Wir brauchen politische Kompromisse, um eine möglichst hohe Zustimmung zum Maßnahmen zu bekommen.
Kompromisse bedeuten aber auch immer eine Abschwächung.
Die Zeit für abgeschwächte Maßnahmen, des Kompromisses wegen, ist aber doch schon vorbei.
2 bis 3 Jahrzehnte wurde über das markante 1,5 Grad-Ziel diskutiert, seit einiger Zeit steht im Fokus wieviel Grad es denn dann wohl doch eher werden.
Ist zumindest nachvollziehbar, wenn du wenig hast und Maßnahmen für den Klimaschutz Geld kosten.
Ich sag nicht das es richtig ist, aber aus der Sicht der Betroffenen verständlich wenn auch kurzsichtig.
Auch das wundert mich nicht, da ja vor allem Wechselwähler für veränderte Wahlergebnisse verantwortlich sind, und die entscheiden sich ja wohl eher selten wegen Dingen, die schon länger in der Vergangenheit liegen.
Allein die Schuldzuweisungen an die Grünen, für Dinge die lange vor der Ampel verbockt wurden, zeigt wie wenige Zusammenhang zwischen Ursache und Verursacher hergestellt wird.
Und genau hier lag in meinen Augen das Problem bei diesem Volksentscheid:
Wie soll man Menschen überzeugen, wenn man keinen konkreten Plan und/oder Maßnahmen hat?
Das macht ein Ansprechen bzw. Überzeugen von Leuten, die eigentlich für Klimaschutz sind, extrem schwer. Insbesondere, wenn die Gegenseite (auch wenn es keine „Nein“-Kampagne gab) darauf hinweist, dass eine Klimaneutralität bis 2030 utopisch ist. Man hat, ohne Plan, nichts dagegen einzuwenden. So gewinnt man keinen Blumentopf. Das sieht man auch im Anfang dieser Diskussion im Forum.
Mit einem symbolischen Volksentscheid, bei dem die Leute nicht verstehen, was dieser genau für sie bedeutet, mobilisiert man, trotz unfassbar viel Geld und prominenten Fürsprecher/-innen, eben nicht genug Leute.
Es gib eine interaktive Karte der Ergebnisse der einzelnen Wahlbezirke auf der Seite der Berliner Morgenpost.
In den Stimmbezirke in der Mitte der Stadt war weit überwiegend die Mehrheit der abgegebenen Stimmen mit „Ja“, oftmals halt ohne die erforderlichen 25% zu erreichen. Nach außen in den Randbezirke ist die Mehrheit der Stimmen dann „Nein“.
Wenn man die Stimmbezirke mal grob überfliegt scheint es auch nicht so zu sein, dass hohe Wahlbeteiligung eher für „Ja“ stand. Es gibt auch in den Randbezirken einige Stimmbezirke mit überdurchschnittlicher Wahlbeteiligung (35,8%) und deutlichem „Nein“.
Nüchtern betrachtet ist es m.E. legitim zu sagen, dass die 64,2% der Wähler die nicht abgestimmt haben, nicht für ein klimaneutrales Berlin 2030 sind (egal aus welchen Gründen). Die, die dafür sind, werden auch gewählt haben. Das waren dann auf alle Stimmen hochgerechnet leider nur 18.22% der Wahlberechtigten, also nicht mal jede(r) 5. Berliner.
Ich wäre grundsätzlich geneigt der These zuzustimmen, manchmal wird man in seinen Vorurteilen aber auch eines besseren belehrt. Bei uns im Ort (Kleinstadt aus 5 Stadtteilen, 2. Speckgürtel Frankfurt) gab es letzte Woche im Rahmen der Positive -Energie -Wochen des Landes Hessen einen Infoabend zu energetischer Sanierung, Wärmepumpe und PV. Erwartet wurden 100 Personen, tatsächlich gekommen sind über 150 Personen. Der Altersdurchschnitt lag locker > 55 und vom Organisatoren-Team sagte man auch, dass dies bei analogen Veranstaltungen ähnlich sei. Viele der Anwesenden waren deutlich im Rentenalter. Es waren viele ältere Eigenheimbesitzer dabei, die aber grundsätzlich bereit waren etwas zu investieren.
Über die Fragen zu den Vorträgen und in der anschl. Podiumsrunde kam aber auch deutlich raus, was diesen Menschen fehlt:
Sie sind verunsichert, weil es verschiedene Aussagen gibt, sowohl bzgl. politischer Rahmenbedingungen als auch was denn richtig / „das Beste“ ist.
Sie bräuchten viel mehr individuelle Beratung für ihre spezielle Situation, was sie tun könnten und was denn dann potenziell wieviel bringt.
Sie wollen eine Investitionssicherheit, was auch bedeutet welche Maßnahme ist sinnvoll und welche nicht / sollte ich besser erst Außendämmung machen und dann Wärmepumpe oder …
Sie brauchen positive Beispiele, viele positive Beispiele am besten aus der eigenen Nachbarschaft. Da sind die Medien leider falsch unterwegs, weil negative Botschaften sich besser vermarkten lassen als positive Beispiele.
Auf der Veranstaltung wurde z.B. an einem Stand das Solarkataster Hessen gezeigt, wo jeder im Internet selber für sein Haus schauen kann, wie gut es potenziell für PV geeignet ist. Problem: Nur Dachflächen nach Süden werden in orange (= geeignet) angezeigt; es gib dann noch gelb (bedingt geeignet) und blau. Habe selber mitgekriegt, wie mehrere interessierte, ältere Personen sich da für ihr Haus informiert haben und da es dann nur „bedingt geeignet“ war, enttäuscht wieder gegangen sind. Meine PV-Anlage ist auch Ost / West ausgerichtet, bringt mir ~ 6.300 kWh im Jahr bei 55% Eigenverbrauch und unterm Strich erzeuge ich damit 70% unseres Strombedarfs selber. Stand heute wird sich die Anlage nach ~ 11 Jahre amortisiert haben. Unser Dach wird im Solarkataster mit gelb / bedingt geeignet angezeigt. Finde den Fehler …
Nun ja, die Initiatoren haben immerhin klar begründet wieso sie keine konkreten Maßnahmen vorlegen. Das kann man schlecht finden, ist aber deutlich mehr als einfach da nichts zu haben. Finde das Argument auch grundsätzlich überzeugend, dass sie auf die Politik bzw. Gremien verweisen, die das dann jeweils im konkreten beschließen sollen. Finde darüber hätte man auch noch mal einen breiteren Konsens erhalten können, als wenn das alles von einer doch recht kleinen Gruppe in einer Bubble definiert wird.
Hier sehe ich sogar die Gefahr, dass es dann eine noch viel größere Gegenkampagne ala die wollen uns alles verbieten gegeben hätte. Quasi Verbrenneraus und Heizungsverbot kombiniert. Ich sehe vielmehr, wie allgemein bei Klimaschutz und auch anderen grünen Kernthemen das Problem, was hier jetzt auch schon mehrfach benannt wurde:
Beiden, der Initiative, wie auch den Grünen, mangelt es daran mit ihren Zielen auch eine positiv besetzte Vision zu verknüpfen. Anstelle der vordergründigen Angst vor dem Klimakollaps fehlt in der „Vermarktung“ der Ideen das, was es lohnenswert macht. Also nicht, wie verhindern etwas schlimmes, sondern wir erreichen etwas besseres. Aus diesem Gesichtspunkt kan ich auch dein Fazit
weitestgehend unterschreiben. Nur, dass ich nicht mitgehen würde, dass der Volksentscheid rein symbolisch gewesen wäre. Er hätte definitiv dafür gesorgt, dass mehr Tempo gemacht werden muss. So bleibt die Hoffnung, dass zumindest die Vermarktung des Erreichens der Mehrheit bei der Abstimmung für etwas mehr Druck auf CDU und SPD sorgt.
Der Mieten-Volksentscheid hat gezeigt, dass in Berlin alle Volksentscheide nur symbolisch sind. Wenn’s dem Senat nicht passt, wird eben einfach ignoriert. Genau wie CDU/SPD jetzt planen, das Tempelhofer Feld teilweise zu bebauen. Auch da hatte es einen erfolgreichen Volksentscheid dagegen gegeben.
Agora Energiewende hat ja mal eine sehr detaillierte Studie veröffentlicht, welche konkreten Schritte auf Bundesebene für Klimaneutralität nötig wären (auch Thema in der Lage). Sowas ist natürlich einiger Aufwand, aber ich denke das hätte diesem Volksentscheid geholfen. Nicht weil sich das dann jeder Bürger durchliest, sondern weil Experten die Möglichkeit gehabt hätten, sowas kritisch zu bewerten. So wie es jetzt gelaufen ist, kann ich ein gewisses Mistrauen in die Machbarkeit bzw. in das, was so ein Entschluss für den Einzelnen konkret bedeutet, schon verstehen.
Auch das erklärt mMn zumindest einen Teil der doch überraschend hohen Ablehnung, auch unter eher links eingestellten Menschen.
Dass bei geschätzten Investitionskosten von 30,7 Milliarden Euro für das Land über finanzpolitische Spielräume geschwiegen werde, sei eine der »größten Sollbruchstellen« in der Gesetzesvorlage, meinte das linkssozialdemokratische Magazin Jacobin am Donnerstag auf seiner Website. So setzte die Schuldenbremse in Berlin Investitionen, aber auch Zuschüssen etwa zur Miete restriktive Grenzen. Bei unveränderten Rahmenbedingungen drohten daher drastische Kürzungen an anderer Stelle.
»Ich glaube, der Volksentscheid birgt gerade unter Schwarz-Rot große Gefahren«, schlug Moheb Shafaqyar, Bezirksverordneter für Die Linke in Friedrichshain-Kreuzberg, in eine ähnliche Kerbe.Artikel der Jungen Welt
Vielleicht offenbart die Ablehnung ja tatsächlich ein übergeordnetes Problem wirklich ambitionierter Investitionen in den Klimaschutz: Dass es weitaus mehr persönliche Gründe gibt, hohen Investitionen kritisch gegenüberzustehen, als ein hedonistisches Bestreben wie ein 911er in der Garage.
Die Politik wird es nicht geben. Wahrscheinlicher ist das der demographische Wandel es tut aber es dauert noch 1-2 Jahrzehnten bis die Boomer Generation ausreichend verstorben ist.
Das ist zu spät und bis dahin müssen wir uns durchquetschen und alles auf Geoengineering setzen. Klimaschutz in dem wir zurück zu einer altmodischen Vorstellung von Natur gehen wird es nicht geben.
Die alternative wie eine (ökologische) Klasse sich gegen eine andere (fossile) Klasse durchsetzt ist mit außer-demokratischen Mitteln. Davon sind wir noch entfernt aber wer weiß was die Klimakatastrophe in den nächsten Jahren noch bringen wird.
Politische Fehler hier haben kaum Konsequenzen. Die meiste Leute leben vom Tag zu Tag und vergessen alles sehr schnell wieder.
Das ist das gleiche Phänomen wie es mehr Mieter gibt aber die Hauseigentümer sich demokratisch immer besser durchsetzen.
Puh. Bei aller Unsicherheit solcher Umfragen lautet da trotzdem die Preisfrage:
Wie mache ich radikalen Klimaschutz in einer Gesellschaft, in der gerade mal jeder dritte der Meinung ist, das Thema hätte eine hohe Relevanz?
Wenn man bedenkt, dass unter diesem einen Drittel ja noch jede Menge Personen der Kategorie „Klimaschutz sehr gerne, aber not in my Backyard“ lauern könnten, wird das ganze nicht besser.
Ich würde mal die Theorie in den Raum werfen, dass das eine Drittel sich viel zu wenig in der Verantwortung sieht, gegenüber den anderen beiden Dritteln ein positives Narrativ für dieses Thema zu schaffen. Und damit meine ich weniger die Medien oder die Politik, sondern tatsächlich den Einzelnen.
Hier habe ich mal ausführlicher ausgeführt, was ich meine:
Man darf dabei sicherlich nicht außer Acht lassen, dass die mediale Aufarbeitung zu Klimaschutzthemen fast ausschließlich negativ besetzt ist.
Egal ob das die terroristischen Klimakleber sind, die Verkehrswende die die Menschen ruiniert, der Habeck der die Ölheizung rausreißt, die Grünen die unsre Wirtschaft ruinieren und natürlich viel verbieten wollen.
Diese Botschaften findet man in durchgängig in der ganzen Medienlandschaft, manchmal ganz direkt, manchmal unterschwellig. Das setzt sich in den Köpfen fest.
Mir selbst viel, wenn auch erst nach dem ersten Kaffee, kein positiv besetzter Artikel zum Thema Klimaschutz ein, den ich in den letzten Wochen gelesen habe.
ist leider die Wahrheit, aber ich finde man sollte schon auch hinterfragen wo diese Gedanken herkommen. Und da muss man auch feststellen, dass die Grünen und leider auch viele Klimaschutzbefürworter schlicht in der Kommunikation eine Katastrophe sind. Natürlich verbreiten die Rechten und die FDP blanken Populismus, aber eben tatsächlich medial verfangend. Besonders die Grünen kriegen es einfach nicht hin, Ihre Anliegen so zu verkaufen, dass eine größere Anzahl dahinter steht. Ich denke viele Menschen sehen die Sozialpolitik als ein anderes sehr relevantes Politikfeld. Wenn die Grünen nun Ihre Themen mit sozialem Ausgleich verbinden würden, käme dort auch ein anderes Framing raus. Wieso pochen Habeck und Co nicht vehement auf das Klimageld, gern in sozialerer Form? Wieso wird der Heizungsentwurf nicht direkt mit konkreten Plänen zum sozialen Ausgleich gespickt (dann wäre auch ein Durchstechen weniger problematisch)? Die Grünen bräuchten wirklich mal Marketing und Kommunikationstrainer, denn eben diese schlechte Kommunikation kostet bei jeder Wahl sicher 5-8 % und hat uns diesmal die FDP in der Regierung beschert.