Nordstream (I+II) - Verzicht auf russisches Erdgas

ich finde es ja gut, wenn du deinen Gasversorger lobbiierst nur noch aus möglichst progressiven Orten der Welt zu importieren. Aber sei dir bitte bewusst, dass der größte Teil des Erdgases (in Deutschland) nicht zum Heizen von Privathaushalten verwendet wird - das sind gerade mal 30% des Erdgases. Dein persönlicher Erdgasrucksack liegt also vermutlich außerhalb deiner Gastherme- und nicht darin. Es gibt also größere Fische zu fangen als die Privathütten der Deutschen. Wenn du nur eins ändern kannst - änder das größte und versuch lieber Strom und Industrie erdgasfrei zu bekommen.

Das sollte das Ziel sein. Und bis dahin sollte möglichst wenig Gas importiert werden, mit deren Erlös aggressive, antiwestliche Staaten ihren Militärhaushalt finanzieren können. Womit wir wieder bei Northstream 2 sind.

Also der Zustand ist sicherlich nicht besonders gut und wird mit Wartung gegenüber einem Neubau vermutlich nie die gleiche Reduktion von Leckagen erreichen, aber ich glaube in den letzten Jahren hat die Ukraine zusätzliche Gelder für die Erneuerung bekommen.

Demgegenüber:

Ich spreche spezifisch über die Abzweigungen, die durch die Ukraine und Weißrussland laufen. Die muss man trennen von der Jamal-Europa-Pipeline durch Weißrussland, die sich genau wie die Nord Stream-Pipelines aus ganz anderen neuen Gasfeldern auf der Jamal-Halbinsel speisen. Man muss sie auch trennen von der Route nach Süden. Tatsächlich plant Russland nicht die Ukraine als Transitland zu erhalten und dementsprechend gibt es keine Pläne diese alten Gaspipelines der ehemaligen Hauptroute zu ersetzen. Wenn wir Nord Stream 2 nicht in Betrieb nehmen würden, heißt das also, dass die russische Transportkapazität nach Europa begrenzt bleiben wird. Idealerweise - aus Sicht von Russland - wird das jetzt noch bis 2024 laufende Transitabkommen mit der Ukraine nicht nochmal erneuert.

Na dann bleibt ja nur Russland.

du sagst (wenn ich dich richtig verstehe): die schwarz gemalten strecken könnte Russland verrotten lassen und die grün gestrichelte „um die Ukraine herum“ müsste gebaut werden, damit man die Ukraine als Transitland nicht mehr braucht aber noch die Türkei beliefern kann.

Ich kann mir kaum vorstellen dass die kurze Strecke die Russland aufgibt für besonders hohe Leitungsverluste steht - und den Rest der Pipelines brauchen sie ja noch.

Die angebliche militärische Aggressivität Russlands die du hier ansprichst wird in der Ukraine nicht so gesehen. Ukraines Präsident Selenskij sprach von Panikmache und bisher keinem Beweis für eine anstehende Invasion.
Scheint so als ob niemand überraschter wäre von einem ukrainisch-russischen Krieg als Ukraine und Russland.

Die Karte bildet nicht das volle Pipeline-Netzwerk ab. Hier ist eine andere:

Es gibt auch eine russische Version deiner Karte mit Ergänzungen:

Da sieht man zum Beispiel, dass die Pisarewka-Anapa-Pipeline bereits auf russischem Gebiet verläuft. Welche anderen Teile der alten Transit-Pipelines in Richtung Ukraine nicht mehr gebraucht werden, hängt davon ab, wie die interne Verteilung in Russland geregelt ist. Das sind die Bereiche des Netzes, die natürlich auch modernisiert werden. Aber eine Pipeline für die großvolumige Fernversorgung ist vermutlich anders dimensioniert, so dass sie für Russland internes Netz nicht unbedingt benötigt wird. Es hängt auch davon ab, aus welchen Gasfeldern South Stream/Turk Stream und Blue Stream auf Dauer versorgt werden.

Er hat sich auf die Meldung der USA bezogen, dass die Russen bereits kommende Woche angreifen werden.

Die Meldung aus den USA hat bisher niemand sonst bestätigen können. Selbst der BND ist bisher ja still hierzu.
Das kann sich ja noch ändern- aber bislang macht sich weder die ukrainische Regierung noch die Bevölkerung Sorgen.
Die einzigen die bisher fremdes Hoheitsgebiet verletzt haben sind die USA.

Aber welche Schlüsse lassen sich aus diesen Unterschieden ziehen? Wie oben von mir skizziert, spricht „schon lange in Betrieb“ aus wirtschaftlichen (sofern Strafzahlungen geleistet werden müssen) und umwelttechnischen Gründen eher für Nord Stream 2 als für Nord Stream 1.

Ich teile Ihre geopolitischen Argumente, allerdings existiert Nord Stream 2 nun mal schon physikalisch. Und ferner ist laut deutscher Regierung bereits „planmäßig“ Status Quo, dass Nord Stream 2 auch betrieben werden wird.

Die aktuell von der Politik diskutierten Planspiele beziehen sich auf den Fall eines Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Für mich wäre es naheliegend, wenn Russland im Kriegsfall die Soyuz und Brotherhood Pipelines außer Betrieb nimmt (sei es weil ein sicherer Transit durch die Ukraine nicht mehr gewährleistet wäre oder als Reaktion auf eine Sanktionierung von Nord Stream 2). Im Kriegsfall könnte dementsprechend die deutsche bzw. westeuropäische Nachfrage nach russischem Gas vermutlich höchstens noch mit Nord Stream 2 aufrecht erhalten werden.

Ich weiß nicht, ob das so einen großen Unterschied macht. Beide Nord Stream-Pipelines haben die gleiche Kapazität. Ja, Nord Stream 1 ist 10 Jahre älter, aber man kann es auch so sehen, dass die neue Pipeline erstmal ihre Zuverlässigkeit beweisen muss. Ausgelegt für den Betrieb ist Nord Stream 1 noch mindestens 30 Jahre. Unsere Verwendung von Erdgas müssen wir in diesem Zeitraum aber sowieso deutlich reduzieren.

Klingt so als ob Nordstream 1 und 2 demnächst alternativlos wird…

Mal sehen ob das von seriöseren Medien bestätigt wird.

Wenn man ganz ehrlich ist war dies doch eines der erklärten Ziele der Pipeline. Unabhängigkeit bei der Durchleitung nach Westeuropa. Entweder von Durchleitungs-Zoll, oder eben auch Sabotage etc.

Also wenn ich es richtig verstehe, war das Feuer schnell gelöscht, aber in dem Gebiet verlaufen keine Pipelines, die die russischen Exporte nach Europa betreffen.

Eine Randnotiz: Warum die deutsche Regierung dann doch recht schnell bereit war, den Genehmigungsprozess für Nord Stream 2 auszusetzen. Das Zertifizierungsverfahren durch die Bundesnetzagentur ist ja längst ausgesetzt seit Mitte November 2021:

https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/20211116_NOS2.html

Eventuell war das sogar ein rein symbolischer Schritt. Denn interessant ist, die Nord Stream 2 AG in der Schweiz hätte ihrer deutschen Tochter bestimmte Titel übertragen müssen, damit das Verfahren wieder aufgenommen werden kann. Das dauert sicherlich seine Zeit, aber Mitte dieses Monats war es schon drei Monate her und es gab keine Meldung, dass dieser Prozess läuft. Könnte also sein, dass letztlich Gazprom die Zertifizierung schon von seiner Seite in den letzten Monaten nicht verfolgt hat.

Als Druckmittel gegenüber Russland hat es sich natürlich sowieso als zahnlos erwiesen.

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Wie schaut es eigentlich aus wenn Europa und hier insbesondere Deutschland komplett auf Gasimporte aus russischer Quelle verzichtet. Ist das realistisch, oder sind wir im nächsten Winter dann am Ende mit unseren Reserven?

Was wären denn die Alternativen?
Wer könnte in dem Maße als Ersatz für russisches Gas einspringen damit unsere Versorgung mittelfristig gesichert wäre?

Viele Grüße
Alexander

Die Reserven sind jetzt schon am Ende. Wir müssen die Speicher erstmal wieder über das Jahr für den nächsten Winter auffüllen. Das wird bei kompletten Verzicht auf russisches Erdgas vermutlich schwierig sein.

LNG, aber keine Ahnung, wie die Kapazitäten für die Anlieferung und Einspeisung in der EU aussehen. Denke auch nicht, dass Norwegen seine Produktion deutlich steigern kann. Die Niederländer könnten die Produktion wieder aufnehmen. Andere Gasrouten müssen erst noch gebaut werden.

Danke für die schnelle Antwort.
Ist mit LNG Schiffen der Bedarf überhaupt zu bedienen? Ich meine selbst wenn wir genug Terminals dafür hätten.
Wieviel Gas benötigt Deutschland denn im Jahr und wieviel kann so ein Schiff überhaupt an LNG fassen?
Ich frage dass nur, um selbst abschätzen zu können wie realistisch eine vollständige Abkehr von russischem Gas überhaupt ist. Lang und mittelfristig ist dies bestimmt möglich, aber kurzfristig?

Ohne den Bedarf zu reduzieren ist dies meines Erachtens unmöglich. Russland liefert ca. 1/3 des Erdgasbedarfs von Europa. Tendenz steigend, da die ehemals großen Förderländer UK und Niederlande ihre Reserven mittlerweile erschöpft haben. Es gibt keine Möglichkeit, mal eben 1/3 des Bedarfs des größten Wirtschaftsraums der Welt von woanders her zu decken. Langfristig ist ohnehin fraglich, ob man überhaupt ohne die russischen Reserven auskommt, wenn Erdgas noch für Jahrzehnte weltweit intensiv genutzt werden soll.

Wenn wir uns tatsächlich so verhalten, als wären wir im (ökonomischen) Krieg mit Russland, dann könnten wir natürlich den Verbrauch verringern.

Dazu gab es gestern eine kurzen Beitrag bei Marktcheck, besonders absurd wird es bei 3:06.
Das zielt bisschen in die Richtung deiner Frage.

Dazu müsste man noch anmerken, dass die Speicherbetreibenden erst mal nur die Infrastruktur anbieten. Das heißt die Möglichkeit bieten, dass Gaslieferanten und / oder Gasvertriebsunternehmen Kapazitäten buchen können, um Gas entsprechend zu speichern. Auch wenn es strategisch recht dämlich war Gazprom zu erlauben Speicher zu besitzen und zu betrieben kann das nicht die alleinige Erklärung sein.

Da kommt wohl zusätzlich zum Tragen, dass der Gaspreis schon früh in 2021 angestiegen ist. Da haben dann dritte, nicht mit dem russischen Staat verbundenen Unternehmen auch keine ausreichend großen Mengen Gas gekauft und eingespeichert. Zumindest nicht ausreichend über bereits bestehende Verträge hinaus. Z.B. hätte eine e.on (nur als ein Beispiel von vielen ) mehr einkaufen und so die Mengen ausgleichen können, die nicht mehr direkt von Gazprom und co. eingespeichert wurden.