Ich finde, wenn westliche Politiker einen Zusammenbruch der Russischen Föderation mehr fürchten als dass die Ukraine in einem jahrelangen Abnutzungkrieg ohne ausreichende Waffen langsam aufgerieben wird, womit sich die Machtverhältnisse in Europa deutlich zugunsten Putins verschieben dürften, dann sollten sie wenigstens den Anstand haben, das offen zu sagen.
Wie weit kann Putin damit gehen? Ein Einmarsch in Moldau? Estland? Was wäre die rote Linie für den Westen?
Die Gefahr für den Westen besteht nicht darin dass die Ukraine den Krieg verliert und Russlands militärische Position strategisch signifikant verändert ist. Russland hätte die Nato herausgefordert und gewonnen. Brics würde einen Aufschwung erleben, der Dollar weiter, schneller an Relevanz verlieren. Kurz: die Weltordnung verschiebt sich zu westlichen Ungunsten
Darum heißt es ja immer die Ukraine darf “nicht verlieren”. Ich glaube nur nicht, dass das eine gewinnbringende Strategie ist. Russland muss nur auf Zeit spielen, weil es letztlich bereit ist einen höheren Preis zu zahlen. Irgendwann gehen der Ukraine die Männer und dem Westen das Geld aus.
Hiesse quasi, die Strategie des Westens wäre, da man keinen langfristigen Plan hat, Russland über die Ukraine einige Zeitzu beschäftigen, aber nicht zu sehr zu verärgern, bis man eine Idee entwickelt hat.
Im Grunde ist die Zukunft und die Menschen in der Ukraine uns im Westen eigentlich egal.
Ähnlich die Zeitenwende der Bundeswehr. Mal wieder etwas verteidigungsfähig zu machen, weil man es 30 Jahre hat schleifen lassen, aber nicht zu „wehrfähig“ zu machen, um niemanden (Russland) zu reizen oder zu irritieren.
Also zynisch wäre da doch schon fast ein Lob, oder?
Dazu interessant:
Sofern es eine Strategie gibt, kann man nur darüber mutmaßen. Aus offensichtlichen Gründen wird man diese ja nie öffentlich kundtun.
Wenn es stimmt, dass man keine Niederlage Russlands und keine Niederlage der Ukraine möchte, müsste man m. E. die Ukraine soweit befähigen, dass diese Russland massiv in die Defensive zwingen kann, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. Evtl traut man den Ukrainern aber nicht zu, in so einem Moment nicht doch den „Todesstoß“ zu setzen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum man so zögerlich vorgeht.
Das Zwingen Russlands an den Verhandlungstisch käme einer Niederlage Putins gleich (innenpolitisch), was zu einem Zusammenbruch Russlands führen könnte, den man ja auch nicht will.
Ist die Strategie dann mindestens ein Teilsieg Russlands, um Putins Gesicht zu wahren?
Also das man im Westen die besetzten ukrainischen Gebiete als dauerhaft an Russland verloren ansieht und nun quasi nur noch auf die Einsicht der Ukraine wartet?
Ja, ich denke die Ukraine müsste - zumindest auf absehbare Zeit - auf einen Teil ihrer Gebiete verzichten. Vielleicht könnte man ja auf eine Art West und Ost-Ukraine setzen.
Ich glaube aber auch dass in Russland die Medien soweit auf Linie gebracht sind, dass man da vieles als Erfolg verkaufen könnte.
Aber alles nur Spekulation.
Sollte das die Strategie sein, geht die Ukraine so oder so als Verlierer aus der Nummer raus. Auch weil sie auf die Unterstützung des Westens gesetzt hat.
Eine NATO oder EU Mitgliedschaft hätte sich damit im Grunde erledigt, da das ein Grund für Russland wäre (bei den neuen russischen „Westgrenzen“) direkt wieder militärisch aktiv zu werden.
Dauerhaft liesse sich so auch kaum eine demokratische Regierung in Kiew halten, was Putin neue Einflussmöglichkeiten eröffnet.
Zudem bezweifle ich das Putin um des Friedens Willen diese Schwäche des Westens ungenutzt lassen würde. Die Grenzen der Sowjetunion sind ja nunmal sein erklärtes Fernziel.
Die Botschaft in der Welt wäre dann ja: der Westen ist mit seiner Demokratieidee in Afghanistan, in Mali und vor der Haustür in der Ukraine gescheitert, weil sie keinen Schutz bieten kann. Die NATO wird eher als Papiertiger wahrgenommen, der viel redet, aber wenig handelt.
Ich will hier keinesfalls eine harte militärische Linie propagieren, aber das wäre das Bild das sich Staaten in Afrika, Brics und Co. So darstellen würde.
In dem Zusammenhang sind auch die geopolitischen Gegebenheiten Russlands interessant, um die russischen Motive und Ziele einordnen zu können:
Diese Quelle erklärt die russischen Motive recht sachlich:
Das Szenario hat Masala schon ein paar Monate lang vorgetragen. Ich selbst hatte das auch schon an ein paar Orten im Forum diskutiert, bspw hier.
Ich halte die Vermutung durchaus für plausibel und machtpolitisch auch nachvollziehbar. Für die Ukraine ist das natürlich wenig zufriedenstellend. Aber sollte das Szenario realistisch sein, dann sind uns hier unter Umständen die Hände gebunden.
Um Estland mache ich mir selbst nicht wirklich Sorgen. Wenn wir die Grenzen endlich einmal ernsthaft so stärken würden, dass Russland nicht einfach durchmaschieren und sich eingraben kann, dann sehe ich auch keine Gefahr für das Baltikum.
Wenn wir allerdings erst einmal 1 Monat brauchen, um überhaupt signifikante Truppenkontingente in die Region zu bringen, dann ist das natürlich eine Einladung.
Man sollte hoffen, dass die NATO sich gerade intensiv damit beschäftigt, wie die Ostgrenze konventionell gesichert werden kann, sodass ein Angriff Russlands von Anfang an aussichtslos ist.
Genauso hoffe ich, dass sich die EU Gedanken macht, wie die Sicherheitslage in Europa unter einem möglichen Präsident Trump aussieht.
Nun ist es soweit:
Zuvor hatten die USA bereits den Einsatz von US-Waffen auf Ziele in Russland in begrenztem Umfang freigegeben. Dies gelte ausschließlich für Gegenschläge zur Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw, berichteten unter anderem das Nachrichtenmagazin Politico und der Sender CNN.
Scholz folgt wie zuvor auch den USA. Nicht wirklich überraschend, hat er ja vorher bei Waffenlieferungen auch getan.
Zäh für die Ukraine
Das mag sein, überrascht aber ganz sicher nicht. Er hat ja auch immer kommuniziert, dass Deutschland seine Lieferung abhängig von Absprachen mit den Verbündeten (gemeint ist die USA) macht.
Die Logik dahinter ist, dass Russland einen alleinigen Angriff Deutschlands nur schwer rechtfertigen kann wenn die USA das gleiche tut. Und, vermutlich noch wichtiger, im Fall eines Angriffs Deutschlands fällt es der (zukünftigen Trump-)USA schwerer den Beistand zu verweigern, da man kaum argumentieren kann, Deutschland hätte durch Alleingänge eine kriegerische Reaktion Russlands provoziert.
Scholz’ Amtseid verpflichtet ihn in erster Linie dem deutschen Volk und dessen Absicherung scheint ihm oberste Priorität.
Keine Frage, da setzt Scholz entsprechende Prioritäten.
Für Deutschland selbst geht es ja auch nicht um die Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine.
Das war ja nie das erklärte Ziel.
Daher waren die Erwartungen seitens der Ukraine wohl auch nie entsprechend hoch.
In einer Sache muss ich Scholz zustimmen: Deutschland als eine nicht-strategische Macht ohne jegliches ernsthaftes Abschreckungsmaterial kann und wird wahrscheinlich nie die militärische Führungsrolle übernehmen können, wie es Christine Lambrecht einst formulierte. Daher kann man davon ausgehen dass eine Lieferung von weitreichenden Waffen, Erlaubnis vom Einsatz im russischen Kernland etc. nie von durch Deutschland als Vorreiter gepusht werden wird. Stattdessen werden wir eher die Nachzügler Rolle spielen.
Heißt aber nicht, dass die Kommunikation von Olaf Scholz zu oft nicht katastrophal ist.
Ich verstehe Scholz auch so, das er weiter auf die Führungsrolle der USA als schützende Hand setzt.
In dem Wissen, das in Europa niemand diese Rolle übernehmen kann, auch kein Gesamt-Europa.
Zudem ist es für uns einfacher und billiger, wenn die USA vorrangig für unsere Sicherheit sorgt.
Nur weiß ich nicht ob man auf diese Kontinuität und deutsche Passivität auch bei einer USA unter Trump setzen kann…