Wir Schlafwandler - die unterschätzte Gefährdung unserer Demokratie durch die extreme Rechte

Sehr zu empfehlen ist noch folgendes Gespräch mit Cas Mudde:

Hat dieses Buch schon wer gelesen? Ich überlege mir das zu kaufen und habe bis jetzt fast nur positives dazu gefunden.
PS: Das ist mein erster Post, habe bis jetzt das Forum nur still verfolgt und schon viel mitnehmen können :grinning:
Falls dieser Beitrag zu weit vom eigentlichen Thema entfernt sein sollte, einfach löschen.

Die Süddeutsche hat eine Liste von Bundestagspolitikern veröffentlicht, die nicht mehr antreten werden, darunter Yvonne Magwas, CDU Sachsen
Ihr Grund:

Es werde „gelogen, diskreditiert, gehetzt“. Die Demokratie und ihre Institutionen würden „von AfD, Freien Sachsen, III. Weg, NPD und wie sie alle heißen“, infrage gestellt mit dem Ziel, sie abzuschaffen.
Als Abgeordnete stehe man dabei ganz besonders im Feuer. „Ich habe viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch viel Gleichgültigkeit erlebt.“ Das raube Kraft. Wenn das Land diesen Weg weitergehe, werde es „dunkel und kalt“. In Zukunft wolle sie mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Von ihrer Partei fordert sie, dass die klare Abgrenzung nach rechts außen „jederzeit und auf allen Ebenen“ stehen müsse.
Diese Abgeordnete kandidieren nicht mehr für den Bundestag - SZ.de

Ich glaube, sie redet unter anderem von der Partei, mit der man nun zusammenzuarbeiten gedenkt.

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Bitte Quelle! Bislang lese ich, auch hier, weit überwiegend klare Abgrenzungsaussagen. Und wenn ein Hinterbänkler mal laut denkt, dann ist das noch lange nicht Konsens.

Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage würden 45 Prozent der CDU-Mitglieder eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschließen, berichtete das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). In Thüringen stimmte die CDU im vergangenen Jahr im Landtag bereits mehrfach mit der AfD ab. […]Vor einigen Wochen sagte Martina Schweinsburg, CDU-Kandidatin für den Wahlkreis Greiz, ZEIT ONLINE: „Ich betrachte die Unvereinbarkeitsbeschlüsse lediglich als Empfehlung.“ In Südthüringen wirbt der CDU-Kandidat Erik Beiersdorfer gerade auf Wahlplakaten mit dem Slogan „Wählerwille statt Brandmauern“. Beide, Schweinsburg und Beiersdorfer, sitzen im Landesvorstand ihrer Partei.
Landtagswahlen: Steht die Brandmauer gegen die AfD? | ZEIT ONLINE

Zur Aussage, dass die CDU auf allen politischen Ebenen jede Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen sollte, sagten 45 Prozent der Befragten: „Nein, sie sollte zumindest in den ostdeutschen Ländern und Kommunen von Fall zu Fall mit der AfD zusammenarbeiten.“[…]
Unter den ostdeutschen Mitgliedern halten allerdings sogar 68 Prozent der Befragten eine Zusammenarbeit von Fall zu Fall für denkbar.
Christdemokraten: CDU-Mitglieder bei Frage nach Kooperation mit der AfD gespalten | ZEIT ONLINE

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Wenn 45% sagen, sie würden eine Zusammenarbeit nicht ausschließen heißt das, das 45% eine Zusammenarbeit nicht ausschließen würden.

Wenn ich sage, mit 45% Sicherheit gibt’s heute Mittag Kartoffeln. Mit 55% Sicherheit gibt’s keine Kartoffeln oder etwas anderes. Woher kommt der Vorwurf, ich würde Kartoffeln essen?

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Mal von der anderen Seite gedacht:

Es gibt da jetzt eine signifikante Gruppe an Menschen/Wählern, die Parteien unterstützen, die recht deutlich die Demokratie abschaffen wollen.
Die alternative Regierungsform wäre dann wohl eine Autokratie oder Diktatur.
Also eine kleine Gruppe oder „Elite“ herrscht dann relativ rechtsfrei über die Mehrheit der Gesellschaft. Und kann nicht mehr abgewählt werden oder für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen, im Worst Case.

Das scheint aber der Masse der Wähler nicht bewusst zu sein, oder?
Das es dann der Mehrheit eher schlechter geht. Oder erwarten alle dann, zur kleinen Elite zu gehören? Was ja rein rechnerisch schon nicht geht…

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Wenn im Osten Mittagessen ansteht und 68% der Köche sagen, sie können sich vorstellen, auch Kartoffeln zu nehmen, wenn die Pommes nicht zum Gericht passen oder nicht reichen, ist die Gefahr durchaus gegeben, dass es Kartoffeln geben könnte.

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Bislang höre ich aber vom Chefkoch, es gibt Brokkoli. Und wir reden davon, das 68% Kartoffeln nicht generell ausschließen wollen. Das heißt noch lange nicht, dass es am Ende Kartoffeln gibt. Außerdem fokussieren wir uns da auf die Frage: gibt’s Kartoffeln oder nicht. Das es auch Reis oder Bohnen geben kann, geht völlig unter.

Und ich kann mir vorstellen, dass es unter den 68% Leute gibt, die aus Prinzip nichts ausschließen. Schließlich hat uns die Politik gelehrt, was vorher ausgeschlossen wurde - wird plötzlich umgesetzt. Bspw. eine MwSt. Erhöhung, deutsche Soldaten im Kampfeinsatz, die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken, …

Und speziell im Osten: Niemand hatte vor eine Mauer zu bauen … ich würde sagen, dass ist ausgeschlossen.

Etwas von vornherein ausschließen, erhöht anscheinend die Wahrscheinlichkeit, dass es dann doch gemacht wird. Insoweit könnten die 68% ziemlich klug handeln.

68 % wollen gesichert(!!!) Rechtsextreme „nicht generell ausschließen“. Das sagt viel aus über die ostdeutschen CDU-Mitglieder.

Noch ein schönes Beispiel für „wir schließen aus“: SPD schließt jede Form von Koalition mit der PDS aus

Die Alten erinnern sich…

Hat Ypsilanti damals ihren Job gekostet. :thinking:

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Wobei der Artikel von 1994 ist. Ypsilanti ist 2008 gestürzt.

Zeigt, dass der Beschluss recht lange ein ernstes Thema bei der SPD war - nur ein paar Ostländer haben sich tolerieren lassen, da sonst ein regieren nicht möglich gewesen wäre aufgrund der Mehrheitsverhältnisse.
Ich bin gespannt, ob die CDU das auch so durchhält.
Und selbst ein tolerieren hat bei einer AFD noch mal ein anderes Niveau als bei der PDS.

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Die Gefahren, die von der rechtsextremen AfD ausgehen, veranschaulichen auch folgende Befragungsdaten:

Mehr als jeder dritte AfD-Wähler rechtfertigt laut einer Umfrage Gewalt gegen Politiker und Politikerinnen. So stimmen 36 Prozent der Aussage zu, dass einige Politiker es verdient hätten, dass „die Wut gegen sie schon mal in Gewalt umschlägt“, wie aus einer Studie des Demoskopie-Instituts Pollytix hervorgeht. […]

AfD-Wählerinnen und -Wähler weisen damit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine deutlich höhere Akzeptanz von Gewalt auf. Zwei von fünf wünschen sich „einen starken Führer, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss“. Gleichzeitig stimmen vier von fünf Befragten der Aussage zu: „Unser Land gleicht inzwischen mehr einer Diktatur als einer Demokratie.“

Aus der Studie geht auch hervor, dass die Polarisierung in der Gesellschaft zunimmt. Die AfD-Wählerschaft verortet sich selbst zunehmend weiter rechts im politischen Spektrum, Wählerinnen und Wähler aller anderen Parteien konstant beziehungsweise weiter links als in der vergangenen Erhebung vor zwei Jahren.

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Ein wesentlicher Grund für die Unterschätzung der Gefahren durch den Rechtsextremismus liegt in der Nicht-Betroffenheit eines wesentlichen Teils der Bevölkerung, der keiner von der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit der Rechtsextremen betroffenen Minoritäten angehört.

Es geht nämlich in der Auseinandersetzung nicht um zwei Seiten, die einfach fundamental anderer Meinung sind, aber von der jede „Seite“ für sich in Anspruch nehmen kann, dass die eigene Position legitim sei und nur die andere Seite zu halsstarrig, um sie zu verstehen und auf sie ein- und zuzugehen.

Wer sowas denkt, hat etwas grundsätzlich nicht verstanden, nämlich den nicht zu vernachlässigenden Umstand, dass es nicht zwei, sondern - stark vereinfacht, ich weiß - drei Gruppen gibt. Es gibt nämlich die, die ich jetzt der Einfachheit halber mal zu einer Gruppe zusammengefasst habe, Opfer einer Seite. (Keine Angst, ich sehe Menschen keineswegs nur in der Opferrolle.) Das sind nun mal all jene, gegen die sich die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der einen Seite richtet, vereinfacht gesagt: „Angehörige“ von Minoritäten, die genauso vollauf und ohne Abstriche zu dieser deutschen Gesellschaft dazugehören. Deren Rechte werden von einer Seite bestritten, die haben unter einer Seite zu leiden usw. usf.

Wer daher glaubt, man müsse doch bloß Gräben zwischen zwei Lagern unterschiedlicher Ansicht überwinden, Verständnis haben, sich in die Gegenseite einfühlen, Kompromisse schließen etc., lässt die vom Menschenhass Betroffenen von vornherein außen vor.

Von Martin Niemöller, der anfänglich den Nazis zugetan war, stammt das weithin bekannte Zitat:

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.

Es veranschaulicht, wie eine Position der Nicht-Betroffenheit dazu führt, die Opferperspektive auszublenden.

Man kann leicht Verständnis für „biodeutsche Besorgtbürger:innen“ aufbringen, wenn man die von deren Menschenfeindlichkeit Betroffenen außen vor lässt, ja, ausblendet.

Im Hinblick auf Rassismus und andere Arten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit kann es daher auch keine „Zwischentöne“ oder „Kompromisse“ geben, denn die gehen immer zulasten der Betroffenen.

Es gibt daher keine „zwei Lager“ gleicher Berechtigung, zwischen denen man sich irgendwie einigen müsste.

Oft wird aber im öffentlichen Diskurs so getan, als wäre es so. Damit geht man aber stets über die Rechte jenes integralen „Bestandteils“ der Bevölkerung/Gesellschaft hinweg, der unter der Feindseligkeit der einen Seite zu leiden hat.

Wer auch nur im Mindesten empathiefähig ist, kann sich daher nur klar gegen diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (der einen Seite) positionieren.

Wer Verständnis für Menschenfeindlichkeit hat oder signalisiert, hat schon den ersten grundlegenden Fehler gemacht. Denn die-/derjenige hat - ums mal drastisch, aber doch zutreffend zu formulieren - die von dieser Menschenfeindlichkeit Betroffenen verraten.

Eine zwischen einer menschenrechtlichen und einer menschenfeindlichen Seite vermittelnde Position gibt es nicht, denn solche „Zwischenpositionen“ gehen immer zulasten potenziell betroffener Opfer.

Relativierung in dieser Hinsicht führt immer zu dem, was Die Goldenen Zitronen in ihrem Song „Das bißchen Totschlag“ sarkastisch auf den Punk(t) gebracht haben.

Von der Gewaltandrohung der menschenfeindlichen Seite darf man sich - „um des lieben Friedens willen“ - unter keinen Umständen unter Druck setzen lassen.

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Dirk Neubauer erklärt in folgender Doku, warum er hingeschmissen hat:

O-Ton: „Es ist zehn nach zwölf!“

Vor 3 Jahren klang das bei Dirk Neubauer schon ähnlich:

https://www.youtube.com/live/ueAA43sGhtk?si=2GdnhuyIDW_sX3CY

Sehr interessant auch seine abschließenden Worte: Wenn sie Wut haben, …, wird das irgendwann Wiederstand. Die Menschen im Osten haben einen Erlebnisvorsprung. Sie wissen, dass Verweigerung System verändert. … Die 15 min Gewissheit, wenn ich da das Kreuz mache, schreit das System auf. Sie wollen wirken, wollen Gewicht haben, wollen gehört werden.

Was der ARD Beitrag auch klar macht. Medien jenseits der ÖR und der Privatsender sind mit Kernproblem. Medien die alle konsumieren / die alle erreichen, machen Unterschiede sichtbar. Wenn sich Menschen in intransparente Medien zurückziehen, sind diese Themen auch nicht mehr sichtbar. Das sind dann die typischen Telegram/Whatsapp Meme - Aussagen aus dem Beitrag. Wir würden „Russland niederringen“. Das hat niemand in den seriösen Nachrichten gesagt. Das ist die Zuspitzung sozialer Medien.

Und die CDU bandelt mit Trumpisten an: