Woran scheitert der globale Klimaschutz?

Meines Erachtens beschäftigen wir uns politisch und gesellschaftlich, insbesondere in Deutschland, viel zu wenig mit der Frage, wie wir eigentlich das globale Problem des Klimawandels in den Griff bekommen.
Da das Klimaproblem unglaublich komplex ist, halte ich es für notwendig, ausführliche Problemanalysen durchzuführen und erst dann konstruktive Lösungsvorschläge auszuarbeiten.

Diesen Artikel fand ich recht interessant und aufschlussreich, auch wenn ich nicht in allen Punkten zustimme (beispielsweise ist mir nicht so klar, was überhaupt eine sinnvolle Alternative zu Finanzialisierung von Klimaschäden ist): Three Decades of Climate Mitigation: Why Haven’t We Bent the Global Emissions Curve?

Was sind eurer Ansicht nach die Kernprobleme und was sind sie nicht?

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Ich habe bisher nur Mal grob drüber gelesen, habe aber den Eindruck gewonnen, dass es sich um ein lesenswertes paper handelt und werde daher dran bleiben.
Da wir die innerdeutsche Klimapolitik am besten beeinflussen können, macht es schon Sinn, dass auch die Berichterstattung und unser persönliches Handeln hier einen Fokus setzt. Ich stimme aber zu, dass wir den internationalen Zusammenhängen insgesamt zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Das paper wird vmtl. qualitativ wenig neues auf den Tisch bringen, aber es könnte zum einen einen guten Überblick verschaffen und zum anderen beleuchten, welche der Probleme/ Maßnahmen, die wir vmtl. alle schon Mal gehört haben, wie wichtig und vielleicht auch erforscht sind.

Ich versuche meine Sichtweise kurz darzustellen. Punkt 1 sind ein paar allgemeine Missverständnisse:

  1. Es geht beim Klimaschutz nicht darum das Klima zu schützen, sondern uns.
  2. Uns vor den Folgen des Klimawandels zu schüten ist wichtig, aber eigentlich zweitrangig.
  3. Die Menschen wollen an ihrer momentanen Lebensweise festhalten und sind so fokussiert darauf, was schlechter/teurer werden könnte, dass sie völlig übersehen, dass unsere aktuelle Lebensweise für uns sehr nachteilig bis paradox ist.
  4. Die Medien schaffen es nicht die obigen drei Punkte zu kommunizieren.
  5. Die Wissenschaft kommuniziert fokussiert auf das Klima und reden damit an Punkt 1-3 vorbei.

Das ist meine kurze Sicht.

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Das fasst es schon gut zusammen.

Dazu kommt ggf noch unser Streben nach stetigem Wachstum bei Erhalr/Ausbau unseres Wohlstandes.
Solange Gewinnstreben einzelner übercdem Wohl aller steht, wird es schwierig.
Mal wertfrei gemeint

Der Klimaschutz (Bremsen und Eindämmung des Klimawandels) auf globaler Weise scheitert aus den gleichen Gründen, aus denen er auch auf nationaler Ebene scheitert:

  1. Diejenigen, die bislang viel Geld damit verdienen, dass sie Treibhausgase kostenlos oder günstig in die Atmosphäre emittieren durften, verwenden nicht unbeträchtliche Teile ihrer Gewinne, damit das so bleibt („Klimaschmutzlobby“). Das hat jahrzehntelang so gut funktioniert, dass die Mehrheit der Menschen den Klimawandel schlicht geleugnet hat. Ich weiß nicht, in wie vielen Ländern der Erde das heute immer noch so ist.
  2. Eine Wirtschaft und Gesellschaft, die sehr, sehr viel weniger Treibhausgase emittieren muss, wird infolge der Dekarbonisierung nicht unerhebliche Veränderungen akzeptieren müssen. Unabhängig davon, ob diese „im Netto“ eine Veränderung zum Schlechten oder zum Besseren sein werden, haben Menschen grundsätzlich Angst vor Veränderungen und versuchen, sie instinktiv zu vermeiden.
  3. Viele konkrete Klimaschutzmaßnahmen lassen sich in Demokratien aufgrund ihrer sozialen oder Verteilungsfolgen nicht oder nur schwer durchsetzen, ohne dass den betroffenen Menschen eine Kompensation angeboten werden – solange sie keine kleine Minderheit sind. Das ist aktuell gut zu erkennen in der Diskussion über die Reform rund um die Zulassung von Heizungssysteme und auch bei der Diskussion rund um eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs oder eine Reform der Entfernungspauschale.
  4. Unsere demokratischen Systeme scheinen nicht solche Politiker zu fördern, die einen ernsthaften Gestaltungs- und Führungswillen haben, um auch dann „das Bessere für die Gesellschaft“ erreichen wollen, wenn die damit verbundenen Maßnahmen erst mal nicht populär sind. Die entschlossen sind, auch gegen Umfrageergebnisse für parlamentarische Mehrzeiten zu kämpfen und da her offensiv für konkrete, effektive und effiziente Klimaschutzmaßnahmen argumentieren. (Das gilt im Übrigen nicht nur für Klimaschutz, sondern auch für Verteilungsgerechtigkeit, Rentensysteme, Instandhaltung öffentlicher Infrastruktur, Bildungsgerechtigkeit, u.v.m.).
    Stattdessen fördern die meisten demokratischen Systeme solche Politiker, die für den kurzfristigen politischen Vorteil populistisch und meist wider besseres Wissen gegen konkrete Maßnahmen zum Schutz des Klimas wettern.
    Maßnahmen werden höchstens dann ergriffen, wenn sie mit Kompensationen für diejenigen flankiert, die andernfalls „verlieren“ werden. Die damit einhergehende höhere Verschuldung belastet die junge und kommende Generationen neben der Klimakrise dann doppelt!
    In Autokratien oder totalitären Systemen sehe ich gar kein „natürlichen“ Anreiz für die Machthaber, das Klima zu schützen. Z.B. innerhalb der G20, die für knapp 80% der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, wären das China, Russland, die Türkei, Ungarn und Saudi-Arabien.

Fortsetzung …

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Fortsetzung:

  1. Das gilt insbesondere in solchen Ländern, die eine ähnliche demografische Struktur haben wie wir: In denen die Älteren, also die als Generation (nicht als Einzelne!) die Klimakrise maßgeblich zu verantworten haben, die demokratische Mehrheit haben. Diese Älteren haben nicht nur eine höhere strukturelle Veränderungsaversion und sind – zumindest vermeintlich – weniger von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Sie sind zudem faktisch die Mehrheit und verfügen auch über mehr Mittel, politische Macht auszuüben.
  2. Die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft kann nur gelingen, wenn die strukturellen Ursachen der Karbonisierung (seit 1760 bis heute) konsequent beseitigt werden: Die Emission von Treibhausgasen darf nicht länger kostenlos oder zu billig sein. Sie muss mit einem CO₂-Preis versehen werden, der dem gesellschaftlichen Schaden der Emission entspricht. Durch die Lenkungswirkung solchermaßen veränderter relativer Preise werden die Menschen ihr Verhalten anpassen (mit einer Flankierung durch Klimadividende und Klimazoll ginge dies, ohne dass eine soziale Schieflage entsteht und ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft leidet). Punkt 4. bis 6. verhindern aber, dass der CO₂-Preis schnell genug ausreichend hoch ansteigt, um diese Lenkungswirkung zu erreichen.
  3. Vor allem der erste Punkt hat verhindert, dass wir frühzeitig mit dem Schutz des Klimas angefangen hat (der Effekt des Klimawandels ist seit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich und öffentlich bekannt und die dringenden Notwendigkeit des Handels seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts). Wir wissen auch schon seit (wie?) vielen Jahren, dass wir nur noch ein sehr begrenztes „Budget“ von zukünftigen CO₂-Emissionen haben, bis die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre zu hoch wird. Überschreiten wir dieses Budget, werden wir selbst das 2°-Ziel nicht erreichen könnten und hätten dann Kipppunkte ausgelöst, die verhindern, dass der Mensch die die global sehr gefährliche Auswirkungen der Klimakatastrophe aufgehalten kann.
    Im Ergebnis haben wir jetzt nur noch sehr wenig Zeit für die globale Dekarbonisierung.
    Die Folge: Allein mit ordnungspolitischen Maßnahmen wie ein ausreichender CO₂-Preis werden wir es nicht mehr schaffen. Beispiel: Jede heute noch verbaute Gasheizung emittiert auch noch in 25–30 Jahren Treibhausgase. Die zusätzlich erforderlichen Maßnahmen (als „Verbotspolitik" verbrämt) sowie der von vielen zunehmend endlich wahrgenommene Zeitdruck macht den öffentlichen Diskurs zunehmend hitzig und toxisch.
  4. Im Ergebnis leiden viele Menschen unter kognitiver Dissonanz: Klimaschutz wird zwar zunehmend befürwortet – wenn er sich aber konkret auf das eigene Leben auswirkt, läuft man wieder den populistischen Politikern hinterher.
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Hallo,

ich bin ein neuer, aber sehr interessierter Lage-Hörer aus Österreich. Wenn ich solche Themen wie globaler Klimaschutz höre, decke ich nur an eine unwichtige Brücke vor meiner Haustüre im Stubaital (Tirol). Nicht nur die Europabrücke, sondern auch diverse weitere Brücken bis zum Brenner sind marode und bald nicht mehr zu gebrauchen, aber Deutschland (Scheuer, Dobrindt,…) und Italien (Salvini,…) bekommen nicht Mal die Anschlussstellen für den BBT zustande. Ich frage mich, wie wir größere Projekte und Probleme angehen sollen, wenn nicht einmal das funktioniert.

Gruß

Ps.: In ein paar Jahren wird die Brennerautobahn saniert werden und die Autobahn quasi gesperrt. Ich weiß nicht, wie dann der Warenverkehr funktionieren soll, über die Landes- und Gemeindestraßen wahrscheinlich (hoffentlich) nicht.

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Es ist klar, dass lokale Probleme auch global ein Problem bedeuten. Verstehe ich dich richtig, dass du denkst, dass die Schwierigkeit des Problems zum großen Teil in den lokalen Problemen enthalten ist?

Ich finde nämlich, dass das globale Problem eine zusätzliche Dimension hinzufügt, die es noch einmal wesentlich schwieriger macht. Zum einen ist es wesentlich schwieriger, überhaupt Maßnahmen zu treffen. Zum anderen kommt der Aspekt dazu, dass lokale Klimaschutzmaßnahmen global sinnvoll sind, aber lokal einen Nachteil darstellen (im Wesentlichen ob man beim Gefangendilemma kooperiert oder nicht).

Es stimmt natürlich, dass der Klimanotfall Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene benötigt. Analysen sollten die Maßnahmen begleiten, aber diese nicht aufschieben. Natürlich ist es ein Problem, dass es einer globalen Zusammenarbeit vieler unterschiedlicher und vor allem unabhängiger Länder bedarf. Aber ich möchte diese Aspekte in die Überlegung einbringen:

  1. Es ist nicht erforderlich, sofort alle Staaten gleichzeitig zu Klima- und damit Menschenschutz zu motivieren. Wichtig wären zunächst die G20. Wenn nicht alle G20 Staaten zu überzeugen sind, wäre eine Gruppe „der Willigen“ wichtig.

  2. Bei globaler Betrachtung und dem ständigen ermüdenden Verweis auf China wird immer vergessen, dass vor allem in China viele Produkte für unseren Markt oder den anderer westlicher Länder, also für unseren Konsum hergestellt werden. Die daraus resultierenden CO2 Emissionen gehen aber zu Lasten von Chinas Konto, siehe auch letzte Pressekonferenz des Expertenrats, Frau Knopf). Vermutlich weil diese Zuordnung außerordentlich schwierig wäre, haben sich die Staaten auf die aktuelle Berechnung verständigt, die aber unsere Verantwortung und auch unsere Wirkung kleiner erscheinen lässt, als sie ist.

  3. Global ist auch die Vermeidung und Verminderung von neokolonialistischen Strukturen wichtig. Aktuell suchen (und finden) Industrieländer wie Deutschland wieder fossile oder pseudoerneuerbare (grüner Wasserstoff) Grundlagen für die Fortsetzung ihres Status Quo, den sie um jeden Preis erhalten wollen (siehe Ausführungen @TilRq). Genaue Projekte zitieren kann ich erst, wenn ich nochmal recherchiere. Aber mir fallen direkt überdimensionierte LNG-Terminals und Gas aus dem Senegal und EACOP ein.
    Es wäre außerordentlich wichtig, dass die Industrieländer ihre Scheinheiligkeit und Greenwashing aufgeben und ernsthaft und die Entwicklungsländer ernstnehmend daran arbeiten, diese dabei zu unterstützen, die fossile Stufe zu überspringen, wie es in Afrika z.B. beim Handy geschehen ist, mit dem dss Festnetz übersprungen wurde. Es gibt z.B. African Green Tec, die in min. einem afrikanischen Land Kleinkredite vergibt und bei der Installation von Kleinstsolaranlagen hilft (=Kühlung von Ernte + Licht).
    Bei allen Verträgen, aus denen die Industrieländer Nutzen ziehen, muss es zwei Grenzen geben: erstens Vertrag auf Augenhöhe ohne Ausnutzung der lokalen Bevölkerung+des Landes und zweitens keine Verträge, die aus der Perspektive des übergeordneten Ziels Klimaschutz negative Folgen haben. Z.B. muss LNG Gas auf das notwendige Maß beschränkt sein, denn schließlich muss es auch transportiert werden (=Emissionen).

Das Zeitalter unbegrenzten Wachstums und Konsums ist vorbei.

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Dass die Treibhausgas-Emissionen zulasten der Länder gehen, in denen produziert wird (und nicht der Länder, in denen konsumiert wird), ist in meinen Augen spätestens dann richtig, wenn die gesellschaftlichen Kosten der Treibhausgas-Emissionen in den Preisen enthalten sind (ggf. schon durch die Einführung eines Klima-Zolls in der EU). Dann hätten die Produzenten über den Wettbewerb einen intrinsischen Anreiz, Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren.

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Der Trend in der Industrie geht ganz stark dahin den product Carbon footprint zu berechnen und auszuweisen. Für die Consumer Goods wird das bald schon im digitalen Produktpass verlangt. Damit bekommt der Verbraucher schon mal nötige Informationen.
Die CO2 Steuer soll übrigens der Impoteur zahlen. Leider droht da wieder ein Bürokratie Monster

Das ist egal. Hauptsache, die gesellschaftlichen Kosten der CO2-Emission sind im Preis enthalten. Das Lenkt die Nachfrage von CO2-intensiven Produkten weg.

Ja, aber, aber das mit werden wir leben müssen (vergleichbar dem Grenzausgleich der Umsatzsteuer), solange niemand eine bessere Idee hat.

Da gehören die Emissionen auch hin. Sonst landen wir wieder bei der Kritik an den Erfindern des Footprints.

Selbst wenn der Exporteur die Steuer zahlen müsste, würde er die Kosten ja auf den Importeur umlegen. Das heißt am Ende zahlt es eh immer der Importeur

Dazu gibt es doch das Paris Abkommen. Der Beitrag aller Staaten wird gebraucht

Ich bin kein Fan von importiertem Wasserstoff, aber 1. ist der grün und 2. werden wir den brauchen

Bei aller berechtigten Kritik, dass es zu langsam geht finde ich das nicht sehr konstruktiv und das Wort Greenwashing unmöglich. Wen sprichst du aber eigentlich genau an? Und als Gesellschaft ( mit dir und mir), die Politik, Industrie und Gewerbe?

Aber ok, genug oder schon zu viel kritisiert. Immerhin hast du einen Aufschlag versucht, Respekt dafür.
Werde mir auch mal Gedanken machen

Mit Greenwashing meine ich, wenn unter dem Vorwand, das Klima zu schützen, propagiert wird, grünen Wasserstoff in großen Mengen aus dem globalen Süden zu importieren, um hier Verbrenner-Technologie aufrechtzuerhalten, während man gleichzeitig so tut, als ob man damit armen Ländern einen Gefallen tut.
Dass die Industrie Wasserstoff brauchen wird, ist mir klar.

Ich denke, du hast recht. Aber bisher ist es nicht der Fall, denke ich.

Gut wäre, wenn wir als Verbraucher anhand von Kennzeichnungen wüssten, welchen Footprint Waren haben.

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Ich denke auch, dass es nicht anders geht. Man darf es jedoch in der Diskussion um Deutschlands Impact beim Klimaschutz nicht vergessen.

Auf Dauer sicherlich, aber im Augennlick sind die G20 ausschlaggebend. Es muss schnell gehen. Und schnell gehen wird es nicht, wenn man darauf wartet, dass alle Staaten gleichzeitig mit demselben Engagement Emissionsreduktion betreiben. Das sieht man an den enttäuschenden Ergebnissen der COP.