Links-Rechts-Einordnung

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Links ist nicht gleich links. Die politischen Ansätze von Linken sind sehr divers. In der Wikipedia heißt es dazu:

Unter der politischen Linken werden relativ breit gefächerte Strömungen des politischen Spektrums verstanden. Die mitunter weit voneinander entfernten Strömungen der politischen Linken eint dabei, dass sie von der Gleichwertigkeit der Menschen ausgehen und den Egalitarismus unterstützen, oft, indem sie sich gegen den Erhalt sozialer Hierarchien stellen. Mit linker Politik werden sehr unterschiedliche Umsetzungsversuche jener ideologischen Ansätze bezeichnet, welche die Aufhebung von Ungleichheit und als Unterdrückung begriffenen Sozialstrukturen zugunsten der wirtschaftlich oder gesellschaftlich Benachteiligten zum Ziel haben.

Weil linke Politikansätze/Positionen so breit gefächert und unterschiedlich sind, können sie auch einander widersprechen.

Wenn jemand wie Maurice Höfgen bestimmte linke Positionen/Ansätze kritisiert, muss er deshalb noch nicht nicht links sein.

Und da lasse ich jetzt mal pseudolinke Bestrebungen wie das BSW außen vor.

Eine einfache Grundorientierung bietet das folgende zweidimensionale Modell:


Wobei man sich natürlich fragen kann, ob links-autoritär im Gegensatz zu links-liberal nicht schon ein Widerspruch in sich ist.

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Wie würdest du den Stalinismus oder Maoismus einschätzen. Oder was ist mit Castros Kuba und Jong-Uns Korea?

Nur weil es in Europa kaum Parteien im Linksautoritären Spektrum gibt heißt das m. E. nicht, dass das die Regel ist.

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Die Frage ist, wie du links und rechts interpretierst. Die NSDAP führte auch das Wort „sozialistisch“ im Parteinamen, die DDR und Nordkorea das Wort „demokratisch“ im Staatnamen, ohne das dies eine Bedeutung hätte.
Grundsätzlich schien mir immer, dass Rechte meist die Menschen nach Herkunft (auch Kulturkreis und Religion) bzw. biologistisch (Geschlecht, Hautfarbe) in Gruppen einteilen und diesen dann unterschiedliche Rechte zuweisen. Linke teilen eher nach Klassenzugehörigkeit bzw. politischen Ansichten ein, zielen insgesamt aber auf Gleichheit bzw. Gleichbehandlung ab.

Bei den von dir genannten Beispielen handelt es sich m.E. um die Machtübernahme einer kleinen Gruppe rechter Autokraten unter dem Deckmantel linken Wortschatzes :man_shrugging:t3:.

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Vielleicht hilft es hier, den klassischen Unterschied von „autoritären“ und „totalitären“ Staatsformen anzubringen.

Dabei ist der Hauptunterschied, dass autoritäre Regierungen nicht das Denken der Menschen kontrollieren wollen, solange es keine Opposition gibt, die sich offen äußert. In einem autoritären Staat musst du keine Glaubensbekundungen abgeben und er hat keine Erziehungsabsicht.

Eine totalitäre Regierung hingegen will das Denken beeinflussen und im wesentlichen die Menschen verändern, in welcher Hinsicht auch immer. Dazu gibt es Einparteienorgas, Jugendorganisationen etc.

Was du beschreibst, @mifr, klingt mir in dem Kontext nach „alles Autoritäre oder Totalitäre ist per definitionem rechts“. Das ist eine schöne Erklärung, aber hält meiner Meinung nach einer historischen Betrachtung nicht stand.

So haben linke Bewegungen durchaus totalitäre Bewegungen hervorgebracht, und nicht zu knapp (Jakobiner, Kommunismus aller Ausprägungen). Ebenso haben rechte Bewegungen totalitäre Ausformungen hervorgebracht (NS-Regime natürlich).

Autoritäre Regime waren früher fast immer eher rechtsorientiert, weil linke Bewegungen durch starke moralische Ansprüche zu einer Erziehung und Veränderung im Denken tendieren und damit einen Hang zum Totalitären haben, wenn sie ausschlagen.

Was, glaube ich, neu ist: Seit dem 21. Jh. hat China bewiesen, dass auch eine linke Ideologie ein autoritäres Regime hervorbringen kann, das heißt offiziell so was wie „kommunistisch“ ist, aber eigentlich nur noch den Alleinherrschaftsanspruch durchsetzt.

Lange Rede kurzer Sinn: Natürlich haben auch linke Bewegungen totalitäre Ansprüche (Freiheit, Gleicheit, Brüderlichkeit → die demokratische Maschine des Herrn Guillotine).

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Ich kann hier tatsächlich nicht folgen, wie das allen Ernstes zu Totalitarismus führen kann, ohne gegen eine der drei Prinzipien zu verstoßen. Aber vermutlich bin ich einfach zu links :man_shrugging:t3:

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Eine gute Frage. Tatsächlich ist es dennoch passiert. Mein Punkt ist: Die Französische Revolution ist mit linken Idealen gestartet und dann zu einer totalitären Herrschaft geworden. Die Bedeutung „links“ ist ja gerade aus der Sitzordnung der Nationalversammlung entstanden, wo die Jakobiner saßen. Willst du sagen, dass sie nicht wirklich „links“ waren?

Robespierre hatte sehr linke, hart moralische Überzeugungen und war bereit, sie streng durchzusetzen:

Wenn der Geist der Regierung im Frieden die Tugend ist, so ist er während der Revolution Tugend und Terror zugleich: Tugend, ohne die der Terror verderblich ist. Terror, ohne den die Tugend ohnmächtig ist. Terror ist nicht anderes als rasche, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit. Er ist eine Offenbarung der Tugend. Der Terror ist nicht ein besonderes Prinzip der Demokratie, sondern er ergibt sich aus den Grundsätzen, welche dem Vaterland als dringendste Sorge am Herzen liegen müssen.

Gerade als Linker finde ich es interessant, linke Bewegungen vorurteilsfrei und ohne Verklärung anzuschauen.

Oder wird ein Linker rechts, wenn er totalitäre oder autoritäre Züge zeigt? Waren Menschen wie Lenin, Mao, Robespierre, Pol Pot also „Rechtsradikale“, gar Faschisten? Oder vielleicht nur „unechte“ Linke?

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Wenn Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ausgewogen sind, kann es aus meiner Sicht eigentlich nicht zu Lösungen durch Gewalt kommen. Es wird natürlich schwierig, wenn jemand diese Prinzipien nicht möchte, also z.B. schlichtweg egoistisch ist und seine eigene Freiheit so stark wahrnimmt, dass die anderer dadurch über die Maße eingeschränkt wird. Oder, wie Religionen es häufig tun, gleiches Verhalten und gleiche Rituale für alle vorschreiben wollen, das verletzt auch wieder die Freiheit des einzelnen. Für mich ist sowas rechts.
Es ist ein Prozess.

Folgendes ist lautes Denken:

Ist das nicht aber leicht vereinfacht? Sobald linke Träume platzen ist es rechts?

Ein guter Punkt ist die Abwägung von individueller Freiheit mit Gemeinschaftsinteressen. Oder die individuelle Freiheit mit der eines Anderen (ob existierend oder zukünftig).

Wenn man da sehr auf die Gemeinschaftsebene geht, wird man sehr schnell autoritär. Stichwort diverse Verbotsvorschläge um Klimawandel zu begegnen, Verbot der Sterbehilfe etc.

Ob das inhärent in einer linken Ideologie liegt oder dann auftrat, wenn konsequent linke Ideologie auf die Praxis getroffen ist, weiß ich nicht. Ich tippe wohlwollend eher auf die zweite Option.

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Ich kenne dieses Modell vor allem von der Website https://www.politicalcompass.org/
Die beiden Dimensionen Libertarian/Authoritarian und Economic Left/Right haben sicher ihre Tücken und Lücken, sind aber andererseits auf der Seite m. E. auch gut begründet, mit Verweisen auf entsprechende Literatur und Beispiele von Personen oder Gruppen, die etwa eine „Authoritarian Left“ oder eine „Libertarian Right“ vertreten. Die Einordnung selber erfolgt aufgrund der Positionierung zu politischen Statements, etwa „Ich unterstütze immer mein Land, egal ob es richtig liegt oder falsch“ oder „Je freier der Markt, desto freier die Menschen“ oder „Die Regierung sollte Unternehmen bestrafen, die die Bevölkerung irreführen“.
[Edit: Die Statements können einem teilweise sehr extrem vorkommen, aber der Kompass soll eben alle möglichen politischen Positionierungen erfassen]

Es gibt verschiedene Kompasse zu tatsächlichen politischen Bewegungen und Parteien (etwa zur aktuellen Parlamentswahl in Frankreich oder in UK).
Und nicht zuletzt kann man sich auch einen Test machen und sich die eigene politische Position auf dem Kompass anzeigen lassen.

Wie gesagt sicherlich nicht politikwissenschaftlich bis ins letzte ausgereift, aber dennoch interessant und m. E. auch unterhaltsam /Werbeblock Ende :wink:

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Das grundsätzliche Problem ist in der Tat, dass nur „links“ und „rechts“ die Komplexität der Realität nicht abbilden können. Mit dem BSW haben wir jetzt in Deutschland eine Partei, die uns das vor Augen führt, aber gerade, wenn man mal nach Südamerika schaut, wird sehr schnell klar, dass dieses Problem schon länger existiert.

Ein Modell mit zwei Achsen (i.d.R. wirtschafts- und sozialpolitisch) kann das schon besser darstellen, aber es wird, wie @Flixbus richtig anmerkt, dennoch Fälle geben, die mit diesem Modell nicht ideal erklärt werden können. Es gibt auch drei- und sogar mutli-dimensionale politische Kompasse, bei drei Dimensionen wird die wirtschaftliche Dimension üblicherweise aufgespalten in „Individualismus/Kollektivismus“ und „Progressiv/Konservativ“, so wäre dann auch die FDP (Individualismus, Progressiv) von der AfD (Individualismus, Konservativ) auf dieser Achse abgrenzbar. @Christian_B1 hat ja schon darauf verwiesen, dass gerade der Punkt „Individualismus vs. Kollektivismus“ eine maßgebliche Bedeutung hat.

Letztlich ist es wirklich eine Frage, wie sehr man in’s Detail gehen will. Zusätzliche Ebenen lassen mehr Differenzierung zu, erfordern aber auch wesentlich mehr Einarbeitung und Verständnis der Materie. Bereits ein Zweidimensionales System wird in vielen Diskussionen bereits „zu detailliert“ sein, leider, Modelle mit mehr als drei Dimensionen sind einfach nicht alltagstauglich. Für Formate wie die Lage der Nation gilt eben, dass man nicht zu viel voraussetzen kann - wollte man mit einem zwei- oder dreidimensionalen System arbeiten, müsste man es den Zuhörern jedes Mal erstmal erklären, was offensichtlich nicht funktioniert. Ein einfaches Rechts-Links-Schema im Sinne eines eindimensionalen Systems versteht zwar jeder, wird aber den Realitäten nur sehr begrenzt gerecht. Wieder mal ein klassisches Dilemma, das nur zu lösen wäre, wenn solche Modelle viel stärkere Verbreitung erfahren würden - aber wer will damit anfangen?

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Grundsätzlich bin ich sehr für eine genauere Ausdifferenzierung als nur „links/rechts“. Gerade das Modell des politischen Kompasses finde ich aber hoch fragwürdig, da beide Achsen nicht unabhängig voneinander sind. Was ist denn eine „ökonomisch rechte“ Position? Doch nur, dass Unternehmen autoritär geführt werden sollten. Es ist ein Widerspruch in sich, gleichzeitig „antiautoritär“ zu sein und die autoritäre Kontrolle von Leuten wie Jeff Bezos oder Elon Musk abzufeiern.

Es gibt andere Pole, die man einer Achse „autoritär - libertär“ sinnvoll gegenüberstellen kann, aber das wäre eher etwas wie „progressiv - konservativ“.

Danke für den Tipp.

Der Selbsttest hat zwar meine Erwartungen bestätigt, aber man merkt dann doch, dass der Test zum einen wenig kulturangepasst und zum anderen bzgl. der Items auch meines Erachtens nicht wirklich testtheoretisch so ganz ausgefeilt ist.

Einerseits merkt man ihm die mutmaßliche Herkunft aus den USA an. Andererseits sind einzelne Items mindestens mehrdeutig, wenn nicht gar missverständlich.

Was man von abstrakter Kunst hält, ist z. B. nachweislich ein recht guter Indikator für Linksliberalismus.

Aber so Items wie das folgende sind letztlich indifferent: „Menschen sind letztendlich eher wegen ihrer Klasse gespalten als wegen ihrer Nationalität.“

Hier handelt es sich ja um eine Tatsachenbehauptung. Die Zustimmung zur Aussage soll wohl auf Linkssein hindeuten. Doch das ist Quatsch. Denn ich kann ja dem Faktum zustimmen, dass Menschen einander eher nach Herkunft/nationaler Zugehörigkeit ausschließen - einfach weil’s genug Bekloppte gibt, die solcherart Fremdgruppenabwertung nach Othering praktizieren. Das für korrekt zu halten, bedeutet ja noch keineswegs, dem auch zuzustimmen.

Ein paar andere Items sind m. M. n. ähnlich problematisch.

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Nein, das bedeutet es meines Wissens nicht. Rechts auf der ökonomischen Dimension heißt bspw. Kapitalismus pur. Der Staat hält sich weitgehend überall raus und Gewinne darf das Unternehmen selbst verteilen. Steuern zur Umverteilung gibt es nicht und jeder ist seines Glückes Schmied.

Ökonomisch links in Extremform wäre hingegen eine Warenzuteilung bei der jeder nicht nur den gleichen Warenwert bekommt, sondern exakt die gleichen Waren. Besitz wie Unternehmen würden vollkommen vergemeinschaftet. Die individuelle Leistung interessiert nicht. Was die Gemeinschaft erwirtschaftet wird geteilt, völlig egal ob das individuell ungerecht empfunden würde.

Wie wär’s denn mit Folgendem?

Links ist Freiheit zur Verantwortung.
Rechts ist Freiheit vor Verantwortung.

Grundsätzlich gebe ich dir recht, dass ein mehrdimensionales Modell natürlich noch differenziertere Darstellungen ermöglichst, aber das zweidimensionale Kompass-Modell lässt es durchaus zu, etwa die unterschiedlichen Psoitionierungen von FDP und AfD erkennbar zu machen, wie die Grafik zur Bundestagswahl 2021 zeigt:

Wie gesagt wird auf der Kompass-Website ausführlich erklärt, wie sich die beiden Dimensionen voneinander unterscheiden, und warum ein „rechtes“ Denken auf der einen Achse eben nicht automatisch zu einem „rechten“ Denken auf der anderen Achse führt. Man muss dem ja nicht in allen Punkten zustimmen und kann wie schon gesagt das Modell auch für zu einfach halten, aber diese Kritk wird der Komplexität des Modells nicht gerecht.

Diese Differenzierung, die @Christian_B1 so nicht aufgemacht hat - er schrieb von einer „Abwägung von individueller Freiheit mit Gemeinschaftsinteressen“, was auch noch problematisch ist, aber schon weniger - ist schwierig. Auf Intercultural-network.de heißt es zunächst ganz deskriptiv:

Die Individualismus/Kollektivismus Dimension Hofstedes ist wohl eine der am meisten angewendeten und besprochenen Dimensionen.
Diese Dimension beschäftigt sich vor allem mit der Prioritätensetzung innerhalb der Gesellschaft auf das Individuum oder auf die Gruppe.

Nun meine Anschlussüberlegung: Eine Gesellschaft kann hochgradig individualistisch sein in dem Sinne, dass jede/r Einzelne nach ihrer/seiner Façon leben kann, und gleichzeitig sehr gemeinwohlorientiert. Beides schließt einander ja gar nicht aus.

Individualisten per se zu unterstellen, dass sie auch Egoisten seien, und ferner zu meinen, dass Einzelinteressen immer schon den Gemeinschaftsinteressen entgegenstünden, ist hanebüchen.

Eine Gesellschaft kann horizontal völlig individualistisch sein, was aber keineswegs bedeutet, dass dies zu einer vertikalen Hierarchisierung führt.

Ersteres würde man mit Diversität umschreiben, Letzteres mit Privilegierung und Benachteiligung.

Und da liegt auch einer der Schlüssel, warum das BSW letztenendes rechts ist. Denn Wagenkecht & Co. wollen Privilegierung für diejenigen, die in der Geburtslotterie gewonnen haben, nämlich aufgrund dessen einen deutschen Pass besitzen, und Benachteiligung für die Nicht-Deutschen (z. B. Geflüchtete).

Links zu sein würde hingegen bedeuten, „von der Gleichwertigkeit der Menschen aus[zu]gehen und den Egalitarismus [zu] unterstützen“ (s. o.). Dazu muss man Benachteiligungen aller Art nullifizieren.

Wohingegen rechts zu sein bedeutet, einer „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ (Zick et al.) zu huldigen.

Links zu sein bedeutet, In- und Outgroup gleichzustellen.

Rechts zu sein bedeutet, Eigen- und Fremdgruppe zu hierarchisieren.

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Kannst du die ausführliche Erklärung verlinken? Ich finde dazu nämlich nichts auf der Website. Es gibt soweit ich sehen kann nicht einmal eine Erklärung, wie bestimmte Testfragen das Ergebnis beeinflussen. Alles was ich zum Thema „ist das eine sinnvolle Unterteilung in Achsen?“ finden kann, ist das hier im FAQ:

There have to be other measures for a political compass
Great. Tell us about them so that we can consider adding them. But surely our two axis arrangement is a vast improvement on the single one that you’ve put up with for more than 2 centuries.

Also im Wesentlichen „unsere Unterteilung ist besser als nichts und deshalb gut“.

Gegenfrage: Wer zwingt einen Autor bzw. Redner, dieses bestenfalls sinnlose oder schlechtestenfalls demagogische Stilmittel „Links-Rechts-Schema“ zu verwenden? Warum kann eine politische Forderung (bzw. ein Vergleich politischer Forderungen) nicht anhand eines semantisch ausreichend klaren Begriffs beschrieben und diskutiert werden?

Um nur einige Begriffe zu nennen, bei denen Sender und Emfänger vermutlich ähnliche, sachliche Assoziationen haben: anarchisch, libertär, konservativ, ordoliberal, sozialistisch, kommunistisch, nationalistisch, völkisch.

Was ich persönlich nicht in dieser Liste sehe sind Begriffe wie sozial, liberal oder progressiv, da sie von nahezu jeder politischen Strömung für sich deklariert werden können.

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Ich habe Politik- und Gesellschaftswissenschaften studiert und mir würde es schwer fallen, spontan korrekte Definitionen zu einem großen Teil dieser Begriffe aufzuschreiben. Bei ausreichend vorgebildeten Rednern/Schreibern mögen diese Begriffe präziser sein, im Publikum werden sie aber nicht so wahrgenommen. Ich stelle mal die Behauptung auf, dass selbst z.B. in der Leserschaft der ZEIT näherungsweise niemand wüsste was „ordoliberal“ exakt bedeutet und wie man den Begriff von anderen Konzepten abgrenzt. Andere Begriffe, wie z.B. „anarchisch“ haben umgangssprachlich eine völlig andere Bedeutung als politikwissenschaftlich.

Dadurch wird das Gegenteil der eigentlichen Intention erreicht: Kommunikation wird nicht präziser, sondern beliebiger und verwirrend. Die Leser sind verunsichert und suchen sich Autoren, die sie verstehen (zu glauben), weil sie bekannte Begriffe verwenden.

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Diese Grundunterscheidung ist weder sinnlos noch demagogisch, sondern nützlich.

Ernst Jandl dichtete mal augenzwinkernd:

lichtung

manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum!

Volker Hage schreibt dazu in Hundert Gedichte des Jahrhunderts (2000) zunächst schlüssig Folgendes:

Was das Gedicht sagt, ist bereits in seinem Bauprinzip enthalten. Eine Verdoppelung, die doch nichts Überflüssiges enthält. „werch ein illtum!“ – welch ein Irrtum, daß man Rechts und Links nicht verwechseln kann! Das Gedicht verwechselt ja selbst: nicht Rechts und Links, doch die jeweiligen Anfangsbuchstaben als für die Begriffe stehend.

Daran anschließend, könnte man jetzt sagen, dass die irrtümliche Verwechslung von Links und Rechts schon im übertragenen Sinne eine ausgeprägte (Lese-Rechtschreib-) oder (Seh-)Schwäche zugrunde liegen muss.