5% Hürde legal? Kleinstparteien wählen?

Ich verstehe nicht ganz, warum ich nur eine Stimme haben soll, wenn ich die Grünen, SPD, AfD oder CDU wähle. Warum ist es legal, dass Minderheitsmeinungen keine Stimme haben, obwohl jeder Bürgerin und jedem Bürger eine Stimme bei der Bundestagswahl zusteht? Bei knapp unter 5% wären das immer noch etwa 3 Millionen stimmberechtigte, die pro kleinere Parteien ignoriert werden. Es kann ja nicht darum gehen, dass der Bundestag kleiner wird, das ließe sich ja anders regeln.

Und warum darf die CSU, die bundesweit unter „Sonstige“ fällt, Minister stellen, die nachweislich Partikularinteressen Bayerns vertreten? Bundeshaushaltsmittel wurden von Verkehrsministern überproportional nach Bayern verschoben, und Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zahlen für Söders „Ich stecke dir bayrische Fleischgerichte in den Mund“-Kampagnen.

Das passt irgendwie nicht zu meinem Grundverständnis von Wahl und Gerechtigkeit. Verbauen wir uns so nicht die Zukunft? Besonders in Zeiten eines erstarkenden Rechtsextremismus, bei dem jede Stimme für eine Kleinstpartei proportional auf das Konto dieser Parteien einzahlt.
Gab es dazu schon Klagen oder hätte das eine Chance? Mich würde eine rechtliche Einordnung interessieren.

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Diese Diskussionen hatten wir schon zahlreiche Male im Forum.

Zur CDU/CSU-Konstellation:

Zur 5%-Hürde allgemein u.a.:

… und an vielen anderen Stellen.

Grundsätzlich:
Ja, das CDU/CSU-Konstrukt finde ich auch falsch, weil die Politik völlig handlungsunfähig wäre, wenn es plötzlich auch einen SPD-Ableger für NRW gäbe, der dortige Partikularinteressen in Fraktionsgemeinschaft mit der SPD durchsetzen würde, einen Berliner GRÜNEN-Ableger, einen FDP-Ableger in BaWü (wobei die an 5%-Hürde und Direktmandatsanforderung scheitern würden…) usw. gäbe. Es war ein historischer Fehler, dieses CDU/CSU-Konstrukt 1949 zu akzeptieren - aber das kann man jetzt eben nicht mehr ändern, einfach weil es schon 75 Jahre so läuft.

Und ja, über die 5%-Hürde kann man lange diskutieren. Ich denke auch nicht, dass die 5%-Hürde zeitgemäß ist und sehe hier auch das Problem, dass unzählige Stimmen wirkungslos bleiben. Aber wie gesagt: Die Diskussion hatten wir schon so oft…

Rein praktisch betrachtet gilt hier auch:

CDU und CSU sind enorm starke Parteien und bis zur letzten Wahlrechts-Reform galt eigentlich immer, dass Wahlrechtsreformen parteiübergreifend abgesprochen wurden. Also man wollte verhindern, dass z.B. eine SPD-Regierung das Wahlrecht zum Nachteil der CDU verändert und umgekehrt. Deshalb hat sich das CDU/CSU-Konstrukt auch so lange gehalten, weil die Union einer Änderung nie zugestimmt hätte. Und als die Ampel nun versucht hat, es zu ändern, konnte die Union vor’s BVerfG ziehen, welches ihr Recht gegeben hat (was man auch kritisieren kann, aber wie gesagt, das BVerfG war hier auch mit einer 75 Jahre überdauernden Übung konfrontiert…).

Diese praktischen Probleme werden noch deutlicher bei der 5%-Hürde. Über eine Abschaffung entscheiden die Parteien im Parlament, von denen die „Großen“ stets eine gigantische Mehrheit (i.d.R. über 80% der Sitze) haben. Die kleinen Parteien sind entweder nicht im Bundestag vertreten oder mit einer drastischen Unterzahl vertreten, weil sie halt nur 5-10% der Sitze haben… die großen Parteien haben aber ein großes Interesse daran, die 5%-Hürde beizubehalten, also ist es sehr unrealistisch, zu erwarten, dass sie die 5%-Hürde abschaffen. Die einzige Hoffnung zur Abschaffung der 5%-Hürde wäre das BVerfG gewesen, aber das hat die 5%-Hürde leider regelmäßig abgenickt. Auch das kann man kritisieren, aber so ist die politische und rechtliche Lage aktuell eben.

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Liebes Lage-Team,
Mich würde interessieren, wie man bei dieser Bundestagswahl kleine Parteien, wie beispielsweise VOLT unterstützen kann, ohne dabei die AfD zu unterstützen?
Ist es eine verschenkte Stimme, Volt zu wählen? Warum bekommt das BSW mit 1200 Mitgliedern so viel mediales Gehör, während Volt mit 8000 Mitgliedern nirgends eingeladen oder interviewt wird?
Ich fände eure Einschätzung sehr spannend.
Viele Grüße Dirk

Eine Stimme für eine demokratische Partei ist nie verschenkt. Die 5% Hürde ist eben ein Bestandsschutz der etablierten Parteien.

Weil viele Medien seit Jahren Teil des Problems sind. Stichwort: Clickbait
Wagenknecht dürfte als russische Propagandistin schon sehr lange keine Aufmerksamkeit mehr bekommen.

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Das dürfte mit den Umfragen zusammen hängen.

Das BSW hat bei den ersten Landtagswahlen im Osten sehr hohe Ergebnisse eingefahren, sodass es dort zum „Königsmacher“ wurde. Dazu lag es bundesweit in allen Umfragen zu Beginn bei 7-8% (aktuell um 5%), sodass ein Einzug in den Bundestag wahrscheinlich erscheint. Dazu kommt, dass im BSW zumindest ein wenig „politische Prominenz“ vertreten ist. Es ist daher leider nachvollziehbar, dass das BSW deutlich mehr Berichterstattung erfährt als Volt. Das wiederum verstärkt die Situation: Gerade weil Volt weniger Berichterstattung bekommt und in Umfragen nicht einzeln abgefragt wird (sondern unter „Sonstige“ gepackt wird) ist es so schwer, über die 5% zu kommen. Das System dreht sich quasi im Kreis, leider…

Die sinnvollste Unterstützung ist vermutlich, der Partei beizutreten oder Geld zu spenden, wenn man nicht riskieren will, die Stimme an der 5%-Hürde zu verlieren.

Die SZ berichtet von einer neuen Studie. Demnach beeinflussen die Umfragen die Wähler. Parteien, die kurz vor der Wahl 5% oder leicht darüber hatten, zogen zu 3/4 in den Bundestag ein, bei denen die knapp darunter waren, war es nur noch 1/4.

Link zur Studie: dropbox-pdf

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Naja in der Schweiz gibts die Listenverbindung, das wäre wohl ein kleine Änderung des Wahlgeseztes.

Bei der Listenverbindung könnten sich zB Volt und Grüne zusammenschliessen.

Dann wird zunächst die Sitzzahl der Listenverbindung ermittelt als wäre es eine Partei. Erst in einem zweiten Schritt werden dann diese Sitze auf Volt und Grüne Verteilt.
Das heisst, selbst wenn all Stimmen für Volt nicht für einen Sitz reichen, hilft es den Grünen vielleicht einen Sitz mehr zu erhalten.

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Es heißt immer, es sei eine verlorene Stimme, wenn man sein Kreuz bei einer Partei macht, die derzeit nicht im Parlament vertreten ist. Wie seht ihr das? Und warum bekommen diese Perteien nie eine Bühne in den „traditionellen“ Medien?

Das Wort „verloren“ ist … übertrieben (edit Mod). Wie @Tris sagte, eine Stimme für eine demokratische Partei ist eine Stimme, die zählt.

Was stimmt ist: wenn ich eine Partei wähle, die nicht in den Bundestag eingezogen ist (bei der letzten Wahl zB. Volt), dann bekommen andere Parteien, die ich nicht gewählt habe (zB. AfD) potentiell einen Sitz mehr, als wenn ich eine Partei gewählt hätte, die eingezogen ist (zB. Grüne).

Aber wie @der_Matti verlinkt: wenn man den Horizont über die aktuelle Wahl hinaus verlängert, dann erhöht eine Stimme für eine nicht-einziehende Partei heute die Wahrscheinlichkeit eines Einzugs beim nächsten Mal.

Nun kann man sagen, dass wir grade so eine Art Notlage haben und man jetzt die vorhandenen demokratischen Parteien unmittelbar stärken muss. Meine Meinung ist, dass diese „Notlage“ im nächsten Jahrzehnt nicht weggehen wird und es durchaus Sinn ergibt, eine junge demokratische Partei mit frischen Ideen zu stärken, damit diese dann in 4 bis 8 Jahren auch in den Bundestag einziehen kann.

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Die 5% Hürde hilft nach meiner Ansicht schon vor der Zersplitterung des Bundestages.

Leider muss ich auch feststellen, dass die klassischen Medien die sonstigen Parteien völlig vernachlässigen egal wie nah Sie an der 5%-Hürde stehen.
Lieber läuft man solchen Figuren wie Wagenknecht hinterher.
Bei uns kann man ohnehin den Eindruck gewinnen, dass Politik in Talkshows gemacht wird und dass immer mit den gleichen Gästen und den gleichen sinnlosen Fragen und vorgefertigten Antworten. Man könnte ja auch mal eine Diskussionsrunde mit den kleinen Parteien machen.

Auch ich denke darüber nach ob meine Stimme verloren wäre, wenn ich z. B. Volt wählen würde aber gleichzeitig muss ich doch feststellen, dass wenn alle so denken es mit Sicherheit nicht über die 5% Hürde geht. Also ist die Erkenntnis für alle die sich mit der Frage beschäftigen: Mehr Mut und einfach wählen, dann könnte es auch klappen.
Eine kleine Anmerkung, das muss auch jeder Lindner-Jünger denken.

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Selbst wenn ein neue Partei an der 5% Hürde scheitern sollte, wird sie in Zukunft mehr Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie dieses Mal 3 oder 4% erhält und damit erhöhen sich die Chancen bei der nächsten Wahl.
Außerdem hängt die Wahlkampfkostenerstattung von der Anzahl der Stimmen ab (wenn eine Partei mehr als 0,5% der Stimmen erhält). Laut Wikipedia sind das immerhin 1,05€ pro Stimme. Ich vermute für eine kleinere Partei, die z.B. 2 Millionen Stimme erhält (und damit an der 5% Hürde scheitert) ist das durchaus ein wichtige Einnahmequelle, um in den nächsten Wahlen erfolgreich zu sein. Also ein weiterer Grund auch kleinere Parteien zu wählen.

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Wenn es um die Wahlkampfkostenerstattung geht, kann man jedem nur raten, lieber etwas an die Partei zu überweisen (bis 1.650€) und sich die Hälfte über die Einkommensteuererklärung wieder zurückzuholen. Auch Spenden werden übrigens aufgestockt und zwar um 45ct je Euro. Damit kostet mich der Euro nur 0,50€ aber 1,45€ kommen an.

Zumal die Wahlkampfkostenerstattung an die Parteien gedeckelt ist durch die Summe der Mitgliedsbeiträge und Spenden die sie erhalten. Wenn kaum jemand etwas spendet und alle „nur“ wählen, kann es also passieren dass eine Partei weniger Erstattung bekommt als ihr anhand des Wahlerfolges zustünde.

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