CO2 Bepreisung

Da stimme ich zu. Mit einem globalen Zertifikatshandel und Verteilung pro Person wird dies meiner Meinung nach aber genau erreicht. Die praktischen Probleme bei der Umsetzung sind dabei natürlich nicht zu vernachlässigen.

Den Sinn von zusätzlichen Beschränkungen pro Person habe ich immer noch nicht verstanden. Es trägt meiner Ansicht nach nicht zum Klima bei. Zur Gerechtigkeit trägt es nur bei, indem es restriktiver ist.

Ich finde es fragwürdig, Gerechtigkeit nur durch Verschlechterung bei der bessergestellten Gruppe herbeizuführen. Stattdessen sollte man globale Bemühungen anstellen, die Reichen stärker zu beteiligen und eine vernünftigere Wohlstandsfunktion als die Summe zu optimieren.

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Wenn die 5. Ferienvilla auch als Investition gezählt wird, wäre das aber falsch einsortiert.

Ich glaube, die Kapitalströme sind gemeint.
Seht euch die Zusammensetzung von Fonds an. Nur als Beispiel.
Aber wir kommen vom Thema ab.

Ich habe mir nochmal über die von @Margarete ins Spiel gebrachte Obergrenze des CO2 Budgets pro Person Gedanken gemacht.
Bei den im Artikel von @less_ink verlinkten Zahlen würde ich zwar auch gerne besser verstehen, wie Emissionen von Investitionen zugeordnet werden, aber ich nehme sie hier trotzdem mal als Grundlage - auch weil sie grob zu dem passen, was ich in anderen Quellen gelesen habe.
Demnach emittiert das reichere Drittel der Bevölkerung mehr als der Durchschnitt, die ärmeren zwei Drittel weniger. Ein Emissionshandelssystem mit pro Kopf Auszahlung würde also selbst bei leichter Verknappung der Zertifikate zunächst dazu führen, dass die ärmere Hälfte der Bevölkerung vmtl. weiter so emittieren kann wie zuvor und sogar mehr Geld in der Tasche hat als vorher.
Werden nun die Zertifikate knapper, kommt es darauf an, was die „Reichen“ tun. Sparen sie CO2, steigt der Zertifikatspreis nur moderat an. Für die „Armen“ ändert sich in Summe wenig. Allerdings finanzieren die Reichen vmtl. mit ihren Sparmaßnahmen viele klimafreundliche Technologien. Sparen die Reichen nicht, weil es z.B. für viele Flüge kaum CO2-neutrale Alternativen gibt, dann steigt der CO2 Preis signifikant an. Für die Armen heißt das, sie können sich etwas weniger Emissionen leisten als vorher, allerdings können sie sich mehr emissionsärmere Konsumgüter leisten, denn es wird massiv Kapital umverteilt. Wer CO2 spart, ist besser dran als vorher.
Wäre der Bedarf bei allen Personen gleich, dann wäre dieses System m.E. top. Da er das nicht ist (siehe z.B. die arme Familie mit Verwandten in Südamerika) können durch einen hohen CO2 Preis aber trotzdem Ungerechtigkeiten entstehen. Um das abzupuffern darf der CO2 Preis nicht beliebig steigen.
Das wäre in der Tat durch eine Obergrenze pro Person (z.B. das doppelte vom Durchschnitt) erreichbar. Theoretisch. Denn wie schon diskutiert wäre das nur mit Methoden umsetzbar, die in einer liberalen Demokratie befremdlich anmuten.
Was der Staat stattdessen tun könnte ist CO2 Emissionen dort begrenzen, wo es zu massiver Verschwendung kommt und diese einfach limitiert werden kann. Ob das jetzt Privatjets oder Vielfliegerei ist muss man sich dann im Detail anschauen. Aber solche Maßnahmen sind m.E. durchaus auch im Einklang mit wissenschaftlichen Studien sinnvoll [1] solange sie zielgerichtet und intelligent sind.
[1]
https://www.annualreviews.org/doi/10.1146/annurev-environ-012220-011104

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Was ich bei solchen Diskussionen auch intetessant finde: vieles lässt sich mit komplexen theoretischen Konstruktionen gut erklären und als Lösungsansatz erläutern.
Mal ein Beispiel: wir stehen am Strand und sehen vor uns einen Tsunami auf uns zurauschen. Jetzt kann man sich hinstellen, und sehr genau erläutern, das durch die Verschiebung tektonischer Platten, dem klimabedingten Anstieg des Meeresspiegels und der Errosion der Küstengebiete es zu solchen Tsunamis kommt und jetzt diskutieren, welche baulichen Massnahmen in Küstennähe sinnvoll wären und ob allgemeine Schwimmkurse verpflichtend sein sollen.
Aber wäre es in der Situation nicht sinnvoller, aktiv zu werden und die Beine in die Hand zu nehmen?
Sprich: wir brauchen beim Klimawandel tiefgreifende Verhaltensänderungen. Erreichen wir diese zeitig genug mit (für den Normalbürger) doch sehr abstrakten ideen wie den CO2 Preis?
Wenn wir das Heizungsgesetz nicht mal verständlich erklärt bekommen?
Als pragmatisches Dorfkind empfinde ich sowas immer als sehr theoretisch…ganz subjektiv.

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Der entscheidende Punkt ist, dass der Effekt von CO2-Reduktion bei Armen und Reichen gleich ist (und somit relativ gesehen bei Ärmeren sogar wirksamer sind).
Betrachten wir eine Person mit durchschnittlichem CO2-Ausstoß. Für diese ändert sich durch die Einführung von CO2-Preis oder diesem Zertifikatssystem eben doch etwas: Die Einsparung von CO2 wird lukrativer.

Ein Produkt, dass vorher teurer und klimafreundlicher war, ist danach relativ billiger als ein Produkt, dass billiger und klimaschädlich war.

Ich bin recht überzeugt, dass der Klimawandel viel zu komplex ist, um ihn mit einfachen Ideen zu lösen.

Ist dir die Essenz des CO2-Preises klar? Vielleicht ist das ein total wichtiger Punkt, dass man diesen Ansatz mal wirklich einfach verständlich erklären muss.

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Der Klimawandel ist sicher komplex. Das was man physikalisch tun muss, um ihn zu stoppen aber m.E. nicht unbedingt. Das komplexe ist es mehrere Milliarden Menschen darin zu koordinieren, das notwendige zu tun.
Vielleicht sollte man das Beispiel mit dem Tsunami eher auf eine Stadt übertragen, die man wegen der nahenden Katastrophe evakuieren muss. Stellt man sich hier einfach auf den Marktplatz und schreit „Rennt!“ oder macht man sich etwas mehr Gedanken?

Mir ist das schon klar, aber der Mehrheit der Menschen auch, so das sie ihr Verhalten entsprechend anpassen?

Naja das „praktische“ am CO2 Preis ist ja gerade, dass ich mir gar nicht groß Gedanken machen muss, ob jetzt der in Deutschland in Lagerhallen gelagerte oder der direkt geerntete aber aus Neuseeland eingeschiffte Apfel den besseren CO2 Footprint hat, sondern ich schaue einfach auf den Preis. Die Verhaltensänderung sollte hier - zumindest bei nicht essentiellen Produkten - relativ automatisch dadurch zustande kommen, dass irgendwann der Geldbeutel leer ist.

Wirkt natürlich schneller bei Menschen mit wenig Einkommen. Die mit nehr oder sehr viel Einkommen gaben da sicher eine höhere Schmerzgrenze…

Genau. Und diesem Effekt wird m.E. durch die oben beschriebene pro-Kopf Rückzahlung relativ gut entgegen gewirkt.

Und wie ist es mit dem Zertifikatshandel? Ist dir klar, dass da dieses Argument (zumindest im theoretischen Setting) nicht entscheidend ist und die Emissionen unabhängig davon beschränkt sind?

Würde mich freuen, wenn wir das auch so fix umgesetzt bekommen. Und ggf etwas mehr kommunizieren und erklären…

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Und wenn wir es überhaupt umgesetzt bekommen :slightly_smiling_face:

Wenn ich diesen Thread richtig verstehe, geht es darum, Anreize für die Vermeidung von CO₂ bzw. CO₂-intensiven Produkten und Dienstleistungen zu setzen.

Kennzeichnung des CO₂-Fußabdrucks einer Ware wäre eine Möglichkeit, die @Margarete vorschlägt. Das setzt allerdings voraus, dass die meisten Menschen vernünftig und im Interesse der Gesellschaft und zukünftigen Generationen handeln. Leider habe ich darauf wenig Vertrauen.

Die Alternativ ist, dass CO₂-intensiven Produkten teurer werden (ebenfalls von @Margarete vorgeschlagen). @mike hält dem entgegen, dass damit Freiheiten eingeschränkt würde. Dieses Argument würde dann aber für sämtliche Maßnahmen des Staates gelten, die die freie Konsum- oder Investitionsentscheidung beeinflussen möchte – egal, mit welchen Mitteln. Damit müsste der Staat sämtlichen Gestaltungsanspruch aufgeben. Das wäre eine extrem libertäre Position, in der der Staat zum Nachtwächter verkommt und der Markt alles regelt. Angesichts des vielfältigen Versagens des Marktes halte ich das für inakzeptabel.

Eine konkrete Ausgestaltung dieses zweiten Vorschlags ist die CO₂-Bepreisung: Waren und Dienstleistungen, in deren Produktion oder Gestellung CO₂ emittiert wird, werden dadurch teurer, dass der Hersteller bzw. Dienstleister für das emittierte CO₂ einen Preis (z. T. pro Tonne) bezahlen muss.

Die CO₂-Bepreisung gibt es ja schon, zum einen über die CO₂-Emissions-Zertifikate (EU-Emissionshandel, ETS) zum anderen über das bundesdeutsche Emissionshandelssystem im Verkehrs- und Gebäudesektor (das m.W. demnächst von einem entsprechenden europäischen Zertifikatesystem abgelöst werden wird).

Ich nehme an, das ist allen soweit bekannt, oder?

Hier werden alle möglichen Aspekte rund um dieses Thema angesprochen und ich fürchte, dabei geht so einiges durcheinander. Ich habe mir daher mal die Mühe gemacht, meinen Kenntnisstand zum Thema in mehreren ausführlichen Beiträgen zusammenzutragen (Achtung: Risiko eines „to long, didn‘t read“ - ich hoffe, ich überfordere Eure Geduld nicht).

CO₂-Preis ändert den relativen Preis

Wesentlicher Wirkmechanismus einer CO₂-Bepreisung ist die dadurch erreichte Veränderung der relativen Preise. Es geht also darum, dass die CO₂-intensivere Alternative im Vergleich zur CO₂-sparsameren Alternative teurer wird.

Das führt dazu, dass alle Menschen – und zwar arm wie reich – eher weniger von CO₂-intensiveren Alternativen und mehr von CO₂-sparsameren Alternativen konsumieren (oder investieren).

Und ja, reichere Menschen haben eine geringere Preiselastizität (Empfindlichkeit gegenüber Preiserhöhungen) als ärmere Menschen. Aber dennoch ist auch deren Preiselastizität nicht null und sie werden reagieren. Je höher der CO₂-Preis, umso mehr werden nicht nur die Armen, sondern auch die Reichen reagieren und sich – aus „Rücksicht“ auf das eigene Portemonnaie – immer klimafreundliche verhalten.

CO₂-Preis ohne Klimadividende ist unsozial

Eine CO₂-Bepreisung gilt zu Recht als unsozial, weil sich reichere Menschen die dadurch erreichte Preissteigerung eher leisten können, wie ärmere Menschen: Die Belastung ist relativ zum verfügbaren Einkommen für ärmere höher (das gleiche Argument wird gegenüber der Umsatzsteuer angeführt). Eine solche Steuer wird dadurch depressiv.

Dem kann mit sog. Klima-Dividende (auch: Klima-Geld) entgegengewirkt werden. Sämtliche Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung werden an jeden Bürger, vom Säugling bis zum Rentner, als Pro-Kopf-Pauschale ausgezahlt (dafür „baut“ das Finanzministerium derzeit – und sehr langwierig – ein „Auszahlungsmechanismus“ … so es das tatsächlich wirklich tut).

Diese Klima-Dividende hat – zusammen mit dem CO₂-Preis – wiederum progressiven Charakter: Ärmere Menschen profitieren davon relativ zu ihrem verfügbaren Einkommen mehr, weil der CO₂-Fußabdruck ärmerer Menschen z. T. erheblich niedriger ist als der von reichen Menschen. Dies führt dazu, dass die Pro-Kopf-„Rückzahlung“ der CO₂-Bepreisung bei Armen höher ist als die Erhöhung der Lebenshaltungskosten infolge der CO₂-Bepreisung, während Reiche über das Klima-Geld weniger zurückerhalten, als sie für die CO₂-Bepreisung zusätzlich ausgegeben haben.

Konterkariert die Klima-Dividende nicht den CO₂-Preis?

Auch wenn dies ein häufig (auch hier) geäußertes Missverständnis ist, bleibt es ein Missverständnis:

Nein, diese Klima-Dividende wirkt dem mit der CO₂-Bepreisung angestrebten Effekt nicht entgegen. Denn die zugunsten der klimafreundlichen Alternativen veränderten relativen Preise werden durch die Klima-Dividende nicht verändert. Zwar erhöht die Klima-Dividende das verfügbare Einkommen von Armen, aber dieses zusätzliche Einkommen wird dann nicht etwa für wieder Klima-schädliche Dinge ausgegeben, weil die ja immer noch relativ teurer sind als die klimafreundlichen Alternativen.

In der Praxis scheitert die Klima-Dividende zum einen daran, dass die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung für andere (meist Klima-) Maßnahmen ausgegeben werden und daher für eine Pro-Kopf-Verteilung nicht mehr zur Verfügung stehen. Siehe dazu den Thread Klimaschutzmaßnahmen, aber fehlender sozialer Ausgleich. Außerdem scheitert sie am fehlenden Auszahlungsmechanismus (und der Weigerung des Finanzministeriums unter der Führung von Lindner, einen solchen unverzüglich zu realisieren). Siehe dazu Thread LdN323 Auszahlung Klimageld u. Bürgergeld

Aber ist der CO₂-Preis nicht trotzdem ungerecht?

Wenn der Staat gesellschaftlich erwünschtes Verhalten über den relativen Preis anreizt (bzw. gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten abschreckt), dann ist das doch ungerecht, weil wohlhabende Menschen ja den CO₂-Preis sich leisten und daher einfach weiter machen können, oder?

Ja, das stimmt. Aber mit dem gleichen Argument ist jedweder Preis unsozial, weil Reiche sich dies eher leisten können als Arme. Das hier vorgeschlagene CO₂-Budget pro Kopf halte ich nicht für praktisch umsetzbar. Eben sowenig den progressiven CO₂-Preis.

Die Alternative wäre, auf die Lenkung über Preise zu verzichten und stattdessen Verbote auszusprechen. Wir haben hier im Forum über diese Fragen in vielen verschiedenen Threads diskutiert. Verbote haben letztlich ganz ähnliche Ungerechtigkeits-Implikationen (siehe aktuelle Heizungsdebatte). Verbote treffen auf sehr viel weniger Akzeptanz als die freie Entscheidung bei veränderten relativen Preisen.

Viel besser wäre es, Armut und unfaire Einkommens- und Vermögensverteilungen erfolgreich zu bekämpfen. Diese würde aber das Thema hier sprengen.

Weiterhin unsozial ist: Arme Menschen können sich zwar den CO₂-Preis nicht leisten, aber sie verfügen gar nicht über die Mittel, in klimaschonendere Alternative (z. B. E-Auto oder Wärmepumpe) zu investieren. Zum einen soll hier die Klima-Dividende (s. o.) helfen. Zum anderen sollte der Staat die Investitionen in klimaschonendere Alternativen fördern. Gestritten wird darüber, ob diese Förderung allen, also auch wohlhabenden Menschen, zugutekommen sollte oder nur denjenigen, die sich solche Investitionen nicht leisten können. Ebenfalls v.a. eine Verteilungsfrage, die das Thema hier sprengen würde.

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CO₂-Preis ohne Klima-Zoll schadet der eigenen Wirtschaft

Damit die CO₂-Bepreisung in der EU nicht dazu führt, dass EU-Unternehmen gegenüber ausländischen Herstellern, die ihre Produkte ohne CO₂-Bepreisung in die EU einführen, einen Wettbewerbsnachteil haben, müssen CO₂-Preis und Klima-Dividende ergänzt werden durch einen sog. Klima-Zoll:

  • Ein CO₂-Grenzausgleichsmechanismus sorgt dafür, dass auf alle importierten Güter und Dienstleistungen ein CO₂-Preis aufgeschlagen wird.
  • Und damit EU-Unternehmen auf den Weltmärkten keinen Wettbewerbsnachteil haben, bekommen EU-Unternehmen beim Export ihrer Güter und Dienstleistungen den anteiligen CO₂-Preis erstattet.
    Dies entspricht im Grundsatz dem Umsatzsteuer-Grenzausgleichsmechanismus, den wir ja schon haben, ist aber im Detail noch mit zahlreichen bürokratischen Hürden und Herausforderungen verbunden. Die EU plant einen solchen jedoch ganz konkret umzusetzen. Konkrete Details kenne ich nicht.

Fazit: Wer CO₂-Preis sagt, muss auch

  • Klima-Dividende und
  • Klima-Zoll

sagen. Das eine geht nicht ohne das anderes.