So bitter wie es ist. Gegen ein quengelndes Kind hilft nur dagegen halten und Strenge. Ihm geben was es will wird es nur kurz zufrieden stellen und dann geht es wieder von vorne los. Was passiert wohl, wenn die AFD sie enttäuscht? Der erste Landrat gibt einen Vorgeschmack. Rechte Gewalt hat in Sonneberg zugenommen. Keiner lobt seine Arbeit, vor allem freut man sich, dass der eigene Ort von den Medien endlich wahrgenommen wird. Kritik gibt es vor allem anonym, da man Übergriffe fürchtet.
Was mir grundsätzlich auffällt, in der gesellschaftlichen Diskussion:
Wir sind allgemein grade sehr darauf fokussiert, was wir alles schlecht finden und was doof ist. Das können wir lang und breit, sachlich oder populistisch, ausbreiten und kommunizieren. Wir wissen auch recht schnell, wer daran alles schuld ist und sagen diesen das auch sehr deutlich.
Darauf verwenden wir grad sehr viel Zeit und Energie, auch die politischen Parteien.
Was mir fehlt: warum reden wir nicht mehr darüber was wir wollen? Wir wir uns eine lebenswerte Gesellschaft vorstellen und mit welchen Schritten wir diese erreichen wollen.
Dieser eher lösungsorientierte (und ein positives Bild zeichnende) Ansatz fehlt mir grade völlig.
Da sehe ich aktuell auch eine Schwachstelle in unserem demokratischen System.
„Mein und Dein ist Ursache allen Streits“.
Das Wir und uns vermisse ich.
Soweit stimme ich mit dir überein, dass das Konstruktive in den Leitmedien zu wenig vorkommt, nach dem Motto: „Only bad news are good news.“
Dass positive Zukunftsentwürfe aber politisch gar nicht diskutiert würden, erscheint mir nicht richtig. Da würde ich nämlich sagen, doch sie werden diskutiert, nur ist eben das mediale Echo darauf zumeist gering.
Nehme da eher wahr, das jeder gute Vorschlag aus parteipolitischen Erwägung erstmal zerlegt und runtergeputzt wird.
Da widerspreche ich dir nicht. Aber es gibt zumindest konstruktive Vorschläge, die in den politischen Diskurs eingebracht werden.
Zwei weitere Beispiele illustrieren, wie ich denke, die Gefährdungslage ganz gut:
Die etablierten Medien als Feind ist eines der wichtigsten Wahlkampfthemen der AfD. Und je stärker es wird, desto mehr nehmen Angriffe auf Journalist:innen zu – durch die Partei selbst aber vor allem durch ein gesellschaftliches Klima, in dem Journalist:innen diskreditiert werden. Die AfD setzt dabei den Ton – und nicht selten ist es die Neonaziszene, die daraufhin zuschlägt.
Als die Angeklagte Birgit Malsack-Winkemann jüngst vor dem Frankfurter Oberlandesgericht zum ersten Mal das Wort ergriff, tat sie das in aller Ruhe. Die AfD-Politikerin, die als Teil der Reichsbürger-Verschwörung um Heinrich XIII. Prinz Reuß den gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben soll, gab sich überlegen, selbstbewusst, seriös. […]
Einige hundert Kilometer weiter südlich im Münchner Oberlandesgericht klang das nun ganz anders. Da war eine Malsack-Winkemann zu hören, die sich mit überschlagender Stimme beklagte, nicht länger „Richterin spielen“ zu wollen. […]
Die erklärte, sie wolle etwas bewegen, aber das gehe „erst, wenn die Parteien abgeschafft sind und wir ein anderes System bekommen“. Und: nur mit Prinz Reuß.
Es waren abgehörte Telefonate, die die 59-Jährige vor rund zwei Jahren mit Hildegard L. geführt hat – einer Astrologin aus dem hessischen Heppenheim, die ihre Mitarbeiterin im Bundestag gewesen war und ebenfalls der „Patriotischen Union“ um den Frankfurter Immobilienunternehmer Reuß angehört haben soll. Die 70-Jährige muss sich derzeit in München zusammen mit sieben weiteren mutmaßlichen Mitverschwörer*innen vor dem Staatsschutzsenat verantworten.
So verrückt diese Putschistinnen und Umstürzler auch erscheinen mögen, so gefährlich sind sie doch.
Drei-Parteien-Landtage wird es übrigens sehr wahrscheinlich nicht geben:
Nach aktuellem Stand reicht es in Sachsen sogar für eine Kenia-Koalition.
In Thüringen dagegen wird’s schwierig. Entsprechend der Rundungs- bzw. Fehlertoleranz ist somit eine Sperrminorität für die gesichert rechtsextremistische Bestrebung des Faschisten Höcke möglich.
Scheint so, als ob die Strategie der FDP hier nicht so aufgeht….
Wie sehr die liberale Demokratie unter Druck gesetzt wird, kann man auch an folgendem Beispiel erkennen:
Die Veranstalter des Christopher Streets Days (CSD) in Bautzen haben eine für Samstag geplante Abschlussparty abgesagt – nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen. »Wir können dafür keine Verantwortung tragen und haben aktuell nicht die nötigen Ressourcen, um diese Veranstaltung entsprechend abzusichern und zu schützen«, sagte CSD-Mitorganisator Jonas Löschau der »Freien Presse« mit Blick auf geplante Demonstrationen rechter Gruppen.
Die Sicherheitsvorkehrungen erscheinen aufgrund wiederholter queerfeindlicher Übergriffe und Einschüchterungsversuche durch Rechtsextreme notwendig.
„Die Gefahrenzonen sind insbesondere Orte, an denen queeres Leben in ostdeutschen Klein- und Mittelstädten sichtbarer ist, aber auch Alltagsorte wie beispielsweise öffentlicher Nahverkehr oder Arbeitswege.“
In vielen dieser Städte wurde dieses Jahr das erste Mal der Christopher Street Day gefeiert. So auch in der thüringischen Stadt Sonneberg – hier gewann im letzten Jahr der AfD-Politiker Robert Sesselmann bei der Landratswahl. Die Beratungstelle EZRA teilte mit, dass es während der Veranstaltung mehre Anwohnerinnen und Anwohner den Hitlergruß zeigten und Teilnehmende des CSDs bespuckten.
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Der österreichische Faschist Martin Sellner war übrigens kürzlich auch wieder auf Deutschlandtour.
Einfach mal Demokratie retten:
Im Umgang mit Rechtsextremen ist einiges dabei.
Update zum Bautzener CSD:
Die Nazis brachten mehr als zwei Drittel so viele Leute gegen den CSD auf die Straße, wie auf demselben demonstrierten.
Die CDU - quasi Nachfolgepartei des Zentrums zur Zeit der Weimarer Republik - will die Brandmauer entsorgen:
Diese Geschichtsvergessenheit ist ein weiteres Alarmsignal.
Das klingt natürlich skandalös wenn man nur die Headline zitiert.
Wenn man dann liest relativiert sich es etwas.
Eine Zusammenarbeit mit der AfD „darf es nicht geben“, sagte auch der Generalsekretär der Bundes-CDU, Carsten Linnemann, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Zusammenarbeit würde bedeuten, „dass AfD und CDU sich hinsetzen und aufschreiben, was sie gemeinsam vorhaben, etwa in einem Koalitionsvertrag oder durch gemeinsame Absprachen“, sagte er.
„Wir arbeiten mit der AfD nicht zusammen“, sagte Linnemann. „Klar ist aber auch: Wenn es einen AfD-Landrat wie in Sonneberg gibt, und es geht um eine Kita-Erweiterung, da kann man doch das Telefon nicht klingeln lassen.“ Hier gehe es darum, „ein demokratisches Wählervotum zu akzeptieren und einen gewählten kommunalen Spitzenbeamten nicht zu ignorieren“.
Ich finde es vertretbar eigene Vorhaben zur Abstimmung zu bringen wenn man davon überzeugt ist. Die Linke hat in der aktuellen Legislatur auch keine Mehrheit gehabt und Dinge zur Abstimmung gestellt, in der Hoffnung dass die CDU zustimmt. Das ist halt so in einer Minderheitsregierung.
Und musste akzeptieren, dass die Union mit Stimmen der AFD und FDP mitregiert und Gesetze verschiedet hat.
Man kann eine Brandmauer natürlich auch nur ein bisschen einreißen und dann ein bisschen mehr und wieder ein bisschen mehr.
Und diese Absicht ist unverkennbar.
Sich von Faschisten tolerieren zu lassen kommt einem informellen Pakt mit den Faschisten gleich.
Die Relativierung ist dabei Teil der Strategie, die Normalisierung das Ergebnis.
Daran anknüpfend:
Beim Treffen bedrohter sächsischer Kommunalpolitiker in Dresden mussten am Freitag einige aktive und ehemalige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ihre Reden unterbrechen und ihre Tränen trocknen. Unter ihnen Martina Angermann (SPD), die es als Bürgermeisterin von Arnsdorf bei Dresden nicht mehr aushielt. 2016 war ein überforderter irakischer Asylbewerber in einem Supermarkt mit einer gereizten Verkäuferin in Konflikt geraten. Eine sogenannte Bürgerwehr fesselte den Mann an einen Baum, von einem CDU-Gemeinderat als „Akt der Zivilcourage“ gelobt. Später wurde der Iraker tot im Wald gefunden.
Der Prozess verlief im Sande. „Da habe ich zeitweise den Glauben an unseren Rechtsstaat verloren“, blickt Martina Angermann zurück, die auch wegen der zunehmenden Bewaffnung militanter Systemgegner nicht mehr zur Ruhe kam. […]
Zum Treffen in Dresden hatte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) eingeladen. Gekommen sind im wesentlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die sich schon vor zweieinhalb Jahren mit einem Brief hilfesuchend an Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) gewandt hatten. Auf eine Reaktion von ihm warten sie bis heute. Immer mehr Amtsträger resignieren währenddessen und potenzielle Kandidaten verzichten, weil sie sich den Terror von rechts nicht antun wollen – nicht nur in Sachsen. […]
Die Gemeinde Nebelschütz bei Kamenz erhielt 2008 den europäischen Dorferneuerungspreis. Über die Attacken auf ihren sorbischen, 32-jährigen Bürgermeister Thomas Zschornack (CDU) hatte die taz zuletzt im Februar 2024 ausführlich berichtet. In Dresden beschrieb er, wie das einst gute Mikroklima in der Gemeinde durch die Neue Rechte vergiftet wird. Das Neutralitätsgebot untersagt den Bürgermeistern selbst, die Partei beim Namen zu nennen, die vor allem für solche Diffamierungskampagnen verantwortlich ist.
Das Dresdner Treffen zeigte vor allem, wie die AfD systematisch nicht nur den Status missliebiger Personen, sondern auch das Vertrauen in Institutionen zerstört. Es beginnt in der Regel mit einer Lawine von Dienstaufsichtsbeschwerden, die den Verwaltungsapparat lahmlegen sollen. Gleiches gilt für eine Flut von Anträgen und für die destruktive Ausnutzung von Redezeiten für Belanglosigkeiten. Alles legale Mittel, mit denen man eine Demokratie durch sich selbst abschaffen kann.
Eine sehr interessante Recherche zur rechtsextremen Unterwanderung im Internet:
Auch das Folgende verdeutlicht die Gefahr durch Rechtsextreme:
Und die Zahl rechtsextremer Straftaten nimmt nach einer vorläufigen Statistik zu:
Und dann war da ja noch die Patriotische Union:
Im Prozess gegen die mutmaßliche Führungsriege der „Patriotischen Union“ um den Frankfurter Immobilienunternehmer lässt sich Malsack-Winkemann als erste der neun Angeklagten zu den Anklagevorwürfen ein. […]
Reuß sei gar kein Reichsbürger, behauptet Malsack-Winkemann. „Es ging dem Prinzen wie mir um die Souveränität.“ Genau das ist jedoch ein zentrales Narrativ der Reichsbürger-Ideologie: dass Deutschland nicht souverän, sondern fremdbeherrscht sei. […]
„Revolutionen sind so ziemlich das Letzte, wozu man jemanden aus dem Hochadel bringen könnte“, sagt sie. Zugleich jedoch spricht Malsack-Winkemann mit größter Selbstverständlichkeit von einem „Systemwechsel“ und von den dafür „erforderlichen Gewalthandlungen“. Von „Militärgerichten“ und einem großen „Aufräumen“, bis hinunter in die Rathäuser. Nur habe das nicht die Aufgabe ihrer Gruppe sein sollen, sondern allein: der Allianz.
Malsack-Winkemann wurde übrigens öfter von ihren AfD-Parteikollegen im Knast besucht: