Scholz gegen Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium

Grad in der Tagesschau:

„Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht derzeit keinen Anlass für die Ausweitung des Einsatzgebiets westlicher Waffen im Ukraine-Krieg. Bei einem „Bürgerdialog“ am Sonntag in Berlin wies der Kanzler Forderungen nach einem Einsatz der gelieferten Waffen auf russischem Staatsgebiet zurück. Für die deutschen Waffenlieferungen gebe es „klare Regeln, die mit der Ukraine vereinbart sind und die funktionieren“, sagte Scholz. „Das ist jedenfalls meine These“, fügte er hinzu. Das Ziel seiner Ukraine-Politik sei die „Verhinderung, dass da ein ganz großer Krieg draus wird“, ergänzte Scholz.
Deutschland knüpft seine Waffenlieferungen an die Ukraine bislang an die Bedingung, dass diese nicht jenseits der Grenze auf russischem Territorium eingesetzt werden. „

Wenn ich diese Einschränkungen, die ja aktuell auch von Seiten der USA gelten, mal nehme, sowie Vorgaben wie der USA, nicht russische Ölraffinerien anzugreifen, weil sonst der Ölpreis steigt, was für Bidens Wahlkampf ungünstig wäre.
Dazu die doch sehr schleppenden Waffenlieferungen (bezogen auf die gemachten Zusagen), die teils uneinheitliche Position der NATO- und EU-Mitglieder….

Die Ukraine kämpft da schon mit einer Hand auf dem Rücken gebunden und sehr engem Bewegungsspielraum gegen einen Gegner (Russland), für den keine Restriktionen (bis auf ggf Atomwaffen) gelten.

Mir ist das Ziel der westlichen Staaten bei der Unterstützung der Ukraine grad nicht wirklich klar.

Also es geht ja definitiv nicht darum, das die Ukraine die besetzten Gebiete zurück erobern kann/soll. Hab ich ja verstanden.

Ein Einfrieren des Krieges, bei dem Russland die besetzten Gebiete (erstmal) behält, also eine Art Waffenstillstand bei dem beide Seiten ihre militärischen Potentiale wieder konsolidieren können, ist auch nicht gewollt.

Geht es vielleicht darum, das die Ukraine den russischen Aggressor nur solange aufhalten und beschäftigen soll, bis die westlichen Länder ihre Versäumnisse der letzten Jahrzehnte in der Sicherheitspolitik etwas aufgearbeitet haben?

Wäre schon sehr zynisch….und würde bedeuten, das wir unsere moralischen Grundsätze nicht zu hoch hängen sollten….

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Internationale Politik ist primär Macht- und Interessenpolitik. Natürlich begründet man sie gerne mit den eigenen moralischen Werten, aber das ist meiner Wahrnehmung nach oftmals eher sekundär.

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Wenn Scholz sagt, er will verhindern, das da ein ganz großer Krieg draus wird…

Was bedeutet das eigentlich für die Beistandspflicht im NATO Fall?
Was genau an Beistandsbeiträgen geleistet wird, entscheidet ja jedes NATO Mitglied eigenständig.

Wenn Russland jetzt Estland angreifen sollte (rein fiktiv), und Deutschland schickt 5000 Helme und 2000 Feldbetten, dazu ein Patriot System ohne Personal, das nur im estnischen Luftraum genutzt werden darf, damit da kein großer Krieg draus wird….dann hätte Deutschland aber quasi seine Beistandspflicht nach Paragraph 5 der NATO Statuten erfüllt, oder nicht?
Mal ganz ernst gefragt….

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Jaein. Beistandspflicht nach Artikel 5 kann umgangen werden, wie so ziemlich jeder andere Verteidigungsvertrag zwischen demokratischen Staaten.Eine Pflicht in einen Krieg einzutreten ist nicht durchsetzbar, so lange die Armee dem Parlament unterstellt ist. Wenn man das so durchzieht, bedeutet es auch gleichzeitig das Ende des Verteidigungsvertrags und keine Einladung in das Nachfolgeprojekt.

Also kann man schon, aber es gibt Konsequenzen.

Obwohl Artikel 5 eine starke Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung enthält, gibt es einige Aspekte, die interpretiert werden können:

  1. Definition eines bewaffneten Angriffs: Was genau als bewaffneter Angriff gilt, kann Interpretationssache sein. Traditionell wird darunter ein konventioneller militärischer Angriff verstanden, aber die Definition kann sich auf neue Bedrohungen wie Cyberangriffe oder terroristische Attacken ausweiten.
  2. Art der Reaktion: Während Artikel 5 eine Verpflichtung zur Reaktion beinhaltet, lässt er den Mitgliedern Spielraum, welche Maßnahmen sie ergreifen. Die Form der Unterstützung (militärisch, wirtschaftlich, humanitär usw.) kann variieren.
  3. Konsultation und Entscheidung: Die Entscheidung, ob Artikel 5 angewendet wird, erfordert die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten. Dies bedeutet, dass es einen Prozess der Konsultation und Einigung gibt, der potenziell zu unterschiedlichen Interpretationen und Verzögerungen führen kann.

Die Anwendung von Artikel 5 ist daher nicht vollkommen starr und kann verschiedenen politischen und strategischen Erwägungen unterliegen. Tatsächlich wurde Artikel 5 bisher nur einmal aktiviert, nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, was zeigt, dass die Auslegung durchaus flexibel sein kann.

Chatgpt

Das wäre ja durchaus ein Aspekt, auf den Putin mal testweise setzen könnte.
Was dann ggf das Ende der NATO bedeutet.

Ich hätte da jetzt schon gewisse Zweifel, ob die NATO sich relativ geschlossen einer Aggression aus Russland entgegen stellen würde.

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In der Regel wird dann darauf verwiesen, dass es ja auch in der EU eine Beistandspflicht gibt, aus der man nicht so leicht rauskommt.

Guter Hnweis.

Wie konkret wäre die Beistandspflicht dort?

Sehr weich formuliert:

Es wäre auch rein zivile Unterstützung möglich.

„Alle in unserer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ sind nicht 5000 Helme oder eine „we pray for you“-Karte.
Blinken deutete gerade auch erst an, dass es in den USA durchaus Überlegungen gibt, der Ukraine bald zu erlauben, russisches Territorium mit Patriots amerikanischen Waffen anzugreifen. Das brächte Scholz in Erklärungsnot und darauf wird sich auch seine Aussage beziehen.
Aber es ist die einzige logische Konsequenz. Den es bringt ja nichts, rote Linien zu definieren, wenn der Feind diese jederzeit nach Belieben verschiebt.

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Das ist der Punkt. Wenn wir (als Deutschland) immer sehr klar formulieren, was wir nicht machen bzw. wo unsere roten Linien sind, weiß Putin recht genau wie weit er gehen kann.
Und die Drohung „Ab dem Punkt seid ihr aus russischer Sicht Kriegspartei“ nutzt sich doch langsam etwas ab.

Krieg nach politischen statt militärischen Regeln zu führen funktioniert in der Regel nicht.

Selbst wenn die USA ihre Restriktionen lockern bezüglich der Waffennutzung, Scholz profiliert sich innenpolitisch grad als Friedenskanzler.
Und hält sich auch ein Türchen offen falls Russland die Ukraine niederringen sollte.
Politisch nachvollziehbar.
Moral und Politik gehen halt nicht zusammen.

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Wegen „Territorium“: Du meinst HIMARS/ATACMS? Patriot ist ja „nur“ gegen Luftziele…

Ich habe gestern und heute ausführliche Briefe an hochrangige SPD’ler:innen geschickt… der Angriff auf den Baumarkt in Charkiw aus bekannten, aber nicht bekämpfbaren Stellungen heraus sowie die Aufnahmen der Feuerwehrleute mit schuss-sicheren Westen hat mich massiv aufgeregt…

Ich erwarte keine Antwort von Esken, Klingbeil, Kühnert etc… aber wenn das viele machen… und in der Vergangenheit gab es doch schon mal zumindest auf Landesebene überraschenderweise „brauchbare“ Antworten auf meine Schreiben und sogar mal den persönlichen Anruf eines Innenministers…

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Carlo Masala hat in einem FAZ-Podcast die Hypothese formuliert, dass die westlichen Staaten Angst vor einem Zerfall des russischen Reichs haben, sofern Putin diesen Krieg „verliert“. Niemand möchte einen Failed State mit tausenden Nuklearsprengköpfen.

D.h. es muss eine gesichtswahrende Lösung für alle Seiten gefunden werden. Dumm nur, dass Russland gewillt ist, einen sehr hohen Preis (im Sinne eigener Opfer) zu zahlen. Das wird also noch sehr teuer für den Westen werden…mit ungewissem Ausgang.

Ich finde, wenn westliche Politiker einen Zusammenbruch der Russischen Föderation mehr fürchten als dass die Ukraine in einem jahrelangen Abnutzungkrieg ohne ausreichende Waffen langsam aufgerieben wird, womit sich die Machtverhältnisse in Europa deutlich zugunsten Putins verschieben dürften, dann sollten sie wenigstens den Anstand haben, das offen zu sagen.

Wie weit kann Putin damit gehen? Ein Einmarsch in Moldau? Estland? Was wäre die rote Linie für den Westen?

Die Gefahr für den Westen besteht nicht darin dass die Ukraine den Krieg verliert und Russlands militärische Position strategisch signifikant verändert ist. Russland hätte die Nato herausgefordert und gewonnen. Brics würde einen Aufschwung erleben, der Dollar weiter, schneller an Relevanz verlieren. Kurz: die Weltordnung verschiebt sich zu westlichen Ungunsten

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Darum heißt es ja immer die Ukraine darf “nicht verlieren”. Ich glaube nur nicht, dass das eine gewinnbringende Strategie ist. Russland muss nur auf Zeit spielen, weil es letztlich bereit ist einen höheren Preis zu zahlen. Irgendwann gehen der Ukraine die Männer und dem Westen das Geld aus.

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Hiesse quasi, die Strategie des Westens wäre, da man keinen langfristigen Plan hat, Russland über die Ukraine einige Zeitzu beschäftigen, aber nicht zu sehr zu verärgern, bis man eine Idee entwickelt hat.
Im Grunde ist die Zukunft und die Menschen in der Ukraine uns im Westen eigentlich egal.
Ähnlich die Zeitenwende der Bundeswehr. Mal wieder etwas verteidigungsfähig zu machen, weil man es 30 Jahre hat schleifen lassen, aber nicht zu „wehrfähig“ zu machen, um niemanden (Russland) zu reizen oder zu irritieren.
Also zynisch wäre da doch schon fast ein Lob, oder?

Dazu interessant:

Sofern es eine Strategie gibt, kann man nur darüber mutmaßen. Aus offensichtlichen Gründen wird man diese ja nie öffentlich kundtun.

Wenn es stimmt, dass man keine Niederlage Russlands und keine Niederlage der Ukraine möchte, müsste man m. E. die Ukraine soweit befähigen, dass diese Russland massiv in die Defensive zwingen kann, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. Evtl traut man den Ukrainern aber nicht zu, in so einem Moment nicht doch den „Todesstoß“ zu setzen. Anders kann ich mir nicht erklären, warum man so zögerlich vorgeht.

Das Zwingen Russlands an den Verhandlungstisch käme einer Niederlage Putins gleich (innenpolitisch), was zu einem Zusammenbruch Russlands führen könnte, den man ja auch nicht will.

Ist die Strategie dann mindestens ein Teilsieg Russlands, um Putins Gesicht zu wahren?
Also das man im Westen die besetzten ukrainischen Gebiete als dauerhaft an Russland verloren ansieht und nun quasi nur noch auf die Einsicht der Ukraine wartet?