Progressiveres Framing zu Staatsfinanzen-, Schulden und Geld - Modern Monetary Theory

Zuerst würde ich der Prämisse widersprechen, dass die MMT „anwendbar“ sei. Anwendbar sind politische Programme, die Forderungen enthalten. Das ist die MMT aber nicht. Sie ist rein deskriptiv, also beschreibt das gegenwärtige Wesen moderner Geldsysteme und zieht daraus Schlussfolgerungen. Sie sagt aber nicht, was für eine Politik eine Regierung verfolgen soll. Die Regierung kann nur das verbesserte Verständnis der MMT nutzen, um ihre Politik effektiver durchzusetzen.
Also hilft sie für jeden Staat, die Handlungsspielräume und das politisch Sinnvolle besser nachzuvollziehen.

Jetzt zu deiner These, die MMT gelte nur für die USA.
Ich stimme dir zu, dass einige Länder geringeren Handlungsspielraum als andere aufweisen, da sie eine Gemeinschaftswährung nutzen, Fremdwährungsschulden besitzen, einen festen Wechselkurs verfolgen oder keine eigenen Steuern durchsetzen können(Steuern schaffen erst Nachfrage nach der Währung).
Die Eingrenzungen des Handlungsspielraums in einer Währungsunion(beispielsweise) sind allerdings selbstgemacht. Die EU und die EZB haben in der Corona-Pandemie gezeigt, wie sich diese korrigieren lassen. Mit dem Aussetzen des Stabilitäts- und Wachstumspakt gab es keine strengen Schuldenregeln auf EU-Ebene mehr und die EZB hat mit ihrem großem Anleihekaufprogramm PEPP für die Zahlungsfähigkeit der Mitgliedsländer garantiert. Dies dauerhaft Einzuführen, dafür gilt es in der EU politische Mehrheiten zu finden, damit die Mitgliedstaaten endlich auf Dauer aus ihren politisch-fiskalischen Fesseln befreit werden können.
Dass alle anderen Staaten außer China Dollar bräuchten ist so nicht richtig, um ein paar Beispiele zu nennen wo das nicht der Fall ist: Großbritannien(Pfund), Schweiz(Franken), Japan(Yen), usw.
Für Entwicklungsländer ist die Situation komplizierter, diese wurden in Abhängigkeiten gedrängt. Hier muss grundsätzlich ein Kurswechsel in der Politik der westlichen Länder her. Das Problem liegt allerdings nicht darin, dass die MMT hier nicht „gelte“. Auch diese Länder können eine eigene Währung einführen(oder falls sie diese bereits besitzen, diese einfach nutzen) und mit Vollbeschäftigungspolitik zu einer stärker florierenden Wirtschaft gelangen. Wenn man auch internationale Abhängigkeiten bedenken muss. Da muss jede Regierung pragmatische Lösungen finden.

Würde ich aus demokratietheoretischer Sicht für eine ganz schlechte Idee halten, der Bevölkerung staatliche Handlungsmöglichkeiten vorzuenthalten. Eine Diskussion muss in einer Demokratie immer möglich sein.

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Dass der Staat als Spekulant auftreten soll, möchte glaube ich kaum jemand, auch nicht Anhänger der MMT. Oder meintest du etwas anderes?
Prinzipiell kann jede Ausgabe wirtschaftlicher Subjekte in einer Volkswirtschaft inflationär wirken, ganz egal ob von Unternehmen, Haushalten oder Staat.
Dabei gibt es keine Trennung zwischen Schulden und „normalen“ Ausgaben. Jede Ausgabe des Staates erhöht die Nettogeldmenge in der Privatwirtschaft, also schöpft neues Geld. Jede Steuerzahlung verringert die Nettogeldmenge in der Privatwirtschaft.
Ob eine Staatsausgabe inflationär wirkt, oder ob nicht, lässt sich nicht allgemein sagen, dafür muss sich bei der Haushaltsplanung immer ganz konkret jeder einzelne Sektor angeschaut werden und geprüft werden, inwiefern dort Kapazitäten frei sind. Falls nicht würde es zu einem Wettbieten zwischen Staat und privatem Sektor kommen, wobei der Staat, wenn er will, natürlich immer gewinnt. Das wäre aber mit Preisanstiegen verbunden, deshalb ist es immer sinnvoller in solchen Situationen, über verschiedenste Maßnahmen die nötigen Ressourcen freizusetzen.
Bei der Prüfung, ob eine Ausgabe inflationär wirkt oder nicht, ist völlig egal ob es sich um eine Investitions- oder Konsumausgabe handelt, in der Realität ist eine solche Trennung sowieso nicht selten nur schwer möglich. Beides sind Geldinjektionen, die die Nachfrage erhöhen (können).

Beispiel 1: Es herrscht Vollbeschäftigung und der Staat möchte mehr Menschen anstellen. Er erlässt keine Maßnahmen um die Ressourcen freizusetzen sondern stellt die Arbeitskräfte einfach an, indem er einen höheren Lohn zahlt als andere Unternehmen. Die Folge ist ein Wettbieten zwischen privatem Sektor und Staat - sehr wahrscheinlich, dass inflationär.

Beispiel 2: Es herrscht Arbeitslosigkeit. Der Staat stellt die Menschen an, es entsteht kein Wettbieten, da noch genügend Arbeitskräfte vorhanden sind.

Es ist deutlich geworden was ich meine? Beide Male hat der Staat mehr Geld für „Konsumausgaben“ aufgewendet, das eine Mal wirkte dies inflationär, das andere Mal nicht.

Entschuldige bitte, falls ich deine Aussagen missverstanden habe.

Mit „das Problem“ meine ich, dass reale Ressourcen der entscheidende Faktor sind. Anders als im Moment, wo bei jedem Projekt erstmal kritisiert wird, dass es nicht finanzierbar sei, dabei ist das nicht die Frage. Die Frage ist, ob es ressourcentechnisch umsetzbar ist, das meinte ich mit „Problem“. Dass die realen Ressourcen begrenzt sind ist das Problem, nicht dass das Geld knapp sei.

Wenn du sagst, die Leistung wird nicht mehr nachgefragt, weil sie gesellschaftlich nicht mehr benötigt wird, dann impliziert das ja, Leistungen die nicht nachgefragt werden sind gesellschaftlich nicht benötigt. Und da diese Prozesse auf einem Markt stattfinden, habe ich das auch so bezeichnet. Aber gut wenn du das anders meintest, sind wir uns ja einig, in dem Punkt.

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Nein, da es auch möglich ist, die Euros an den Devisenmärkten in Dollar umzutauschen und so die Güter einzukaufen. Allerdings fällt dann der Wechselkurs, wenn ein Land mehr Währung umtauscht, also importiert, für das importierende Land. Dann wird die ausländische Währung immer teurer. Das Umtauschen erzeugt aber keine Schulden in der Bilanz der Regierung.
Vorhin, bei Argentinien, war der Unterschied, dass die argentinische Regierung direkt US-Dollar Schulden aufgenommen hat. Sie hat Anleihen ausgegeben, die in US-Dollar lauteten. Der den Anleihen entsprechende Wert wurde der argentinischen Regierung vom „Kapitalmarkt“ geliehen. Da der argentinische Peso im Vergleich zum US-Dollar fast nichts Wert ist, kann er auch sehr schlecht an den Devisenmärkten umgetauscht werden.

Meinst du hier mit expansiver Geldpolitik, dass die Zinsen niedrig, beziehungsweise bei Null sind?
Dir ist bewusst, wo der Unterschied zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik liegt? Falls nein, erläutere ich das kurz.
Geldpolitik ist die Politik, die die Zentralbank betrifft also Leitzinsen, Anleihekaufprogramme etc.
Fiskalpolitik hingegen ist die Politik, die die Einnahmen und Ausgaben des Staates betrifft, also Steuerpolitik und Haushalt.
Insofern wäre eine expansive Fiskalpolitik eine Politik, mit der die Regierung mehr ausgibt als sie einnimmt. Die Menschen haben als Folge mehr Geld in der Tasche.
Expansive Geldpolitik wäre eine Politik, mit der die Zentralbank versucht, die Zentralbankguthabenmenge(wichtig: Zentralbankguthaben können nicht in die Realwirtschaft fließen, können deshalb keine Preise verändern und damit keine Inflation auslösen) auszuweiten, also die Menge an Guthaben zu erhöhen, die die Geschäftsbanken bei der EZB halten. Dies würde sie unter anderem versuchen, indem sie die Zinsen senkt, damit versucht sie auch die Kreditvergabe zu erhöhen. In der Empirie zeigt sich jedoch, dass das kaum funktioniert, aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls, wenn die Zinsen bei Null sind, aber die Zielinflationsrate von 2% erreicht wird, gibt es bei Sparkonten einen Reallohnverlust. Aus sozialen Gesichtspunkten ist dies allerdings kein Problem, da grob die Hälfte der Bevölkerung sowieso keine oder nur wenige Ersparnisse hat, es sind also nur die reichsten 50% betroffen. Generell haben Zinsen eine schlechte Verteilungswirkung, weil die, die viel haben noch mehr bekommen und die, die nichts haben nichts bekommen.

Beantwortet das deine Frage?

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Ich sag ja nicht dass die MMT in allen Feinheiten dargelegt werden soll. Ich würde es allein schon sehr erfreulich finden, ihre Erkenntnisse bei der Behandlung von Finanzthemen mit einzubringen. Man muss das ja nicht als „MMT“ benennen. Sind ja grundsätzlich, meiner Meinung nach, gute Argumente, die es verdient haben mit genannt zu werden.

Macht es erst recht nötig darüber zu reden, sonst ändert sich da ja nie etwas, wenn alle Mythen so bestehen bleiben.
Monetäre Souveränität in der Eurozone herzustellen ist mit entsprechenden Mehrheiten kein Problem. Wenn die EZB eine Garantie für die Solvenz der Währungsländer ausspricht und die Schuldenregeln im S&WPakt gekippt werden sind die Voraussetzungen(wie in Corona-Zeiten) geschaffen!

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@Finn Danke für die ausführlichen Antworten!
Ich hätte ein paar Fragen:

  1. In der Doku „Oeconomia“ (hier im Forum empfohlen 3Sat Doku "Oeconomia" (Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Vermögenskonzentration sowie Auswirkungen auf Politik)) wurden Spitzenleute der Finanzindustrie zur generellen und grundlegenden Funktionsweise von Geldschöpfung und Schulden befragt (und sie hatten erschreckend oft keine guten Antworten). Decken sich die Erkenntnisse der MMT mit denen dieser Doku? Ich verstehe natürlich, wenn du dir die Doku nicht extra für diese Frage anschauen willst, aber vielleicht hast du sie gesehen oder sie interessiert dich.

  2. Du und viele andere werfen den Wirtschaftswissenschaften Ideologie und Orthodoxie vor, z.B. weil deren Thesen empirisch nicht haltbar seien. Wie ist das denn bei der MMT? Wo sind Beschreibungen und vor allem Vorhersagen (schließlich kann man wissenschaftliche Theorien fast nur an ihren richtigen Vorhersagen messen) besser als die „konventionellen“ Theorien? Und wo ist MMT schlechter?

Danke dir @Finn für deine Erklärungen und die super Darstellung des Themas. Auch finde ich es gut, dass du Geld- und Fiskalpolitik nochmal deutlich unterschieden hast. Hängen geblieben bin ich aber hier

und muss darauf noch einmal etwas einwenden.

Du sagst ein Realverlust auf Sparkonten sei aus sozialen Gesichtspunkten unproblematisch, da nur die reichsten 50 % überhaupt nennenswerte Ersparnisse hat. Das ist zwar sicher richtig, aber wäre es nur deshalb fair und richtig das hinzunehmen? Ich gebe zu, ich gehöre (wie sicher viele hier im Forum) zur oberen Hälfte (Mediannettovermögen 65.000 €[1], inkl. Immobilien etc.).

Ich entziehe mich auch nicht der sozialen Verantwortung. Ich zahle Steuern, spende und konsumiere vergleichsweise wenig CO2 intensive Dinge. Und ich spare Geld für mein Alter an oder um meinem Nachwuchs mal mehr Optionen im Leben zu geben als ich sie hatte. Sie sollen halt keinen Job wegen des Verdienstes machen müssen, sondern weil sie darin Erfüllung sehen. Wenn der nicht zum Leben reicht, gibt es eben Reserven (oder fair erwirtschaftete Mieteinnahmen, sofern es mal vermietete Immobilien gibt).

Mit dem von dir beschriebenen Modell wäre das doch kaum mehr möglich. Ansparen für mögliche Investitionen stünde Realverlusten durch Inflation gegenüber.

Außerdem, gleichzeitig sehen wir aktuell, dass fast alle Lohnabschlüsse deutlich unterhalb der tatsächlichen Inflation liegen, die Reallöhne also sogar fallen. Was macht dich glauben, dass eine hohe Inflation nicht sogar zum Nachteil aller wäre?

1 Mittleres Vermögen – Wikipedia

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Nun ja bei der bestehenden großen sozialen Spaltung in unserem Land muss man, meiner Meinung nach, die Vermögenden nicht noch weiter beim Vermögensaufbau unterstützen. Nicht, dass ich das diesen Personen nicht gönnen würde, aber Zinsen zu verteilen, sodass je mehr man hat desto mehr bekommt man, ist nicht gerade zielgerichtet. Das entspricht dem Prinzip Trickle Down, hat wohl noch nie wirklich funktioniert.

Das möchte ich alles nicht infrage stellen und das ist auch sehr lobenswert, aber tun das denn Menschen, die finanziell wenig bis nichts besitzen nicht? Vielmehr haben viele ärmere Menschen gar nicht die Möglichkeit zu solch einem Verhalten, da ihnen dafür der finanzielle Spielraum fehlt. Da ist es doch ungerecht, obwohl sie eine ähnlich hohe Steuer- und Abgabenlast wie Gutverdienende tragen(Steuerprogression in der Einkommenssteuer wird durch viele regressive Abgaben/Steuern in etwa wieder ausgeglichen), dass sie dann keine pauschalen Zinsen bekommen.
Vor allem, dass für die Zinsen ja keine Leistung erbracht wurde, nur die, dass man Geld besitzt.

Das ist aus deiner Sicht vielleicht ein sinnvoller Gedanke, wie bereits vorhin erwähnt für die Volkswirtschaft als ganzes aber nicht zielgerichtet. Denn, wie bereits mehrmals erwähnt, am stärksten profitieren von hohen Zinsen die Reichsten in dieser Gesellschaft. Und diese haben es gerade nicht nötig noch weitere kostenlose Gewinne für ihre Zukunft geschenkt zu bekommen.
Gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, fürs Alter vorzusorgen.
Aus Sicht der Politik kann das Rentensystem sowieso mal einer Reform unterzogen werden, niemand sollte in einem reichen Land wie diesem in Altersarmut leben müssen. Um Altersarmut zu verhindern werden aber keine hohen Zinsen benötigt, sondern einen Staat, der eine nötige Rente garantiert. Übrigens: auch bei der Rentenpolitik ist aus Sicht der MMT das Thema, das relevant ist ein anderes als im öffentlichen Diskurs: wir müssen uns nicht Sorgen machen, dass bald das Geld alle ist wenn zu viele Menschen in Rente gehen. Vielmehr sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Produktivität so steigern können, dass wir mit weniger arbeitenden Menschen dieselbe Menge an Gütern und Dienstleistungen produzieren können. Das kann unter anderem mit mehr direkten staatlichen Investitionen und Vollbeschäftigung gelingen.

Also erstens glaube ich nicht, dass Nullzinsen da einen sehr großen Unterschied machen. Im Moment haben wir, nach meinem Stand, bei den meisten Banken maximal 2% Zinsen, diese reichen längst nicht aus um die Inflation, die um den Faktor 3 - 4 höher liegt, auszugleichen, geschweige denn um real dazuzugewinnen.
Zu deiner These, dass Investionen mit Nullzinsen nicht mehr möglich wären: da Investitionen sowieso meistens über Kredit getätigt werden, machen Nullzinsen diese sogar attraktiver. Durch die von der EZB verhängten Zinssteigerungen rechnen sich viele Projekte, wie bspw. Häuserbau nicht mehr. Nicht zuletzt deswegen haben einige große Wohnungskonzerne vor kurzem ihren Neubau gestoppt. Die Zinslast für Kredite war schlicht zu hoch.

Das ist tatsächlich ein Problem, hat aber nix mit zu niedrigen Zinsen zu tun. Wenn die Zinsen stärker steigen wird die konjunkturelle Entwicklung eher weiter verlangsamt und damit der Lohndruck nach oben abgeschwächt.
Die Löhne wären also noch weniger gestiegen.
Damit sich die Löhne ordentlich entwickeln wären viele verschiedene Maßnahmen ratsam, vor allem aber eine Ankurbelung der Wirtschaft durch höhere Staatsausgaben. Mit der folgend steigenden Beschäftigung werden Arbeitskräfte knapper und damit steigt der Lohn.
Zu deiner letzten Frage, ich habe nie gesagt, dass Inflation nicht zum Nachteil aller sei. Inflation ist sehr wohl ein Problem, insbesondere für die unteren Einkommensgruppen, und muss vermieden werden. Das tut man aber nicht durch ein einfaches keine-Schulden-Dogma, sondern durch eine kluge und vorausschauende Politik.

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Hier könnte ich einige verschiedene Beispiele bringen, das Problem ist, dass die MMT an sich keine „Vorhersagen“ abliefert. Sie ist schlicht eine genaue Analyse des Geldsystems, der Geldschöpfung von Banken, der operativen Realitäten zwischen Zentralbank, Regierung und privatem Sektor. Dies alles basiert auch auf den Grundregeln der Buchhaltung und der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung(öffentlicher Saldo + privater Saldo + Außensaldo = 0). Kraft der Logik ist der meiste Inhalt der MMT anders wohl kaum plausibler, beschreibt sie zu großen Teilen doch einfach die Realität.

Also ein Beispiel: Dass der private Sektor automatisch finanziell reicher ist, wenn der öffentliche Sektor mehr ausgibt, als er einnimmt, lässt sich logisch wohl kaum entkräften. Ebenso wie die Erkenntnis, dass ohne Schulden kein Geldvermögen existieren kann und umgekehrt.

Dass Geld für einen Staat nicht knapp ist, da er unbegrenzt mehr Geld ausgeben kann ist ebenso eine logische Erkenntnis. Dem würden sogar Mainstreamöknomen nicht widersprechen. Ihr Argument ist häufig, dass mit steigender Inflation auch die Geldmenge steigen würde. In der Realität, wie man auf fast jeder Grafik dazu sehen kann, existiert kein erkennbarer Zusammenhang zwischen den beiden Werten. Ab und zu sind sie sogar gegenläufig.

Ganz interessant mit einzuwerfen ist auch noch Japan, dieses Land kann von dem ökonomischen Mainstream kaum erklärt werden. Japan hat die höchste Staatsschuldenquote(Staatsschulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) der Welt: 260%. Dem ökonomischen Mainstream zufolge müsste dort die Inflation sehr hoch sein, da die hohen Staatsschulden für eine vergleichsweise stark ausgeweitete Geldmenge gesorgt haben. Stattdessen ist die Inflation in Japan deutlich niedriger als in vielen anderen Teilen der Welt(4% 2023), in den vergangenen Jahren lag sie sogar sehr häufig unter dem Inflationsziel, die Wirtschaft war unterausgelastet.

Auch in der Eurozone kommt man zu einem anderem Ergebnis als die Mainstreamökonomie wenn man sich die Zahlen anschaut. Die Geldmenge(M3) ist seit 1999 um etwa 349% gewachsen. Dieser Anstieg hat sich nicht einmal ansatzweise in die Preise durchgesetzt, die Inflationsrate war jahrzehntelang zu gering(unter 1,9%). Daraus kann man eigentlich nur schließen, dass das pochen auf einen Zusammenhang zwischen Inflation und Geldmenge empirisch nicht haltbar ist.

Zurück zur Theorie: die Theorie an sich ist passiv, aber Ökonomen können mit ihr arbeiten und Vorhersagen abgeben, das ist aber nicht zwangsläufig mit der MMT als Theorie verknüpft, dabei können selbstverständlich, wie überall sonst in der Wissenschaft auch, Fehler auftreten.

Ein völlig offensichtliches Beispiel, wo der ökonomische Mainstream(bspw. Neoklassik) ganz eindeutig falsch liegt, ist bei der These, Banken würden als Intermediäre agieren, also Geld schlicht von Sparern zu Kreditnehmern weiterverleihen und kein neues Geld schöpfen. Das ist falsch, Banken schöpfen neues Geld immer bei der Kreditvergabe. Das hat sich die MMT nicht ausgedacht, das sagen unter anderem Banken selbst, diese müssen das ja am besten wissen.

Jetzt zurück zu deinen Fragen. Ich habe hier ein paar Argumente und Beispiele eingebracht, aber deine Frage nach konkreten Vorhersagen der MMT und ob sie eingetreten sind, ist prinzipiell nur sehr schwer zu beantworten, da es nicht ein Bündel an Vorhersagen der MMT gäbe, die sich klar darauf überprüfen ließen, ob sie eingetreten sind oder nicht.

Ich verweise nochmals darauf, dass die MMT rein deskriptiv ist.

Was zumindest MMTler früh erkannten, ist dass mit Einführung der europäischen Währungsunion einige sehr schwerwiegende Probleme auftreten werden, von Handelsungleichgewichten(Deutschland zu viele Exporte, wegen zu geringer Inflation → Belastung vor allem für die südeuropäischen Länder) bis hin zu strukturellen Nachfrageproblemen in der EU, damit einer Unterauslastung der europäischen Wirtschaft, die mit stärkeren fiskalischen Maßnahmen bekämpft werden müsste. Das wären 2 Dinge die mir spontan einfallen würden, wo MMTler Probleme prognostiziert haben, die dann auch eingetreten sind. Aber auch hier gilt wieder: das sind keine Vorhersagen der MMT, das Verständnis der MMT hat es für die entsprechenden Ökonomen schlicht ermöglicht, diese Prognosen zu stellen und Schwächen zu kritisieren.

War die Antwort für dich zufriedenstellend?

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Habe die Doku bisher nicht gesehen, schaue ich mir aber gerne einmal an.

Das ist falsch und folgt auch nicht aus MMT. Und genau das ist auch die große Gefahr von MMT. Aus MMT folgt erst einmal nur, dass der Staat in seiner eigenen Währung nicht pleite gehen kann.

Inwiefern Verschuldung in eigener Währung problematisch oder unproblematisch ist, hängt stark von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab.

Selbst wenn ein Staat formell in eigener Währung nicht pleite gehen kann, kann es sehr wohl Situationen geben, wo es praktisch die beste Option ist (siehe zum Beispiel diese Argumentation von Mankiv: PDF A Skeptic’s Guide to Modern Monetary Theory - Harvard University; man kann hier jetzt einwenden, dass Mankiw gerade Teil des Problems der zu wenig differenzierten Ökonomie ist, trotzdem muss man dann die Argumentation widerlegen).

Man sollte sich auch die Frage stellen, wer eigentlich die Gläubiger immer höher werdender Schulden sein sollen.

Eine Situation mit weniger Schulden ist auch für den Staat bei anderweitig gleichen Konditionen besser als eine Situation mit höheren Schulden, weil man dann mehr Schulden aufnehmen kann, damit positives bewirken kann und in einer strikt besseren Endsituation ankommt. Das bedeutet dann aber auch wieder, dass eine Schuldenaufnahme auch einen Sinn haben sollte.

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Sehr viel mehr als das.

Das hängt vor allem davon ab, wie stark die Wirtschaft in ihren einzelnen Sektoren ausgelastet ist. Falls sie das nicht ist schlägt die MMT auch Maßahmen vor, um nicht in ein Wettbieten zu treten, sondern die nötigen Ressourcen freizusetzen

Wo es die beste Option ist wenn der Staat pleite gehen kann? Das wäre eine schädliche Konstruktion, ein künstliches Pleiterisiko für den Staat. Oder meinst du, dass Verschuldung manchmal keine gute Option ist? Das ist auch die Sicht der MMT, in den letzten Jahrzehnten ist dieser Fall aber nicht eingetreten, dass die Wirtschaft an ihrer Kapazitätsgrenze war/ist. Im Falle zu großer Nachfrage ist es sogar im Sinne der MMT unter anderem über staatliche Ausgabenkürzungen und damit Schuldenreduzierung gegenzusteuern.

Mankiv’s Argumentation hat mich nicht überzeugt, sie zu widerlegen ist möglich. Allerdings bezweifle ich, dass zum Widerlegen achtseitiger Argumentationen hier der richtige Ort ist.
Du kannst dir natürlich etwas herauspicken und damit argumentieren, das ist hier wohl eher machbar.

Bei dem derzeitigem System, in welchem Anleihen ausgegeben werden(meiner Meinung nach überholt), sind das ein paar ausgewählte Geschäftsbanken und/oder die Zentralbank, je nach konkreter Ausgestaltung der Geldverfassung.
Die Zentralbank agiert als lender of last resort, also sie kauft den Banken im Zweifel die Anleihen immer ab, oder bieter gleich im Auktionsprozess mit. So funktioniert Verschuldung dauerhaft und unbegrenzt.
Wäre aber sinnvoller, auch wegen der schlechten Verteilungswirkung von Anleihen, stattdessen die Möglichkeit zu erlauben(über die EU-Verträge), dass das Finanzministerium sein Konto unbegrenzt ins Negative überziehen darf. Für den realen Effekt von Staatsausgaben gibt es keinen einzigen Unterschied in der Wirtschaft. Das wäre eine sinnvolle Vereinfachung des Ausgabenprozesses, auch würden Banken nicht mehr mit kostenlosen Gewinnen zugeschüttet.

Wenn ein Staat wenig Schulden hat, kann er nicht deswegen später mal mehr aufnehmen. Das ist schlicht falsch. Wenn es keinerlei politisch selbstauferlegte Restriktionen gibt, ist die Verschuldung, technisch gesehen, ins Unendliche möglich. Sonst erklär doch du mal, warum der Staat ab einer gewissen Menge an Schulden plötzlich nicht mehr sich verschulden könnte.

Das bezweifle ich nicht. Das „nur“ bezog sich hier auf die Problematik der Verschuldung. Man muss zwischen „Der Staat kann nicht in seiner eigenen Währung pleite gehen“ und „Verschuldung ist unproblematisch“ differenzieren. Aus MMT folgt ersteres (genau genommen ist das eine Trivialität), aber eben nicht zweiteres.

Zu schreiben, dass Verschuldung unproblematisch ist, ist einfach unsachlich und auf vielen Ebenen problematisch. Ich finde, dass man sich mit solchen Äußerungen unbedingt zurückhalten sollte, weil es ein unvollständiges Bild vermittelt, insbesondere dass das eben aus einer Theorie folgt.

Du kannst gerne begründen, warum Verschuldung unproblematisch ist. Aber bitte nicht so tun, als würde das aus einer Theorie folgen.

Wenn es darum geht, Hyperinflation zu vermeiden. Mit pleite gehen meine ich hier „defaulten“.

Nehmen wir mal vereinfachend an, dass man nur Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ausgegeben hat. Dann muss man in einem Zeitraum von 10 Jahren alle Anleihen umwälzen. Dass man bei einem niedrigeren Schuldenstand die Differenz von Rückzahlungen und Neuaufnahmen einfacher erhöhen kann, als bei einem höheren, halte ich für nicht abwegig.

Ich habe nicht behauptet, dass der Staat das nicht könnte. Ich halte es für plausibel, dass es Situationen gibt, in denen er es nicht will (wegen Inflation, wenn man die Schuldenaufnahme überzogen hat).

Nehmen wir mal an, Deutschland hätte 100 Billionen Euro Schulden (bei aktuellem Haushalt). Wer sind die Gläubiger dieser 100 Billionen und wieso sollten sie Geld nicht vollkommen anders behandeln als jetzt, weil sie ja dann schon massive Gutschriften haben?

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Ich habe die Schlussfolgerungen der MMT bislang immer so verstanden, dass der Staat (der Souveränität über die Zentralbank und damit die Geldschaffung hat) schadlos beliebig viel Geld erzeugen („drucken“) und ausgeben kann, solange er damit nicht so viel Nachfrage aus Seiten von Verbrauchern und Unternehmen entfacht, dass diese die existierende Produktionskapazitäten nicht überschreitet (andernfalls würde dies zu Inflation führen).

Dass er sich beliebig verschulden und dieses Geld ausgeben kann, ist m.W. nicht die Schlussfolgerung der MMT. Vielmehr dient die Verschuldung des Staates v.a. der Steuerung des Kapitalmarktzinses.

Oder habe ich das was falsch verstanden?

Danke @TilRq, dein Beitrag und vor allem dieser Abschnitt

haben mir im Verständnis geholfen. Ich hatte @Finn so verstanden, dass der Staat bei Bedarf grundsätzlich neues Geld schöpfen können sollte, völlig egal wie ausgelastet die Produktion bereits ist.

Das erschien mir allerdings absurd, da es nur zu einer weiteren Überhitzung und entsprechend Inflation mit Verlusten bei vielen Privaten geführt hätte.

Hast du ein genaueres Verständnis davon, was „schadlos“ in diesem Zusammenhang bedeutet? Also insbesondere, inwiefern es die Zukunf berücksichtigt.

Wenn der Staat Geld erzeugt, das nicht unmittelbar zu einer Nachfrageerhöhung führt (Stichwort: Horte) und diese Geldmengenausweitung solange weitertreibt, bis der Punkt erreicht ist, wo es Nachfrage oberhalb der Produktionskapazitäten erfasst, ist die Geldmengenausweitung kaum reversibel und Optionen zur Schadensbegrenzung sind limitiert.

Die Frage wäre dann, wie man überhaupt vernünftig beurteilen soll, was Geldmengenausweitungen für Nachfrage in der Zukunft bedeutet?

Zweiteres auch, auch wenn natürlich wirtschaftlicher Lage entsprechend. Bei besser laufender Wirtschaft weniger staatliche Ausgaben, bei schlechterer das Gegenteil. Zum Teil passiert das automatisch über automatische Stabilisatoren, wie der Progression in der Einkommenssteuer, über in der Rezession hochgehende Transferleistungen etc.

Ich denke, warum Schulden kein Problem darstellen, habe ich bisher hier in diesem Thema mehrmals begründet. Von dir habe ich noch keine Gründe gehört, warum Schulden problematisch seien oder warum warum meine eine Aussage unsachlich sei. Bringe diese gerne ein.

Hyperinflation ist nichts, was ein realistisch drohendes Szenario ist, außerdem wurde sie in der Geschichte(auch in Weimar) meistens durch plötzliche Angebotsschocks ausgelöst und nicht durch plötzliche übermäßige Nachfrage.
Auch bei einer Hyperinflation sehe ich keinen Vorteil in einer Pleite des Staates, wie sollte ein solcher Mechanismus auch aussehen.
Im Übrigen denke ich, dass eine Regierung, die für eine Hyperinflation verantwortlich ist, in einer Demokratie sehr zügig abgewählt wird. Also wird jede Regierung sich hüten, eine solch unverantwortliche Politik umzusetzen. Dass es soweit kommt, ist auch sehr unwahrscheinlich, weil sie dafür sehr viel falsch machen müsste.
Mal abgesehen von plötzlichen Krisen wie Naturkatastrophen, die nur schwer abzuwenden sind.

Es gibt doch keine Begrenzung in der Ausgabe von Anleihen. Daher ist es kein Problem, so viele Anleihen zu verkaufen, wie benötigt werden zur Überwälzung und zur Tätigung neuer Ausgaben. Das einzige was dafür nötig ist, dass die Zentralbank als lender of last resort agiert.

Zu einem Drittel ist die Zentralbank(also der Staat selbst) durch Anleihekäufe Gläubiger, der Rest sind die Banken der Bietergruppe Bundesemissionen, die an der Auktion teilnehmen. Dazu kommen die Inhaber der Anleihen, die auf dem Sekundärmarkt von den Banken der Bietergruppe Bundesemissionen weiterverkauft wurden. Diese spielen aber für den (deutschen)Staat beim Anleihe Ausgeben keine Rolle, da nur an Banken der Bietergruppe Anleihen direkt verkauft werden.

Meinst du, warum sie die neuen Anleihen kaufen sollten, obwohl sie bereits viele besitzen?
Das liegt daran, dass für die Banken sich mit den Anleihen mehr Rendite verdienen lässt, als wenn sie ihre Zentralbankreserven einfach auf ihrem Konto liegen lassen. Dazu kommt, dass die Anleihen beinahe risikolos sind, beinahe weil die EZB in Europa(leider) nicht direkt die Solvenz der Währungsländer garantiert, einer der Konstruktionsfehler der EWU. Allerdings kann man inzwischen wohl eher davon ausgehen, dass die EZB aus Griechenland gelernt hat und nicht dieselben Fehler wiederholen würde.

Richtig, bis auf deine Unterscheidung zwischen staatlicher Verschuldung und der Erzeugung von Geld. Der Vorgang, der staatlichen Verschuldung beziehungsweise generell jede staatliche Ausgabe schafft neues Giralgeld. Grundsätzlich ist jeder Geldschein ein Schuldschein des Staates, also eine Schuld des Staates. Geld existiert nicht ohne Schulden, eine der ökonomischen Grundregeln sind Schulden = (finanzielles)Vermögen. Insofern ist neues Geld schöpfen äquivalent zu sich verschulden. Kann ich gerne detaillierter ausführen, falls es jemand interessiert.

Das ist durchaus Schlussfolgerung der MMT. Technisch ist dies ja möglich. Es ist aus ihrer Sicht nur nicht sinnvoll. Die staatlichen Ausgaben sollten die Privatwirtschaft auslasten, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb gilt es selbstverständlich zu vermeiden, zu viel auszugeben. Ebenso wie es gilt zu vermeiden, zu wenig auszugeben. Beides ist schädlich.

Der Kapitalmarktzins wird von der Zentralbank gesteuert, nicht von dem Finanzministerium. Dies tut sie über die Festsetzung des Leitzinses, zu dem sich Banken Zentralbankguthaben bei der Zentralbank leihen, bzw der Verzinsung, die Banken auf ihre Zentralbankguthaben bekommen.
Womit du Recht hast, ist, dass verschiedene Zentralbanken einige Zeit versucht haben, mit dem Kaufen und Verkaufen von bereits ausgegebenen Anleihen vom Finanzministerium den Interbankenzins zu steuern. Das funktioniert aber über andere Wege ebenso, sogar zuverlässiger.

Das kann er, nur weil er es kann wäre das aber nicht sinnvoll.

Hier ist auch die Sicht der MMT differenzierter, Inflation hat Gewinner und Verlierer, sie ist ein Verteilungskonflikt. Das Geld, was für die höheren Preise ausgegeben wird, ist ja nicht plötzlich weg. Es besitzt nur jemand anderes.

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Nur mal am Rande, ich stör mich immer noch ein wenig an dieser Aussage. Was soll das bedeuten? Ob die Theorie selbst Vorhersagen macht ist doch eigentlich ziemlich irrelevant. Entscheidend ist, ob sich aus einer Theorie Vorhersagen ableiten lassen (tust Du ja unter anderem auch). Wenn das nicht ginge, wär die Theorie ja auch ziemlich nutzlos und im engeren wissenschaftlichen Sinne auch keine Theorie, weil nicht falsifizierbar.

Sorry, wenn das jetzt irgendwie klugscheißerisch rüber kommt, aber der Satz hat mich einfach ne Weile irritiert.

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