Wie wird Olaf Scholz möglicherweise mit CumEx erpresst?

Im Focus versucht sich ein Professor für Außen- und Sicherheitspolitik (der auch Herausgeber der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik ist), die Haltung Scholzes auch zu erklären, bleibt dabei aber eher kryptisch. Zwischen den Zeilen liest sich das für mich aber auch schon so, als würde man dort auch mehr vermuten als das, was offiziell bekannt ist.

Leider werden wir wohl nie die wahren Gründe von Scholz’ erfahren. Fakt ist, zumindest auch nach Darstellung dieses Experten, dass die offiziell bekannten Gründe nicht ausreichen, das Verhalten von Scholz zu erklären. Die Frage ist nur, ob die nicht-bekannten Gründe so problematisch sind, wie es hier für möglich gehalten wird - oder ob die nicht-bekannten Gründe aus gutem Grund nicht öffentlich sind. So lange diese Erklärungslücke weiter besteht, wird sie wohl jeder mit der Theorie füllen, die ihm am realistischsten erscheint.

Ganz ehrlich: Ich hatte das im Stillen auch schon mal gedacht. Der Fokus müsste auf dem Wort „erpressbar“ liegen, nicht auf „erpresst“. In der Kießling-Affäre wurde in den 1980ern mal ein homosexueller General entlassen, weil er (nach damals wohl teils noch vorherrschenden Moralvorstellungen) als nicht-offener Homosexueller „erpressbar“ gewesen sei. Mit CumEx und WireCard ist der Kanzler mit einem Rücksack in sein Amt getreten, der auf ihm lastet. Zugute halten könnte man, dass die ihn Wählenden das wussten und sich trotzdem für ihn entschieden haben – so wird er nun nicht plötzlich zurücktreten. Denn bei jeder rätselhaften Entscheidung (hustTaurushust) stellt man sich die Frage: Was treibt ihn an?

Mit seiner gestrigen Erklärung zu Taurus hat Scholz zumindest ein wenig Druck aus dem Kessel gelassen, weil sie halbwegs ernst zu nehmen ist. Der (fragliche) Nicht-Kriegseintritt Deutschlands wäre ein Motiv, das man ihm abnehmen kann. Warum er damit nach Monaten um die Ecke kommt, während es vorher immer nur angedeutet wurde, ist eine weitere Frage. Er ist ein wandelndes Kommunikationsdesaster und nur 2 x im Jahr zu verstehen, wenn ihm dringendst angeraten wurde, nun endlich Klartext zu sprechen.

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Was für eine absurde Diskussion.

Wer hat den am stärksten die politischen Weichen für die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten gestellt und gleichzeitig unsere Bundeswehr kaputt gespart? Das war jawohl die CDU unter Merkel.

Und das hat die natürlich auch nicht ohne Grund getan, sondern weil die deutsche Bevölkerung und die deutsche Wirtschaft möglichst billiges Gas und billigen Sprit wollte und will.

Dazu wird niemand gezwungen. Nicht hinter jeder Unerklärlichkeit steckt automatisch eine Verschwörung oder Gott. Und die einfachste Erklärung ist: Scholz ist ein visionsbefreiter Politiker mit relativ geringem Talent, der eher als Eingeständnis der Hilflosigkeit seiner Partei Kanzlerkandidat wurde, nur dank eines noch schwächeren CDU-Kandidaten an die Macht kam und jetzt führungsschwach vor sich hin dilettiert…

Ich persönlich brauche wirklich keine „Erpressbarkeit“ oder russische Geheimagenten um mir die Unsinnigkeit zeitgenössischer SPD-Spitzenpolitiker zu erklären.

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Ich weiß nicht genau, was du mit „Weichen stellen“ meinst, aber Nord Stream hat Schröder auf den Weg gebracht - noch als Kanzler, und dafür dann einen Gazprom-Aufsichtsratsposten bekommen. Und seine Kumpel Gabriel und Steinmeier haben das in ihren Ministerien zumindest politisch flankiert, wie es so schön heißt. Und wer war noch gleich Finanzminister unter Merkel? Ich finde es ein wenig absurd, das alles auf die CDU zu schieben.

Da kann ich allerdings voll zustimmen. Es gibt ja SPD-Politiker, die sich durch Deals mit russischen Politikern oder Unternehmern eindeutig selbst korrupiert haben (ich empfehle hierzu das Buch „Die Moskau-Connection“ und vielleicht gibt es auch noch ein paar, von denen man es noch nicht weiß. Aber das allein ist keine Erklärung für die Energie- und Russlandpolitik der SPD in den letzten 20 Jahren. Zudem: was bringt es hier im Forum über etwas zu spekulieren, was wir alle nicht wissen?

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Carlo Masala äußerte im FAZ Podcast für Deutschland gestern zwei Theorien über die Zurückhaltung bei den Waffenlieferungen der Ukraine-Alliierten.

  1. Die westlichen Staaten (inklusive der explizit genannten USA) haben Angst vor einer russischen Niederlage. Es gäbe das Schreckensszenario, dass eine Niederlage zu einem gewaltsamen Zerfall Russlands führen könne. Man könne und dann nicht abschätzen welche Fraktion das russische Atomarsenal in den Händen hielte. Eine solche Lage würde gefährlicher eingeschätzt als die aktuelle Lage.
  2. Die Ukraine zu stark zu bewaffnen könne Spielräume für Verhandlungslösungen verkleinern. Benannt wird explizit die Lieferung von Taurus. Der Status der Krim solle in den Augen des Westens vermutlich als Verhandlungsmasse dienen. Würde man Taurus an die Ukraine liefern, könnte die die Kertsch-Brücke zerstören. Russland hätte dann enorme Probleme den Nachschub für die Krim zu organisieren und die Ukraine könnte sie zurückerobern. Einmal in ukrainischer Hand würde die Ukraine dann nicht mehr über die Krim verhandeln. [Anm: Für Russland ist die Krim hingegen nicht verhandelbar].

Er betont, dass er beide Argumentationen selbst aber nicht teilt.

Von Claudia Mayor habe kürzlich einen weiteren Gedanken gehört. In der Expertenriege, die den Bundeskanzler berate, herrsche tatsächlich die Sorge, dass Taurus von Russland als Überschreiten einer roten Linie gesehen werde. Es sei möglich, dass Russland dies dem Bundeskanzler und seinem Stab auch direkt so mitgeteilt hätte und man das auch ernst nehme. Scholz wolle sich daher bei den USA durch äquivalente Lieferungen absichern, die das aus nicht bekannten Gründen aber verweigern (siehe auch die Diskussion über die schweren Kampfpanzer Ende 2022).

Zuletzt gäbe es noch einen Gedanken, den ich von Frank Sauer (wenn ich mich richtig erinnere) aufgeschnappt habe. Der meinte mal Scholz sei genervt davon, dass andere Staaten Deutschland durch eigene Ankündigungen mehrfach zu immer größeren (/riskanteren) Lieferungen gedrängt hätten und dann die Einlösung ihrer Versprechen schuldig blieben. Daher auch der ständige scholzsche Verweis auf die deutschen Lieferungen im Vergleich zu anderen europäischen Partnern. Wer Scholz kennt wisse hingegen, dass der auf Druck von außen eher mit Trotz reagiere.

Ich will mir keine Position zu eigen machen. Aber allein diese 3 Experten zeigen, dass es eine Vielzahl Gründe gäbe aus denen die Bundesregierung möglicherweise zögert, die Ukraine so zu unterstützen wie sie es braucht. Es benötigt ganz sicher keine Verschwörungstheorien a la

um die aktuelle Lage zu erklären. Zumal man sicher sein kann, dass Scholz aus den Sicherheitskreisen oder von Verbündeten bloß gestellt würde, wenn er tatsächlich durch Erpressung ein Sicherheitsrisiko für Deutschland und die NATO würde.

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In einer der letzten Folgen des Streitkräfte und Strategien Podcasts wurde die deutsche Zurückhaltung damit plausibilisiert, dass Deutschland keine Atommacht ist. Frankreich und das Vereinigte Königreich hingegen schon, weshalb genau diese beiden Länder ein substanziell niedrigeres Risiko eingehen, falls sie mit der Lieferung von potenteren Waffensystemen eine von Russland kommunizierte rote Linie überschreiten. Deshalb haben auch (nur?) diese beiden Länder Marschflugkörper geliefert.
Deutschland (und alle anderen NATO-Länder) können solche Waffensysteme hingegen nur dann mit einem ähnlich niedrigen Risiko liefern, wenn keinerlei Zweifel daran besteht, dass sie (auch im weiteren Verlauf des Krieges) unter dem US-amerikanischen Atomschirm stehen. Daran gibt es aber inzwischen Zweifel.

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Das klingt durchaus stimmig mit der Aussage von Frau Major. Und es erklärt vielleicht auch warum Macron gestern Nacht entgegen Absprachen NATO-Bodentruppen für die Ukraine ins Gespräch gebracht hat, was Scholz sofort scharf zurückgewiesen hat.

Die französische Fallhöhe ist einfach relativ gering. Strategische Atomwaffen in der Hinterhand und weiter weg von der Front, fühlt man sich vielleicht etwa sicherer. Weiß jemand wie Polen auf den französischen Vorstoß reagiert hat?

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Ich kann diese Argumentation nicht ganz nachvollziehen. Entweder die französischen und britischen Atomwaffen sind eine wirksame Abschreckung - dann sind sie das auch im Falle eines Angriffs auf Deutschland, oder sie sind es nicht - dann ist es aber auch egal, welches europäische NATO-Land angegriffen wird. Aber noch ist Trump nicht Präsident und selbst wenn ist die Frage, ob er einen Nuklearangriff Russlands einfach so geschehen lassen würde. Selbst Sahra Wagenknecht sagt, dass dem Kreml klar ist, dass Russland einen Nuklearangriff auf ein NATO-Land nicht überleben würde. Das ist angesichts der zum Teil von ihr geschürten Angst vor einem (atomaren) Weltkrieg schon eine überraschend nüchterne Aussage.

Ich glaube sofort, dass es „Experten“ gibt, die das so sehen - ob sie nun die entsprechenden Warnungen aus Moskau direkt erhalten oder öffentliche Aussagen von Kreml-Leuten entsprechend interpretieren. Genau dieselbe Argumentation führte dazu, dass man 2015 auf das Minsk-II-Abkommen gedrängt hat, dass man vor dem 24. Februar 2022 gar keine Waffen an die Ukraine liefern wollte und dass vor Mitte 2023 keine Kampfpanzer liefern wollte. Jedes Mal die Angst, Russland könnte bei Überschreiten der roten Linie… ja was eigentlich? vielleicht ein Nachbarland überfallen? für Millionen von Flüchtlingen in Europa sorgen? durch eine Blockade von Getreidelieferungen eine globale Hungersnot herbeiführen? durch den Stopp von Gaslieferungen die Energiepreise in die Höhe treiben? die internationale Sicherheitsarchitektur bedrohen? Europa destabilisieren? Zumindest den Versuch zu alldem hat es gegeben.

Ich verstehe dein Unverständnis. Aber das war nicht mein Punkt und ich will nicht über die Stichhaltigkeit von Punkten diskutieren. Es ging mir darum, diesem Unsinn von Verschwörungstheorien gegenüber dem Bundeskanzler die begründeten und viel besser informierten Positionen/Vermutungen ausgewiesener Experten entgegenzusetzen.

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Ich glaube du übersiehst hier einen Punkt. Ob die Abschreckung französischer Atomwaffen auch Deutschland schützt, hängt maßgeblich davon ab, wie man wo die in ähnlicher Form berühmte Frage beantwortet, ob Frankreich Paris für Berlin opfern würde.

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Nicht gelieferte Waffen an die Ukraine kann man doch beinahe gleichsetzen mit nicht abreißenden Waffen- und Teilelieferungen an Russland trotz vorhandenem Embargo/Saktionen.

Versteh mich nicht falsch, ich bin kein Fan von „Verschwörungen“, was ich hier im Thread auch gar nicht erkennen kann, aber gerade im Rahmen der immer stärker in den Fokus rückenden Cyber-Warfares, den insbesondere Russland aktuell aggressiv führt, halte ich den Gedanken eines vorhandenen Kompromats für nicht komplett an den Haaren herbeigezogen, ohne es direkt als wahr zu bezeichnen. So wird Politik heutzutage halt beeinflusst. Habe dazu gerade kürzlich eine Doku gesehen, die ich sehr empfehlen kann.

Ich glaube wir sind alle weit davon entfernt zu wissen was genau da abgeht und ich glaube auch, dass sich das hier keiner der hier diskutierenden anmaßt es wissen zu können. Am Ende kann es auch einfach nur das sein.

Das man im Rahmen der sehr sachlichen Diskussion hier direkt die Verschwörungstheorie-Karte zieht, finde ich ehrlich gesagt schwierig, nur weil einige Personen mal laut ihre Gedanken (konstruktiv!) zur Debatte stellen. Wir stellen ja hier fest, es gibt für alles keine gesicherten Informationen. Auch die Einschätzung von genannten Experten sind ja nicht auf absolut stichhaltigen Beweisen gemauert, sondern eben Einschätzungen von Experten (die in dem Bereich sicher sehr kompetent sind).

…zeigt ja auch, dass es da vielleicht persönliche Ansichten gibt, die bei der Bewertung der „Plausibilität“ solcher Gedanken eine Rolle spielen. Den Raum sollte man aber auch anderen zugestehen. Hatte jetzt nicht wahrgenommen, dass man deine Position angreift und als Verschwörung bezeichnet.
Ich finde es vielmehr interessant die unterschiedlichen Perspektiven zu sehen.

Meinst du nicht, dass auch die 5 Eyes (Geheimdienstebündnis von Australien, Kanada, Neuseeland, UK und USA) über solche Informationen verfügen würden, so es sie gäbe? Und sie würden ganz sicher Scholz mit Durchstechereien dergleichen aus dem Spiel nehmen, sofern er eine Belastung für das Bündnis wird.

Ich denke es bringt uns hier nicht wesentlich weiter, über Indizien zu Spekulieren wer mit welchen Informationen was tun würde um daraus derartige Sachverhalte abzuleiten.

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Das hier war der ursprüngliche Aufmacher

Und das hier ist die Definition im Duden für Verschwörungstheorie:

Vorstellung, Annahme, dass eine Verschwörung, eine verschwörerische Unternehmung Ausgangspunkt von etwas sei

Ich empfinde es auch nicht als konstruktiv, wenn solche Dinge im Sinne eines „man wird ja wohl noch fragen dürfen“ in den Raum gestellt werden, ohne dass es dafür auch nur den Hauch eines Belegs gibt. „Theoretisch“ ist vieles denkbar: Scholz könnte von den Russen, den Amis, den Franzosen oder den Indern erpresst werden. Er könnte ein Echsenmensch sein, oder eine langjährige Geheimoperation der CDU-Spitze, die durch ihn die SPD von innen zerstören will.

Es ist einfach ziemlich verantwortungslos, über den möglichen Landesverrat unseres Bundeskanzlers zu spekulieren, wenn die einzige Grundlage für diese Spekulation eine Reihe von Entscheidungen sind, für die es eine ganze Reihe anderer, sehr viel wahrscheinlicherer Erklärungen gibt.

Dazu kommt: welchen Erkenntnisgewinn kann diese Diskussion bringen? Niemand hier im Forum ist in der Position, selbst mehr als Spekulation beizutragen. Nochmal: das ist keine konstruktive Grundlage für irgendetwas.

Ich habe einfach keinen Bock, mich hier an der allgemeinen gesellschaftlichen Grundstimmung des Misstrauens und der Unterstellungen zu beteiligen. Wenn irgendein Staatsanwalt, Journalist oder meinetwegen auch eine Privatperson einen gut begründeten Anfangsverdacht für „Kompromat“ liefert, bin ich der erste, der einen Untersuchungsausschuss fordert. Aber vorher ist und bleibt es reines Verschwörungs-bla-bla.

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Wenn das tatsächlich die Frage ist, heißt das ja übersetzt, dass man jetzt schon nicht mehr an ein Funktionieren der NATO glaubt - und zwar nicht mal für den Fall eines nuklearen Angriffs auf ein NATO-Land. Dann hätte Putin aus meiner Sicht schon viel mehr erreicht als er zu träumen wagt.

Entscheidend ist, dass potentielle Angreifer es glauben

Da muss ich wohl präzisieren: Die entscheidende Frage bei der Abschreckung ist ob der potentielle Angreifer es glaubt.
Und diese Frage habe ich mir nicht ausgedacht sondern sie ist soweit ich weiß schon im kalten Krieg kursiert und wird immer mal wieder in sicherheitspolitischen Diskussionen besprochen zB im Podcast „Sicherheitshalber“

Versteh mich nicht falsch: Es kann durchaus sein, dass Putin (oder auch Macron oder Scholz) nicht mehr daran glauben, dass die atomare Abschreckung innerhalb der NATO tatsächlich funktioniert. Das stelle ich gar nicht infrage. Aber das heißt aus meiner Sicht auch, dass das Problem sehr viel größer ist, als ich es gedacht hätte