LdN319 Blockiert Deutschland tatsächlich die Lieferung von Kampfpanzern durch Drittstaaten?

Fällt das nicht noch in den Zuständigkeitsbereich des Bundessicherheitsrates, so als quasi nachlaufender Aspekt des Rüstungsexports?

Hehe, noch ein Player mehr… es wird immer komplizierter, aber darauf wollte ich ja hinaus.

Also man sieht, dass diese Angelegenheit in jedem Fall nicht so einfach ist, wie wir vielleicht denken. Daher: Nur weil Habeck sagt, er würde die Lieferung von Kampfpanzern erlauben, ist noch lange nicht sicher, ob er das auch entscheiden kann…

So ganz wie eine aktive Blockade der Deutschen klingt das für mich trotzdem nicht. Klar bin ich auch dafür, dass Deutschland eine Vorreiterrolle tragen sollte, ich bin jedoch mit den sicherheitspolitischen Implikationen alles andere als vertraut. So oder so ist es ein riesen hin und her von allen beteiligten Staaten was täglich Menschenleben in der Ukraine kostet.

Doch, es ist leider eine aktive Blockade. Oben wurde ja genau erklärt, dass verschiedene Akteure an der formellen Abwicklung beteiligt sind, es aber letztlich eine Einigung in der Bundesregierung braucht. Und das Kanzleramt steht hier weiterhin mit beiden Füßen auf der Bremse. Das ist auch kein Geheimnis, sondern offizielle Linie, die zB von Pistorius öffentlich vertreten wird.

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Ich finde es auch inhaltlich richtig, dass ihr das immer wieder erwähnt, da dieses Problem ja quasi seit Beginn des Krieges besteht. Ich würde mir aber auch etwas mehr Ursachenforschung wünschen. Denn angesichts solcher Meldungen:

ist für mich der Verdacht groß, dass Scholz hier auf Betreiben der deutschen Großindustrie auf der Bremse steht.

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Niemand kann in seinen Kopf schauen, aber wenn ich mir überlege, dass die FDP sich sehr für die Lieferung von Kampfpanzern einsetzt, erscheint mir diese Hypothese nicht besonders plausibel.

Meine persönliche These: Kompromat. Scholz hat in Hamburg offenbar so viel Mist gebaut, dass der FSB vermutlich einen schönen Koffer im Keller hat, dessen Inhalt Scholz im Nullkommanix in eine erdnahe Umlaufbahn schießen würde. Der Skandal um die verschenkten Cum-Ex-Millionen dürfte da nur die Spitze des Eisbergs sein. Leider haben wir dafür aber bisher zu wenig Belege, als dass wir es legal in der Lage sagen könnten.

Jan Böhmermann ist da sportlich:

https://twitter.com/janboehm/status/1616745659893170180

Was man mit Stand Herbst 2021 legal sagen konnte, kann man in unserem Scholz-Porträt zur Bundestagswahl nachhören:

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Ich muss sagen, dass sich hier die Situation zuletzt erst geändert hat, oder vielleicht auch bloß meine Einschätzung.

Scholz hat halt lange immer wieder erklärt, es gäbe eine Art Absprache in der NATO, keine westlichen Kampfpanzer zu liefern. Die Existenz dieser Absprache ist öffentlich, auch von Vertretern anderer NATO-Mitgliedsstaaten, verschiedentlich in Zweifel gezogen worden, aber Fakt ist: Auch kein anderes Land hat derartiges Gerät an die Ukraine abgegeben. Insofern halte ich es nicht für unplausibel, dass es da irgendeine Art Übereinkommen gegeben hat, wo dann aber die Stimme Deutschlands vermutlich auch in eine bestimmte Richtung zu beigetragen hat.

Fakt ist aber auch: Jetzt gibt es so einen Konsens nicht mehr, selbst wenn er denn je existiert hat. UK liefert Challenger, verschiedene NATO-Partner wollen Leoparden liefern, die USA führen zwar technische Gründe an, weswegen sie nicht selber ihre Abrams liefern wollen, aber würden Lieferungen durch europäische Staaten ausdrücklich begrüßen. Dass Scholz hier jetzt den Torpfosten verschiebt und aus „keine Alleingänge“ plötzlich „nur wenn alle anderen zustimmen und die USA selber liefert“ wird, macht einen peinlichen Eindruck.

Naja, vielleicht übersehe ich was, aber wie würde denn die deutsche Großindustrie schneller wieder zu business as usual zurückkehren können?

  • Wenn die Ukraine den Krieg nicht gewinnen kann, er sich noch über Jahre hinzieht, Russland irgendwann obsiegt und wir uns auf Jahrzehnte Embargos und Kalten Krieg einstellen können?
  • Oder wenn die Ukraine den Krieg soweit erfolgreich gestaltet, dass Putin irgendwann aus dem Amt entfernt wird und eine Nachfolgeregierung sich an den Verhandlungstisch setzt und so tun kann, als hätte sie mit all dem nichts zu tun gehabt?

Ich vermute ja fast eher, dass Olaf Scholz einfach komplett stur ist, und es als Schwäche ansieht seine Meinungen an die Realitäten anzupassen. Er ist ja vermutlich auch immer noch der Ansicht, es wäre eine geile Idee gewesen damals den G7-Gipfel nach Hamburg zu holen oder Geld für eine von den Bürgern nicht gewollte Olympia-Bewerbung zu verbrennen. Deshalb erfindet er lieber am laufenden Band neue Gründe keine Panzer zu liefern, als es doch zu tun und damit implizit vielleicht eingestehen zu müssen, dass das auch vor einem halben Jahr bereits nicht falsch gewesen wäre.

Zu wenig Belege? Wahrscheinlich nicht einen würde ich mal vermuten.

Scholz weiß eine Menge Menschen in Deutschland auf seiner Seite, die es nicht gerne sehen, wenn deutsche Kampfpanzer in die Ukraine geschickt werden. Viele davon aktuelle oder zumindest potentielle SPD Wähler*innen.

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Ich kann mich daran erinnern, dass vor ein paar Wochen in der Tat noch eine deutliche Mehrheit gegen Leo-Lieferungen war. Das ist nun binnen weniger Wochen gekippt in eine knappe Mehrheit für eine Lieferung.

Es ist mutig, angesichts dieses Trends davon zu sprechen, er wisse „eine Menge Menschen auf seiner Seite“. Die Menge schrumpft offenbar derzeit schneller als eine Wasserpfütze in der Wüste.

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Wenn eine breite mediale Koalition von Bild bis Süddeutscher Zeitung die Lieferung von Kampfpanzern fordert und nicht selten den Eindruck erweckt, dass damit die Ukrainer bis Moskau rollen würden, kann ich mir das schon erklären.

Also ich habe keine Glaskugel zu Hause. Ich gehe aber nicht davon, dass demnächst 70, 80 oder 90% der Deutschen für eine Lieferung immer noch schwererer Waffen sein werden.

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Ich auch nicht. Aber es ist nun mal auch jetzt schon eine Mehrheit in der allgemeinen Bevölkerung, dafür braucht’s keine 70% - und die jetzige knappe Mehrheit wird noch mindestens zur klaren Mehrheit werden, für die Vorhersage brauch ich keine Glaskugel.

Und wenn man den Blick mal eingrenzt auf Leute, die tiefer in der Materie stecken als Otto Normalbürger, ist man eh schon längst bei 80-90%. Im Wesentlichen lehnen im politischen Betrieb inzwischen nur noch von Scholz irgendwie parteipolitisch oder persönlich Abhängige die Leo-Lieferung ab.

Und du unterscheidest dich von „Otto Normalbürger“ in dieser Frage wodurch?

Ich persönlich bin gar nicht gegen die Lieferung der Leopard Panzer, aber auch nur, weil es militärisch keinen Sinn macht, diese der Ukraine vorzuenthalten, wenn man schon Marder und anderes Großgerät geliefert hat. Viel weiter sollten wir aber nicht gehen.

Und mich stört die moralische Überhöhung dieser Frage. Weder wird Deutschland am Dnepr verteidigt, noch Europas Freiheit oder Demokratie. Die Ukraine kämpft für ihre eigene Unabhängigkeit und für nichts sonst. Alles andere sind Sonntagsreden. Russlands Feldzug ist schon jetzt ein so großer Fehlschlag, dass das Land auf lange Sicht keine militärische Gefahr mehr für Nato und EU ist. Da macht es keinen Unterschied ob es am Ende die annektierten Gebiete behält oder nicht.

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Ich frage noch einmal ganz deutlich: Gibt es Belege, dass es Anträge zur Lieferung Leopard 2 Panzer von Drittstaaten gibt, welche die Bundesregierung abgelehnt hat?

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Das sehe ich anders.

Deutschland wurde nicht am Hindukusch verteidigt - denn die Taliban waren keine systematische Bedrohung für Deutschland. Klar, ein paar Terroranschläge könnten dort orchestriert werden, aber das ist das allgemeine Lebensrisiko, wenn die Terroristen ihre Anschläge nicht in Afghanistan planen, dann halt in Pakistan oder Schwarzafrika…

Deutschland und die EU werden jedoch durchaus am Dnepr verteidigt, denn das, was hier von Russland angegriffen wird, ist die gesamte Nachkriegs-Friedensordnung, die wir mit dem Schrecken des zweiten Weltkrieges in den Knochen aufbauen konnten.

Ja, aber für Moldawien, Georgien und viele andere Staaten. Und langfristig droht die Gefahr eines West vs. Ost-Systemkriegs mit Europa und der NATO auf der einen Seite und China und Russland auf der anderen Seite.

Auch weitere Feldzüge der Türkei gegen Syrien und den Iran könnten, wenn Russland hier eine Blaupause für einen Angriffskrieg mit Landgewinn liefert, realistisch werden. Und wenn dann mit der Türkei ein NATO-Staat auch Angriffskriege mit Landgewinnabsicht führt, sind wir ganz schnell wieder in einer Spirale von Eskalationen, die im schlimmsten Fall zu einem dritten Weltkrieg führen könnte.

Angriffskriege mit Landgewinnabsicht dürfen nie wieder Normalität werden, die Welt muss hier geschlossen dem Aggressor entgegen treten. Die Nachrkiegs-Friedensordnung wird daher gerade in der Ukraine verteidigt.

Wie schon mal gesagt, zumindest keine öffentlichen.

Es ist denkbar, dass nicht-öffentlich schon Anträge eingereicht werden und im Ministerium als Verschlusssache rumliegen. Es ist auch denkbar, dass man die Anträge erst stellt, wenn ein „Ja“ politisch ausgehandelt wurde, weil es die gängige Praxis ist, dass diese Anträge nur eine Formalie sind, die man nach Aushandlung der Zustimmung erledigt.

Wenn es keine Zustimmung gibt, hat Polen auch kein Interesse daran, einen Antrag zu stellen, der dann abgelehnt würde. Da schickt man lieber die Panzer und fragt hinterher nach Genehmigung (nach dem Motto: „It’s better to ask forgiveness than permission“)

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Gar nicht - ich bezog das nicht auf mich, denn ich habe abgesehen von alle paar Jahre mal wählen gehen keine nennenswert einflussreiche Rolle im politischen Betrieb.

Das sehe ich ebenfalls anders. @Daniel_K hat allerdings schon fast alles nötige dazu aufgeführt, ich schließe mich dem uneingeschränkt an, will nur noch hinzufügen, dass du offenbar China vergisst. China verheizt derzeit nicht seine Streitmacht, sondern baut sie im Gegenteil weiter auf, während sie ganz sicher sehr genau beobachten, wie erfolgreich Russland gerade ist, denn man hat dort ja selbst auch ein ganz ähnliches Problem mit einem abtrünnigen Staat, der sich erdreistet, mehr Demokratie machen zu wollen, als man selbst zulassen will. Und jetzt liegt zwar Taiwan geografisch nicht in Europa, aber ein Angriffskrieg Chinas gegen Taiwan hätte aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen, denen Geografie egal ist, weit größere wirtschaftliche Folgen als der Ukraine-Konflikt für uns.

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Die Frage wurde gestern bei Anne Will diskutiert. Roderich Kiesewetter hat ganz gut erklärt, dass es üblich ist, dass bei so einer Frage Vorsondierungen durchgeführt werden. Letztere haben aus Deutschland bisher (vor der Baerbock Aussage) wohl immer informelle Absagen erhalten. Nach Wissensstand der Runde und Aussage Baerbock hat es offizielle Anträge bisher tatsächlich nicht gegeben und ein Grund dafür könnte tatsächlich die Vermeidung eines Eklats sein.

Sich auf Umfragen zu berufen, ist sehr fragwürdig!

Wenn man vor Scholz´ Zeitenwende-Rede im Bundestag eine Umfrage gemacht hätte „Sind Sie dafür, dass Deutschland 100 Mio. in die Aufrüstung der Bundeswehr investiert“, hätte eine spürbare Mehrheit der Deutschen dagegen gestimmt. Nach der Rede gab es eine sehr große Mehrheit dafür.

Es ist Aufgabe der Politik, Entscheidungen auf Basis von Fakten und Experteneinschätzungen abzuwägen und zutreffen und sie dann zu erklären — anstatt sie von der vermeintlichen Stimmung im Volk abhängig zu machen.

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Und nach Baerbocks Aussage scheint Polen nun genau diesen Antrag stellen zu wollen:

Es mag sein, dass das für dich persönlich tatsächlich stimmt. Wenn wir solche Sätze als westliche Gesellschaft verkünden, wirkt das für mich allerdings immer befremdlich.

Ich muss dann immer an die Zeit des Syrienkrieges denken. Die Nachrichten und die Gespräche mit Menschen, die Freunde und Familie dort hatten. Die Tatsache, dass wir jahrelang nur dabei zugesehen haben, wie ein Land praktisch vollkommen zerstört und entvölkert wird, hat mich ziemlich verstört. Die Idee, dass man sich in irgendeiner Form in diesen Konflikt einmischt, um gegen diese Völkerrechtsverletzungen vorzugehen war undenkbar.

Begründet wurde diese Ablehnung militärischer Unterstützung in erster Linie mit denjenigen Argumenten, die man heute in der Diskussion um die Ukraine als naiv und vor allem egoistisch verurteilt. Ich konnte das damals nachvollziehen, fand es aber sehr schwer zu akzeptieren. Auch wenn die Konflikte nicht vergleichbar sind - für mich zeigt das einfach, dass jemand, der es sich auf die Fahnen schreibt, gesinnungsethische Prinzipien in ihrer Absolutheit durchzusetzen, kaum um den Eindruck der Scheinheiligkeit herum kommt.

Der primäre Grund, warum wir als Westen die Ukraine unterstützen, ist nicht die grundsätzliche Verteidigung des Völkerrechtes, sondern die Verteidigung unserer eigenen Interessen. Zum einen unserer Sicherheitsinteressen und zum anderen unseres Interesses, Menschen, die uns nahe stehen, zu unterstützen. Dabei finde ich keines dieser Motive verwerflich. Genauso wenig, wie ich es verwerflich finde, dass man das Wohlergehen der eigenen Familie wichtiger einstuft, als das Wohlergehen anderer Menschen. Allerdings sollte man genau dazu auch stehen.

Die Unterstützung der Ukraine ist der richtige Weg und er müsste viel konsequenter verfolgt werden. Das war mir seitens der Vernunft schnell klar, emotional habe ich länger gebraucht. Wenn ich allerdings die moralisch überladenen Motive höre, mit denen öffentliche und private Personen unserer westlichen Gesellschaft diese Unterstützung begründen, dann muss ich mich immer etwas dafür schämen - nicht zuletzt gegenüber dem syrischen Flüchtling.

Ich verstehe, dass man Menschen für diesen Kurs mitnehmen und überzeugen muss und dass dazu solche moralischen Motive gut geeignet sind. Ich würde mir aber trotzdem wünschen, dass wir an diese Sache mit etwas mehr Demut und Nüchternheit herangehen würden.

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Ich glaube, das hast Du recht. Zum einen war wahrscheinlich vielen von uns nicht klar, dass Krieg in Europa noch eine realistische Möglichkeit war. Zum anderen hätte es für die Meinung von vielen vermutlich keinen großen Unterschied gemacht, ob nach Millionen oder Milliarden gefragt worden wäre.