequenz dieser Position ist.

Ja, du kannst die aktuelle Form des Staates Israel (z.B. die Justizreform, die Siedlungspolitik) und die Art der Gründung (die mit der Vertreibung vieler Palästinenser einher ging) kritisieren, aber wenn du Israel deshalb die Existenzberechtigung absprichst, bedeutet das letztlich, dass du 9 Millionen Menschen, die dort leben (davon 6-7 Millionen Juden) heimatlos machen würdest. Denn dass es für die 6-7 Millionen Juden nicht zumutbar ist, in einem palästinensischen Staat zu leben, liegt auf der Hand. Was also wäre die Konsequenz, wenn Israel kein Existenzrecht hat? Ein zweiter Exodus, eine zweite Verstreuung in die ganze Welt? Ich denke tatsächlich, das sollte man nicht fordern, weshalb ich das Existenzrecht Israel tatsächlich als unabdingbar ansehe und verstehen kann, warum man die Ablehnung dieses Existenzrechts im Hinblick auf die Konsequenzen, die damit verbunden wäre, als antisemitisch betrachtet.

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Das checke ich ehrlich gesagt nicht. Die Vermeidung von Doppelstandards ist m.E. zum einen ganz zentral für die Glaubwürdigkeit. Zum anderen sind Doppelstandards, wenn sie systematisch angewandt werden - und nur darum geht es m.E. - ja durchaus ein Erkennungszeichen für z.B. Rassismus, racial Profiling etc.
Beispiel Racial Profiling: wenn ein Polizist immer nur Türken kontrolliert und alle anderen Nationalitäten (systematisch) nicht, dann ist es ja kein Whataboutism, wenn ein Türke das anprangert, auch wenn das Gesetz diese Kontrollen grundsätzlich zulässt.

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