Wir Schlafwandler - die unterschätzte Gefährdung unserer Demokratie durch die extreme Rechte

Die Brandmauer-Diskussion steht sinnbildlich für die kollektive Fehl- bzw. Nicht-diagnose in Sachen AfD. In dieser Brandmauer Position steckt nämlich zweierlei Bekenntnis drin. Erstens, dass man nicht zusammenarbeiten will, zweitens aber dass man es durchaus könnte. Würde man denn so Unterschiedliches wollen, wäre eine Brandmauer ja auch redundant, eine Zusammenarbeit wäre schon von Haus aus unmöglich.

Nimm dazu das Bild vom sich langsam einschleichenden, bzw. unterwanderndem Rechtsextremismus, und es sollten bei so viel Reibungslosigkeit langsam Fragen nach den Gemeinsamkeiten von Demokratie und Faschismus aufkommen, die das ermöglichen, oder? Aber Fehlanzeige. Wo Faschismus mitten im demokratischen Gemeinwesen immer wieder herkommt, was er will, und vor allem warum er das will, kommt in solchen Awareness-Maßnahmen kaum bis gar nicht vor. Über die Sache selbst erfährt man dabei kaum etwas. Das kann doch alles nichts werden, wenn die Analyse nicht stimmt.

Auch wenn ich nicht alle Statements teile, kann ich empfehlen, sich für den Anfang zb einmal mit Huiskens der demokratische Schoß ist fruchtbar zu befassen. Auch wenn’s da um die NPD geht, kommt einem vielleicht die ein oder andere Sache bekannt vor.

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Es gibt regalmeterweise sozial- und differentialpsychologische Studien, die dir erklären können, woher Autoritarismus, Rassismus und andere Arten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit rühren. Da besteht kein Erkenntnisdefizit.

Habe mir das Volltext-PDF heruntergeladen und etwas darin herumgestöbert. Mir erscheint das Ganze ziemlich verworren, mithin krude, und unwissenschaftlich. Es scheint irgendwie auf die These hinauszulaufen, die man schon aus der DDR kennt, nämlich, dass der Kapitalismus eine Art Fortsetzung des Faschismus mit anderen Mitteln sei. Wer schon bei der Analyse so fahrlässig unempirisch vorgeht, tut mir leid, das so sagen zu müssen, endet im Nirgendwo. Ganz sicher liefert derjenige aber keinerlei Ansatzpunkte zum Verständnis dafür, wie faschistische Einstellungsmuster entstehen.

Faschismus und Demokratie als Herrschaftsformen haben keine Gemeinsamkeiten.

Dass es Graubereiche gibt, in denen Parteien und deren Vertreterinnen und Vertreter sich Narrativen bedienen, die die abgrenzende Konstruktion und Privilegierung sog. Eigengruppen postulieren, ist ein anderer Sachverhalt. Kritik daran ist natürlich sinnvoll. Wenn das aber mit irgendwie marxistischer Kapitalismuskritik vermengt wird, ist man aber schon auf der falschen Spur.

Dabei habe ich nichts gegen Kritik am Kapitalismus.

Nur ist eine Faschismusherleitung „aus dem Geist des Kapitalismus“, ja, eine Instrumentalisierung des Faschismus für Kapitalismuskritik, um es mal deutlich zu formulieren, einfach wissenschaftlich unhaltbar. Ethisch ist sie das ohnehin, denn sie stilisiert Faschistinnen und Faschisten zu angeblichen Opfern feindlicher Umstände. Das stimmt jedoch empirisch nachweislich nicht.

Deine Ausführungen zur „Brandmauer-Diskussion“ finde ich teilweise nachvollziehbar, auch wenn sich mir nicht erschließt, worauf du letztlich hinauswillst bzw. was daraus die Konsequenz sein soll.

Eine eingehaltene Brandmauer ist allemal besser als keine Brandmauer. Und das gilt auch, wenn’s ums Aufstellen von Ampeln oder den Bau einer Kita geht. Alles andere würde der „Normalisierung“ der extremen Rechten in die Hände spielen.

Ich sehe, kein Fan. Ich weiß nicht ob da noch Interesse besteht, aber falls ja: Sorum geht die Argumentation da nicht. Andersherum wird ein Schuh draus. Weil sowohl Demokraten als auch Faschisten ihre Nation als Top Dog sehen wollen, haben sie sich beide dem Kapitalismus verschrieben, der sich dafür einfach wunderbar eignet. Garantiert ist dieser Erfolg aber eben nicht, kann auch wieder schwinden. Faschisten sehen in der (Staats)Not die Lösung für diesen Missstand dann darin, sich einiger hinderlicher demokratischer Checks and Balances zu entledigen. All dieser hinderliche Parlamentarismus usw. schwäche den Staat.
Springender Punkt ist bei dieser Art der Kritik, dass das Staats-Ziel identisch sei, die Mittel immerhin teilweise gleich seien.

Das ist jetzt natürlich grob verkürzt, ist ja klar. Ich wollte dich damit nur drauf aufmerksam machen, dass du da ein zwei Dinge nicht richtig wiedergegeben hast. Vielleicht willst du ja noch mal in Ruhe nachlesen.

Oder man bleibt halt bei „mehr vom gleichen“, wie viele der oben verlinkten Artikel es tun. Der demokratische Antifaschismus muss sich in jedem Fall vorwerfen lassen, dass er offenbar nicht zündet. Ganz augenscheinlich haben etliche Jahrzehnte Faschismus-Sensibilisierung in deutschen Schulen die Leute nicht davon abgehalten, sich ggf. auch wieder Fackelmärsche und Ausländerjagden einleuchten zu lassen.

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Die philosophisch spannende Frage ist doch: bei drei Parteien mit gleicher Stimmenzahl, die gegeneinander einen Brandmauer bauen, ist da auf kommunaler Ebene Stillstand die beste Option. Also kein Haushalt, kein Geld für nichts - außer gesetzlich vorgeschriebenes?

Da fängt, wie immer zuerst im Kleinen, die Brandmauer gegen Rechts an zu bröckeln.

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Das macht die Theorie ja nun nicht weniger abstrus.

Es gibt nicht „die Leute“. Das gleiche Vorgehen bewirkt bei unterschiedlichen Leuten Verschiedenes. Bei einigen, hier würde ich sogar sagen, bei recht vielen, bewirkt eine bestimmte Art „Faschismus-Sensibilisierung“ das Intendierte, bei anderen gar nichts und bei wieder anderen sogar das Gegenteil. Menschen sind unterschiedlich und nicht immer menschenfreundlich, sondern auch destruktiv. Auf Lernpsychologie.net heißt es allgemein dazu:

Im Kontext von Lerntheorien bedeutet das, dass Wissen nicht von einer Person auf eine andere Person übertragen werden kann, sondern von jedem Menschen neu konstruiert wird. Wenn z.B. eine Lehrperson einem Schüler etwas erklärt, speichert der Schüler die Informationen nicht einfach ab, sondern konstruiert sich anhand der aufgenommenen Informationen sein persönliches, individuelles Abbild der Realität – abhängig von seinem Vorwissen, seinen Einstellungen und der aktuellen Lernsituation.

Und Schule ist nicht der einzige Einfluss, der auf Lernende wirkt.

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Das von dir konstruierte Beispiel geht davon aus, dass es sich bei zwei Dritteln der Gewählten um Vertreterinnen und Vertreter antidemokratischer Parteien handelt. Wäre aber nur eine der drei Parteien antidemokratisch/faschistisch, dann könnten selbstverständlich die beiden demokratischen Parteien zusammenarbeiten.

Im von dir verlinkten Beispiel zeigt sich eine Schäbigkeit sondergleichen.

Angesichts von Zuständen wie diesen kann man sich gut vorstellen, warum Bürgermeister Nierth und Landrat Neubauer die Segel gestrichen haben.

Ja, es ist konstruiert. Aber ein Prinzip muss auch in schwierigen Situationen zu einem befriedigenden Ergebnis führen. Und hier ist die Frage, ist die Brandmauer das richtige Mittel, wenn es zu einem politischen Stillstand kommt. Oder fragt sich dann der Wähler:in, ob die Demokratie noch funktioniert.

Es kommt ja zu keinem Stillstand, da die Möglichkeit besteht, dass zwei nicht verfassungsfeindliche Parteien zusammenarbeiten.

Nur, wenn zwei der drei Drittel-Parteien verfassungsfeindlich wären, gäbe es ein Problem. Aber dann wäre eine Brandmauer der einzigen demokratischen Partei auch nicht gefährdet. Denn dann würden einfach die beiden verfassungsfeindlichen Parteien zusammenarbeiten. Sie hätten ja sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit dazu.

Zu einem wie auch immer gearteten Stillstand kommt es also nie.

Variante 1:
Partei A (verfassungskonform, demokratisch)
Partei B (verfassungskonform, demokratisch)
Partei C (verfassungsfeindlich, undemokratisch)
→ Zusammenarbeit der Parteien A und B möglich (ergo: kein Stillstand)

Variante 2:
Partei A (verfassungskonform, demokratisch)
Partei B (verfassungsfeindlich, undemokratisch)
Partei C (verfassungsfeindlich, undemokratisch)
→ Zusammenarbeit der Parteien B und C möglich (ergo: kein Stillstand)

Auch in einem Drei-Parteien-Parlament kommt es also nie zum „Stillstand“, wenn eine Brandmauer gegenüber verfassungs- und demokatiefeindlichen Parteien eingehalten wird.

Die These heißt, Verfassungsfeinde arbeiten immer zusammen. Mal angenommen:

Partei A: beliebige Partei aus dem demokratischen Spektrum
Partei B: AfD
Partei C: Islamistische Volksfront (Kalifat)

B und C würden trotzdem nicht zusammenarbeiten.

Da bist du etwas voreilig:

Da aber offenbar dementsprechend demokratiefeindliche Parteien und Gruppierungen einen offen stärkeren Zulauf haben als in der Vergangenheit, scheint das ja Gründe zu haben.
Ob diese „Wähler oder Sympathisanten“ nun rechtsextrem, linksextrem oder religiös/islamistisch motiviert sind, ist für die Demokratiefeindlichkeit wohl erstmal Sekundär.

Allen gemein scheint ja eine tiefe Unzufriedenheit mit bestehenden demokratischen Strukturen einerseits zu sein, andererseits der Wunsch nach einer eher autokratischen „starken“ Führung vorzuherrschen.

Um da im Sinne einer wehrhaften Demokratie gegenhalten zu können, kann es hilfreich sein die Motive und „Wünsche“ dieser Menschen zu kennen.

Die Begründung „die sind halt dumm und/oder einfach nur böse“ scheint mir da etwas zu einfach.

Welche „Schwächen“ unserer Gesellschaft und Demokratie sind also ursächlich?

Wird eine pluralistische Gesellschaft und Demokratie mit vielen Meinungen als zu schwach, zu langsam oder zu kompliziert empfunden?

Ist es die Angst vor Vielfalt, vor Veränderung und Fortschritt?

Was müsste sich ändern, damit Demokratie wieder attraktiver wird, und das man die Scheingeiligkeit extremistischer Parteien deutlicher erkennt?

Motive wie Rassismus u. dgl. sind offensichtlich, Wünsche wie eine autokratische Führung, was du ja selbst benennst, ebenfalls. Motive und Wünsche liegen also offen zutage und kommen auch in den Wahlentscheidungen zum Ausdruck. Da gibt’s keinen doppelten Boden.

Folglich ist das Ganze mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar.

Immer wieder anzunehmen, wie einige Linke das gerne tun, dass Rechtsextreme eigentlich doch ganz nette Menschen wären, denen in Wirklichkeit irgendwo ganz anders der Schuh drückt, was die Wählenden rechtsextremer Parteien nur irgendwie vergessen hätten, ist einfach empirisch nicht haltbar.

Das lässt sich hingegen mittels Studienergebnissen sehr gut belegen.

Doch was soll daraus folgen, außer, dass man es zur Kenntnis nimmt?

Zur Kenntnis nehmen….

Wenn wir also annehmen, das 20-30% tatsächlich AfD wählen, und dann nochmal 10-15 % das BSW, und wir dann unterstellen all diese Wähler sind damit gefestigt rechtsextrem oder „BSW-extrem“ und demokratiefeindlich, und das unveränderlich und unrettbar….

Und wir nehmen das zur Kenntnis und haben nur die Perspektive, all diese „demokratiefeindlichen“ Gruppen auszugrenzen und gesellschaftlich zu ächten….

Dann haben wir ggf 30-45% Wähler die eine in sich geschlossene gefährliche „Subgruppe“ in unserer Gesellschaft darstellen.
Ähnlich wie es sich in den USA grad abzeichnet.

Jetzt sehr radikal und überzeichnet gedacht, aber was bedeutet das langfristig für unsere Gesellschaft in Deutschland?

(Ich will hier keinesfalls extremistische Einstellungen relativieren oder AfD Anhänger , sondern einfach mal zu Ende denken, welche Konsequenzen oder Entwicklungen das bedeutet).

Was bedeutet das auch für unsere Demokratie, wenn ein Drittel bis die Hälfte unserer Bevölkerung nicht mehr dahinter steht?

Lösungsfokussiert gefragt: gibt es etwas, was wir an unserem demokratischen System ändern oder verbessern müssten, um für einen Teil der obigen Menschen wieder die bessere Alternative zu sein?

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Wir hatten früher sogar schon antidemokratische Mehrheiten (1, 2). Die Konsequenz kann nicht sein, den Antidemokratinnen und Antidemokraten nachzugeben. Wir wissen, wie das geendet ist.

Ggf. soll man eben Steffen Maus Vorschlag auf kommunaler und Landesebene umsetzen und Bürgerräte einführen.

Wer aber nicht bereit ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen, wird scheitern.

Im Übrigen finde ich es grotesk, immerzu zu fragen, was denn die die Demokratie Verteidigenden falsch machen.

Aber das ist doch klar, dass das nicht stimmt.
Da sind viele, die einfach Spaß haben, der Gesellschaft ins Gesicht zu spucken wie kleine Kinder.
Und vielen ist die Demokratie einfach egal, die wählen die, die Süßigkeiten versprechen (ja, auch irgendwie wie kleine Kinder)

Nicht wenige denken einfach, Demokratie wäre, wenn es so gemacht wird, wie sie gewählt haben.

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Das hat ja niemand gefordert.

Aber was bedeutet das nun konkret für unsere Demokratie?

Eben.
Das war ja die Frage: was tut man nun mit diesen „Anderen“?