Kurzfristig wird es sicherlich nicht gehen mal so 18% der globalen Produktionsmenge (https://iea.blob.core.windows.net/assets/52f66a88-0b63-4ad2-94a5-29d36e864b82/KeyWorldEnergyStatistics2021.pdf) zu ersetzen. Gerade weil Russland global der größte Nettoexporteur ist. Aber auch wenn Russland als einzelnes Land aktuell über die größten Reserven verfügt ist an sich (das ist ja auch mit Blick auf den Klimawandel das Problem) mehr als genug da. Auch um das aus anderen Ländern zu decken (https://www.bp.com/content/dam/bp/business-sites/en/global/corporate/pdfs/energy-economics/statistical-review/bp-stats-review-2021-full-report.pdf - auf den Seiten 34 ff.). Die Möglichkeit den europäischen Bedarf aus anderen Ländern zu decken ist bilanzell also ohne weiteres möglich. Zumal die Reserven über die letzten Jahrzehnte immer weiter angestiegen sind. Der aktuell hohe Gaspreis kommt uns da sogar zu gute, da durch den höheren Preis z.B. in den USA mehr Gas nun wirtschaftlich sinnvoll gefördert werden kann und dadurch die Reserven steigen.
Das Problem wird kurzfristig nur sein, dass aus den anderen Quellen wie Nordamerika oder dem mittleren Osten das Gas nicht so schnell zur Verfügung steht. Zum einen können die Produktionskapazitäten dort nicht so ohne weiteres in der notwendigen Größenordnung ausgebaut werden. Zum anderen fehlt es an ausreichender Export- / und Importinfrastruktur, sprich LNG Kapazitäten. Das es da aber in größeren Mengen geht zeigt z.B. Japan. Dort ist man aufgrund der Geographie und nicht vorhandenen Reserven auf LNG Importe angewiesen.
Bleibt noch ein weiteres Problem. Von der aktuellen Produktion in den genannten Ländern sind Teile bereits vertraglich abgesichert. Die können, selbst wenn es die Kapazität gibt nicht einfach woanders hin verkauft werden. Und wenn es geht, dann wird es teuer, weil man anderen das Gas wegkaufen müsste.
Das Dilemma ist aber ja, dass wir nun diese Kapazitäten aufbauen müssen, um Russland eine Chance der Finanzierung zu entziehen. Die Infrastrukturen sind aber eigentlich nur längerfristig zu finanzieren. Damit schafft man sich aber wieder Abhängigkeiten, die man aus Sicht der Klimakrise nicht haben sollte.
Absolut, die beiden Speicher sind nicht die Erklärung für die Probleme bei unserer zukünftigen Energieversorgung.
Ich finde, sie stehen aber bildhaft für die falschen Entscheidungen und auch für die Naivität, mit der wir uns nicht nur auf der Produktseite (dem Gas selbst) sondern auch auf strukturellen Seite in Abhängigkeiten begeben haben.
Energieversorgung gehört für mich zur Grundversorgung wie sauberes Wasser, das nicht dem Gewinnstreben privatwirtschaftlicher Unternehmen unterliegen sollte, noch dazu ausländischen mit einer Staatsform wie der russischen (Wunschdenken…)
Da bin ich absolut bei dir und das schon seit Jahren. Die Privatisierung von Firmen ist absolut gescheitert und leider auch oft benutzt worden, um lukrative Posten an ehemalige Politiker zu verschenken (siehe Pofalla). Gerade bei Energie darf das Ziel doch nicht Gewinnmaximierung sein. Man verliert gerade extrem viele Menschen für den Kampf gegen den Klimawandel, da das Gefühl hoch kommt, dass die privaten Haushalte jetzt die Fehler der Regierung und die Schonung der Wirtschaft zahlen dürfen. hier muss insgesamt dringend regulierend eingegriffen werden, denn sonst können wir uns wohl leider vorstellen wer als nächstes gewählt wird.
Aktuell fragt die Bundesregierung gerade die hauptsächlich dem finnischen Staat gehörende Uniper an, doch ihre LNG-Terminalpläne wieder aufleben zu lassen.
Uniper ist einer der Hauptinvestoren von Nordstream2.
Auch das Wilhelmshavener LNG-Terminal würde von einem belgischen Konsortium gebaut werden sollen.
Die Frage ist aber doch berechtigt: Gibt es in Deutschland keine Unternehmen die die LNG-Terminals bauen könnten - oder wollen sie nicht?
Nur werden wir den Status Quo im Bezug auf das Gewinnstreben Energiewirtschaft nicht kippen können.
Wie das grundsätzlich bei der Infrastruktur aussieht kann ich nicht beurteilen.
Hier bin ich zwiegespalten.
Ich pauschalisiere mal überspitzt, wenn es um den Spaß geht ist der Deutsche halt auch gern sein eigener Herr, wenn es um Verantwortung geht ruft er gern nach den Staat.
Wir sind selbst Hausbesitzer und tun die Dinge, die gut fürs Klima sind weitestgehend aus Überzeugung mit wenn überhaupt einem langfristigen Amortisierungsziel.
Meine persönliche Wahrnehmung im breiten Umfeld ist allerdings, wenn der Staat nichts springen lässt, ist es schnell vorbei mit dem Engagement.
Wie gesagt pauschalisiert und meine persönliche Wahrnehmung, vielleicht ist das außerhalb meines Umfeld ganz anders, wäre gut.
Wo ich bei dir, ist gerade im Bereich der Mieten bei den Menschen mit geringen Einkommen, hier muss der Staat schützen eingreifen, wenn sich die Entwicklung existenzbedrohend auswirkt.
Viele davon haben meistens keine Wahl sich einfach eine andere Wohnung zu nehmen( überhaupt mal eine zu finden) und keinen Einfluss drauf, wie eine Vermieter mit dem Thema umgeht.
Waren selber mal Mieter, das fängt schon damit an, dass man nicht mal Einfluss drauf nehmen kann, wann das Heizöl bestellt wird und dem Vermieter ist es weitestgehend egal, wenn er nicht selbst in der gleichen Immobilie wohnt.
Meine Frau hatte bis vor einigen Jahren für eine amerik. Konzern gearbeitet aus der Flüssigkeitsumschlagbranche, spezialisiert für die Verladungsarme (Öl, Gas, Lebensmittel etc.).
Wir haben uns immer gewundert, warum es dafür in D kaum Nachfrage gab.
Ohne genau Umsatzzahlen zu kennen, war der Fokus international ausgerichtet, obwohl das Unternehmen auch in D Niederlassungen hat.
Ich denke schon das hier Knowhow vorhanden ist, es hat sich nur keiner dafür interessiert.
Der Zufluss billigen russischem Gas schien ungebremst und auf Zeiten gesichert.
Was die Infrastruktur bei Strom- und Gasnetzen und an sich auch den Gasspeichern angeht sind das mit der am stärksten regulierten Bereiche, die wir in der freien Marktwirtschaft haben. Da es sich bei den Netzen um natürliche Monopole handelt gibt es im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte der EU seit Ende der 90er Jahre diverse Vorgaben. den Unternehmen wird zwar immer noch ein Gewinn zugestanden, aber der ist vollkommen staatlich reguliert. Stichwort wäre die Anreizregulierung. Da macht es keinen Unterschied mehr ob das Netz nun von einem privaten oder staatlichen Eigentümer getragen wird.
Was andere Bereiche wie den Handel angeht kann man sicherlich darüber streiten, ob jede Privatisierungsmaßnahme notwendig gewesen wäre. Gerade bei den wieder erfolgenden Rekommunalisierungen in den letzten Jahren. Aber was man nicht bestreiten sollte ist, dass durch die Maßnahmen auf EU Ebene und der Umsetzung in Deutschland der Energiemarkt seit den 90er Jahren wesentlich verbraucherinnenfreundlicher geworden ist.
Spontan hätte ich gesagt, dass Wintershall Dea das hinbekommen sollte. Zumindest sind die in den fossilen aktiv genug. Eventuell ist es da auch eine Frage des Wollens. Aktuell wäre da aber auch das Problem der russischen Teileigentümerschaft wohl eher ein Problem. Die Alfa Group, deren Vorsitzender Michail Maratowitsch Fridman ist, ist ja auch von den aktuellen Sanktionen betroffen und daher gehe ich davon aus, dass er auch nicht mehr erwünscht sein dürfte.
Es gibt schon große Flotten. Die Frage ist eher, wieviel können abgefertigt werden und wie gut kann das Gas von den vorhandenen Terminals verteilt werden. Die sind ja meist für die lokale Versorgung gebaut, nicht um das Gas europaweit zu verteilen.
Und im Gegensatz zu den Pipelines, die spezial auf unsere Versorgung ausgelegt sind, konkurrieren wir da auf einem globalen Markt. Es wäre also teurer. Und die Frage ist, macht man dann aus politischen Gründen die Pipelines dicht, aber kauft am Ende trotzdem LNG von Gazprom, weil sie auch in diesen Markt expandieren und man nicht zu wählerisch sein kann.
Wie da die Zukunft aussieht, ist im Moment noch ziemlich ungewiss.
Wintershall Dea hat ja schon gegenüber der dpa angekündigt im Falle einer endgültigen politischen Absage von Nordstream2 (sind ja auch mit einer Dreiviertel Milliarde beteiligt) Entschädigungen bei der Bundesregierung einklagen zu wollen.
Dass die Investoren aus dem Bundeshaushalt (also teilweise vom Steuerzahler) entschädigt werden und dann auch noch die LNG-Terminals bauen wäre natürlich eine Ironie der Geschichte - aber die Grundlage für Schadenersatz sei laut dem Fachanwalt für Verwaltungsrecht „dünn, aber wenn die neue Bewertung der Bundesregierung für die Auswirkungen der Pipeline auf die Energiesicherheit vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse negativ ausfällt, könnte Gazprom klagen. So einen Fall gab es meines Wissens noch nie.“ (aus Capital.de)
Wow, das klingt ja alles nicht besonders optimistisch. D.h. kurzfristig sind wir tatsächlich mehr oder weniger abhängig von russischem Gas. Das bedeutet dann ja, dass wir unweigerlich durch unsere Abhängigkeit Russlands Kriegskasse mitfinanzieren müssen.
Was für einige WarLords in Afrika die Blutdiamanten, ist für Putin sein fossiles Gas. Man könnte auch BlutGas dazu sagen.
Ich gebe dir da Recht, das ist oft so und auch gewollt, Ellbogen raus und los. Allerdings habe ich eine andere Wahrnehmung. Mein Umfeld besteht aus sehr vielen tendenziell links gerichteten Menschen, die wissen, dass der Klimawandel echt und gefährlich ist. Wir sind alle gebildet und informiert. Wir würden gerne aus Überzeugung mehr tun, leider überzeugt aber der Geldbeutel meist nicht. Wir haben eben das Problem, dass Eigentum unreguliert verteuert wird seit Jahren. Wenn man es dann doch schafft aus der Armutsfalle Miete auszubrechen und Eigentum für seine Familie findet, hat man schon extrem hohe Ausgaben. Wenn ich jetzt komplett energetisch sanieren wöllte, müsste ich 150.000,-€ in die Hand nehmen, sehr lange in einer Baustelle leben und hätte nicht mal eine Gartantie, dass die Heiztechniken wirklich zufriedenstellend funktionieren. Und die 150.000,- habe ich eben auch nicht mal eben da. Ich habe Dachsanierungen usw. eingepreist, das ist alles gut. Aber Altbausanierung ist bei den Immobilienpreisen für Normalverdiener mit Kindern nicht zu stemmen. Es wurden vor allem wie ich finde nur neue Heizsysteme für Neubauten entwickelt, die dann irgendwie in den Altbau gebastelt werden. Das sehe ich ehrlich gesagt nicht ein. Die Summen wurden übrigens von Energieberatern genannt, die auch von solchen Sanierungen aus Erfahrung abgeraten haben.
Es kommt leider oft das Gefühl auf, dass jetzt die privaten Haushalte für die extremen Fehler der letzten 16 Jahre herhalten müssen (siehe Benzin und Gaspreise dazu), während die Wirtschaft mal wieder mit Samthandschuhen angefasst wird. Hinzu kommt leider eine grüne Wohlstandsblase, die sehr belehrend und auf Gutmenschen-Art rüber kommt und die Akzeptanz für mich auch nicht steigert.
Ich möchte betonen, ich würde sofort mein Haus sanieren, wenn es für den Normalbürger bezahlbar wäre und es auch garantiert wirklich gut funktioniert. Ich denke doch mal abreißen und neu bauen soll es ja auch nicht sein. Mein Vorschlag, sämtliche Neubauförderung einstellen und nur noch Altbausanierung fördern und sinnvolle Entwicklungen von Sanierungstechniken fördern.
Die Niederlande werden schwerlich (mehr) Erdgas liefern können, sie haben derzeit intern ein Argumentationsproblem: Die Gasgewinnung verursacht schon seit Jahren kleine bis mittlere Erdbeben, in einem Gebiet (Groningen, im Nordosten) wo die reguläre Bausubstanz dafür nicht ausgelegt ist. (Gaswinningsproblematiek in Groningen - Wikipedia , Sorry, nur Holländisch) Und die Regierung hat für diese Legislaturperiode versprochen, die Gewinnung zu stoppen. Jetzt wird zwar zähneknirschend wieder produziert um die existierende Verträge mit Deutschland nachzukommen, aber mehr ist da nicht drin - es sei es gibt auch dort eine „Zeitenwende“…
Der Iran verfügt über die zweitgrößten Erdgasreserven der Welt. Wenn Russland dauerhaft als Gaslieferant ausfällt, dann wäre eine Pipeline vom Iran durch die Türkei nach Europa möglicherweise eine denkbare Alternative. Erdogan ist auch keine unproblematische Persönlichkeit, aber die Türkei ist immerhin NATO-Mitglied. Mit dem Iran könnte man ein neues Abkommen aushandeln und die Sanktionen gegen das Land fallen lassen.
Der Iran ist eine Diktatur, unterstützt seit Jahren Terrorgruppen in der Region und droht Israel regelmäßig mit Auslöschung. Ein solcher Staat sollte auf keinen Fall vom der aktuellen Krise profitieren. Ansonsten würde man nur den nächsten potentiellen Aggressor aufbauen.
Auszug aus dem Bericht.
„Ähnlich sieht man das bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Gemäß dem weltweiten Angebot an Erdgas könne man die Lieferungen aus Russland problemlos ersetzen. Die Frage sei nur, welchen Preis man dafür bezahlen muss.“
Sind wir bereit den Preis zu zahlen?
Auszug aus dem Bericht
„Schon 2005, als Gerhard Schröder und Wladimir Putin den Bau der ersten Doppelröhre vereinbarten, hatten wir vom DIW Berlin empfohlen, besser einen Terminal für Flüssiggas zu bauen. So eine Entladestation für Tankschiffe hätte uns in die Lage versetzt, Erdgas aus vielen Lieferländern zu beziehen und die Abhängigkeit von Russland zu verringern. Bekanntlich hat die Bundesregierung entgegen wissenschaftlicher Ratschläge damals anders entschieden. Schlimmer noch: Sie wiederholte den Fehler 2013 mit Nordstream 2. Heute ergibt ein LNG-Terminal keinen Sinn mehr, besser wäre ein Wasserstoff-Terminal, um grünen Wasserstoff nach Deutschland zu importieren.“
Das auch zu dem Thema, was strategisches Denken bedeutet. So etwas nenne ich langfristige und vorausschauende Planung von Putin. Sollten sich unsere Politiker mal’ne Scheibe von abschneiden.
Ist halt die Frage, ob wir genauso schnell von Erdgas auf Wasserstoff umsteigen können wie wir ein LNG-Terminal bauen können. Vermutlich nicht. Und die Terminals sollen ja auf Wasserstoff umrüstbar sein. Ich weiß aber nicht, was diese Umrüstung kosten wird.
Da wir wohl ab 2030 ein Wasserstofftransportnetz in Deutschland benötigen werden wir auch einen entsprechenden Supply benötigen (https://www.langfristszenarien.de/enertile-explorer-wAssets/docs/Webinar-Netze.pdf S.33). Es kann also sinnvoll sein, schon davor ein Terminal zu haben. Der Bedarf ist ja nicht direkt in 2030 plötzlich da.
Zudem gibt es in ganz Europa aktuell wohl bereits jetzt genug LNG Terminals, um russische Gaslieferungen theoretisch zu ersetzen (LNG Database - Gas Infrastructure EuropeGas Infrastructure Europe und Statistical Review of World Energy | Energy economics | Home). Dazu kommen noch die ohnehin geplanten Kapazitäten in den nächsten Jahren. Wieso also etwas bauen, was anschließend noch ein teuren Umbau benötigt. Allein durch die unterschiedlichen Betriebstemperaturen von LNG und Wasserstoff sehe ich nicht, dass man mal eben einen Schalter umlegen kann. Die Anpassung kostet ebenfalls wieder Zeit. Im Optimalfsll ist das Terminal in 2026 fertig und kann dann für Wasserstoff in 2030 gleich wieder für den Umbau stillgelegt werden (etwas überspitzt gesagt).
Ich habe auch Bauchschmerzen, wenn jetzt blinder Aktionismus betrieben wird, weil die Bevölkerung in Schockstarre des Krieges und der Preise alles mittragen. Ich sehe auch nicht, wieso wir jetzt Geld in Terminals pumpen sollen, die dann nochmal umgebraut werden müssten, vor allem wenn Europa wahrscheinlich genug hat. Ehe so etwas betrieben wird, wüsste ich gerne wer daran wirklich verdient. Ähnliches deutete die Lage zu den 100 Mrd. für die Bundeswehr, bezogen auf den Applaus der CDU/CSU. Ich sehe vor allem viel Zustimmung auf Seiten der FDP, da hab ich immer ein mulmiges Gefühl, da die FDP gerne Ihrer Klientel beim Geld verdienen hilft und nur im 2. Schritt vielleicht an Deutschland denkt.
Ich habe eine Verständnisfrage. Laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle haben wir 2021 1.739.593 TJ Erdgas exportiert. Weiss jemand wieviel TJ Erdgas wir in Deutschland verbrauchen?
Vielen Dank im Voraus.