Es mag sein, dass das für dich persönlich tatsächlich stimmt. Wenn wir solche Sätze als westliche Gesellschaft verkünden, wirkt das für mich allerdings immer befremdlich.
Ich muss dann immer an die Zeit des Syrienkrieges denken. Die Nachrichten und die Gespräche mit Menschen, die Freunde und Familie dort hatten. Die Tatsache, dass wir jahrelang nur dabei zugesehen haben, wie ein Land praktisch vollkommen zerstört und entvölkert wird, hat mich ziemlich verstört. Die Idee, dass man sich in irgendeiner Form in diesen Konflikt einmischt, um gegen diese Völkerrechtsverletzungen vorzugehen war undenkbar.
Begründet wurde diese Ablehnung militärischer Unterstützung in erster Linie mit denjenigen Argumenten, die man heute in der Diskussion um die Ukraine als naiv und vor allem egoistisch verurteilt. Ich konnte das damals nachvollziehen, fand es aber sehr schwer zu akzeptieren. Auch wenn die Konflikte nicht vergleichbar sind - für mich zeigt das einfach, dass jemand, der es sich auf die Fahnen schreibt, gesinnungsethische Prinzipien in ihrer Absolutheit durchzusetzen, kaum um den Eindruck der Scheinheiligkeit herum kommt.
Der primäre Grund, warum wir als Westen die Ukraine unterstützen, ist nicht die grundsätzliche Verteidigung des Völkerrechtes, sondern die Verteidigung unserer eigenen Interessen. Zum einen unserer Sicherheitsinteressen und zum anderen unseres Interesses, Menschen, die uns nahe stehen, zu unterstützen. Dabei finde ich keines dieser Motive verwerflich. Genauso wenig, wie ich es verwerflich finde, dass man das Wohlergehen der eigenen Familie wichtiger einstuft, als das Wohlergehen anderer Menschen. Allerdings sollte man genau dazu auch stehen.
Die Unterstützung der Ukraine ist der richtige Weg und er müsste viel konsequenter verfolgt werden. Das war mir seitens der Vernunft schnell klar, emotional habe ich länger gebraucht. Wenn ich allerdings die moralisch überladenen Motive höre, mit denen öffentliche und private Personen unserer westlichen Gesellschaft diese Unterstützung begründen, dann muss ich mich immer etwas dafür schämen - nicht zuletzt gegenüber dem syrischen Flüchtling.
Ich verstehe, dass man Menschen für diesen Kurs mitnehmen und überzeugen muss und dass dazu solche moralischen Motive gut geeignet sind. Ich würde mir aber trotzdem wünschen, dass wir an diese Sache mit etwas mehr Demut und Nüchternheit herangehen würden.