In Kapitel 2 dieses Aufsatzes legt Floris Biskamp dar, wann Israelkritik als antisemitisch anzusehen ist.
Dazu schreibt er mit Hinblick auf das Beispiel BDS:
„Dass BDS auf die Delegitimierung Israels als jüdischer Staat zielt, habe ich im ersten Teil dargelegt: Auch wenn die offiziellen Forderungen vage gehalten sind, könnte Is- rael sie nur um den Preis der Selbstaufgabe umsetzen. Der Vergleich Is- raels mit Apartheids-Regime, der für BDS konstitutiv ist, zielt ebenfalls auf eine De- legitimierung – ein Apartheidsregime kann nie legitim sein. Dieser Vergleich zielt dabei regelmäßig nicht nur auf eine bestimmte Regierungspolitik, sondern auf die Existenz Israels als jüdischer Staat.
Mit diesem Vergleich ist ebenfalls schon die Grenze zur Dämonisierung überschritten. Noch deutlicher gilt dies für die Gleichset- zung der israelischen Politik mit der des Nationalsozialismus, die bei BDS üblich ist – in der Rede von Gaza als „concentration camp“, von „ghettos“ und „genocide“.
Dass Israel von BDS an Doppelstandards gemessen wird, ist völlig offenkundig: Kein anderes Land der Welt ist einer vergleich- baren Kampagne ausgesetzt, die auf eine ökonomische, politische und kulturelle Iso- lierung einer ganzen Bevölkerung zielt. Je- doch kann Israel kaum als der schlimmste Menschenrechtsverletzer der Welt gelten, so dass dieser einmalige Umgang letztlich nur dadurch zu erklären ist, dass Israel als jüdischer Staat an anderen Maßstäben ge- messen wird als andere Staaten“
Er führt das dann noch an weiteren Definitionen genauer aus. Ist insgesamt sehr lesenswert.
Übrigens: Wer das völkerrechtlich verbriefte Recht Israels in Verbindung mit dem Wort Genozid bringt, dem empfehle ich, milde formuliert, einen Blick in die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords der Vereinten Nationen. Dort gibt es eine Genozid-Definition, wobei klar werden sollte, dass Israel keine der dort gelisteten auch nur im Entferntesten erfüllt.
Man kann Israel übrigens relativ problemlos kritisieren, man sollte dies aber so tun, wie man es bei anderen Staaten auch tut: man kritisiert Akteure und sägt nicht am Fundament des Staates. Wer Israel als Apartheidsstaat oder als koloniales Projekt bezeichnet, ignoriert eimerweise Kontext zu Ungunsten Israels und delegitimiert einen Staat anstatt Akteure zu kritisieren. Außerdem sollte man sich immer bewusst machen, dass Jüdinnen und Juden von ihren Feinden stets mit Israel assoziiert werden. Man kann beides also auch nicht so einfach voneinander trennen, wie es manchen offenbar lieb wäre. Wenn im neuesten LdN Interview davon berichtet wird, dass Jüdinnen/Juden in Angst leben, dann sind das ja nicht alles Staatsbürger Israels, die sich vor Israelkritik fürchten, sondern Jüdinnen/Juden, die Angst vor antisemitischen Gewalttaten haben.